LOGISTIK-EXPRESS.COM <strong>LE</strong> 3/<strong>2024</strong> | S12 OMNI-CHANNEL: ES FÜHRT KEIN WEG DRAN VORBEI deklariert werden. Bei der Produktion werden keinerlei europäische Standards eingehalten – weder was die Punkte wie Kinderarbeit und Umweltschutz, noch den Einsatz von Chemikalien anbelangt. Von den Abgaben für die Verpackungsentsorgung ganz zu schweigen. Diese Praxis kann und wird den europäischen Markt nachhaltig schaden, wenn die EU hier nicht rasch handelt“, ist Scheele überzeugt. Persönlich hat er nichts gegen neue Wettbewerber, aber „der Wettbewerb muss fair sein – und das ist er aktuell nicht.“ Auch die „Gamification“, die Shein und Temu nutzen, sieht er als Problem: „Der Kunde wird durch spielerische Angebote und damit einhergehende extreme Rabatte dazu gebracht, immer mehr Zeit in der App zu verbringen und immer neue Waren auszuprobieren. Je aktiver man ist, desto mehr Bonusse erhält man“, erläutert Scheele. Das kann beispielsweise ein Glücksrad sein (bei dem man zufällig immer den höchsten Rabatt erdreht), oder Angebote, die (scheinbar) in wenigen Minuten ablaufen, um den Kaufanreiz zu erhöhen. Und das mit Erfolg: Temu, kapitalstarke Tochter der chinesischen Pinduduo Holding, hat 2023 weltweit mehr als 30 Milliarden Dollar umgesetzt und ist in weniger als einem Jahr Platz vier der Online-Marktplätze in Deutschland vorgerückt. Das Konzept dahinter ist clever: die Produkte kommen direkt aus der Fabrik, der Zwischenhändler wird umgangen. Die EU möchte bis 2027 eine entsprechende Regelung finden – bis dahin könnte es für viele Händler aber schon zu spät sein. Ist der stationäre Handel nun verloren? „Nein“, ist Scheele überzeugt, „der stationäre Handel wird immer seine Berechtigung haben, aber als Unternehmen muss man heute mehr bieten.“ Das Zauberwort lautet „Omni-Channel“, man muss die Kunden auf allen Kanälen erreichen – stationär, online, mit Mobile-Apps und auch mit Mischformen wie Click & Collect. Je besser das Online-Angebot, desto erfolgreicher ist auch das Unternehmen. Dazu zählt etwa eine Warenverfügbarkeitsanzeige, damit man sieht, in welchen Filialen etwas vorrätig ist. Ganz wichtig ist auch ein breites Angebot an Bezahlmöglichkeiten, damit es für die Kunden möglichst bequem ist. Aber klar sei auch, dass die Rentabilität der einzelnen Standorte auf dem Prüfstand stehen wird. Als Folge kann es durchaus sein, dass Filialen schließen müssen, oder übersiedeln. Das Problem mit dem Lieferkettengesetz Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – kurz Lieferkettengesetz – ist an und für sich eine gute Idee, es hat nur einen entscheidenden Haken: es gilt nur für Unternehmen in der EU. Asiatische Unternehmer bekommen vermutlich einen Lach-Flash wenn sie sehen, mit welch zusätzlichem bürokratischem Aufwand sich die Unternehmen nun herumschlagen müssen. Bislang nur die großen, aber schrittweise wird es irgendwann jedes Unternehmen treffen. „Es ist äußerst schwierig, sämtliche Teile der Kette bis hinunter zum Baumwollpflücker zu prüfen“, gibt Scheele zu bedenken, „insbesondere für kleinere Betriebe ist das aus praktischen und finanziellen Gründen extrem mühselig.“ Auch sei es schwierig, den Lieferanten all die nötigen Schritte und Formulare zu erklären, denn „für den amerikanischen Kunden muss er das alles nicht ausfüllen“. Seiner Meinung nach wäre es besser, wenn jeder nur jeweils ein bis zwei Schritte zurück in seiner Lieferkette prüfen müsste, um zu sehen, ob Standards eingehalten würden. Wie sagte schon der berühmte Dramatiker Johann Nestroy? „Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben.“ Natürlich wird es in Zukunft einige Konkurse bei Modeunternehmen geben, aber das ist nichts Neues, die gab es auch vor der Pandemie und bevor der E-Commerce Einzug hielt. Wer seine Kostenstruktur im Griff hat, sich gut um seine Mitarbeiter kümmert (damit sie bleiben) und seinen Kunden verschiedene Bezugskanäle und möglichst viel Service (zB einfache Retouren) bietet, der hat durchaus gute Chancen, auch in den nächsten Jahrzehnten noch erfolgreich Geschäfte zu machen. (RED)
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