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Staßenzeitung Freiburg

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26. Jahrgang<br />

<strong>April</strong> 2024<br />

2,10 €, davon 1,- €<br />

für die VerkäuferInnen<br />

UNABHÄNGIGE STRASSENZEITUNG FÜR FREIBURG UND DAS UMLAND<br />

ZUR UNTERSTÜTZUNG VON MENSCHEN IN SOZIALEN NOTLAGEN<br />

FÜR EINE GERECHTERE GESELLSCHAFT<br />

Eine dringende Agenda für soziale Gerechtigkeit<br />

DAS INTERNET VERGISST NIE<br />

Chancen und Risiken im digitalen Zeitalter<br />

NEUE OMBUDSSTELLE IN FREIBURG<br />

Interview mit der Ombudsfrau Ute Aschendorf


INHALT<br />

3<br />

VORWORT<br />

22<br />

DIE GESCHICHTE DER PIZZA<br />

4<br />

RECHT AUF STADT<br />

24<br />

VERKÄUFER ATILLA<br />

6<br />

900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG<br />

26<br />

BUCHBESPRECHUNG<br />

10<br />

NEUE OMBUDSSTELLE<br />

27<br />

KOCHEN<br />

12<br />

IM GESPRÄCH MIT...<br />

28<br />

SPORT<br />

14<br />

SOZIALE MEDIEN<br />

30<br />

RÄTSEL<br />

18<br />

ÖKONOM MORITZ SCHULARICK<br />

31<br />

ÜBER UNS<br />

OHNE IHRE UNTERSTÜTZUNG<br />

GEHT ES NICHT<br />

Liebe LeserInnen,<br />

um weiterhin eine<br />

interessante Straßenzeitung<br />

produzieren und Menschen<br />

durch ihren Verkauf einen<br />

Zuverdienst ermöglichen<br />

zu können, benötigen<br />

wir Ihre Hilfe.<br />

Vielen Dank!<br />

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DER FREIeBÜRGER e. V.<br />

IBAN: DE80 6809 0000 0002 4773 27<br />

BIC: GENODE61FR1<br />

Denken Sie bitte daran, bei einer Überweisung Ihren Namen<br />

und Ihre Anschrift für eine Spendenbescheinigung anzugeben.<br />

2<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024


Liebe LeserInnen,<br />

wie jeden Monat um diese Zeit sitze ich in meinem Wagen<br />

und schreibe das Vorwort. Ich schaue aus meinem<br />

frisch geputzten Fenster in den Wald und freue mich darüber,<br />

dass der Frühling kommt. Es ist ja auch schön, wenn<br />

draußen alles grün wird, die Sonne scheint und so nach<br />

und nach die Tierchen aus dem Winterschlaf kommen.<br />

Eine richtige kleine Idylle habe ich hier draußen.<br />

Aber nur so lange, bis ich Nachrichten an mich heranlasse!<br />

Dann ist es schnell vorbei mit meiner Ruhe und<br />

Beschaulichkeit. So wie neulich, als ich mal wieder Friedrich<br />

Merz zuhörte bei seiner ewigen Litanei von der bösen<br />

Ampel und dem klugen Fritz. Jetzt hat die Ampel auf<br />

ihrem Feldzug gegen den deutschen Wohlstand also einen<br />

weiteren Schritt gemacht, als sie uns Faulenzern und<br />

Nichtstuern das Bürgergeld erhöhte. Das hat die Regierung<br />

nicht etwa getan, um den Menschen trotz Krieg und<br />

Inflation ein würdigeres Leben zu ermöglichen, nein, das<br />

hat sie nur gemacht, um die Menschen von einer geregelten<br />

Arbeit abzubringen. Natürlich verspricht er seinen<br />

WählerInnen prompt, auch diesen Fehler der Ampel<br />

auszumerzen, sobald er an der Macht ist. Ich weiß nicht,<br />

was in diesem Menschen vorgeht, was der vom Volk, das<br />

ihn ja wählen soll, eigentlich denkt... Ob dem schon mal<br />

aufgefallen ist, dass es seit Jahrzehnten Arbeitslose in<br />

Deutschland gibt, also lange, bevor das Wort „Ampel“<br />

für die Politik entdeckt wurde? Und dass die Anzahl der<br />

Arbeitslosen ständig steigt? Und dass das oft daran liegt,<br />

dass Unternehmen Arbeitsplätze aus Gewinnsucht streichen<br />

und nicht weil die ArbeiterInnen auf einmal geil auf<br />

Bürgergeld sind?! Allein seine Phrase, das erhöhte Bürgergeld<br />

mache den Anreiz eines Minijobs zunichte, hat<br />

mich wütend gemacht. Denn es ist eine Frechheit, dass<br />

den Menschen in einem reichen Land wie dem unseren<br />

überhaupt Minijobs angeboten werden. Auch sogenannte<br />

Arbeitsmaßnahmen mit Aufwandsentschädigung sind<br />

nicht menschenwürdig, denn die Vergütung beträgt<br />

etwa einen bis zwei Euro pro Stunde. Dafür muss man<br />

dann aber auch richtig körperlich arbeiten, wie z. B. in der<br />

Stadtgärtnerei oder auf dem Holzhof. Und lehnt man eine<br />

solche Chance auf einen beruflichen Neustart ab, kann<br />

das vom Jobcenter sanktioniert werden. Es ist nämlich<br />

nicht so einfach, wie der olle Fritze das seinen WählerInnen<br />

weismachen will. Man kann nicht einfach zum Jobcenter<br />

gehen und sagen, dass man nicht mehr arbeiten<br />

will und jetzt lieber das Bürgergeld nehmen würde. Das<br />

sagt Merz natürlich nicht, es würde ihm ja auch nichts<br />

nützen. Da ist es viel einfacher, man haut ein paar falsche<br />

Infos raus, macht das Volk so richtig wütend und schon<br />

zieht wieder alles über die Ampel her.<br />

Faulenzern das Geld. Denn nach den eigenen Regeln, auf<br />

die Merz auch immer wieder pocht, wollen sie ja jeden<br />

Antrag ablehnen, der von der AfD kommt. Es bleibt nur<br />

zu hoffen, dass Friedrich Merz bis zur Wahl noch andere<br />

Bevölkerungsgruppen dermaßen verärgert, sodass der<br />

avisierte Wahlsieg der CDU doch noch ausfällt!<br />

So, nun habe ich vor lauter Frust schon fast die ganze Seite<br />

vollgeschrieben, aber das musste mal raus, schließlich<br />

bin ich auch selbst betroffen. Eines bleibt mir aber noch:<br />

ein Hinweis auf den 1. Mai! Wie jedes Jahr findet auf dem<br />

Stühlinger Kirchplatz die große Maifeier des DGB statt.<br />

Auch der FREIeBÜRGER wird wieder mit einem Stand vor<br />

Ort sein und vielleicht schauen Sie ja mal vorbei.<br />

Und nun wie immer viel Spaß beim Lesen, bleiben Sie uns<br />

gewogen und empfehlen Sie uns weiter...<br />

Carsten<br />

Anzeige<br />

Das Beste wäre natürlich, wenn die AfD auf diesen<br />

Zug aufspringt und einen entsprechenden Antrag im<br />

Bundestag einbringt. So nach dem Motto: Streicht den<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024 3


