2024_12_impuls
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„huangart“ – röstfrisches Geschmackserlebnis<br />
Der ehemalige Banker Simon Lingscheidt aus Stuttgart wurde Kaffeeröster in Reutte<br />
Natürlich duftet es nach frischem<br />
Kaffee und natürlich<br />
nimmt man den von Kaffeeröster<br />
Simon Lingscheidt angebotenen<br />
Espresso liebend gerne entgegen.<br />
Am Boden stapeln sich<br />
Säcke mit Rohkaffee, das ganze<br />
Ambiente der Rösterei im Reuttener<br />
Ortsteil Kög passt, ein guter<br />
Start für das <strong>impuls</strong> Gespräch<br />
mit Simon Lingscheidt.<br />
Seit 2016 werden bei „huangart“<br />
Kaffeebohnen geröstet. Ursprünglich<br />
eine echte „Hinterhofrösterei“,<br />
übersiedelte der Betrieb 2018<br />
in größere Räumlichkeiten, in diesem<br />
Zuge wurden auch die Produktionskapazität<br />
angehoben und<br />
die Produktionsabläufe professionalisiert.<br />
Stolz ist der zum Diplom-Betriebswirt<br />
ausgebildete<br />
Inhaber auf seine „Ghibli“ R-15.<br />
Diese Röstmaschine ermöglicht<br />
die Produktion von bis zu fünf<br />
Tonnen Kaffee im Monat.<br />
Nur Spezialitätenkaffees<br />
Mit Quantität kann und will die<br />
kleine Reuttener Rösterei naturgemäß<br />
nicht punkten, andererseits<br />
müssen aber auch genügend Bohnen<br />
auf Lager sein, um die Nachfrage<br />
zu decken. Simon Lingscheidt<br />
erklärt sein Geschäftsmodell<br />
und da schwingt offenbar Begeisterung<br />
mit: „Bei unseren Rohkaffees<br />
greifen wir ausschließlich<br />
zu Spezialitätenkaffees, die unsere<br />
Qualitätsprüfung bestehen. Von<br />
18 getesteten Kaffees schafft es im<br />
Durchschnitt ein Kaffee in unser<br />
Stammsortiment. Besonderes Augenmerk<br />
richten wir bei unseren<br />
Gastronomiekaffees auf die Verfügbarkeit.<br />
Neben der außer -<br />
ordentlichen Qualität müssen die<br />
Kaffees in ausreichender Menge<br />
zur Verfügung stehen, damit wir<br />
unser Lieferversprechen auch<br />
halten können.“<br />
Von Stuttgart an den Lech<br />
Simon wuchs nahe Stuttgart auf<br />
und besuchte, was zur damaligen<br />
Zeit nicht alltäglich war, eine Waldorfschule.<br />
Ob er gerne zur Schule<br />
ging? „Na ja, ich ging eben“,<br />
hält er sich eher bedeckt. Nach<br />
Abschluss der Mittleren Reife<br />
Simon Lingscheidt, Kaffeeröster aus Leidenschaft: „Ich veredle und vertreibe ein<br />
Produkt, zu dem ich überzeugt ja sagen kann.“<br />
Foto: Bundschuh<br />
folgte eine kaufmännische Ausbildung,<br />
Abitur und Lehre zum<br />
Bankkaufmann, eine Ausbildung,<br />
die ihm durchaus entgegenkam,<br />
wie er sich erinnert. Mit Abschluss<br />
des Studiums Betriebswirtschaft<br />
landet Simon wieder im Bereich<br />
Bankwesen und Unternehmensberatung<br />
und gab ein „Gastspiel“<br />
in Hamburg. Ein Tiroler Geldinstitut<br />
holte den Banker von der<br />
Nordsee nach Reutte. Die Umstellung<br />
war kein Problem, betont<br />
Simon. „Es war toll in Tirol, so<br />
mitten in den Alpen anzukommen,<br />
ich hatte eine schöne Zeit<br />
und lernte meine spätere Frau in<br />
einem Kaffee in Reutte kennen<br />
und wir zogen bald zusammen.<br />
Beide waren wir fahrradfanatisch<br />
und wild auf Bergpässe, besonders<br />
in Südtirol.“<br />
Die Popcornmaschine<br />
Nach dem Bankjob nahm der heutige<br />
