missio magazin Ausgabe 3/2022
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NACHGEFRAGT BEI...<br />
Ulrich van der Heyden<br />
Missionskritik ist für den Missions- und Kolonial -<br />
histo riker Ulrich van der Heyden keine eindeutige Sache.<br />
Zumindest muss sie seiner Meinung nach weniger<br />
eurozentrisch sein und vielmehr die betroffenen<br />
Menschen miteinbeziehen. Ein Gespräch über das<br />
Zusammenspiel von Kolonialismus und Mission, den<br />
Stand der Aufarbeitung bei Kirchen und Missions -<br />
gesellschaften – und über einen Moment der Erkenntnis<br />
im Gespräch mit einem afrikanischen Bischof.<br />
INTERVIEW: KRISTINA BALBACH<br />
„Es gibt mehr<br />
Standpunkte<br />
als nur den<br />
europäischen.“<br />
Herr van der Heyden, sagt Ihnen<br />
Rolihlahla Mandela etwas, geboren 1918?<br />
Sie meinen Nelson Mandela, den ersten<br />
schwarzen Präsidenten Südafrikas?<br />
Den Namen Nelson erhielt Mandela an seinem<br />
ersten Schultag an einer Missionsschule.<br />
Aber es änderte sich mehr als der<br />
Name. Mandela sagte einmal, ohne die Bildung<br />
durch Missionare hätte er sein Land<br />
nie in die Freiheit führen können.<br />
Der Besuch der Missionsschule hat ihn da -<br />
zu gebracht, die damaligen gesellschaftlichen<br />
Verhältnisse kritisch betrachten zu<br />
können. Damit ist er nicht alleine. Es gab<br />
ab 1960, dem sogenannten Afrikanischen<br />
Jahr, wohl kaum ein afrikanisches Staatsoberhaupt,<br />
das ohne <strong>missio</strong>narisch geprägte<br />
Schullaufbahn sein Land in die Unabhängigkeit<br />
geführt hat. Es ging zunächst<br />
darum, Lesen und Schreiben zu lernen, um<br />
Anschluss an die Moderne zu finden.<br />
Aus dem Bildungsbürgertum gingen aber<br />
auch korrupte Eliten hervor, die die kolonialen<br />
Strukturen übernommen haben.<br />
Die Abhängigkeit vom globalen Norden ist in<br />
vielerlei Hinsicht bis heute gegeben. Was die<br />
Korruption betrifft, sie ist ein weit verbreitetes<br />
Phänomen, auch in Afrika. Aber für die<br />
afrikanischen Länder muss man das aus der<br />
Tradition heraus erklären. In vielen Ethnien<br />
unterstützt die Großfamilie einen begabten<br />
Menschen mit all ihren Möglichkeiten. Wenn<br />
dieser es dann in eine gute Position geschafft<br />
hat, in der er etwas bewirken kann, tut er das<br />
häufig für seine eigenen Leute.<br />
Mit den Missionsschulen kam also Bildung.<br />
Aber Wissen gab es schon vorher.<br />
Unbedingt. Das spezifische Wissen einer jeden<br />
Ethnie ist immens. Aber eine Gesellschaft<br />
entwickelt sich heute eben hin zur<br />
Moderne und dazu gehört die Teilhabe<br />
durch Allgemeinbildung. Kirchlich getragene<br />
Schulen sind meines Wissens im globalen<br />
Süden bis heute sehr gut aufgestellt.<br />
Foto: privat<br />
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| <strong>missio</strong> 3/<strong>2022</strong>