FREIBURG – STADT FÜR ALLE?!<br />

SPARPOLITIK AUF KOSTEN VON ARBEITSLOSEN<br />

UND ARMEN<br />

Der Bundesrat hat am 22. März 2024 das zweite Haushaltsfinanzierungsgesetz<br />

2024 gebilligt. Damit wurden<br />

u. a. beim Bürgergeld die 100 %-Sanktionen im Fall einer<br />

willentlichen Weigerung, eine „zumutbare Arbeit“ anzunehmen,<br />

wieder eingeführt. Hierzu eine leicht aktualisierte<br />

Stellungnahme der AG Soziale Berufe der Basisgewerkschaft<br />

FAU Freiburg.<br />

Besonders perfide ist das, wenn man bedenkt, dass Massenarbeitslosigkeit<br />

ein systemisches Phänomen aller kapitalistischen<br />

Gesellschaften ist. Vollbeschäftigung hingegen<br />

stellt eine absolute Ausnahmeerscheinung in diesen<br />

dar. Unternehmen haben in unserer Gesellschaft nicht<br />

den Zweck, allen Menschen ein Auskommen zu sichern,<br />

sondern nur maximale Profite einzufahren. Dafür sind sie<br />

einerseits auf Arbeitskräfte angewiesen, andererseits sind<br />

diese nur ein „Kostenfaktor“ und es wird versucht, so viele<br />

Arbeitsschritte wie möglich zu rationalisieren. Die Folge<br />

ist ein den Konjunkturzyklen folgendes stetiges Ab- und<br />

Anschwellen der Arbeitslosenzahlen und – in Deutschland<br />

spätestens seit den 1970er Jahren – eine konstante<br />

hohe Rate an Menschen ohne Arbeitsplatz, obwohl es an<br />

Arbeit nicht mangelt. Die Alternative, um Vollbeschäftigung<br />

zu erreichen – eine radikale Arbeitszeitverkürzung<br />

bei vollem Lohnausgleich – würde die Profitraten der Unternehmen<br />

schmälern und das ist politisch nicht gewollt.<br />

In der politischen Debatte wird aber nicht diese Tatsache<br />

skandalisiert, sondern auf die angeblich „faulen“ Arbeitslosen<br />

geschimpft. Diese seien für ihr Schicksal selbst verantwortlich,<br />

so als hätten sie sich ihre Existenz als LohnarbeiterInnen<br />

selbst ausgesucht und seien nicht in sie<br />

hineingeboren worden.<br />

Beispielsweise werden sie (und Asylsuchende) von Finanzminister<br />

Christian Lindner, der 15.000 € netto im Monat<br />

verdient, den gegen Kürzungen protestierenden Bauern<br />

als Sündenbock präsentiert. Es ist die alte Politik, die VerliererInnen<br />

des kapitalistischen Systems gegeneinander<br />

auszuspielen. Aus gewerkschaftlicher Perspektive sind<br />

Sanktionen strikt abzulehnen: Diese haben die Funktion,<br />

Druck auf Erwerbslose zu erzeugen, jede noch so schäbige<br />

Arbeit anzunehmen. Sie tragen damit massiv zum<br />

Bestehen des Niedriglohnsektors mit seinen prekären<br />

Arbeitsverhältnissen (Leiharbeit, Minijobs, Schein-Selbstständigkeit<br />

etc.) bei. Einem Sektor, in dem viele Unternehmen<br />

nicht tarifgebunden sind und stetig versuchen,<br />

geltendes Arbeitsrecht zu umgehen. Zudem wirken die<br />

Sanktion auch als Drohkulisse; bloß nicht kämpferisch für<br />

eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu streiten,<br />

droht doch immer die Arbeitslosigkeit mit potenzieller<br />

Totalsanktion und der damit verbundene materielle wie<br />

soziale Abstieg.<br />

Auch aus fachlicher Sicht einer professionellen Sozialen<br />

Arbeit sind Sanktionen abzulehnen: Überdurchschnittlich<br />

von Arbeitslosigkeit betroffen sind Frauen, Ungelernte,<br />

alte Menschen, Menschen mit sogenanntem „Migrationshintergrund“,<br />

Menschen mit Behinderung oder Menschen<br />

mit psychischen Erkrankungen. Diese teilweise besonders<br />

vulnerablen Gruppen sehen sich einer allgegenwärtigen<br />

Stigmatisierung gegenüber.<br />

Die Regelsätze sind aktuell schon zu niedrig. Eine Totalkürzung<br />

beraubt ihnen wichtige materielle Ressourcen<br />

und hat das Potenzial, eine Verlustspirale mit weitreichenden<br />

biografischen Folgen auszulösen. Wenn Raten,<br />

Schuldentilgung oder Verträge nicht weiter bedient werden<br />

können, drohen schnell zusätzliche Kosten und Gebühren.<br />

Erfolgreiche Fallverläufe zeigen klar auf, dass es für Betroffene<br />

auf eine von ihnen als passend empfundene Arbeitsstelle<br />

sowie auf den subjektiv passenden Zeitpunkt<br />

ankommt, zu dem sie sich (wieder) in der Lage sehen, die<br />

an sie gestellten Arbeitsanforderungen bewältigen zu<br />

können. Die formale Erwartung einer jederzeit möglichen<br />

Arbeitsaufnahme geht an der Lebensrealität und den Problemlagen<br />

dieser Zielgruppe völlig vorbei. Der Zwang via<br />

Sanktion erreicht meist das Gegenteil: Leute nehmen eine<br />

Arbeit auf, können die an sie gestellten Anforderungen<br />

nicht bewältigen, werden wieder arbeitslos und erleben<br />

das meist als weiteres Scheitern und persönliches Versagen.<br />

Dabei braucht es keine „Zwangsarbeit“, sondern eine<br />

sinnstiftende Beschäftigung. Es braucht keine Arbeitsbeschaffung,<br />

sondern Unterstützung auf dem Weg zu guten<br />

und passenden Arbeitsstellen. Es braucht Löhne, von denen<br />

ein Mensch leben kann und eine Wochenarbeitszeit,<br />

die bewältigbar ist.<br />

4<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024


STADT-FÜR-ALLE-NACHRICHTEN (RÜCKBLICK VOM 15. FEBRUAR BIS 15. MÄRZ)<br />

[FR] ÖKOLOGISCH UND SOZIAL KATASTROPHAL<br />

Der Gemeinderat hat das Baugebiet Höhe in Zähringen<br />

auf den Weg gebracht. Es wird wohl völlig am Bedarf<br />

vorbei gebaut. Gerade einmal 60 der 300 Wohnungen<br />

sollen öffentlich gefördert sein. Zudem sollen auf den 4,4<br />

ha auch Einfamilien-, Reihen- und Doppelhäuser erstellt<br />

werden und das Ganze auf landschaftlich wunderschönen<br />

Streuobstwiesen neben dem Höheweg in Richtung<br />

Wildtal. Eine Schande für die Green City. Als Ausgleich soll<br />

landwirtschaftliche Fläche in Streuobstwiesen umgewandelt<br />

werden.<br />

[FR] KEINE BEBAUUNG AM SCHLIERBERG<br />

Eine Eigentümergesellschaft rund um die Treubau will<br />

am Schlierberg, also am landschaftlichen schönen Hang<br />

zwischen der Merzhauser Straße und der Schlierbergstraße,<br />

bauen. Auf dem Grundstück neben dem Weinberg ist<br />

aktuell ein kleines Wäldchen. Drei Häuser mit vier bis fünf<br />

Wohneinheiten sollen entstehen. Die Stadtverwaltung<br />

hat die Bauvoranfrage aber erfreulicherweise abgelehnt.<br />

Die Eigentümergesellschaft legte allerdings Widerspruch<br />

ein, mit dem sich nun das Regierungspräsidium beschäftigen<br />

muss. An den Wiesen und Blicken und der Frischluft,<br />

die den Hang herunterströmt am Schlierberg, der schon<br />

jetzt viel zu vollgebaut ist mit hässlichen Reichenhäusern,<br />

können sich sehr viele Menschen erfreuen. Von ein paar<br />

mehr Wohnungen dort profitieren nur wenige Reiche.<br />

[FR] OBI: KAUM SOZIALWOHNUNGEN<br />

Der berüchtigte Investor Unmüssig plant, 170 Wohnungen<br />

auf dem ehemaligen OBI-Gelände in St. Georgen zu<br />

errichten. Im Erdgeschoss sollen z. B. Bäcker, ein Café und<br />

eine Apotheke Platz finden. Im sechsgeschossigen Komplex<br />

rund um einen kleinen Innenhof sollen etwa 400<br />

Menschen leben. Der Bürgerverein St. Georgen kritisiert<br />

die Pläne, spricht von Klotz und hält das Gebäude für zu<br />

hoch. Angesichts dessen, dass die Fläche aktuell mit dem<br />

Ex-OBI vollgebaut ist, daneben andere große Gewerbebetriebe<br />

sind und das Gebäude direkt an der B3 liegt,<br />

eine merkwürdige Kritik. Wenn Flächen schon versiegelt<br />

sind, sollte man sie auch dicht bebauen, um lieber andere<br />

Randflächen unbebaut zu lassen. Skandalös an dem Projekt<br />

ist hingegen, dass nur neun Prozent der Wohnungen<br />

sozial gefördert sein sollen. Wohl weil kein neues Baurecht<br />

geschaffen wird, gilt mal wieder die Verpflichtung,<br />

bei neuen Bauprojekten mindestens 50 % Sozialwohnungen<br />

zu errichten, nicht.<br />

[FR] LEERSTANDSKATASTER<br />

Die Stadt Freiburg hat das Leerstandskataster, das Oberbürgermeister<br />

Martin Horn im Wahlkampf immer wieder<br />

anpries, überarbeitet. Es ist auf www.freiburg.de zu<br />

finden, weist allerdings keine Adressen der leerstehenden<br />

Häuser auf. Es unterscheidet lediglich nach Stadtteilen.<br />

Insgesamt gab es 475 Hinweise auf Leerstände. 282 und<br />

damit die Mehrheit wurden Mitte März noch unter der<br />

Rubrik „offene Hinweise“ geführt. Der Spitzenreiter bei<br />

den Hinweisen auf Leerstände ist die Wiehre mit 96;<br />

gefolgt von Haslach mit 44 und St. Georgen mit 43. Seit<br />

Einführung des Leerstandskatasters sprach die Stadt gerade<br />

einmal in vier Fällen eine Verfügung zur Beendigung<br />

der Zweckentfremdung aus. Im vergangenen September<br />

wurden die Personalstellen für die Thematik auf zwei<br />

verdoppelt. Zuletzt lag der Arbeitsschwerpunkt der Zweckentfremdungsstelle<br />

allerdings bei der Registrierungspflicht<br />

für Ferienwohnungen.<br />

[FR] VCD KRITISIERT UMGESTALTUNG DES<br />

SCHLOSSBERGRINGS<br />

Der Schlossbergring soll umgestaltet werden. Nach dem<br />

Willen der Stadtverwaltung soll es statt zwei Autospuren<br />

zukünftig eine überbreite Autospur in beide Richtungen<br />

geben, bei der aber auch jeweils zwei Autos nebeneinander<br />

fahren können. Die Fahrradstreifen sollen breiter werden.<br />

Der alternative Verkehrsclub VCD kritisiert die Pläne.<br />

Er hält die von der Stadtverwaltung ausgewählte Variante<br />

2 für den Radverkehr für gefährlich. Die Pläne ignorierten<br />

den Verkehrsentwicklungsplan der Stadt Freiburg. Dieser<br />

sieht vor, dass der Schwabentorring, also der Bereich<br />

südlich des Schwabentors, autofrei wird. Der VCD fordert,<br />

daneben eine Kfz-Einbahnstraße (frei für Radverkehr) in<br />

der Kartäuserstraße einzurichten und erklärt zu den Plänen<br />

der Stadt: „So gelingt die Verkehrswende nicht.“<br />

LÜCKE AN SOZIALWOHNUNGEN IN BADEN-WÜRTTEM-<br />

BERG AM GRÖSSTEN<br />

Im Vergleich der Bundesländer fehlen in Baden-Württemberg<br />

die meisten Sozialwohnungen. Einem aktuellen<br />

Bedarf von 260.000 Sozialwohnungen stehen laut einer<br />

aktuellen Studie des Pestel-Institutes 52.287 im Bestand<br />

gegenüber. Die Zahl der Wohnungslosen lag im Jahr 2023<br />

im Ländle demnach bei 76.510 Menschen. Der Anstieg von<br />

35.900 im Jahr zuvor könnte u.a. daran liegen, dass wohnungslose<br />

geflüchtete Menschen nun mit erfasst werden.<br />

Der Paritätische Wohlfahrtsverband verweist auf Berechnungen<br />

des Immobilienspezialisten Jones Lang LaSalle,<br />

die ergeben, dass die Umwandlung von ungenutzten<br />

Büroflächen das Potenzial für rund 11.300 Wohnungen<br />

in den sieben größten Städten Deutschlands aufweist.<br />

In Stuttgart könnten so z. B. 51 Prozent des Wohnungsbedarfs<br />

gedeckt werden. Für Freiburg fordert Günter<br />

Rausch, Stadtrat der Linken Liste, dass sich die Genossenschaften<br />

mehr gegen Obdachlosigkeit einsetzen müssen.<br />

Wer Infos will, einfach E-Mail an:<br />

info@rechtaufstadt-freiburg.de<br />

Homepage: www.rechtaufstadt-freiburg.de<br />

Aktuelle Termine: tacker.fr<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024 5


Abb.: Das Hambacher Fest am 27. Mai 1832<br />

900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG<br />

Armenwesen und Pflege in Freiburg (Teil 37)<br />

Foto: Grafissimo / iStock<br />

In der letzten <strong>Ausgabe</strong> schrieb ich über die neuen Strukturen<br />

in der Stadt, über Wohn- und Lebensverhältnisse<br />

der Bevölkerung und über den aufkommenden Liberalismus<br />

in Freiburg. Dabei ging es um zwei der bedeutenden<br />

Vertreter des Liberalismus in Baden, Carl von Rotteck<br />

und um Carl Theodor Welcker. An dieser Stelle möchte<br />

ich heute fortfahren und mich zur Deutschen Revolution<br />

1848/49 vorarbeiten.<br />

FREIBURG AUF DEM WEG ZUR REVOLUTION<br />

Ab 1831 saßen Welcker und von Rotteck gemeinsam im<br />

Badischen Landtag. Hier setzten sie sich nun öffentlich<br />

für die Ziele des Liberalismus ein. Die Veröffentlichung<br />

ihrer Schriften erreichte eine enorme Wirkung. So veröffentlichten<br />

die beiden unter anderem eine Petition an die<br />

Deutsche Bundesversammlung über die Wichtigkeit der<br />

Pressefreiheit. Welcker bezeichnete die freie Presse als<br />

Förderung des nationalen Bewusstseins. Ab 1832 durften<br />

Rotteck und Welcker dann erfahren, wie gering der<br />

Einfluss einer einzelstaatlichen Regierung im Deutschen<br />

Bund war. Österreich, als Bundesmacht, übte Druck auf<br />

Baden aus, damit hier die neu eingeführte liberale Pressepolitik<br />

wieder verschärft wird. So wurde 1832 auch die<br />

von Rotteck und Welcker herausgegebene Zeitschrift „Der<br />

Freisinnige“ nach nur fünf Monaten verboten. Im Herbst<br />

desselben Jahres wurde die Universität geschlossen, weil<br />

sie angeblich ein Zentrum der Opposition war und den<br />

beiden Professoren wurde die Lehrerlaubnis entzogen.<br />

Aus Protest wählte die Freiburger Bürgerschaft daraufhin<br />

Rotteck zum Bürgermeister, das Landesministerium<br />

lehnte die Wahl aber ab.<br />

Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung und die politischen<br />