Kaffeeröster eine Stelle im Datenmanagement<br />
mit Schwerpunkt<br />
Europäische Normierung in Sachen<br />
Maschinensicherheit an. In<br />
dieser Zeit kam es zu einer Begegnung<br />
mit einem ehemaligen Studienkollegen,<br />
der Kaffee mitbrachte.<br />
„Ich hatte immer schon<br />
eine Schwäche für ein Tässchen<br />
Kaffee und irgendwie kam die Sache<br />
immer mehr ins Rollen, bis ich<br />
mir eine Popcornmaschine anschaffte<br />
und selbst zu rösten begann.<br />
Das Röstaroma war meiner<br />
schwangeren Frau aber zu heftig<br />
und so suchte ich nach einer anderen<br />
„Produktionsstätte“, die meine<br />
unmittelbare Umwelt entlastete<br />
und die ich auch im Rahmen meiner<br />
Familie fand.“ Auf das Experimentierstadium<br />
mit dem Popcornteil<br />
folgten der Ankauf einer<br />
kleinen Röstmaschine mit Kaminanschluss<br />
und ein Kaffeeröstkurs<br />
in Liechtenstein. Dann ging alles<br />
recht schnell. Kontakte zu Rohkaffeehändlern<br />
ergaben sich und wurden<br />
intensiviert. Die Sorten stammen<br />
beispielsweise aus Äthiopien<br />
und Brasilien. In Costa Rica half<br />
Simon selbst bei der Ernte der<br />
Kaffeekirschen mit, was ein ganz<br />
besonderes Erlebnis für ihn war.<br />
Nun konnte er sagen: „Ja, ich hab<br />
das Richtige gemacht.“<br />
Hoch die Tassen<br />
Lernen kann man aus Büchern<br />
oder auch Dr. Google gibt Antworten,<br />
aber mit Riechen und<br />
Schmecken ist bei Papier und Internet<br />
halt bald Sense. Selber machen<br />
und probieren sind da schon<br />
Argumente, wenn es mehr sein soll<br />
als Kapsel in den Schacht und<br />
Druck auf den Knopf. Der Reuttener<br />
Röster drückt es beinahe<br />
schon lyrisch aus, wenn er über<br />
den „Kaffeemachkurs“ meint:<br />
„Lerne in unseren Workshops die<br />
sinnliche Welt des Kaffees kennen<br />
und erfahre Dinge über Kaffee, die<br />
im Verborgenen und im Detail liegen.<br />
Wir nehmen dich mit auf<br />
eine Reise in die Welt des Kaffees<br />
und geben dir das Handwerkszeug<br />
in die Hand, um auch zuhause<br />
Kaffee noch mehr genießen zu<br />
können.“<br />
Huangart – feine Kaffeeröstung<br />
Kaffeerösterei ja, aber was heißt<br />
fein? Simon gibt Antwort: „Fein,<br />
weil wir mit jeder einzelnen Röstung<br />
in der Vergangenheit und in<br />
der Zukunft, mit einer grenzenlosen<br />
Faszination und Begeisterung,<br />
ja, mit Fanatismus versuchen, die<br />
vielen feinen Aromen aus jeder<br />
einzelnen unserer Kaffeebohnen<br />
herauszukitzeln und wir meinen,<br />
dass es zwischenzeitlich ganz gut<br />
funktioniert, einen einfach echt<br />
feinen Kaffee zu rösten.“<br />
Klare Ansage<br />
Und das wollte der Röster aus Leidenschaft<br />
immer schon sagen:<br />
„Wir wollen eine Kaffeerösterei<br />
frei von Allüren sein. Jeder so, wie<br />
er mag. Wir wollen unseren Kunden<br />
nicht sagen, wie sie ihren Kaffee<br />
zu trinken haben. Entweder er<br />
schmeckt, oder – zu unserem Bedauern<br />
– halt nicht. Wir wollen<br />
transparent sein und wir wollen<br />
keine Geheimniskrämerei betreiben.“<br />
Man könne ihn ruhig besuchen<br />
und Löcher in den Bauch fragen,<br />
er würde sich sogar darauf<br />
freuen, versichert Simon. Soweit<br />
also die Botschaft vom röstfrischen<br />
Kaffee Made im Außerfern. (pb)<br />
9. Juli <strong>2024</strong> 15