missio magazin Ausgabe 1/2022
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MISSIO STIFTUNGEN<br />
Feuerlöscher gegen<br />
die Brandstifter<br />
Wie lässt sich in einem Land der Frieden<br />
erhalten, wenn in den Nachbarländern<br />
Fundamentalismus und Terrorismus wachsen? Wie gelingt es, unterschiedliche Gruppen und Religionen<br />
davor zu bewahren, gegeneinander ausgespielt zu werden? Vertreter aus Politik, Kirche und Gesellschaft<br />
nahmen diese Fragen anhand des westafrikanischen Landes Senegal in einer von <strong>missio</strong> München und der<br />
Hanns-Seidel-Stiftung organisierten, hoch spannenden Podiumsdiskussion in den Blick.<br />
HASSBOTSCHAFTEN und Fake<br />
News beschädigten in Westafrika zunehmend<br />
auch die noch stabilen Länder,<br />
sagte Matthias Duchscherer von Common<br />
Effort, einem deutsch-niederländischen<br />
Zusammenschuss aus militärischen<br />
und zivilgesellschaftlichen Organisa -<br />
tionen. Länder wie Senegal, Ghana,<br />
Elfenbeinküste, Togo und Senegal hätten<br />
berechtigte Sorge, dass die Gewalt aus<br />
Ländern wie Mali, Niger und Burkina<br />
Faso zu ihnen überschwappe. Daher<br />
müsse der Blick sich vor allem auf die<br />
Länder richten, die noch nicht so stark im<br />
Fokus der Extremisten seien.<br />
Die Grenze zu Mali sei die gefährdetste<br />
Region in seinem Heimatland, sagte André<br />
Guèye, Bischof der Diözese Thiès im<br />
Senegal. Noch werde Senegal durch seine<br />
stabile Demokratie mit ihren Institutionen<br />
bewahrt. Vor dem Islamismus, der sich<br />
ausbreite, schütze das Land vor allem sein<br />
toleranter, offener Islam. 95 Prozent der<br />
Bevölkerung sind Muslime. Die Chefs der<br />
Sufi-Bruderschaften wachen als religiöse<br />
Führer über ihre Anhänger.<br />
Dass die Sufi-Bruderschaften den Extremisten<br />
langfristig viel entgegenzusetzen<br />
hätten, bezweifelte hingegen Markus Grübel,<br />
Beauftragter der Bundesregierung für<br />
weltweite Religionsfreiheit. Die Gewaltbereitschaft<br />
sei enorm. Die Klimakrise und<br />
das Bevölkerungswachstum verschärften<br />
die bestehenden Probleme noch.<br />
Dem entgegnete Kalif Mountaga Tall,<br />
der in der muslimischen Gesellschaft des<br />
Senegals für die einflussreiche Familie<br />
Omarienne spricht, dass die Chefs der<br />
Bruderschaften nach wie vor großen Einfluss<br />
auf Gläubigen hätten. Eine Gefahr<br />
sei vielmehr, dass schlafende Zellen der<br />
Dschihadisten die Politik infiltrierten.<br />
Auf die Frage von Moderator Christian<br />
Selbherr, der das Gespräch immer<br />
wieder auf aktuelle Fragestellungen<br />
lenkte, ob die Region zu einem zweiten<br />
Afghanistan werden könne, sagte Klaus<br />
Steiner, Landtagsabgeordneter und entwicklungspolitischer<br />
Sprecher der CSU,<br />
dass in Mali aus seiner<br />
Sicht nicht der<br />
Militäreinsatz gescheitert<br />
sei, sondern<br />
die korrupte Regierung<br />
das Land zugrunde<br />
gerichtet<br />
habe. Bildung und<br />
Wertschöpfung vor<br />
Ort seien grundlegend wichtig.<br />
Melanie Huml, bayerische Staatsministerin<br />
für Europaangelegenheiten und<br />
Internationales, betonte, dass das Augenmerk<br />
auf Reformpartnerschaften erfolgen<br />
müsse, also der Zusammenarbeit mit<br />
Ländern, die auf einem guten, demokratischen<br />
Weg seien. Die Führer der Religionsgemeinschaften<br />
seien dabei wichtige<br />
Oben: Die Diskussionsteilnehmer (v. l.) Matthias Duchscherer,<br />
Klaus Steiner, Melanie Huml, Christian Selbherr, Msgr.<br />
Wolfgang Huber, Bischof André Guèye, Kalif Mountaga Tall,<br />
Erzbischof Ludwig Schick und Markus Grübel<br />
Kontakte vor Ort. Gerade über zuverlässige<br />
Partner wie <strong>missio</strong> München sei sie<br />
sehr froh. Es gehe darum, dass Länder wie<br />
Senegal den Frieden exportierten und<br />
nicht die instabilen Regionen den Terror.<br />
Gut funktionierende interreligiöse<br />
Gruppen seien ein wichtiger Feuerlöscher<br />
gegen die Brandstifter des Terrors, betonte<br />
der Bamberger Erzbischof Ludwig<br />
Schick, dessen Bistum eine enge Partnerschaft<br />
mit dem Senegal pflegt. Bildung sei<br />
dabei ein Wall gegen Radikalisierung. Er<br />
rief in Erinnerung: „Ein unruhiges Afrika<br />
ist immer auch ein unruhiges Europa“. A<br />
BARBARA BRUSTLEIN<br />
<strong>missio</strong> 1/<strong>2022</strong> |<br />
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