Missstände in Baden wurden immer größer,<br />

sodass der Widerstand immer weiter anwuchs. Die<br />

oppositionelle Bewegung der frühen 1830er Jahre ging<br />

jetzt weit über die Grenzen des parlamentarischen<br />

Liberalismus der 1820er Jahre hinaus. Inzwischen galten<br />

nicht mehr nur Kammern der Regierung als Plattform<br />

der politischen Auseinandersetzung, sondern vor allem<br />

6<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024


die Presse, das Vereinswesen und öffentliche Versammlungen.<br />

Die Opposition bestand jetzt nicht mehr nur aus<br />

dem Bildungs- und Besitzbürgertum, auch Handwerker<br />

und Gesellen, Gastwirte und andere Vertreter aus dem<br />

Kleinbürgertum gehörten jetzt dazu. Spätestens ab hier<br />

standen die „alten“ Liberalisten wie Welcker und Rotteck<br />

auf der anderen Seite. Denn beide beharrten auf ihrer<br />

Meinung, dass einzig der Landtag das entscheidende<br />

Forum der Veränderungen sein müsse. Inzwischen war<br />

auch eine Opposition links des Liberalismus entstanden,<br />

die von vielen allerdings als fehlgeleitet, unvernünftig<br />

und als „französisch“, oder auch einfach als „falscher<br />

Liberalismus“ abgetan wurde. Bereits kurze Zeit später<br />

wurde diese Bewegung als gefährlich eingestuft und als<br />

„Radicalismus“ bezeichnet.<br />

Foto: Wikipedia<br />

Rotteck und Welcker hatten die Zeit ihres Berufsverbotes<br />

genutzt und gaben 1835 ihr viel beachtetes „Staatslexikon“<br />

heraus, ein umfangreiches politisches Nachschlagewerk<br />

für alle Stände. Darin wollten sie die Position des<br />

konstitutionellen Liberalismus festigen, sich selbst aber<br />

gleichzeitig von zu aufrührerischen Einflüssen distanzieren.<br />

Denn die gab es zu dieser Zeit häufig, wie z. B. das<br />

„Hambacher Fest“ 1832 unter Beweis stellte. Das Hambacher<br />

Fest war eine bedeutende politische Versammlung<br />

während des deutschen Vormärz. Es fand vom 27. Mai bis<br />

1. Juni 1832 auf dem Hambacher Schloss statt. Hambach<br />

lag damals im Königreich Bayern und ist heute Teil von<br />

Neustadt an der Weinstraße in Rheinland-Pfalz. Etwa<br />

30.000 Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten<br />

versammelten sich, um ihre Forderungen nach nationaler<br />

Einheit, nach Freiheit und nach demokratischen Rechten<br />

auszudrücken. Sehr fortschrittlich war, dass auch Frauen<br />

daran teilnehmen durften. Die Forderungen und Ziele des<br />

Hambacher Festes waren deutlich weitgreifender, als es<br />

z. B. im Landtag der Fall war. Man diskutierte um demokratische<br />

Teilhaberechte, um die Auseinandersetzungen<br />

mit den jeweiligen Obrigkeiten, um soziale und viele<br />

andere Probleme der damaligen Zeit. Obwohl zwei der<br />

Organisatoren von Hambach ehemalige Schüler Rottecks<br />

waren, distanzierten sich Rotteck und Welcker von den<br />

Ideen von Hambach. In ihrem Staatslexikon schrieben sie<br />

zum Hambacher Fest kritisch: „Viele Reden wurden gehalten<br />

– die meisten ohne einigen Werth, alle ohne praktische<br />

Bedeutung. Es waren meistens allgemeine Phrasen gegen<br />

Unterdrückung durch die Fürsten, nicht ein Vorschlag, was<br />

dagegen zu tun sei.“<br />

Wenige Wochen nach dem Hambacher Fest schränkte<br />

der Deutsche Bundestag die Befugnisse der einzelstaatlichen<br />

Landtage stark ein und übte Druck auf sie aus, um<br />

die Presse-, Vereins- und Versammlungsfreiheit in ihren<br />

Ländern massiv einzuschränken. In den folgenden Jahren<br />

beschäftigten sich Rotteck und Welcker weiter mit ihrem<br />

Abb.: Titelblatt der Erstausgabe vom 1. März 1832<br />

Staatslexikon; nach Rottecks Tod 1840 machte Welcker<br />

allein weiter. Er blieb bis zum Schluss bei seiner Meinung,<br />

dass Veränderungen wichtig sind und sein müssen, aber<br />

auf keinen Fall durch eine Revolution erreicht werden<br />

können und sollen.<br />

Doch all das interessierte die Menschen in Freiburg<br />

vorerst noch nicht. Sie sorgten sich vor allem um ihre<br />

eigenen Lebensumstände, darum, wo und wie sie wohnen<br />

können, ob sie Arbeit und genügend zu essen haben.<br />

Für sie gab es deutlich wichtigere Probleme als die Politik!<br />

So zum Beispiel die Trinkwasserversorgung in der Stadt.<br />

Trotz jahrelanger Beschwerden aus der Bevölkerung, aber<br />

auch von Geschäftsleuten, über den ständigen Mangel<br />

an Wasser und über die schlechte Qualität desselben,<br />

wurde erst 1837 damit begonnen, das Trinkwassernetz<br />

zu modernisieren. Bis dahin floss das Wasser noch durch<br />

hölzerne Deucheln, das sind aufgebohrte Baumstämme.<br />

Erst jetzt wurden sie durch gusseiserne Rohre ersetzt, so<br />

wie es anderswo schon seit Jahrzehnten der Fall war. Die<br />

Holzdeucheln verstopften sehr schnell, sodass oft nur<br />

sehr wenig Wasser bei den Menschen ankam. Die alten<br />

Brunnenstuben wurden bei der Gelegenheit auch gleich<br />

Foto: Wikipedia<br />

erneuert und zusammen mit den Wassersammlern an<br />

der Schwabentorbrücke tiefergelegt, um mehr Wasser<br />

aufnehmen zu können.<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024 7


Foto: Gottlieb Theodor Hase, Augustinermuseum, D 29/021 f<br />

Abb.: Rotteckdenkmal auf dem Rotteckplatz von Süden, um 1862<br />

Obwohl es in Freiburg Handwerk, Handel und auch Bankund<br />

Sparkassengewerbe gab, konnte sich die Stadt lange<br />

nicht als überregionales Handelszentrum durchsetzen.<br />

Die Stadt lag zwar schon seit Jahrhunderten günstig an<br />

wichtigen Fernhandelsstraßen, doch das allein nutzte im<br />

19. Jahrhundert nichts mehr. Erst der Eisenbahnanschluss<br />

1845 sollte der Stadt wieder Fortschritt bringen. Doch<br />

beim Bau der Bahnstrecke zwischen Offenburg und Basel<br />

gab es immer wieder Verzögerungen, sodass die Freiburger<br />

Geschäftsleute eine dringliche Bitte an den Landtag<br />

richteten, um den Bau zu beschleunigen. Allen voran der<br />

Seidenfabrikant Karl Mez, auf den ich später noch zurückkomme.<br />

Mez hatte 1834 eine Seidenzwirnerei-Fabrik<br />

in der Kartäuserstraße eröffnet, wollte expandieren und<br />

war dadurch auf günstige Transportwege angewiesen.<br />

Auch der Kaufmann Heinrich Flinsch, der 1844 ebenfalls<br />

in der Kartäuserstraße eine Papierfabrik übernahm oder<br />

Jeremias Risler, der 1847 gemeinsam mit Rene Dutfoy eine<br />

Porzellanknopffabrik gründete, warteten ungeduldig<br />

auf die Eisenbahn und schlossen sich der Bitte an den<br />

Landtag an. Anhand dieser kleinen Aufzählung kann man<br />

ersehen, dass die Industrie in Freiburg immer mehr zunahm.<br />

Gleichzeitig hatte der Niedergang des Handwerks<br />

begonnen. Obwohl es natürlich immer noch genügend<br />

Handwerker in der Stadt gab, war der Fortschritt nicht<br />

mehr aufzuhalten. 1836 war an die zwölf Zünfte die<br />

Anordnung ergangen, sich aufzulösen. Ihre Zeit und ihre<br />

Foto: Wikipedia<br />

Notwendigkeit waren verschwunden; sie wurden schlicht<br />

nicht mehr gebraucht. Den traditionellen Schutz, den<br />

sie den Handwerkern einmal boten, konnten sie nicht<br />

mehr leisten. Sie konnten nicht mehr verhindern, dass an<br />

Markt- und Messetagen Kaufleute Waren nach Freiburg<br />

brachten und hier deutlich billiger verkauften, als die<br />

Freiburger Handwerker das konnten. Der Unmut wuchs<br />

an und die Klagen an den Stadtrat wurden lauter und<br />

heftiger.<br />

So stellten 1844 die Freiburger Schneidermeister den<br />

Antrag, „den hiesigen Handelsleuten den Handel mit<br />

gefertigten Kleidungsstücken, und das Anfertigen laßen<br />

von Kleidern bei angemessener Strafe zu verbieten.“ Die<br />

Schuhmacher forderten, „den Verkauf auf den Wochenmärkten<br />

zu untersagen und nur auf den Hausverkauf zu<br />

beschränken.“ Nun waren die Überbesetzung im Handwerk<br />

und damit die wachsende Verdienstlosigkeit in<br />

Freiburg angekommen.<br />

Not und Armut kennzeichneten inzwischen wieder das<br />

Leben der einfachen Bevölkerung in Freiburg. Die Belastungen<br />

und Nachfolgen der napoleonischen Kriege,<br />

8<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024


die Missernte von 1816, Sturmkatastrophen und Überschwemmungen<br />

waren die Hauptursachen dafür. Der<br />

Getreidepreis war bis auf das Sechsfache gestiegen! In<br />

dieser Zeit wurden immer mehr Menschen von großer<br />

Unsicherheit und von Zukunftsängsten ergriffen. Viele<br />

von ihnen ließen sich von falschen Versprechungen<br />

blenden, wanderten aus und suchten ihr Glück in den<br />

USA. Wie viele FreiburgerInnen in diesen Jahren tatsächlich<br />

auswanderten, ist nicht belegt, doch für neun ist eine<br />

Ausreisegenehmigung in die USA nachgewiesen. Sechs<br />

von ihnen kamen nach kurzer Zeit genauso arm zurück.<br />

Den meisten war eine kostenlose Überfahrt ab Amsterdam<br />

versprochen. In den Niederlanden angekommen,<br />

stellten sie dann fest, dass sie die Reise selbst bezahlen<br />

müssen. Deshalb war für viele Auswanderungswillige das<br />

Abenteuer schnell beendet.<br />

Der Winter 1816/17 wurde dann aus den beschriebenen<br />

Gründen besonders hart, sodass sich die Freiburger<br />

Armenkommission genötigt sah, eine Suppenanstalt für<br />

die Armen einzurichten. Hier wurden täglich mehrere<br />

hundert bedürftige Menschen versorgt. Anfangs kostete<br />

die Suppe vier Kreuzer, doch da sich viele bald nicht mal<br />

das leisten konnten, gab es die Suppe dann kostenlos.<br />

Die Stadt versuchte nun natürlich, die Suppen so kostengünstig<br />

wie möglich herzustellen und kam dabei auf eine<br />

eigenartige Methode. Man gründete eine „Anstalt zur Bereitung<br />

der Knochengallerte“ und forderte die Bevölkerung<br />

auf „die Knochen von jeder Fleischgattung reinlich gehalten,<br />

aufzubewahren und an die oben genannten Personen<br />

(zwei Frauen aus Freiburg) abzugeben, welche auch in<br />

kleinen Haushaltungen, in denen der Fleischverbrauch gering<br />

ist, zu sammeln beauftragt sind“. Die Knochengallerte<br />

ging dann in die Suppenanstalt, wo sie einen billigen<br />

Grundsatz für die Suppen bildete. Die Bevölkerung hat<br />

sich wohl penibel daran gehalten, denn es wurden oft so<br />

viele Knochen abgegeben, dass es auch noch für Suppenküchen<br />

in abgelegenen Schwarzwalddörfern reichte.<br />

In Freiburg wurden Hilfsmaßnahmen für die Armen<br />

immer weiter reglementiert und zentralisiert. Private<br />

Initiativen bei der Armenhilfe waren nicht erwünscht<br />

und auch das Betteln war weiter verboten. Hilfe sollte<br />

nur offiziell vom Armeninstitut und der Stadt kommen.<br />

Es wurden auch immer wieder Gesetze in dieser Richtung<br />

erlassen. So wurden z. B. Eltern, die ihre Kinder zum Betteln<br />

schickten, jegliche städtische Unterstützung gestrichen.<br />

Stattdessen wurde der Armen- oder Bettelkarren<br />

wieder eingeführt. Der wurde durch die Straßen gezogen,<br />

um Brot und andere Spenden einzusammeln, die dann<br />

an einem zentralen Platz an die Armen verteilt wurden.<br />

Um weniger Arme in der Stadt zu haben, wurden alle<br />

Personen, die nicht zum dauerhaften Aufenthalt berechtigt<br />

waren, aus der Stadt verwiesen. Das betraf vor allem<br />

Abb.: Grab von Karl Christian Mez (1808-1877) auf dem<br />

Freiburger Hauptfriedhof<br />

„herrenlose Dienstboten“, aber auch auswärtige Arbeitslose,<br />

die auf der Suche nach einer Anstellung waren.<br />

Ein Jahr später hatte sich die Versorgungslage in Freiburg<br />

wieder gebessert und die Suppenanstalt wurde<br />

wieder geschlossen. Doch diese Krise war keine einmalige<br />

Erscheinung. Durch den Niedergang des Handwerks<br />

wurden immer mehr Menschen erwerbslos. Das und<br />

immer wieder steigende Lebensmittelpreise führten bald<br />

zu Massenarbeitslosigkeit und großer Verarmung unter<br />

der einfachen Bevölkerung. Die Stadt besann sich nun<br />

auf Mittel, die sie in den vergangenen Jahrhunderten<br />

bereits eingesetzt hatte. Dazu gehörte auch wieder ein<br />

„Arbeitshaus“.<br />

Wie es den Menschen dort erging, über die Auferstehung<br />

der repressiven Armenpolitik und darüber, wie sich das<br />

alles im <strong>April</strong> 1848 entlädt, das steht in der nächsten<br />

<strong>Ausgabe</strong>.<br />

Ich bedanke mich beim Stadtarchiv Freiburg, beim Alemannischen<br />

Institut Freiburg, der Waisenhausstiftung, Gerlinde<br />

Kurzbach, Peter Kalchtaler und Dr. Hans-Peter Widmann.<br />

Foto: Pischdi / Wikipedia / CC BY-SA 3.0<br />

Carsten<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024 9


Foto: Gabrielle-Henderson / Unsplash<br />

Ombudsstelle<br />

Jobcenter Freiburg<br />

NEUE OMBUDSSTELLE IN FREIBURG<br />

Interview mit der Ombudsfrau Ute Aschendorf<br />

Seit März 2024 gibt es in Freiburg eine Ombudsstelle<br />

Jobcenter, in der zwei unabhängige Ombudsleute Ratsuchenden<br />

bei Unklarheiten und Beschwerden helfen. Der<br />

Ombudsmann Franz Welsch ist pensionierter Diplom-Sozialarbeiter<br />

und war lange in der Jugendberufsagentur<br />

tätig. Die Ombudsfrau Ute Aschendorf engagiert sich im<br />

Erwerbslosenausschuss von ver.di, ist ehrenamtliche Sozialrichterin<br />

und seit einigen Jahren auch als Schreiberling<br />

und im Vorstand vom FREIeBÜRGER aktiv.<br />

Liebe Ute, schön, dass Du die Zeit gefunden hast, uns ein<br />

Interview zu geben. Wieso braucht Freiburg eine Ombudsstelle<br />

Jobcenter?<br />

Die Gesetzgebung rund ums Bürgergeld ist ziemlich kompliziert.<br />

Die Leistungsbescheide sind oft schwer verständlich<br />

und es kann auch zu Fehlern bei der Berechnung der<br />

Geldleistungen kommen. Auch in den Gesprächen mit den<br />

Fachkräften für Arbeitsmarktintegration kann es Missverständnisse<br />

geben, wenn Erwerbslose eigene oder gar keine<br />

Vorstellungen über ihre berufliche Zukunft haben. Und<br />

manchmal ärgern sich die Leute einfach nur darüber, dass<br />

eingereichte Unterlagen verloren gegangen sind und möchten<br />

sich darüber irgendwo beschweren. Es gibt also genug<br />

gute Gründe für eine Ombudsstelle.<br />

Gibt es weitere Ombudsstellen in anderen Städten<br />

Deutschlands oder ist Freiburg dabei Vorreiter?<br />

Eine erste Ombudsstelle Jobcenter wurde bereits 2007 in<br />

Duisburg eingerichtet. 2010 folgten solche Stellen in Greifswald<br />

und Essen. Es gibt Ombudsstellen in Bonn, Münster,<br />

Pforzheim und anderen Städten und Landkreisen. Freiburg<br />

ist also eher spät dran mit der Ombudsstelle.<br />

Wie kam es zu der Ombudsstelle und wer hat sie<br />

beschlossen?<br />

Die Fraktionsgemeinschaft im Gemeinderat „Eine Stadt für<br />

Alle“ (Linke Liste, Unabhängige Frauen und Grüne Alternative)<br />

hat die Notwendigkeit einer unabhängige Ombudsstelle<br />

erkannt und sich hartnäckig dafür eingesetzt.<br />

Vor einem Jahr wurde die Ombudsstelle im Gemeinderat<br />

beschlossen und die Verwaltung mit der Realisierung beauftragt.<br />

Wann und wo findet die Sprechstunde der Ombudsstelle<br />

statt?<br />

Die Ombudsstelle ist in Raum 5 im Freiburger Zentrum<br />

für Engagement am Schwabentorring 2. Herr Welsch (Tel.:<br />

0160-5027728) ist donnerstags von 9:30 bis 13 Uhr vor Ort<br />

und ich (Tel.: 0160-5414836) bin immer montags von 13:30<br />

10<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024


is 17 Uhr anwesend. Man kann auch per E-Mail (OmbudsstelleJC@stadt.freiburg.de)<br />

mit uns Kontakt aufnehmen.<br />

Ist das Bürgergeld gerecht? Und was hältst Du von den<br />

Sanktionen?<br />

Oje, jetzt wird’s schwierig. Ich halte das Bürgergeld als existenzsichernde<br />

