missio magazin Ausgabe 1/2023

Missio.Muenchen
von Missio.Muenchen Mehr von diesem Publisher
04.07.2024 Aufrufe

VOR ORT NEPAL Binu Mardi sorgt sich um seine Ehefrau, die in Saudi-Arabien von ihren Arbeitgebern schwer misshandelt wird. CHANDRA CHONDHANY verlor sein linkes Bein. brüht wird. Sie vermitteln Starthilfen an junge Rückkehrer wie Chandra Chondhany, der bei einer Schlägerei in Malaysia so schwer verletzt wurde, dass sein linker Unterschenkel amputiert werden musste. Jetzt hat er mit Hilfe der Caritas eine Motorrad-Rikscha finanziert und ein kleines Transportunternehmen gegründet. Oder Shyam Ganesh, dem wegen einer komplizierten Wirbelsäulenverletzung der Hilfskellnerjob in Doha vorzeitig gekündigt wurde und der jetzt versucht, mit einem kleinen Lebensmittelladen Fuß zu fassen. Ihre Schicksale ähneln sich in den immer gleichen Details: nicht ausbezahlte Löhne, massenhafte Überstunden, abgenommene Pässe, verdreckte Massenunterkünfte, Gewalt und Einsamkeit. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Caritas ist klar, dass sie die Ab- Unten: Shyam Ganesh zeigt sein Visum für Katar. 34 | missio 1/2023 wanderung trotz all dieser Erfahrungen nicht stoppen können. „Den Leuten zu sagen, sie sollen nicht ins Ausland gehen und lieber in ihren Dörfern bleiben, das wäre an der Realität vorbei“, sagt Devendra Pokhrel. Der 46-Jährige ist Regionalleiter bei der Caritas Damak und versucht mit seinem Team und den Volunteers die Bedingungen rund um die Arbeitsmigration zu verbessern. Menschenschmuggel am Grenzübergang Die Menschen in der Region Damak leben hauptsächlich von Reis- und Teeanbau, größere Unternehmen oder Fabriken gibt es – wie überall im Land – kaum. „Sich in anderen Ländern Arbeit zu suchen, ist das gute Recht der Menschen hier und in ihrer Situation äußerst verständlich“, betont Pokhrel. Er fährt regelmäßig die etwa 50 Kilometer „Es ist schwer, Menschenhändler aufzuhalten“, sagt Grenzpolizist Sunil Dahal (links).

MENSCHENHANDEL IN NEPAL von Damak an den Grenzübergang Kakarvitta, um sich mit der dortigen Grenzpolizei auszutauschen. Hunderte Motorradrikschas und Kleinbusse transportieren hier täglich die Menschen zwischen den beiden Ländern hin und her, es herrscht ein reger Austausch an Waren und Dienstleistungen. Seitdem die Regierung vor einigen Jahren Reisen in die Golfstaaten vor allem für junge Frauen strikt eingeschränkt und die Kontrollen an den Flughäfen verschärft hat, um damit etwas gegen die Ausbeutung als Haushaltshilfen zu unternehmen, boomt der Menschenhandel an den Grenzübergängen. „Der Landweg ist ideal, um nepalesische Frauen zuerst nach Indien und von den dortigen Flughäfen in die Golfregion zu schmuggeln“, erzählt Sunil Dahal, der verantwortliche Grenzpolizist in Kakarvitta. „Da es den Menschen natürlich nicht verboten ist, die Grenze zu passieren, ist es für uns sehr schwer, Menschenhändler aufzuhalten.“ Den Angaben Dahals zufolge geben viele von ihnen an, sie würden mit ihren Schwestern oder Nichten die Familie in Indien besuchen oder sich zur medizinischen Behandlung in ein grenznahes Krankenhaus begeben. „Das Problem ist, dass von der Regierung immer noch viel zu wenig gegen die kriminellen Netzwerke getan wird“, schimpft Dahal. Devendra Pokhrel nickt vorsichtig: „Nepals Wirtschaft ist davon abhängig, dass die Einwohner im Ausland arbeiten. Eine steigende Zahl von Arbeitsmigranten bedeutet auch einen Anstieg der Geldüberweisungen nach Nepal. Und im Land selbst gibt es nicht genügend Arbeitsplätze“, stimmt der Caritas-Mitarbeiter dem Polizisten zu. Wenig später, eine gute Stunde Autofahrt entfernt, trifft Devendra Pokhrel den Bürgermeister von Jhapa: Jay Naragan Shah. Allein aus seinem Bezirk würden aktuell 4600 Frauen und Männer im Ausland arbeiten Jay Naragan Shah – etwa jeder zehnte Bewohner. „Mein Ziel ist es, dass die Menschen im Land bleiben und hier eine Existenz gründen“, sagt der Bürgermeister. Seine Gemeinde habe daher Kreditprogramme für 120 junge Rückkehrer geschaffen. 80 000 Rupien, umgerechnet rund 600 Euro, gebe es pro Person, damit sie eine Viehzucht starten oder ein kleines Geschäft aufbauen könnten. „Wir setzen dabei auf die Zusammenarbeit mit der Caritas, die Leute betreut und reintegriert“, sagt Shah. Auf dem Nachhauseweg ins Caritasbüro nach Damak ist Devendra Pokhrel nachdenklich. Die vielen kleinen menschlichen Tragödien, die er hier miterlebt, gehen ihm nahe. „Durch die hohen Schulden geraten die Menschen in einen Teufelskreis, dem sie kaum entkommen können“, sagt er und hofft inständig, dass es Menschen wie Pabitra, Chandra oder Shyam schaffen werden. A Menschenhandel unter dem Deckmantel von Arbeitsmigration ist in Nepal ein ernstes Problem. Die Nationale Menschenrechtskommission des Landes schätzt in ihrem jüngsten Bericht, dass allein im Jahr 2019 von den knapp 30 Millionen Einwohnern Nepals etwa 35 000 Menschen Opfer von Menschenhandel wurden, weitere 1,5 Millionen Männer und Frauen seien „gefährdet“. Laut einem aktuellen Zeitungsartikel in der „Kathmandu Post“ verlassen jeden Tag etwa 1500 Menschen Nepal allein per Flugzeug, um ihren zurückgelassenen Familien ein besseres Leben zu ermöglichen. „Obwohl vor der Ausreise für gesund erklärt, wurden zwischen 2008 und 2019 7467 Wanderarbeiter aus Nepal in Särgen zurückgebracht. Diese düstere Statistik spiegelt nicht ganz das gesamte Bild wider. Die Zahl der Todesfälle berücksichtigt insbesondere nicht die undokumentierten Wanderarbeiter“, heißt es in dem Bericht. Die „Kathmandu Post“ ist eine der größten englischsprachigen Tageszeitungen des Landes. missio 1/2023 | 35

