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missio magazin Ausgabe 1/2022

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NACHGEFRAGT BEI...<br />

Dieter Müller, 64<br />

Das verhältnismäßig kleine Schutzelement Kirchenasyl<br />

hat in den letzten Jahren etliche tausend Geflüchtete<br />

vor schweren Menschenrechtsverletzungen bewahrt.<br />

Dieter Müller ist seit zwanzig Jahren beim Jesuiten-<br />

Flüchtlingsdienst tätig und seit rund vier Jahren auch<br />

in der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

Asyl in der Kirche e.V. Seit 2017 beobachtet er einen<br />

zunehmend restriktiven Umgang mit Kirchenasyl -<br />

gebern, vor allem in Bayern. Die aktuell laufenden<br />

Strafverfahren könnten richtungsweisend sein,<br />

prognostiziert er.<br />

INTERVIEW: BETTINE KUHNERT<br />

„Unser Ziel ist<br />

eine gerechtere<br />

Asylpolitik.“<br />

Herr Müller, der Schutz der Menschen<br />

vor Lebensgefahr gehört zum kirchlichen<br />

Kernauftrag. Welche Bedeutung hat<br />

das Kirchenasyl in diesem Zusammenhang<br />

heute?<br />

Das Kirchenasyl steht in einer jahrhundertealten<br />

Schutztradition, aus der heraus sich seit<br />

2014 eine Praxis entwickelt hat, die eingreift,<br />

wenn eine Abschiebung in Gefahrensituationen<br />

in einem anderen EU-Land droht. Es<br />

geht nicht darum, den Rechtsstaat in Frage<br />

zu stellen. Kirchenasyle können vielmehr einen<br />

Beitrag dazu leisten, das oberste Ziel des<br />

Rechts zu verwirklichen: den Schutz der<br />

Menschenwürde. Mit der Gewährung von<br />

Kirchenasyl tritt eine Gemeinde oder Ordensgemeinschaft<br />

zwischen Geflüchtete und<br />

die Behörden. Das schafft Zeit für weitere<br />

Verhandlungen und eine sorgfältige Überprüfung<br />

des Schutzanspruchs, um ein faires<br />

Verfahren unter Berücksichtigung aller Aspekte<br />

zu ermöglichen.<br />

Wer hat gute Chancen auf Kirchenasyl und<br />

wer nicht?<br />

Erstes Kriterium für die Entscheidung, ob<br />

Kirchenasyl gewährt wird, ist das Herkunftsland.<br />

Die grundsätzliche Frage ist: Hat<br />

die Person tatsächlich eine Chance auf Asyl?<br />

Kommt sie aus Ghana, dann eher nicht.<br />

Kommt sie hingegen aus Syrien, stehen die<br />

Chancen gut! Die zweite Überlegung ist:<br />

Welcher EU-Mitgliedsstaat ist gemäß Dublin-Verordnung<br />

zuständig und was würde<br />

der Person dort gegebenenfalls drohen? Generell<br />

Vorrang haben Frauen sowie Familien<br />

mit Kindern, aber auch Menschen, die aufgrund<br />

einer Krankheit zwingend auf bestimmte<br />

Medikamente angewiesen sind.<br />

Wie hat sich die Zahl der Kirchenasyl-Fälle<br />

in den letzten Jahren entwickelt?<br />

Die Räumung eines Kirchenasyls in Augsburg<br />

in 2014 lenkte die Aufmerksamkeit auf<br />

die zuvor nur im zweistelligen Bereich praktizierten<br />

sogenannten „Dublin-Kirchenasyle“.<br />

Bis Jahresende stieg die Zahl sprung-<br />

Foto: JRS/Martina Schneider<br />

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| <strong>missio</strong> 1/<strong>2022</strong>

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