Sozialleistung für unverhandelbar in einer<br />

Gesellschaft, die sich den Menschenrechten verpflichtet<br />

fühlt. Aber wir leben in einer sehr ungerechten Welt, in der<br />

unermesslicher Reichtum unerträglicher Armut gegenübersteht.<br />

Wie kann in einer solchen Welt Gerechtigkeit hergestellt<br />

werden? Sanktionen, die relativ armen Menschen<br />

das Existenzminimum wegkürzen, kann ich angesichts der<br />

vorherrschenden Ungerechtigkeiten nicht richtig finden.<br />

Durch Studien ist außerdem belegt, dass Sanktionen nicht<br />

zielführend sind, nicht zu einer Arbeitsaufnahme führen<br />

und die Probleme der Menschen verschärfen.<br />

Ist das Bürgergeld zu hoch bemessen oder sind die unteren<br />

Löhne zu niedrig?<br />

Es gab ja reichliches Geschrei um die Erhöhungen der Regelsätze<br />

in den letzten zwei Jahren, in denen der Regelsatz von<br />

449 € (2022) um insgesamt 114 € auf 563 € (2024) angepasst<br />

wurde. Angesichts der hohen Preissteigerungen bei Lebensmitteln<br />

und Energie war die Anpassung dringend notwendig<br />

und der Regierung auch vom Bundesverfassungsgericht<br />

auferlegt. Die Löhne in den unteren Einkommensgruppen<br />

sind definitiv zu niedrig. Ich erinnere mich noch an Zeiten,<br />

in denen mit einem Einkommen eine drei- oder vierköpfige<br />

Familie ernährt werden konnte. Diese Zeiten sind längst<br />

vorbei. Verschiedene Statistiken kommen zu dem Ergebnis,<br />

dass 16 bis 23 Prozent der Beschäftigten im Niedriglohnsektor<br />

arbeiten. Für Singles mag das zum Überleben reichen,<br />

aber nicht für Familien, die nur mithilfe verschiedener<br />

Sozialleistungen über die Runden kommen können.<br />

„Wer arbeitet, hat immer mehr Geld im Portemonnaie<br />

als der, der nicht arbeitet.“ Würdest Du dieser Aussage<br />

zustimmen?<br />

Die Aussage stimmt auf alle Fälle. Wer arbeitet, kann rein<br />

rechnerisch nicht weniger haben als Menschen, die nicht<br />

arbeiten. Wer zum Beispiel Bürgergeld erhält und in einem<br />

Minijob 500 € pro Monat verdient, hat durch die Freibeträge<br />

180 € mehr im Monat zur Verfügung. Und wer ein sehr<br />

niedriges Einkommen hat, kann immer überprüfen lassen,<br />

ob ein Anspruch auf Wohn- oder ergänzendes Bürgergeld<br />

besteht.<br />

Sind Dir Rechtslücken im Bürgergeld bekannt?<br />

Na ja, wie schon gesagt ist die Gesetzgebung sehr kompliziert.<br />

Es gibt viele eindeutige Vorgaben und dazu viele<br />

Ausnahmen der Regeln. Diese Ausnahmen werden nicht<br />

immer berücksichtigt und können wie alle Regeln und<br />

Gesetze auch unterschiedlich ausgelegt werden. Das sind<br />

Abb.: Ombudsfrau Ute Aschendorf<br />

dann die Situationen, in denen das Jobcenter kulant sein<br />

kann oder eine Angelegenheit auch vor dem Sozialgericht<br />

ausgetragen wird. Der Teufel steckt eben im Detail. Zu den<br />

Aufgaben der Ombudsleute gehört es, in solchen Fällen im<br />

Auftrag der Leistungsberechtigten mit dem Jobcenter zu<br />

verhandeln, um Gerichtsverfahren zu vermeiden.<br />

Die geltenden Regeln für das Bürgergeld stehen im Sozialgesetzbuch<br />

II. Wie dick ist dieses Buch und hast Du es<br />

schon gelesen?<br />

Wie dick das SGB II ist, weiß ich nicht. In der Beratung<br />

benutze ich am liebsten den „Leitfaden SGB II / SGB XII“<br />

von Harald Thomé. Darin steht alles über Bürgergeld und<br />

Sozialhilfe. Die Gesetze werden ausführlich erläutert und<br />

durch Gerichtsurteile ergänzt. Das Buch ist tausend Seiten<br />

dick und ich habe bisher nur unter einigen Stichpunkten<br />

darin geschmökert. Krimis zu lesen macht mehr Spaß, auch<br />

wenn die Klärung mancher Fragen rund ums SGB II oft<br />

echte Detektivarbeit ist.<br />

Hattest Du schon Deine erste Sprechstunde?<br />

Seit dem 4. März bin ich Montag nachmittags im Freiburger<br />

Zentrum für Engagement. Bisher ist noch niemand<br />

gekommen. Die Ombudsstelle muss sich erstmal rumsprechen.<br />

Das kann etwas dauern, aber dann werden die Leute<br />

bestimmt zu uns in die Ombudsstelle kommen. Ich bin<br />

schon gespannt auf die verschiedenen Probleme und hoffe,<br />

bei der Lösung helfen zu können.<br />

Wir bedanken uns für das Gespräch und wünschen Dir<br />

und Deinem Kollegen viel Erfolg mit der Ombudsstelle.<br />

Foto: E. Peters<br />

Oliver<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024 11


Wie und wann habt Ihr erfahren, dass es in den Räumlichkeiten<br />

nicht weitergehen kann?<br />

Im Herbst 2023 wollten wir für die Inklusion das Café<br />

optimieren, dann hat uns der Vermieter mitgeteilt, dass<br />

in absehbarer Zeit Eigenbedarf angemeldet wird. Für uns<br />

nachvollziehbar, weil die neue Inhaberin die Enkelin des<br />

hier ehemals ansässigen „Café Schettler“ ist und die Familientradition<br />

weitergeführt werden soll, sodass wir sagen<br />

können: Herzlichen Dank für zwölf Jahre „Café Satz“ und<br />

Heimat für unsere Gäste und uns.<br />

Wird es wieder ein „Café Satz“ an einem anderen Standort<br />

geben?<br />

Wir hoffen und glauben, dass es so sein wird. Vielleicht<br />

nicht in derselben Form, vielleicht wird es sogar besser. Das<br />

ist unser Wunsch und Traum. Ab Mitte <strong>April</strong> gibt es Coffee<br />

to go direkt gegenüber. Es wird eine Bestuhlung mit Selbstbedienung<br />

geben. Das Antiquariat wird auch im Kleinen<br />

dort sein, im hinteren Raum.<br />

Foto: E. Peters<br />

IM GESPRÄCH MIT...<br />

Hans-Peter Fischer<br />

Hans-Peter Fischer ist Leiter des „Café Satz“ im Freiburger<br />

Stadtteil Stühlinger. Das beliebte, urig-gemütlich eingerichtete<br />

Café muss Ende März schließen, eine Nachricht,<br />

die nicht nur die Betreiber, sondern auch viele FreiburgerInnen<br />

überraschte. Um zu erfahren, wie es jetzt weitergeht,<br />

haben wir Hans-Peter kurz vor der Schließung zum<br />

Gespräch in unsere Redaktion eingeladen.<br />

Schön, dass Du bei uns bist. Wie geht es Dir?<br />

Heute geht es mir sehr gut, einfach weil so viel Dynamik<br />

schon im Tag war, und ich freue mich besonders über die<br />

Begegnung mit euch und über das Interview.<br />

Würdest Du uns bitte kurz etwas über Deinen Werdegang<br />

erzählen? Was genau machst Du?<br />

Ich bin Gründungsmitglied der Ukrainehilfe (1993) und<br />

habe über 16 Jahre ehrenamtlich mitgearbeitet. Seit 2017<br />

bin ich hauptberuflich fürs „Café Satz“ tätig. Nebenberuflich<br />

bin ich Fotograf in der Regio.<br />

Seit wann gibt es das „Café Satz“?<br />

Das Café ist jetzt im zwölften Jahr, Leiter bin ich seit 2017.<br />

Gibt es schon neue Räumlichkeiten? Wenn ja, auch wieder<br />

im Stadtteil Stühlinger?<br />

Ganz wichtig ist uns, dass sich das Café wirtschaftlich trägt,<br />

damit der Erlös und die Trinkgelder weiterhin in unsere<br />

humanitären Projekte wie z. B. www.hoffnung-heute.de<br />

fließen können. Wir haben zwei Objekte, die eventuell infrage<br />

kommen, es laufen noch Gespräche. Ja, gerne würden<br />

wir im Stühlinger bleiben.<br />

Was gab es für Reaktionen von Eurer Stammkundschaft<br />

wegen der Schließung? Für einige war das „Café Satz“ ja<br />

bestimmt so etwas wie ein zweites Wohnzimmer.<br />

Ganz sicher war das Café Satz für viele ein zweites Wohnzimmer,<br />

ein Wohlfühlort. Die Reaktionen waren von Entsetzen<br />

bis „Kann nicht sein, geht gar nicht.“ Wir erfuhren aber<br />

extrem hohe Anteilnahme. Und was ich auch zentral fand:<br />

Nachdem wir dann den Eigenbedarfsanspruch erklärt<br />

hatten, ist Verständnis aufgekommen, auch insofern, als<br />

die Gäste gemerkt haben, wir gehen nicht im Groll, sondern<br />

im Frieden.<br />

Was bot das „Café Satz“ seinen Gästen außer Kaffee &<br />

Kuchen und leckeren hausgemachten Speisen noch an?<br />

Im Grunde hatten wir verschiedene Facetten. Wir waren oft<br />

Ansprechpersonen, machten im Prinzip eine Art Sozialarbeit<br />

für Freiburger durch Unterstützung von bedürftigen<br />

Menschen, durch praktische Hilfe, durch Gespräche oder<br />

einfach mal nur durch Zuhören. Was viele nicht wissen,<br />

aber sehr bedeutsam ist: Über das Erasmus+, ein EU-Programm,<br />

können wir jährlich bis zehn ukrainische junge<br />

Menschen als europäische Freiwillige für zwölf Monate<br />

nach Freiburg holen, die dann in unseren Projekten mitarbeiten<br />

– wir nennen es Herzensbildung. Das sind oftmals<br />

auch ehemalige Straßenkinder oder Jugendliche aus sozial<br />

12<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024


schwachen Familien, die anders nie eine Chance gehabt<br />

hätten, ins Ausland zu gehen, um bei einem Projekt mitarbeiten<br />

zu können, wo sie sich entfalten und weiterentwickeln<br />

können. Da haben wir wirklich viele Wunder erlebt,<br />

wie Jugendliche sich in ihrer Lebensentwicklung innerhalb<br />

kurzer Zeit entscheidend zum Positiven hin verändert<br />

haben. Das ist für uns eine echte Freude und ein Vorrecht,<br />

dass wir dazu einen Beitrag leisten konnten. Genauso auch<br />

für Menschen aus Freiburg, die Schwierigkeiten hatten,<br />

z. B. wieder in den Arbeitsmarkt reinzukommen. Oftmals<br />

sind Menschen innerhalb von 2-3 Wochen wieder etwas<br />

aufgeblüht.<br />

Wer kochte und backte die ganzen Köstlichkeiten?<br />

Festangestellte und die europäischen Freiwilligen, die angelernt<br />

wurden und sich dann praktisch entfalten konnten.<br />

Wichtig sind die vielen Kuchenspenden – ohne diese Unterstützung<br />

wäre der Cafébetrieb nicht machbar gewesen.<br />

Im Nebenraum „S'Antiqua“ wurden u. a. gebrauchte<br />

Bücher zum Kauf angeboten oder Lesungen abgehalten.<br />

Was passiert jetzt mit den Büchern?<br />

Es wird verkleinert. Das große Wandregal kommt rüber in<br />

das „S'Einlädele“. Es ist unklar, ob noch Lesungen stattfinden,<br />

eher nicht, weil einfach der Raum dafür zu klein ist.<br />

Ihr habt gerade das komplette Inventar verkauft. Braucht<br />

Ihr das nicht wieder, sobald Ihr eine passende neue Location<br />

für das „Café Satz“ gefunden habt?<br />

Wenn man umzieht, will man das neue Wohnzimmer so<br />

gestalten, dass es auf die neue Situation passt und dass<br />

das Wohlfühlvergnügen so hoch wie möglich ist, damit die<br />

Menschen sich sofort damit identifizieren können.<br />

Wer arbeitete im „Café Satz“? Auch Ehrenamtliche?<br />

Das Café konnte nur bestehen durch Ehrenamt, vor<br />

allem durch Zeitspender und den Europäischen<br />

Freiwilligendienst.<br />

Kam ein Teil des Reinerlöses einem Projekt zugute?<br />

Der Erlös des Cafés und des Antiquariats sowie alle Trinkgelder<br />

und Spenden flossen in die humanitäre Hilfe.<br />

Was passiert ab <strong>April</strong> 2024 mit den MitarbeiterInnen?<br />

Leider sind außer mir alle gekündigt, die angestellt waren.<br />

Die europäischen Freiwilligen sind fast alle versorgt, weil<br />

wir ja in kleiner Version weitermachen.<br />

Wie können unsere LeserInnen Euch unterstützen?<br />

Indem sie weiterhin die gewohnte gute Tasse Kaffee, den<br />

schönen Tee oder heißen Ingwer jetzt einfach fünf Meter<br />

gegenüber im „S’Einlädele“ genießen und, wenn sie wollen,<br />

unseren Newsletter abonnieren (https://seinlaedele.de/<br />

newsletter.html).<br />

Deine persönlich schönste „Café Satz“-Geschichte?<br />

Kommt eine ältere Dame. „Können sie Akkordeons gebrauchen?“<br />

„Ja, für die Ukraine, ist das okay?“ „Ja, ich hätte<br />

aber zwölf!“ „Und die wollen sie uns alle schenken?“ „Ja,<br />

klar! Ich habe noch ein ganz großes, da brauche ich ein<br />

bisschen Geld dafür!“ Da musste ich nach dem Grund<br />

fragen. „Wissen sie, ich bin leidenschaftliche Akkordeonspielerin<br />

und gebe Unterricht.“ „Sie sind zwar mit Rollator<br />

reingekommen, aber sonst ganz schön agil.“ „Ja, aber ich<br />

muss alles loswerden. Ich hab jetzt am Lebensabend noch<br />

meinen Lebenspartner kennengelernt und wir wollen zusammenziehen.<br />

Wir leben in Norddeutschland und ziehen<br />

zu unserem Sohn hier.“ Mich wunderte, dass sie in ihrem<br />

Alter zwei Häuser auflösen und alles abtreten wollten. Die<br />

Frau meinte, dass sie bei ihrem Partner eingezogen wäre,<br />

aber es sei dort nicht barrierefrei. Ich fragte nach, warum<br />

sie denn nicht ein bisschen Geld in die Hand nehmen für<br />

einen Ausbau. In dem Moment bekommt der Mann riesige<br />

Augen und grinst. „Das hatte ich noch gar nicht gedacht,<br />

das wäre ja auch noch eine Idee.“ Kurzum, ich habe nie<br />

wieder was von der Frau gehört. Ich hoffe, dass sie heute<br />

noch Akkordeonunterricht gibt. Das ist niederschwellige<br />

Lebensberatung, wenn man einfach nur spiegelt, was man<br />

hört, den anderen rausholt aus seiner Situation, zuhört<br />

und vielleicht ein bisschen Perspektivenwechsel anbietet,<br />

dass auch noch ein Fenster da ist, man nicht immer durch<br />

die Tür gehen muss.<br />

Was ist für Dich der schönste Ort in Freiburg?<br />

Und welcher der hässlichste?<br />

Der schönste bis heute natürlich im Stühlinger die Ecke<br />

Guntram 57/58 mit dem „Café Satz“ und dem „S’Einlädele“,<br />

mit all den schönen und wertvollen Begegnungen, die ich<br />

hier habe. Hässlich ist es überall dort in Freiburg, wo ich<br />

Leid und Menschen sehe, die so oft auch mit einem traurigen<br />

Blick an mir vorbeigehen. Meine Hoffnung ist, dass<br />

viele Menschen, die hier wohnen oder zu Besuch sind, durch<br />

Menschen, die hier wirken, schöne und positive Inspiration<br />

für ihr Leben und ihre Zukunft bekommen.<br />

Was wünschst Du Freiburg?<br />

Eine tragfähige Zukunft in allen essenziellen Bereichen. Ein<br />

Hinweis, den ich für mich adaptiert habe: „Suchet der Stadt<br />

Bestes und betet für sie!“ (Zitat aus der Bibel: Jeremia 29,7).<br />

Das ist mir ein Herzensanliegen, auf dass viele Menschen in<br />

Freiburg Frieden finden, der ihr ganzes Leben durchdringt.<br />

Danke für das interessante Gespräch. Wir wünschen, dass<br />

es mit Eurer tollen und wertvollen Initiative weitergeht!<br />

Oliver, Conny & Ekki<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024 13


Foto: patpitchaya/ iStock<br />

SOLLEN JUGENDLICHE<br />

WENIGER MEDIEN NUTZEN?<br />

Chancen und Risiken im digitalen Zeitalter<br />

In den USA wird seit geraumer Zeit überlegt, TikTok zu<br />

verbieten. In China ist TikTok bereits gesperrt. Im Allgemeinen<br />

heißt es, Social Media kann unter anderem zu<br />

Ängsten, Depressionen, einer Essstörung, einem schlechten<br />

Selbstwertgefühl und dem Vernachlässigen von<br />

anderen Dingen führen.<br />

In Bezug auf Mobbing zum Beispiel: Mobbing gab es<br />

schon immer, aber in Zeiten des Internets wird das Mobbing<br />

auf ein ganz anderes Level gehoben, da im Internet<br />

die Leute anonym und schwer zur Rechenschaft zu ziehen<br />

sind.<br />

Außerdem gibt es den Satz „Das Internet vergisst nie“. Die<br />

Liste der Vorwürfe ist ziemlich lang, doch welche Argumente<br />

lassen sich wirklich belegen?<br />

Ein sehr schwerwiegendes Problem ist der sogenannte<br />

soziale Vergleich. Da vergleichen sich Kinder und Jugendliche<br />

nach oben, sie vergleichen sich mit tollen und unrealistischen<br />

Bildern und fühlen sich am Ende des Tages<br />

schlecht. Ihr Selbstwertgefühl wird dadurch reduziert.<br />

Das Problem ist, dass man sich heute mit der ganzen Welt<br />

vergleicht. Früher hat man sich oft nur mit den Menschen<br />

aus seinem Dorf verglichen.<br />

Es gibt FOMO. Das heißt „fear of missing out“. Das heißt<br />

auf Deutsch übersetzt, die Angst davor, etwas zu verpassen.<br />

Beispielsweise schöne Erlebnisse oder Erfahrungen,<br />

die da zum Beispiel wären: Man sieht Leute auf einem<br />

Foto an einem See bei einem schönen Sonnenuntergang.<br />

Dann will man das auch „erleben“. Häufig entsprechen<br />

diese Bilder gar nicht der Realität und sind nur gestellt.<br />

Ein anderes Thema ist Cybermobbing. Cybermobbing ist<br />

schlimm, da im Internet die Leute kein Blatt vor den Mund<br />

nehmen und ihre Meinung ungefiltert preisgeben. Dies<br />

wird durch die Anonymität des Internets gefördert. Viele<br />

haben keine Angst vor direkten Konsequenzen.<br />

Dazu passend gibt es jedoch wieder den von mir bereits<br />

erwähnten Spruch, über den man mal nachdenken sollte.<br />

Das Internet vergisst nie und nichts. Generell ist es problematisch,<br />

dass es kein Vergessen gibt. Wenn man zum<br />

14<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024


Foto: Merakist / Unsplash<br />

Beispiel früher, als man jung war, etwas Peinliches getan<br />

hat, wussten es nur die engsten Freunde. Heute wissen<br />

es Millionen von Menschen und man kann es auch noch<br />

nach Jahrzehnten im Internet finden.<br />

Außerdem gibt es in den sozialen Medien ungeeignete<br />

Inhalte für Jugendliche wie Gewalt, sexuelle Inhalte, Verherrlichung<br />

von Drogen und Alkohol. Jugendliche können<br />

diese Inhalte leicht finden und sind Influencern dadurch<br />

ungefiltert ausgesetzt.<br />

Zusätzlich gibt es problematische Trends wie zum Beispiel<br />

TikTok-Challenges, bei denen sich Kinder schwer verletzen<br />

oder sogar im schlimmsten Fall zu Tode kommen können.<br />

Auf der anderen Seite können soziale Medien auch gute<br />

Einflüsse auf Kinder und Jugendliche haben. Es gibt im Internet<br />

zahlreiche lehrreiche Inhalte, um sich weiterzuentwickeln<br />

und Neues zu erlernen. Viele knüpfen auch über<br />

soziale Medien oder Videospiele Kontakte und bauen so<br />

ihre Kommunikationsfähigkeiten aus.<br />

Meiner Meinung nach sollten Kinder und Jugendliche<br />

sich bewusst machen und sich darüber im Klaren sein,<br />

wie gefährlich eine unbedarfte Nutzung von sozialen<br />

Medien ist und welche Folgen sie haben kann.<br />

Kinder und Jugendliche, die die Folgen ihrer Internetnutzung<br />

noch nicht ganz abschätzen können, sollten durch<br />

Altersbeschränkungen und Internetfilter vor ungeeigneten<br />

Inhalten geschützt werden. Hier sind vor allem die<br />

Eltern und Betreiber von sozialen Medien gefordert.<br />

Anm. d. Red.: Lasse (15 Jahre) ist Schüler am<br />

Kepler-Gymnasium Freiburg und hat bei uns ein<br />

einwöchiges Sozialpraktikum gemacht.<br />

Lasse<br />

Zudem verbessern viele Kinder ihre Englisch-Kenntnisse<br />

über den Gebrauch von Chats. Beispielsweise in der Coronakrise<br />

waren die sozialen Medien die einzige Möglichkeit,<br />

mit anderen Jugendlichen in Kontakt zu treten<br />

und hier sicher eine wichtige Möglichkeit, mit anderen zu<br />

interagieren.<br />

Außerdem gibt es natürlich auch noch den Spaß- und<br />

Unterhaltungsaspekt. Viele Jugendliche werden über die<br />

sozialen Medien über Nachrichten und aktuelle Ereignisse<br />

in der Welt informiert.<br />

Zusammenfassend kann man sagen, dass soziale Medien<br />

einerseits sehr positive Aspekte beinhalten, aber auf der<br />

anderen Seite auch extrem gefährlich sein können, wenn<br />

man sich nicht bewusst ist, wie man verantwortungsvoll<br />

damit umgehen soll.<br />

Foto: Alexandra Koch / Pixabay<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024 15