VOR ORT NEPAL<br />

Binu Mardi sorgt sich um seine Ehefrau, die in<br />

Saudi-Arabien von ihren Arbeitgebern schwer<br />

misshandelt wird.<br />

CHANDRA CHONDHANY<br />

verlor sein linkes Bein.<br />

brüht wird. Sie vermitteln Starthilfen an<br />

junge Rückkehrer wie Chandra Chondhany,<br />

der bei einer Schlägerei in Malaysia<br />

so schwer verletzt wurde, dass sein linker<br />

Unterschenkel amputiert werden musste.<br />

Jetzt hat er mit Hilfe der Caritas eine Motorrad-Rikscha<br />

finanziert und ein kleines<br />

Transportunternehmen gegründet. Oder<br />

Shyam Ganesh, dem wegen einer komplizierten<br />

Wirbelsäulenverletzung der Hilfskellnerjob<br />

in Doha vorzeitig gekündigt<br />

wurde und der jetzt versucht, mit einem<br />

kleinen Lebensmittelladen Fuß zu fassen.<br />

Ihre Schicksale ähneln sich in den immer<br />

gleichen Details: nicht ausbezahlte Löhne,<br />

massenhafte Überstunden, abgenommene<br />

Pässe, verdreckte Massenunterkünfte, Gewalt<br />

und Einsamkeit.<br />

Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

der Caritas ist klar, dass sie die Ab-<br />

Unten: Shyam Ganesh zeigt sein Visum für Katar.<br />

34 | <strong>missio</strong> 1/<strong>2023</strong><br />

wanderung trotz all dieser Erfahrungen<br />

nicht stoppen können. „Den Leuten zu sagen,<br />

sie sollen nicht ins Ausland gehen und<br />

lieber in ihren Dörfern bleiben, das wäre<br />

an der Realität vorbei“, sagt Devendra<br />

Pokhrel. Der 46-Jährige ist Regionalleiter<br />

bei der Caritas Damak und versucht mit<br />

seinem Team und den Volunteers die Bedingungen<br />

rund um die Arbeitsmigration<br />

zu verbessern.<br />

Menschenschmuggel am Grenzübergang<br />

Die Menschen in der Region Damak leben<br />

hauptsächlich von Reis- und Teeanbau, größere<br />

Unternehmen oder Fabriken gibt es –<br />

wie überall im Land – kaum. „Sich in anderen<br />

Ländern Arbeit zu suchen, ist das gute<br />

Recht der Menschen hier und in ihrer Situation<br />

äußerst verständlich“, betont Pokhrel.<br />

Er fährt regelmäßig die etwa 50 Kilometer<br />

„Es ist schwer, Menschenhändler aufzuhalten“, sagt Grenzpolizist Sunil Dahal (links).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!