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missio magazin Ausgabe 1/2023

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#endkafala: Für Arbeit in Würde<br />

Armut ist ein lukratives Geschäft. Agenturen werben in Ländern Afrikas und Asiens Frauen als<br />

Hausangestellte an. Allein im Libanon arbeiten geschätzt bis zu einer halben Million. Für viele wird<br />

der Traum zum Alptraum. Von einem unmenschlichen System, das für manche erst im Tod endet.<br />

ES MAG ZYNISCH KLINGEN,<br />

aber es ging tatsächlich schon schlimmer.<br />

Vor wenigen Jahren zum Beispiel, als das<br />

Team der Caritas in den Abschiebegefängnissen<br />

Beiruts unter den Arbeitsmigrantinnen<br />

regelmäßig schwangere Frauen<br />

oder Mütter mit kleinen Kindern vorfand.<br />

Die Caritas – im Übrigen die einzige<br />

Nichtregierungsorganisation, welcher die<br />

Regierung den Zutritt zu diesen Gefängnissen<br />

erlaubt – hat hart verhandelt und<br />

einen Sieg verbucht: Frauen wie diese können<br />

heute in einem ihrer Schutzhäuser im<br />

Stadtgebiet Zuflucht finden. Sie sind „illegal“,<br />

denn ihr Pass wurde ihnen bei der<br />

Einreise in den Libanon abgenommen.<br />

Das Schutzhaus<br />

dürfen sie offiziell<br />

nicht verlassen.<br />

Eine Caritas-Mitarbeiterin<br />

fährt ab<br />

und zu trotzdem mit den jungen Frauen<br />

in einem Minivan an einen einsamen Ort<br />

hoch in die Berge, ein wenig frische Luft<br />

tanken. Denn es dauert oft Monate bis zur<br />

Ausreise in die Heimat. Eine lange Zeit, in<br />

der einiges hochkommt.<br />

Geschichten, die Hessen Sayah seit Jahren<br />

kennt. Die 42-Jährige leitet die Abteilung<br />

für Migrationsangelegenheiten der<br />

Caritas im Libanon. Damit ist sie auch<br />

Chefin der Schutzhäuser und nah dran –<br />

an den betroffenen Frauen wie am zähen<br />

Ringen der Politik rund um ein Arbeitsrecht<br />

für die vielen Hausangestellten aus<br />

Asien und Afrika. Von großen Fortschritten<br />

kann sie nicht berichten. Zu allumfassend<br />

ist das menschenverachtende Kafala-<br />

System, zu weit verzweigt und fest verwurzelt<br />

in der libanesischen Gesellschaft.<br />

#endkafala, #endkafalanow, #sendushome<br />

– die Hashtags dazu in den sozialen Netzwerken<br />

sind endlos. Der Kampf um die<br />

„Ausbeutung geschieht in allen Teilen der<br />

Welt, auch in Europa. Aber hier im Nahen<br />

Osten ist es eine Norm.“ HESSEN SAYAH<br />

Abschaffung dieses Systems ebenso. Hessen<br />

Sayah sagt: „Ausbeutung geschieht in<br />

allen Teilen der Welt, auch in Europa. Aber<br />

hier im Nahen Osten ist es eine Norm.“<br />

Kafala – eine Norm und ein Begriff, der<br />

nach der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft<br />

an Katar in den Medien und in<br />

aller Munde war. Als die Welt jedoch begriffen<br />

hatte, worum es dabei ging, waren<br />

die großen Stadien im Emirat am Persischen<br />

Golf längst gebaut – auf der Gesundheit<br />

und dem Leben Zehntausender<br />

Wanderarbeiter aus Asien und Afrika. Das<br />

Kafala-System ist über die Golfstaaten hinaus<br />

in arabischen Ländern populär. Es<br />

bindet die Einreise und das Recht, im<br />

Land zu leben und zu arbeiten an einen<br />

Arbeitgeber oder eine Arbeitgeberin als<br />

Bürge (arabisch „Kafil“). In den meisten<br />

Ländern ist damit die Abgabe des Passes<br />

verknüpft. Das System bildete sich ab den<br />

1950er Jahren aus, als in der Golfregion<br />

durch die Ölförderung und das rasante<br />

Wirtschaftswachstum viele Niedriglohn-<br />

Arbeitskräfte gesucht wurden. Der Libanon<br />

importierte Kafala. Nach offiziellen<br />

Fotos: Fritz Stark, imago-images, Reuters<br />

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| <strong>missio</strong> 1/<strong>2023</strong>

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