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FREIeBÜRGER 04 | 2024


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FREIeBÜRGER 04 | 2024 17


FÜR EINE GERECHTERE GESELLSCHAFT<br />

„Wir müssen den Schwächsten in der Gesellschaft<br />

bessere Angebote machen“<br />

Der Ökonom Moritz Schularick ist Präsident des bedeutenden<br />

Kieler Weltwirtschaftsinstituts und forscht auch<br />

zu ökonomischer Ungleichheit. Im Exklusivinterview mit<br />

der Straßenzeitung HEMPELS aus Kiel spricht er über<br />

eine gerechtere Verteilung von Reichtum und Vermögen,<br />

warum er eine Erbschaftssteuer für richtig hält und dass<br />

die Transformation des Klimawandels keine sozialen<br />

Schieflagen verursachen darf. Und darüber, was er von<br />

der Politik für die nächsten Jahre erwartet.<br />

Herr Professor Schularick, Deutschland ist ein reiches<br />

Land. Wie ließe sich dieser Reichtum gerechter verteilen?<br />

Das ist die große Frage. Wenn – und das kann ich gut<br />

nachvollziehen – diese Parallelität von enormem Reichtum<br />

und sozialer Prekarität für Sie unerträglich ist, dann muss<br />

man in der Tat sagen, dass wir den Schwächsten in dieser<br />

Gesellschaft bessere Angebote machen müssen, damit sie<br />

wieder in die Gesellschaft integriert und voll zu ihr beitragen<br />

können.<br />

Welche Angebote sollten das sein?<br />

Da geht es um grundlegende Dinge wie Gesundheitsversorgung<br />

und jetzt im Winter natürlich die Versorgung mit<br />

Wohnraum. Aber auch z. B. um Schulungen. Wir haben<br />

Foto: Myriams/ Pixabay<br />

praktisch Vollbeschäftigung, wer arbeiten will und kann,<br />

kriegt auch einen Job. Aber manchmal gibt es ganz praktische<br />

Hindernisse: Bankkonten oder Adressen zum Beispiel,<br />

die Probleme machen. Sie sprechen jetzt aber mit dem Präsidenten<br />

eines Weltwirtschaftsinstituts und nicht mit einem<br />

Sozialpolitiker. Zu den konkreten Hürden und wie man sie<br />

im Detail am besten beseitigt, können andere mehr sagen.<br />

Wenn wir nicht auf die Weltwirtschaft schauen, sondern<br />

auf die deutsche Wirtschaft, dann kann man feststellen,<br />

dass wir eine halbwegs homogene Einkommensverteilung<br />

haben. Was nicht funktioniert, ist die Vermögensverteilung.<br />

Die ist im Ungleichgewicht, auch im<br />

europäischen Vergleich. Die reiche Hälfte der deutschen<br />

Bevölkerung besitzt 98,6 Prozent des Gesamtvermögens.<br />

Ist das nicht schon die Spaltung der Gesellschaft? Welche<br />

Möglichkeiten der Abhilfe sehen Sie?<br />

Ich bin selber Co-Autor einer Studie über die langfristige<br />

Vermögensverteilung in Deutschland. Und sie zeigt zum ersten<br />

Mal, in welchem Maße wir da auch im Vergleich zu anderen<br />

europäischen Ländern größere Ungleichheiten haben.<br />

Vermögensungleichheit ist nicht ein Problem an sich, sondern<br />

sie ist es dann, wenn es Nebeneffekte gibt, die wir nicht<br />

wollen. Wenn wir in die USA schauen, dann wird deutlich,<br />

18<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024


wie dieser enorme Reichtum, den dort einzelne Personen<br />

haben, politisch eingesetzt wird und damit demokratische<br />

Prozesse untergräbt. Das ist problematisch, denn dann gehen<br />

wir in Richtung eines Oligarchentums wie in Russland.<br />

Eine Verquickung von politischer Einflussnahme und finanziellem<br />

Vermögen ist für eine Demokratie problematisch.<br />

Sie meinen die anstehenden Präsidentschaftswahlen in<br />

den USA.<br />

Ja. In Deutschland ist unser Wohlbefinden nicht unbedingt<br />

beeinträchtigt, weil es jemanden gibt, der wahnsinnig<br />

viel reicher ist. Das schafft keine Probleme, solange wir es<br />

schaffen – und das ist die Aufgabe des Steuersystems – , die<br />

öffentlichen Güter, die existenziell sind für unsere künftige<br />

Wirtschafts- und Sozialentwicklung, über Steuermittel<br />

bereitzustellen. Zum Beispiel für gute Schulen, für eine gute<br />

frühkindliche Erziehung. Es gibt allerdings viele Bereiche,<br />

wo wir nicht so gut sind, wie wir sein sollten. Gerade bei<br />

den Fragen von Kinderbetreuung, den Grundschulen, dem<br />

Bildungssystem. Wir hatten kürzlich den Pisa-Schock. Das<br />

sind öffentliche Güter, die der Staat bereitstellen muss. Zu<br />

deren Finanzierung müssen Wohlhabende mehr beitragen.<br />

Im Moment sehen wir allerdings vor allem deshalb bei<br />

vielen dieser öffentlichen Leistungen nicht gut aus, weil der<br />

deutsche Staat sich in den letzten Jahren selber nicht gut<br />

aufgestellt hat und nicht weil es an Umverteilung mangelt.<br />

In unserem Bildungssystem sind die einen angewiesen<br />

auf das öffentliche Schulsystem, die anderen genießen<br />

die Vielfalt der Privatschulen, auf denen es relativ wenig<br />

Sozialhilfeempfänger gibt.<br />

Ich finde das besorgniserregend. Es ist essenziell und<br />

ökonomisch sinnvoll, dass Kinder aus armen und reichen<br />

Familien gemeinsam zur Schule gehen und es keine soziale<br />

Segmentierung gibt. Wir schaffen es an vielen Orten nicht<br />

mehr, gute öffentliche Schulen zur Verfügung zu stellen.<br />

Nicht unbedingt, weil wir zu wenig Geld dafür ausgeben.<br />

Der Blick nach Skandinavien oder Estland zeigt uns, dass<br />

mit relativ ähnlichen Summen dort mehr erreicht wird. Wir<br />

müssen uns also auch an die eigene Nase fassen und uns<br />

fragen, was ist denn da los in unserem System.<br />

Könnte ein Weg sein, dass man über eine Erbschaftssteuer<br />

nachdenkt?<br />

Absolut. Dafür bin ich offen, das ist die gerechteste Steuer,<br />

bei der die meisten Ökonomen sagen, dass hier gerade in<br />

den letzten zehn bis 15 Jahren in Deutschland einiges schiefgelaufen<br />

ist.<br />

Den Reichen dürfte das gefallen.<br />

Ja, und das hat auch mit erfolgreicher Lobbyarbeit zu tun.<br />

Ich kann es individuell nachvollziehen, dass ein Gründer<br />

sein Unternehmen an die nächste Generation weitergeben<br />

möchte. Aber es ist überhaupt nichts dagegen<br />

Weltwirtschaftsinstitut Kiel<br />

Das „Kiel Institut für Weltwirtschaft“ (IfW Kiel) ist<br />

eines der großen und bedeutenden Zentren weltwirtschaftlicher<br />

Forschung. Aufgabe ist, weltwirtschaftliche<br />

Herausforderungen frühzeitig zu erkennen und<br />

Lösungsansätze zu entwickeln. Das Institut mit seinen<br />

insgesamt über 100 wissenschaftlichen Mitarbeitenden<br />

berät deutsche, europäische und internationale<br />

Politik sowie Institutionen, Verbände und Unternehmen.<br />

Als eigenständiges Institut kooperiert das IfW<br />

mit der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und<br />

wird vom Land Schleswig-Holstein und vom Bund<br />

finanziert.<br />

Prof. Moritz Schularick<br />

Der 1975 geborene Moritz Schularick ist seit Juni 2023<br />

Präsident des Kieler Weltwirtschaftsinstituts. Vor<br />

seiner Berufung an das IfW war der Volkswirt Professor<br />

für Makroökonomie an der Universität Bonn.<br />

Schularick hat mehrere Auszeichnungen erhalten,<br />

unter anderem ist er Preisträger des Leibniz-Preises<br />

2022, Deutschlands wichtigstem und von der Deutschen<br />

Forschungsgemeinschaft (DFG) vergebenen Forschungspreis.<br />

In seiner Forschung beschäftigt er sich<br />

unter anderem mit ökonomischer Ungleichheit und<br />

den Ursachen von Finanzkrisen.<br />

einzuwenden, dass die nächste Generation, die das Vermögen<br />

vererbt bekommt und nicht selbst erarbeitet hat, dafür<br />

auch einen guten Teil Erbschaftssteuer zahlen muss. Es gibt<br />

ja das Argument, dass diese Steuerlast die neue Generation<br />

überlasten würde. Das sind nur vorgeschobene Argumente,<br />

denn das kann man über viele Jahre strecken. Ich stimme<br />

Ihnen zu: Wir brauchen hier eine gerechtere Besteuerung.<br />

Übrigens, mehr Erbschaftssteuern wären eine tolle Möglichkeit,<br />

an anderer Stelle zu sagen, wir brauchen da weniger<br />

Steuern oder wir können mehr investieren.<br />

Das wäre eine Umverteilung.<br />

Das ist eine der Aufgaben des Steuersystems.<br />

Ein anderer Knackpunkt, der gerade massiv durchschlägt,<br />

sind die Maßnahmen zum Klimaschutz. Gerade für arme<br />

Menschen werden viele Alltagsausgaben für Lebensmittel<br />

oder Benzin teurer. Einen Reichen trifft das nicht<br />

wirklich, Menschen, die von Bürgergeld leben müssen,<br />

hingegen schon. Verbunden mit dem, was wir schon<br />

diskutiert haben: Besteht die Gefahr, dass das zu einer<br />

weiteren Teilung der Gesellschaft führt?<br />

Ich denke, es ist erst mal durchaus plausibel, dass der Konsumkorb<br />

von einkommensschwächeren Haushalten mehr<br />

CO₂ enthält – relativ gesehen, nicht absolut.<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024 19


Abb.: Prof. Moritz Schularick<br />

Foto: Holger Förster<br />

Fraglos bewältigen wir die angesichts des Klimawandels<br />

notwendige Transformation nur dann erfolgreich, wenn<br />

das nicht große soziale Schieflagen verursacht. Das würde<br />

nur extremen Parteien noch mehr Stimmen bringen. Auf<br />

der anderen Seite halte ich es für legitim, auch Einkommensschwächeren<br />

oder Haushalten mit mittlerem Einkommen<br />

zu sagen: Auch ihr müsst einen gewissen Wandel in<br />

eurem Leben hinnehmen. Und wenn das bedeutet, dass es<br />

teurer wird, mit dem Auto statt mit dem deutlich billigeren<br />

Zug zur Arbeit zu fahren. Ich denke, wir brauchen auch da<br />

Anreize, uns klimafreundlich zu verhalten.<br />

Müsste ein Ausgleich der Belastungen durch den Staat<br />

erfolgen?<br />

Dass den unteren Einkommensgruppen ein Ausgleich der<br />

CO₂-Kosten zugutekommt, halte ich für eine sinnvolle Sache.<br />

Der absolute CO₂-Abdruck steigt ja mit dem Einkommen.<br />

Etliche Menschen sehen sich gesellschaftlich schon jetzt<br />

als abgehängt, besondere Ängste entstehen nun auch in<br />

der Mittelschicht. Sie befürchten, ebenfalls abzurutschen.<br />

Zum einen kann daraus ein Rechtsruck im Wahlverhalten<br />

resultieren. Es kann daraus aber auch ein Protest gegen<br />

die Politik insgesamt werden. Stimmen Sie dem zu?<br />

Das ist unbestritten. Es gibt eine Krisenstimmung im Land,<br />

die Leute wissen nicht, wie das Land in zehn Jahren aussehen<br />

wird. Das liegt an einem großen Vakuum an politischer<br />

Führung. Und wir verstricken uns jetzt in Klein-klein-Debatten,<br />

statt Orientierung zu geben, wie es in fünf bis zehn<br />

Jahren aussehen soll. Es gibt da Parallelen zu den 20er- und<br />

30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, und die werden<br />

leider jeden Tag größer.<br />

Es gibt in unserem Sozialsystem eine ganze Menge Hilfeleistungen.<br />

Die Wirkung des vielen Geldes scheint aber<br />

leider begrenzt zu sein. Die Armut zurückzudrängen, ist<br />

in den letzten 20 Jahren immer weniger gelungen. Der<br />

Armutsbericht 2022 des Paritätischen Gesamtverbands<br />

besagt, dass 16,9 Prozent der Gesamtbevölkerung – insgesamt<br />

gut 14 Millionen – arm sind und über weniger als<br />

60 Prozent des mittleren Einkommens verfügen. Sind die<br />

Instrumente noch angemessen oder müsste man andere<br />

entwickeln?<br />

Wir haben einen großen Sozialstaat, die Sozialleistungen<br />

entsprachen 2022 rund 30 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung.<br />

Die Sozialausgaben an sich sind nicht das<br />

Problem, aber ich würde sehr viel dafür geben, wenn wir<br />

die großen Summen, die da bewegt werden, effizienter einsetzen<br />

könnten. Ich mache mal den Vergleich zur Bundeswehr:<br />

Die hat auch ein erhebliches Budget. Aber am Ende<br />

muss man sagen, wir sind nur bedingt verteidigungsfähig.<br />

Zu Ihrer Frage: Da ist in der Tat das Gefühl, dass das System<br />

immer weniger wirkmächtig ist.<br />

Wie müsste man das ändern?<br />

Wir müssen in vielen Bereichen über einen grundsätzlichen<br />

Neuanfang nachdenken. Krankenversicherung zum<br />

Beispiel. Diese Parallelität von privater und öffentlicher<br />

Krankenversicherung, mit vielen verschiedenen Tarifen und<br />

ausgehandelten Fallpauschalen, Überweisungen – das ist<br />

alles nicht effizient. In anderen Ländern gibt es digitale<br />

Patientenakten, es werden nicht Untersuchungen doppelt<br />

gemacht, weil irgendwo das Papier verloren gegangen<br />

ist. Gerade im Medizinbereich gibt es sehr viel Effizienzpotential.<br />

Wir haben auch ein Problem bei den Renten und<br />

finanzieren aus laufenden Steuermitteln jetzt schon die<br />

20<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024


Renten in ganz erheblichem Maße. Vielleicht können wir<br />

dieses Problem lösen, wenn wir geschickt Einwanderung in<br />

den Arbeitsmarkt steuern. Aber der Generationenvertrag<br />

funktioniert nicht mehr, weil sich einige Generationen vom<br />

Kinderkriegen verabschiedet haben. Da müsste die Politik<br />

sich aber irgendwann trauen und den aktuellen Rentnern<br />

auch mal sagen: Ihr habt euren Teil des Vertrages nicht<br />

erfüllt, ihr könnt jetzt nicht erwarten, dass wir so weitermachen<br />

und ihr die gleichen Leistungen bekommt.<br />

Die durchschnittliche monatliche Altersrente in Deutschland<br />

beträgt nach Abzug der Kranken- und Pflegeversicherung<br />

1.080 Euro. Die realen Renten sinken, immer<br />

mehr Rentner sind auf Aufstockung angewiesen. Wie<br />

kann man steigender Altersarmut entgegenwirken?<br />

Als Rentnerin oder Rentner hat ein großer Teil meines<br />

Bedarfs mit Gesundheit und Pflege zu tun. Bei der Zahl,<br />

die Sie gerade genannt haben, muss man also fairerweise<br />

dazusagen, dass die größten Lebenskrisen mit Gesundheit<br />

und Pflege schon abgedeckt sind. 1.080 Euro sind wirklich<br />

nicht viel, da stimme ich Ihnen zu. Aber wenn einem die<br />

existenziellen Risiken abgenommen sind, dann ist das ein<br />

schöner Anfang. Ist das auch ein luxuriöses Leben? Nein,<br />

natürlich nicht.<br />

Welche Maßnahmen würden Sie der Politik empfehlen,<br />

um in den nächsten zehn Jahren eine gute wirtschaftliche,<br />

gesellschaftliche und soziale Entwicklung zu gewährleisten?<br />

Wir brauchen eine positive Vision, wie das Land aussehen<br />

soll. Dazu brauchen wir politische Führung. Wir brauchen<br />

eine Idee, wie es mit unserer industriellen Basis in Deutschland<br />

weitergehen soll. Wie wir den Klimawandel und diese<br />

Energietransformation gestalten, damit sie nachhaltig im<br />

sozial-ökologischen Sinn ist. Wir benötigen diese Konkretisierung<br />

einer Agenda 2030/35, dass wir ein Ziel haben,<br />

auf das wir losmarschieren. Zum Beispiel, dass wir die<br />

grüne Industrienation Nr. 1 in der Welt werden wollen. Wir<br />

brauchen etwas Konkretes, wo wir sagen, wir packen an<br />

und laufen alle in die gleiche Richtung. Da wollen wir hin,<br />

und wenn wir da ankommen, dann sind AfD und andere<br />

Schreckgespenster vergessen.<br />

Interview: Peter Brandhorst, Holger Förster<br />

Mit freundlicher Genehmigung<br />

der Kieler Straßenzeitungvon HEMPELS e. V.<br />

Anzeige<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024 21


DIE GESCHICHTE DER PIZZA<br />

Eine Koproduktion verschiedener Kulturen<br />

Foto: Hans / Pixabay<br />

Eines der beliebtesten Fastfood-Gerichte der Deutschen<br />

neben Currywurst, Döner und Yufka ist die Pizza. Wer<br />

hat dieses kreisrunde, flache, knusprige und leckere Ding<br />

erfunden? Waren es die Italiener, doch Dr. Oetker oder<br />

vielleicht die Nordamerikaner, die schließlich McDonald's<br />

erfunden haben?<br />

Wenn man den Archäologen Glauben schenken darf, soll<br />

die Pizza ihren Ursprung gar nicht in Italien, sondern<br />

im Land der Griechen und bei den Etruskern haben. Die<br />

Etrusker waren ein Volk, das in Nord- und Mittelitalien<br />

lebte. Damals nannte sich dieses Gebiet Eturien; das<br />

heutige Areal umfasst die Toskana, Latium und Umbrien.<br />

Die Kultur der Etrusker hatte seine Blütezeit zwischen 800<br />

und 350 v. Chr.. Die Etrusker besaßen eine eigene Sprache<br />

und Schrift. Erstere hatte sich aus einer frühen griechischen<br />

Schrift entwickelt. In Eturien hatten sich 12 Städte<br />

zu einem Bund zusammengeschlossen und in jeder Stadt<br />

gab es einen König an der Spitze. Später übernahmen die<br />

Römer viel von den Etruskern, wie den purpurfarbenen<br />

Königsmantel. Durch den Austausch mit Griechenland<br />

gab es einen großen Einfluss der griechischen Gepflogenheiten<br />

auf die Etrusker.<br />

Ursprünglich war die Pizza ein Teigfladen, der auf Stein<br />

gebacken wurde, eine „Pita“, Fladenbrot. Dieser wurde<br />

mit diversen Lebensmitteln belegt und diente somit als<br />

essbarer und umweltfreundlicher Teller. Manchmal wurde<br />

dieser Teller gewürzt und ähnelte der heutigen herzhaften<br />

italienischen Focaccia. Nach der Kolonialisierung<br />

Süditaliens durch die Griechen übernahmen die Römer<br />

die schmackhafte Erfindung der Griechen. Der Siegeszug<br />

der Pizza ging einher mit den römischen Eroberungen.<br />

Das Römische Reich war eine Herrschaft, die ungefähr von<br />

200 v. Chr. bis 480 n. Chr. existierte. Es war zu der Zeit das<br />

größte Reich in Europa. Die Römer lebten von der Landwirtschaft,<br />

vom Vieh und bestellten Äckern.<br />

Erst Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Tomate, die<br />

botanisch eine Frucht ist, als Lebensmittel in Europa<br />

akzeptiert. Die Heimat der Tomate, die es in knalligem<br />

Rot, warmem Gelb-Orange, prachtvollem Violett bis zum<br />

22<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024


eeindruckendem Schwarz gibt, ist Peru und Ecuador. Die<br />

Azteken, eine Hochkultur Mexikos, pflanzten das Nachtschattengewächs<br />

als Erste an und nannten es „tomatl“.<br />

Die traditionelle neapolitanische Pizza besteht aus den<br />

vier Zutaten Mehl, Wasser, Salz und Hefe. 1830 wurde die<br />

erste Pizzeria in Neapel, drittgrößte Stadt in Italien und<br />

im Süden des Landes gelegen, eröffnet. Im Jahre 1889<br />

fand die erste Pizzalieferung durch Raffaele Esposito,<br />

Besitzer des berühmten Lokals Pietro il Pizzaiolo, an König<br />

Umberto I. (1844-1900) und an dessen Gemahlin Margarethe<br />

von Genua (1852–1926) statt. Einer Legende nach zufolge<br />

schenkte der König seiner Ehefrau eine Pizza, die mit<br />

Basilikum, Tomate und Mozzarella belegt war, die Pizza<br />

Margherita. Die Farben dieser Pizza sind die der italienischen<br />

Nationalflagge. Grün, rot und weiß. In Deutschland<br />

wurde die erste Pizza 1937 zubereitet, als in Frankfurt am<br />

Main eine Kochkunstausstellung stattfand. 1952 eröffnete<br />

Nicolino di Camillo die erste Pizzeria in Würzburg.<br />

Der Favorit der Deutschen unter den Pizzen, grammatikalisch<br />

ebenfalls korrekt Pizzas, ist die Pizza Salami, gefolgt<br />

von Pizza Tonno und der königlichen Pizza Margherita.<br />

Auf dem 12. Platz landet die vegetarische/vegane Kreation.<br />

Lediglich 2,3 Prozent der Deutschen mögen Pizza<br />

Parma. Seit wenigen Jahren wird die Pinsa, eine Verwandte<br />

der Pizza, populärer. Der Unterschied zwischen<br />

beiden liegt in den verwendeten Zutaten und der jeweiligen<br />

Zubereitung. Eine Pinsa ist oval und der Teig reift<br />

zwischen einem und vier Tagen im Kühlschrank, weshalb<br />

sie bekömmlicher als eine Pizza ist. Der Wasseranteil der<br />

Pinsa liegt bei 80 Prozent und ist damit höher als bei<br />

einer klassischen Pizza mit 50 bis 60 Prozent. Eine Pinsa<br />

wird typisch nur mit Mozzarella belegt und kann, extravagant,<br />

mit süßem Belag genossen werden. Zum Beispiel<br />

mit Feigen und Ziegenkäse oder Schokolade mit Himbeerkonfitüre.<br />

Tomatensoße einen zusätzlichen würzigen Hauch schenkt<br />

und dazu eine Wohltat für den Verdauungstrakt ist. Neben<br />

eher verrückten Kombinationen wie Pizza Sushi oder<br />

Pizza Plantain, eine brasilianische Art mit Kochbananen,<br />

streiten sich die kulinarischen Gemüter um die fruchtig-pikante<br />

Pizza Hawaii, die immerhin bei sechs Prozent<br />

der Deutschen positiv ankommt. Die Pizza Hawaii besteht<br />

aus dem Grundteig mit Tomatensoße, Ananas, Schinken<br />

und Käse. Erfunden wurde die Pizza Hawaii vom Gastronomen<br />

Sam Panopoulos (1934-2017).<br />

Für die einen ist es keine Pizza, sondern ein Kuchen. Nordamerikanische<br />

Pizzas im Chicago-Deep-Dish, New Yorkoder<br />

Detroit-Style basieren auf einer erweiterten Idee von<br />

italienischen Einwanderern in Chicago. Dort fanden sie<br />

einst eine Pizza mit einer dicken Kruste und einem nach<br />

außen gewölbten Rand vor, der sie an einen Kuchen oder<br />

Torte erinnerte. Die Zutaten für eine Chicago werden in<br />

umgekehrter Reihenfolge belegt. Zuerst der Mozzarella<br />

auf dem Teigboden, gefolgt von Fleisch, dann Gemüse<br />

und zuletzt die Tomatensoße.<br />

Keine Pizza ohne Rekord. Die längste Pizza der Welt, eine<br />

Pizza „Megarita“, ist 1,8 km lang und wurde von 250 Pizzabäckern<br />

in Neapel zubereitet.<br />

Kalí órexi, Buon appetito,<br />

¡Buen provecho – Enjoy your pizza!<br />

Rose Blue<br />

In eigener Sache<br />

Apropos Mozzarella. Dieser hat eine süditalienische<br />

Abstammung und geht auf die Römerzeit in Mitte des<br />

1. Jahrhunderts nach Christus zurück, als ein ähnlicher<br />

Käse aus Schafsmilch hergestellt wurde. Überlieferungen<br />

zufolge gaben die Mönche von Lorenzo di Capua Brot und<br />

ihren selbst produzierten Käse, „Mozza“, an die Bedürftigen<br />

aus. Aus „Mozza“ entwickelte sich der Name „Mozzarella“,<br />

der sich aus dem italienischen Wort „mozzare“<br />

(=abtrennen) ableitet. Mit der aufkommenden Haltung<br />

von Wasserbüffeln im 16. Jahrhundert vollzog sich ein<br />

Wandel vom Schafsmilchmozzarella hin zum heute als<br />

echt betrachteten Mozzarella di bufala, Büffelmozzarella.<br />

Die vielfältigen Gewürze für die Tomatensoße wie Pfeffer,<br />

Basilikum und Oregano sind in Südindien, Indien und<br />

im Mittelmeerraum beheimatet. Als Mamas Geheimtipp<br />

für die Tomatensoße gilt ein wenig Kümmel, der der<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024 23


Engagiert für<br />

wohnungslose Menschen<br />

Sonntagstreffs<br />

im <strong>April</strong> 2024<br />

14.04.2024<br />

13 Uhr<br />

Gemeinde St. Peter und Paul<br />

Bozener Straße 6<br />

Bus 11 Richtung St.Georgen<br />

Halt Gabelsbergerstraße oder<br />

Straßenbahnlinie 3<br />

Richtung Vauban<br />

bis Endhaltestelle<br />

Foto: E. Peters<br />

VERKÄUFER ATILLA<br />

Anzeige<br />

Hallo, ich heiße Atilla und bin seit Januar 2024 Verkäufer<br />

beim FREIeBÜRGER. Geboren und aufgewachsen bin<br />

ich in der Stadt Rimavská Sobota, diese liegt im Süden<br />

der Slowakei nahe der ungarischen Grenze. Dort habe<br />

ich die Schule besucht und den Beruf des Kochs erlernt.<br />

In Deutschland lebe ich seit 18 Jahren, in Freiburg seit<br />

November 2023. Durch ein Gespräch mit einem FREIe-<br />

BÜRGER-Verkäufer erfuhr ich von der Möglichkeit, die<br />

Straßenzeitung zu verkaufen.<br />

Ich verkaufe vor dem Alnatura-Supermarkt in der Bismarckallee<br />

10 in Freiburg, täglich von Montag bis Samstag<br />

so ab 13 Uhr bis 20 Uhr. Es ist toll, beim Verkauf mit<br />

den unterschiedlichsten Menschen in Kontakt zu kommen.<br />

Mit dem ein oder anderen ergibt sich ein Gespräch,<br />

manch einer lädt mich auf einen Kaffee oder ein belegtes<br />

Brötchen ein. Der Verkauf macht mir Spaß und ich bin an<br />

der frischen Luft, aber für mich in meiner momentanen<br />

Situation ist der Verkauf auch meine einzige Einnahmequelle,<br />

daher bin ich froh, dass es den FREIeBÜRGER gibt.<br />

Für meine Zukunft wünsche ich mir einen Job und ein<br />

eigenes Zimmer, da ich momentan obdachlos bin.<br />

APRIL 2024<br />

BOUCAN<br />

DO, 4. I 20 H I ROCK, SOUL, PSYCHEDELIC<br />

SUPERDIRT2²+ TREIBHOLZ<br />

FR, 5. I 21 H I CELLO LOOPS, LIVE ELECTRO<br />

SCHRENG SCHRENG & LA LA +<br />

DIRK BERNEMANN + AFTERSHOW<br />

SA, 6. I 21 H I I AKUSTIKPUNK, LESUNG<br />

TAMARA QADDOUMI<br />

DO, 11. I 20 H I COLD POP<br />

AMIXS + 700WET<br />

FR, 12. I 21 H I SYNTH POP, COSMIC<br />

WALTER FROSCH +<br />

FRITZ FROSCH FONDUE VOL. IV<br />

SA, 13. I 21 H I LOFI WAVE POP<br />

KARA DELIK + PARADUCKS<br />

DO, 18. I 20 H I ANATOLIAN POST KRAUTROCK, INDIE ROCK<br />

VOODOO BEACH + DINING DOLPHINS<br />

FR, 19. I 21 H I NOISE ROCK, POST PUNK<br />

PRINCESS THAILAND<br />

SA, 20. I 21 H I NOISE, POST PUNK, NO WAVE<br />

Zum Schluss möchte ich mich noch bei meinen KäuferInnen<br />

für die Unterstützung bedanken, wünsche eine schöne<br />

Zeit und sage bis ganz bald an meinem Verkaufsplatz.<br />

Ihr Atilla<br />

VEREIN FÜR NOTWENDIGE KULTURELLE MASSNAHMEN e.V.<br />

HASLACHER STRASSE 25 | 79115 FREIBURG<br />

WWW.SLOWCLUB-FREIBURG.DE<br />

24<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024


Anzeige<br />

ECM FESTIVAL<br />

FREIBURG<br />

8.-11. Mai 2024<br />

A TRIBUTE TO ANJA LECHNER<br />

MONA MATBOU RIAHI<br />

PABLO MÁRQUEZ<br />

FRANÇOIS COUTURIER<br />

NITAI HERSHKOVITS<br />

DOMINIC MILLER<br />

ZSÓFIA BOROS<br />

MACIEJ OBARA QUARTET<br />

F ORUM<br />

forumjazz.de<br />

HIER KOSTENLOSE<br />

FESTIVAL-APP<br />

DOWNLOADEN<br />

Mit freundlicher<br />

Unterstützung:<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024 25


Eremitendasein. Nun will die junge Dame das Ansehen<br />

erlangen, von dem sie glaubt, dass es ihr zustehe. Ihr<br />

größter Wunsch ist der gesellschaftliche Aufstieg durch<br />

die Eheschließung mit Lord Ashley.<br />

Mrs King ist damit beschäftigt, alle Komplizinnen von<br />

ihrem Plan für den größten Raub des Jahrhunderts zu<br />

überzeugen. Dabei ist Winnie Smith ihre wichtigste Verbündete,<br />

denn die ehemalige Hauswirtschafterin verfügt<br />

über das Inventarbuch der Residenz. Auch Alice Parker, die<br />

jüngere Halbschwester von Mrs King, lässt sich überzeugen<br />

und nimmt eine Stelle als Näherin bei Miss de Vries<br />

an. Mrs Bone bringt ihre langjährige kriminelle Erfahrung<br />

und die benötigten Personal- und Finanzressourcen<br />

in das Projekt ein. Auch die Schauspielerin Hephzibah<br />

Grandcourt hat als ehemalige Küchenmagd gute Gründe<br />

für ihre Beteiligung an dem Raub. Die von Mrs Bone<br />

rekrutierten Janes treffen als Stubenmädchen getarnt die<br />

Vorbereitungen für das riskante Verbrechen. In der Ballnacht<br />

soll das gesamte Inventar des Hauses unbemerkt<br />

gestohlen und abtransportiert und dann innerhalb einer<br />

Woche verkauft werden. In dieser Nacht wird die gesamte<br />

Unterwelt auf den Beinen sein!<br />

Alex Hay<br />

„Mayfair House“<br />

Insel Verlag<br />

ISBN 978-3-458-64440-8<br />

405 Seiten | 20 €<br />

MAYFAIR HOUSE<br />

Buchbesprechung von utasch<br />

Oben lädt Madam zum Ball der Saison, unten planen<br />

die Dienstmädchen den Raub des Jahrhunderts.<br />

Die Geschichte beginnt im Frühling 1905 in der Residenz<br />

de Vries in der vornehmen Park Lane in London. Schwer<br />

lastet das Haus, ein Berg aus Marmor, Eisen und Glas,<br />

auf der Hauswirtschafterin Mrs King, als sie wegen einer<br />

Bagatelle die fristlose Kündigung erhält. Doch so einfach<br />

will sich Mrs King nach zwanzig Dienstjahren nicht<br />

abspeisen lassen. Sie organisiert einen Rachefeldzug, der<br />

alles übertrifft, was bisher vorstellbar war. Und geeignete<br />

Komplizinnen stehen für die Umsetzung auch schon<br />

bereit.<br />

Derweil plant die junge Hausherrin Miss de Vries den<br />

tollsten Ball der Saison. Ihr kürzlich verstorbener Vater<br />

Wilhelm de Vries verdammte sie zu einem einsamen<br />

Jede der Komplizinnen wird von ganz eigenen Motiven<br />

gelenkt. Mrs Bone hegt schon lange einen Groll<br />

gegen den verstorbenen Wilhelm de Vries, der als Danny<br />

O´Flynn geboren wurde und auf zweifelhafte Weise<br />

zu seinem Vermögen kam. Mrs King will als Tochter von<br />

Danny O´Flynn auf das Erbe zugreifen, das auf legalem<br />

Wege unerreichbar wäre. Und Hephzibah erging es wie<br />

vielen anderen Küchenmädchen, die in herrschaftlichen<br />

Häusern Opfer sexuellen Missbrauchs wurden. Unter<br />

der prachtvollen Oberfläche geschahen im Haus de Vries<br />

schreckliche Dinge, in die auch der Anwalt Mr Lockwood<br />

und der Butler Mr Sheperd verwickelt waren.<br />

Perfekt vorbereitet beginnt die Ballnacht, in der die Gäste<br />

von Miss de Vries ausgelassen feiern, während gleichzeitig<br />

alles was nicht niet- und nagelfest ist von dreisten<br />

Diebinnen gestohlen wird. Natürlich geht es dabei drunter<br />

und drüber und unvorhersehbare Komplikationen<br />

bringen den ausgetüftelten Plan ins Wanken. Doch im<br />

Morgengrauen ist die Residenz ihrer beweglichen Habe<br />

beraubt und die Komplizinnen tauchen unter, bevor sie<br />

mit dem Erlös aus dem Raubgut auf getrennten Wegen<br />

ihre Träume verwirklichen.<br />

Der Autor Alex Hay wurde beim Schreiben von seiner<br />

persönlichen Vorliebe für Bücher, in denen herrschaftliche<br />

Residenzen, zerrüttete Familien, treue Freundschaften<br />

und kühne Vorhaben vorkommen, geleitet. „Mayfair<br />

House“ ist ein kurzweiliger Roman für alle, denen das<br />

Personal in Downton Abbey nicht aufmüpfig genug ist.<br />

26<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024


MEDITERRANE FRÜHLINGS-PIZZA<br />

Foto: E. Peters<br />

Herzlich willkommen auf unserer Kochseite!<br />

Unsere Rose Blue hat für diese <strong>Ausgabe</strong> einen Artikel über<br />

die Geschichte der Pizza geschrieben. Da hat es sich natürlich<br />

angeboten, für Sie diesen Monat eine Pizza zu backen.<br />

Die Geschichte der Pizza ist lang. Von den Griechen<br />

bis zu den Ägyptern, von den Persern bis zu den Indern,<br />

gab es im Laufe der Geschichte immer wieder verschiedene<br />

Interpretationen der Pizza. Fladenbrot, Naan und<br />

Plakountos sind frühe Zubereitungen der modernen Pizza.<br />

Die Pizza, wie wir sie kennen, wurde wahrscheinlich<br />

in Neapel, Italien, gebacken. Ursprünglich war sie ein Gericht<br />

für arme Leute und wurde mit den unterschiedlichsten<br />

Belägen auf der Straße verkauft. In der heutigen Zeit<br />

ist Pizza das bundesweit beliebteste Lieferdienst-Produkt.<br />

Wir backen selbst und belegen unsere Pizza mit lecker<br />

geröstetem Ofengemüse, Kirschtomaten, Mozzarella &<br />

Oliven.<br />

Zutaten für 3 Pizzen:<br />

Teig: 15 g frische Hefe, 500 g Mehl, 10 g Salz, 50 ml Olivenöl<br />

Belag: 60 g Brokkoliröschen, 2 rote Paprikaschoten, 2<br />

kleine Zucchini, 150 g Kirschtomaten, 40 g entsteinte<br />

schwarze Oliven, 150 g Mozzarella, 3-6 EL passierte Tomaten,<br />

4 Zweige Rosmarin, 2 EL Ofengemüsegewürz, Salz,<br />

Pfeffer, Oregano<br />

Zubereitung:<br />

Für den Teig das Mehl auf ein Holzbrett sieben und die<br />

Hefe mit den Fingern ins Mehl reiben. Salz, Olivenöl und<br />

320 ml Wasser zugeben und alles gründlich verkneten.<br />

Den Teig abgedeckt mind. 1 Std. gehen lassen. Jetzt ran ans<br />

Gemüse! Brokkoli in kochendem Salzwasser blanchieren,<br />

die Paprika und Zuchini in schmale Streifen schneiden und<br />

die Tomaten halbieren. Das Ofengemüsegewürz mit dem<br />

Olivenöl verrühren und die Tomaten, Paprika, Zucchini<br />

und den Brokkoli darin vermischen. Die passierten Tomaten<br />

mit Oregano, Salz & Pfeffer würzen. Ein Backblech mit<br />

Backpapier auslegen, das Gemüse und die Rosmarinzweige<br />

darauf verteilen. Im 200 °C heißen Backofen 15-20 Min.<br />

anrösten, dabei einmal wenden. Die Oliven halbieren und<br />

den Mozzarella in dünne Scheiben schneiden. Für die Pizza<br />

den Backofen auf 250 °C vorheizen. Den Teig auf einer<br />

leicht bemehlten Arbeitsfläche in 3 gleich große Stücke<br />

teilen und zu Bällchen formen. Dann die Teigbällchen mithilfe<br />

der Handballen rund zu Pizzen strecken, bis sie einen<br />

Durchmesser von ca. 20 cm haben. Auf jeden Boden 2 EL<br />

Tomatensoße verstreichen und das geröstete Gemüse, den<br />

Mozzarella und die Oliven verteilen. Die Pizzen nacheinander<br />

bei 240 °C goldbraun und knusprig backen.<br />

Buon appetito!<br />

Oliver & Ekki<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024 27


Hallöchen, liebe Sportfreunde,<br />

schwups, und schon ist ein Viertel des Jahres herum! Mir<br />

ist, als hätte ich gerade eben erst meinen alkoholfreien<br />

Silvesterpunsch getrunken, dabei sind es nur noch etwas<br />

mehr als zwei Monate bis zur Fußball-EM. Dafür ist aber<br />

im März eine ganze Menge passiert, sodass ich diesmal<br />

diese Zeilen auch schnell füllen kann.<br />

Aber erst noch einmal kurz zum Wintersport, denn der<br />

hat sich ja an diesem Wochenende für ein halbes Jahr<br />

verabschiedet. Aus deutscher Sicht muss man ja sagen,<br />

es wurde Zeit, denn unsere AthletInnen haben offensichtlich<br />

nicht mehr die Kraft und Ausdauer für eine gesamte<br />

Saison. Hört sich komisch an, ist aber so! Die BiathletInnen<br />

zum Beispiel hatten zu Saisonbeginn schon nach vier<br />

Wettkampfstationen mehr Podestplätze erreicht als im<br />

ganzen Winter des Vorjahres. In der zweiten Saisonhälfte<br />

kam nicht mehr viel, sie rannten meistens hinter den Norwegern<br />

her. Oder die Skispringer! Im Dezember war ich<br />

noch völlig euphorisch darüber, dass sich die deutschen<br />

Skispringer ein packendes Duell mit den Österreichern<br />

liefern und in jedem Wettkampf ganz vorn mit dabei sind.<br />

Ab Januar war es nur noch Andi Wellinger, der vorn mitsprang,<br />

doch zum Ende des Winters auch das nicht mehr,<br />

sodass der Österreicher Stefan Kraft fast konkurrenzlos<br />

den Gesamtweltcup gewinnen konnte. Die Alpinen<br />

hatten bis auf die SlalomfahrerInnen eine „gebrauchte“<br />

Saison und die Nordischen Kombinierer haben feststellen<br />

müssen, dass sie momentan sehr weit weg sind von der<br />

Weltspitze. Spannend war der Sportwinter aber trotzdem<br />

und ich werde mich auch auf den nächsten freuen. Bis dahin<br />

ist es aber noch ein halbes Jahr Zeit, die die deutschen<br />

AthletInnen nutzen werden, um im nächsten Winter wieder<br />

konkurrenzfähig an den Start zu gehen!<br />

Jetzt aber zum Fußball und da haben sich die Ereignisse<br />

in den letzten Wochen ja schier überschlagen! Das Wichtigste,<br />

zumindest für den hier beheimateten Fußballfan,<br />

war natürlich der Abschied von Christian Streich. Vor<br />

allem, weil es ja doch etwas plötzlich und unerwartet<br />

kam. Aber sei es wie es sei, verdient hat er es sich allemal.<br />

29 Jahre Trainer im Verein, davon 12 als Cheftrainer<br />

der Profis, man glaubt ja gar nicht, dass es so etwas im<br />

heutigen Fußball noch gibt. Das spricht natürlich für den<br />

Trainer und seine große Qualität, es spricht aber auch<br />

für den Verein, der es dem Trainer ermöglicht, in Ruhe zu<br />

arbeiten. Und das hat er mit großem Erfolg! Allein die unzähligen<br />

jungen Talente, die er zu guten Spielern geformt<br />

hat, dürften für ihn sprechen. Bei den „großen“ Bundesligaclubs,<br />

im Ausland und dort sogar in der Premier<br />

League in England spielen oder spielten Jungs aus der<br />

Freiburger Fußballschule! Auch das kann Christian Streich<br />

auf der Liste seiner Erfolge anfügen, die auch so schon<br />

ziemlich lang ist. Zwar hat der Sportclub keine Meisterschaft<br />

geholt, aber das hat hier auch niemand erwartet.<br />

Dafür wurde das Erreichen des Pokalfinales hier wie der<br />

Titel selbst gefeiert. Große Europapokalfeste wurden mit<br />

und durch Christian Streich gefeiert und vieles mehr. Da<br />

sehe ich auch den einzigen Fehler in seiner Abschiedserklärung:<br />

Er hätte das ein bisschen früher machen sollen.<br />

Denn da wären seine Jungs nicht gegen West Ham United<br />

ausgeschieden, nein, sie hätten für ihn zum Abschied den<br />

Europa-League-Titel geholt! Glaub’ ich jedenfalls! Nun<br />

geht er also zum Saisonende in die Fußballrente. Fehlen<br />

wird er in der Bundesliga! Seine Interviews, seine ironischen<br />

Kommentare, aber auch seine klare Positionierung<br />

zu aktuellen Themen und zum Fußball werden wir vermissen.<br />

Also dann, Ciao Christian Streich und alles Gute<br />

für die Zukunft!<br />

Den nächsten Aufreger gab es mal wieder beim DFB und<br />

diesmal geht es ausnahmsweise nicht um die Leistungen<br />

der Nationalmannschaft, dieses Mal geht es rein ums<br />

Geschäft. Und zwar ums Sportbekleidungsgeschäft, um<br />

genau zu sein. Da rennen die deutschen Kicker seit über<br />

siebzig Jahren mit Adidas-Klamotten übers Spielfeld, haben<br />

den einen oder anderen Erfolg mit den drei Streifen<br />

gefeiert und jetzt das: Ab 2027 lassen die deutschen Nationalkicker<br />

nur noch Sachen von Nike an ihre Haut. Und<br />

das nicht einmal, weil die Amiklamotten besser aussehen<br />

oder hautverträglicher sind, nein, nur weil die Amerikaner<br />

mehr Geld dafür bezahlen, unsere Nationalmannschaft<br />

einzukleiden! Das Beste daran ist aber, dass die deutschen<br />

PolitikerInnen jetzt dagegen Sturm laufen. Seit die Ampel<br />

am Regieren ist, gab es nicht einen einzigen Tag oder ein<br />

Problem, bei dem sich alle einig waren. Bis jetzt! Parteienübergreifend<br />

sind sie am Schimpfen, Söder, Merz, Habeck,<br />

Baerbock und der Olaf, alle verurteilen den Deal aufs<br />

Schärfste, Merz spricht sogar von unpatriotischer Haltung<br />

des DFB. Ich war richtig erschrocken, als ich sah, wo<br />

unsere Regierung ihre Prioritäten hat! Vom Patriotismus<br />

einmal abgesehen, habe ich allerdings nicht verstanden,<br />

28<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024


worin das Problem liegt. Von der total veralteten Idee,<br />

dass es beim Fußball um ein Spiel, um Ideale, Spaß und<br />

Gefühle geht, haben wir uns doch schon lange verabschiedet.<br />

Fußball ist ein Geschäft, in dem es um Geld und<br />

Gewinn geht, basta! Und da Nike doppelt so viel wie Adidas<br />

auf den Tisch gelegt hat, kriegen die den Zuschlag. Ob<br />

dem Fan das passt oder nicht, interessiert schon längst<br />

keinen mehr.<br />

Doch auch hier finde ich den Zeitpunkt der Veröffentlichung<br />

ein wenig unklug. Man hätte kurz vor der Europameisterschaft<br />

nicht so viel Unruhe in die Mannschaft<br />

bringen dürfen. Denn spätestens seit der WM in Katar<br />

wissen wir, der moderne deutsche Fußballprofi ist sensibel<br />

und braucht seine Ruhe. In Katar hätte die MANN-<br />

SCHAFT mit Sicherheit die Vorrunde überstanden und<br />

wäre wohl mindestens bis ins Halbfinale gekommen,<br />

wäre die verdammte Diskussion um die leidige Kapitänsbinde<br />

nicht gewesen! Da bin ich mir sicher. Denn dieses<br />

Bindengedöns, das dauernde Hickhack darüber, ob sie<br />

was sagen dürfen oder nicht, oder ob sie sich bevormundet<br />

fühlen sollen, hat die Jungs doch völlig verunsichert!<br />

Das haben nach dem schmerzhaften Vorrundenaus ja<br />

auch einige ganz ehrlich zugegeben. Deshalb bin ich<br />

Foto: Annegret Hilse / REUTERS<br />

Abb.: Zum Saisonende beendet Trainer Christian Streich seine Tätigkeit beim SC Freiburg nach 12 Jahren.<br />

Foto: Kim Hong-Ji / REUTERS<br />

der Meinung, dieses neuerliche Bekleidungschaos hätte<br />

vielleicht auch bis zum Herbst Zeit gehabt?! Denn so arg<br />

dringend kann es nicht gewesen sein, schließlich spielen<br />

sie bei der EM ja eh noch mit den drei Streifen.<br />

Doch Hoffnung darf man haben, denn gestern gegen<br />

Frankreich hat sich die Mannschaft vom Ausrüster-Drama<br />

nicht aus der Ruhe bringen lassen und hochverdient<br />

im Nachbarland gewonnen. Eigentlich wollte ich mir das<br />

gar nicht anschauen, aber als Fan unserer Nationalhymne<br />

musste ich mir zumindest den Anfang geben. Als dann<br />

nach acht Sekunden das 1:0 fiel, blieb ich natürlich dran<br />

und hab das beste deutsche Spiel seit Jahren gesehen.<br />

Ich hoffe nur, dass die jetzt nicht gleich wieder größenwahnsinnig<br />

werden! Es war nur ein Freundschaftsspiel,<br />

aber für das Selbstvertrauen kann es enorm wichtig sein.<br />

Über die Bundesliga gibt es heute nix, aber es ist ja eh<br />

immer dasselbe, Leverkusen gewinnt und wird Meister!<br />

Langweilig...<br />

Für heute war es das mal wieder. Bleibt sportlich und bis<br />

nächsten Monat.<br />

Carsten<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024 29


WIR WERDEN DIE NUSS SCHON KNACKEN!<br />

WORTSPIELRÄTSEL<br />

von Carina<br />

Fett umrandete Kästchen stellen den jeweiligen Lösungsbuchstaben des endgültigen<br />

Lösungswortes dar und zwar von oben nach unten gelesen. Sind pro Einzellösung mehrere<br />

Kästchen fett umrandet, sind diese Buchstaben identisch! Alles klar? Na dann viel Spaß!<br />

Zur Beachtung: Ä/Ö/Ü = AE/OE/UE und ß = SS<br />

Salve, liebe Gehirn-Akrobaten!<br />

Man sagt, sie sei das höchste Gut und wünscht sie den Niesenden. Vor ca. vier Jahren gab<br />

es erstmals diesbezüglich weltweit einen Ausnahmezustand, der uns lange Zeit beeinträchtigte<br />

und uns zeigte, wie wertvoll und schützenswert sie für uns ist. Wird sie angegriffen,<br />

fühlt man sich malade, ist eingeschränkt und wünscht sich und anderen eine baldige gute<br />

Genesung. Leider trägt unsere Welt nicht unbedingt dazu bei, sie sorgsam zu erhalten und<br />

zu fördern. Insofern gebt gut auf sie acht! Ihr habt es sicherlich schon erraten: Diesmal<br />

dreht sich hier alles irgendwie um Gesundheit und Krankheiten. Passt auf Euch auf und<br />

bleibt gesund!<br />

1. Dragée-Falte<br />

2. Akne-Kopfbedeckung<br />

3. Unterricht für ein englisches Fräulein<br />

4. Schießgeräusch von Zauberinnen<br />

5. Kochstelle für Masseninfektionen<br />

6. Blattern mit Luftbewegung<br />

□□□□□□□□□<br />

7. Lebenssaft-Notlage<br />

8. Raumteil für schmerzhaftes Leiden<br />

9. Gepflegte Grünanlage für die Blutpumpe<br />

10. Getränk aus einer Erkältungserscheinung<br />

Lösungswort:<br />

□<br />

□□□□□□□□□<br />

□□□□□□□□□□<br />

□□□□□□□□□□<br />

Zu gewinnen für das korrekte Lösungswort:<br />

1.- 3. Preis je ein Gutschein unserer Wahl<br />

UND:<br />

Im Dezember 2024 wird von ALLEN korrekten<br />

Einsendungen ein zusätzlicher Gewinner gezogen,<br />

der eine besondere Überraschung erhält!<br />

Einsendeschluss<br />

ist der 28. <strong>April</strong> 2024<br />

(es gilt das Datum des Poststempels bzw. der E-Mail)<br />

E-Mails nur mit Adressen-Angabe. Unsere Postanschrift finden Sie<br />

im Impressum auf Seite 31. Teilnahmeberechtigt sind alle, außer die<br />

Mitglieder des Redaktionsteams. Wenn es mehr richtige Einsendungen als<br />

Gewinne gibt, entscheidet das Los. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Lösungswort der letzten <strong>Ausgabe</strong>: ZAHLENWORT<br />

bestehend aus den folgenden Einzellösungen:<br />

1. VIERZYLINDER 2. FUENFKAMPF<br />

3. ZEHNFACH 4. EINSALBEN 5. SECHSECKIG<br />

6. NULLDIAET 7. ZWEIRAD<br />

8. ACHTLOS 9. DREIKLANG 10. NEUNTOETER<br />

Gewonnen haben (aus 43 korrekten Einsendungen):<br />

M. Bezold, Ettenheim<br />

S. Teutsch, Freiburg<br />

G. Saar, Lahr<br />

HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH !<br />

Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt.<br />

30<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024


ÜBER UNS<br />

Seit Jahren geht in unserer Gesellschaft die Schere zwischen<br />

Arm und Reich weiter auseinander. Besonders durch die<br />

Agenda 2010 und die damit verbundenen Hartz IV-Gesetze<br />

wurden Sozialleistungen abgesenkt. Die Lebenshaltungskosten<br />

steigen jedoch von Jahr zu Jahr. Viele Menschen kommen<br />

mit den Sozialleistungen nicht mehr aus oder fallen schon<br />

längst durch das ziemlich löchrig gewordene soziale Netz.<br />

Und heute kann jeder von Arbeitslosigkeit bedroht sein.<br />

Vereine und private Initiativen versuchen die Not, in welche<br />

immer mehr Menschen kommen, zu lindern und die Lücken<br />

im System zu schließen. Es gibt unterschiedliche nichtstaatliche<br />

Einrichtungen wie z. B. die Tafeln, welche sich um diese<br />

ständig wachsende Bevölkerungsgruppe kümmern. Oder<br />

eben die Straßenzeitungen wie der FREIeBÜRGER.<br />

In unserer Straßenzeitung möchten wir Themen aufgreifen,<br />

welche in den meisten Presseerzeugnissen oft zu kurz oder<br />

gar nicht auftauchen. Wir wollen mit dem Finger auf Missstände<br />

zeigen, interessante Initiativen vorstellen und kritisch<br />

die Entwicklung unserer Stadt begleiten. Wir schauen aus<br />

einer Perspektive von unten auf Sachverhalte und Probleme<br />

und kommen so zu ungewöhnlichen Einblicken und<br />

Ansichten. Damit tragen wir auch zur Vielfalt in der lokalen<br />

Presselandschaft bei.<br />

Gegründet wurde der Verein im Jahr 1998 von ehemaligen<br />

Wohnungslosen und deren Umfeld, deshalb kennen die<br />

MitarbeiterInnen die Probleme und Schwierigkeiten der<br />

VerkäuferInnen aus erster Hand. Ziel des Vereins ist es, dass<br />

Menschen durch den Verkauf der Straßenzeitung sich etwas<br />

hinzuverdienen können, sie durch den Verkauf ihren Tag<br />

strukturieren und beim Verkaufen neue Kontakte finden<br />

können. Wir sind eine klassische Straßenzeitung und geben<br />

unseren VerkäuferInnen die Möglichkeit, ihre knappen finanziellen<br />

Mittel durch den Verkauf unserer Straßenzeitung<br />

aufzubessern. 1 € (Verkaufspreis 2,10 €) pro <strong>Ausgabe</strong> und das<br />

Trinkgeld dürfen unsere VerkäuferInnen behalten.<br />

Es freut uns zum Beispiel sehr, dass sich einige wohnungslose<br />

Menschen über den Verkauf der Straßenzeitung eine neue<br />

Existenz aufbauen konnten. Heute haben diese Menschen<br />

einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz und eine<br />

Wohnung. Der FREIeBÜRGER unterstützt also Menschen<br />

in sozialen Notlagen. Zu unseren VerkäuferInnen gehören<br />

(ehemalige) Obdachlose, Arbeitslose, GeringverdienerInnen,<br />

RentnerInnen mit kleiner Rente, Menschen mit gesundheitlichen<br />

Problemen, BürgerInnen mit Handicap u. a. Unser Team<br />

besteht derzeit aus fünf MitarbeiterInnen. Die Entlohnung<br />

unserer MitarbeiterInnen ist äußerst knapp bemessen und<br />

unterscheidet sich aufgrund der geleisteten Arbeitszeit und<br />

Tätigkeit. Dazu kommt die Unterstützung durch ehrenamtliche<br />

HelferInnen. Leider können wir durch unsere Einnahmen<br />

die Kosten für unseren Verein, die Straßenzeitung und Löhne<br />

unserer MitarbeiterInnen nicht stemmen. Daher sind wir<br />

auch in Zukunft auf Unterstützung angewiesen.<br />

SIE KÖNNEN UNS UNTERSTÜTZEN:<br />

• durch den Kauf einer Straßenzeitung oder<br />

die Schaltung einer Werbeanzeige<br />

• durch eine Spende oder eine Fördermitgliedschaft<br />

• durch (langfristige) Förderung eines Arbeitsplatzes<br />

• durch Schreiben eines Artikels<br />

• indem Sie die Werbetrommel für unser<br />

Sozialprojekt rühren<br />

Helfen Sie mit, unser Sozialprojekt zu erhalten und weiter<br />

auszubauen. Helfen Sie uns, damit wir auch in Zukunft<br />

anderen Menschen helfen können.<br />

Impressum<br />

Herausgeber: DER FREIeBÜRGER e. V.<br />

V.i.S.d.P: Oliver Matthes<br />

Chefredakteur: Uli Herrmann († 08.03.2013)<br />

Titelbild: bluebearry/ iStock<br />

Layout: Ekkehard Peters<br />

An dieser <strong>Ausgabe</strong> haben mitgearbeitet:<br />

Carsten, Carina, Conny, Ekki, Karsten, Oliver, Recht<br />

auf Stadt, Rose Blue, utasch und Gastschreiber<br />

Druck: Freiburger Druck GmbH & Co. KG<br />

Auflage: 5.000 | Erscheinung: monatlich<br />

Vereinsregister: Amtsgericht Freiburg | VR 3146<br />

Kontakt:<br />

DER FREIeBÜRGER e. V.<br />

Engelbergerstraße 3<br />

79106 Freiburg<br />

Tel.: 0761 / 319 65 25<br />

E-Mail: info@frei-e-buerger.de<br />

Website: www.frei-e-buerger.de<br />

Öffnungszeiten: Mo. - Fr. 12 - 16 Uhr<br />

Mitglied im Internationalen Netzwerk<br />

der Straßenzeitungen<br />

Der Nachdruck von Text und Bild (auch nur in Auszügen) sowie<br />

die Veröffentlichung im Internet sind nur nach Rücksprache<br />

und mit der Genehmigung der Redaktion erlaubt. Namentlich<br />

gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung<br />

der Redaktion wieder.<br />

Die nächste <strong>Ausgabe</strong> des FREIeBÜRGER erscheint am:<br />

30.04.2024<br />

1. und 2. Mittwoch im Monat um 14 Uhr:<br />

Öffentliche Redaktionssitzung<br />

FREIeBÜRGER 04 | 2024 31


Anzeige<br />

Fürs Klima bräuchte es einen<br />

Wandel in der Green City<br />

Ab dem 4. <strong>April</strong> wird das Klimacamp wieder<br />

auf dem Rathausplatz aufgebaut werden. Da<br />

im Juni neben der Europa- auch die<br />

Gemeinderatswahl ansteht, dürften z. B. die<br />

klimapolitischen Forderungen von 13 Freiburger<br />

Klimagerechtigkeitsgruppen zur Kommunalwahl<br />

ein Thema des Camps sein.<br />

„Freiburg vermarktet sich geschickt als die<br />

Green City; wenn wir aber hinter das grüne<br />

Deckmäntelchen schauen, sieht es ganz<br />

schön schwarz, bzw. öltriefend aus“, erklärte<br />

Tobias vom Klimacamp in einem älteren<br />

RDL-Interview und verwies darauf, dass<br />

2035, wenn die Stadt laut eigenen Zielen<br />

klimaneutral sein will, der Stadttunnel bzw.<br />

die Stadtautobahn gebaut werden soll. Das<br />

passe nicht zusammen. AktivistInnen aus<br />

Prozess um die Pressefreiheit<br />

Am 18. <strong>April</strong> beginnt am Landgericht<br />

Karlruhe der Strafprozess gegen den RDL-<br />

Redakteur, der eine kurze sachliche Meldung<br />

über ein eingestelltes Ermittlungsverfahren<br />

im Zusammenhang mit dem Verbot der<br />

Internetplattform linksunten.indymedia<br />

geschrieben hat. Die Internetplattform war<br />

2017 nach Vereinsrecht verboten worden.<br />

Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe wirft dem<br />

angeklagten Redakteur vor, mit dem Artikel<br />

die verbotene Vereinigung unterstützt zu<br />

haben. Im Prozess wird es insbesondere um<br />

die Frage gehen, ob denn das im Netz<br />

einfach auffindbare linksunten-Archiv die<br />

Fortsetzung der verbotenen Vereinigung ist.<br />

Eigentlich sollte klar sein, dass es einen<br />

großen Unterschied zwischen einer Openposting-Plattform<br />

und einem Archiv, das in<br />

der RDL-Meldung verlinkt wurde, gibt. Aus<br />

unserer Sicht sollte das Gericht natürlich<br />

auch feststellen, dass die Meldung, die<br />

weiterhin auf rdl.de steht, keine Unterstützungshandlung<br />

für eine verbotene Vereinigung<br />

darstellt. Alles andere würde der<br />

Jeden 1. Mittwoch des<br />

Monats: 12-13 Uhr<br />

dem Umfeld des Klimacamps versuchen<br />

gerade auch, über das Informationsfreiheitsgesetz<br />

die Protokolle der Freiburger Dezernentenkonferenz<br />

zu bekommen. Wird der<br />

Klimakatastrophe hier Priorität eingeräumt?<br />

Wenig erstaunlich: Die Stadtverwaltung tut<br />

sich schwer mit der Transparenz. Wir<br />

werden verfolgen, wie es weitergeht, und<br />

über die Debatten und Aktionen rund um<br />

das Klimacamp berichten.<br />

rdl.de/tag/klimacamp<br />

Pressefreiheit nicht gerecht. Die kurze Meldung<br />

löst nun tatsächlich sechs Prozesstage<br />

am Landgericht aus. Drei weitere Reservetage<br />

sind terminiert. Wir werden selbstverständlich<br />

ausführlich über den Verlauf des Prozesses<br />

informieren. Alle Infos unter:<br />

rdl.de/Hausdurchsuchungen<br />

im Mittagsmagazin<br />

'Punkt 12'<br />

Hört, Macht, Unterstützt Radio Dreyeckland: 102,3 Mhz - Stream: rdl.de/live - 0761/31028

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