Leseprobe_4_2024

Ausgabe 4_2024 des BIOGAS Journals, herausgegeben vom Fachverband Biogas e.V. Ausgabe 4_2024 des BIOGAS Journals, herausgegeben vom Fachverband Biogas e.V.

02.07.2024 Aufrufe

PRAXIS BIOGAS JOURNAL | 4_2024 Sicheres Arbeiten in Schächten Welche Arbeitsumgebungen gelten als „enge Raume“? : Als enge Räume gelten jede Art von Behältern, Silos, Tanks oder Schächten, die von festen Wandungen umgeben sind und in der Regel nur über einen begrenzten Luftaustausch verfügen. Durch den begrenzten Luftaustausch treten in diesen Räumen häufig Unterversorgungen mit Sauerstoff auf, ferner kann es bei der Arbeit zu Gefährdungen durch Gemische, Gase oder Schadstoffe kommen, die sich im beengten Raum ansammeln, sei es durch Ablagerungen oder chemische Prozesse sowie andere gefährliche Stoffe, die miteinander reagieren. Insgesamt herrscht eine unzureichende Lüftung in diesen Räumen. Bei den meisten Biogasanlagen befinden sich Schieber und Rohrleitungen in Schächten. Wenn daran Arbeiten erforderlich sind, müssen besondere Vorsichtsregeln beachtet werden. In der Vergangenheit ist es hier zu schweren Unfällen gekommen. Von Thomas Gaul Arbeiten in umschlossenen Räumen wie Schächten, Silos oder Behältern gehören zu den gefährlichsten Tätigkeiten auf Biogasanlagen, bei denen Beschäftige verschiedensten Gefährdungen ausgesetzt sein können. Folgerichtig sind Anlagenbetreiber verpflichtet, mittels Gefährdungsbeurteilung zu prüfen, ob es nicht auch andere Arbeitsverfahren gäbe – zum Beispiel, ob nicht auch von außen an ihnen gearbeitet werden könnte. Das ist bei vielen Anlagen nicht so einfach möglich, wenn beim Bau die Technik eingebaut wurde. Dennoch darf der Schachteinstieg nie ein Gang ins Ungewisse sein. Denn eine gefährliche Atmosphäre in Schächten kann zu Explosionen, Vergiftung oder Erstickung führen. Doch sind Leitungen verstopft oder müssen Absperrschieber an Rohren gewartet werden, lässt sich das Arbeiten in umschlossenen Räumen meist nicht vermeiden. Gas sammelt sich an der tiefsten Stelle Arbeiten, die in engen Räumen ausgeführt werden müssen, unterliegen besonderen Sicherheitsvorschriften und erfordern durchdachte Schutzmaßnahmen. Die Arbeiter, die in engen Räumen eingesetzt werden, sind mit spezifischen Bedingungen und Gefährdungen konfrontiert, die die auszuführenden Arbeiten schwieriger gestalten und die Gefahr erhöhen, sich bei der Arbeit in dieser ungünstigen Atmosphäre zu verletzen. Diese erschwerten Bedingungen resultieren einerseits aus der räumlichen Enge, also einer eingeschränkten Bewegungsfreiheit am Arbeitsort. Hinzu kommen besondere Bedingungen im Hinblick auf die Versorgung mit Sauerstoff sowie mangelndes Tageslicht, beides Faktoren, die besondere Berücksichtigung verdienen. Außerdem können sich in engen Räumen Gefahrstoffe ansammeln, was die Arbeitsbedingungen noch einmal erschwert und eine permanente Gefährdung durch eine schadstoffbelastete Atmosphäre darstellt. FOTOS: JOSEF ZIEGLER 40

BIOGAS JOURNAL | 4_2024 PRAXIS Rohrleitungen münden häufig in engen Schächten. In Schächten, Gruben und Kanälen kommt es, wie die Erfahrung zeigt, immer wieder zu schweren Unfällen, weil die gefährliche Atmosphäre nicht erkannt und die Gefahr unterschätzt wird. Die Auswertung der Unfälle zeigt, dass die Ursache in der Regel in der gefährlichen Atmosphäre liegt. Die Dichte von Biogas kann in Abhängigkeit von der Zusammensetzung, Feuchte und Temperatur schwanken. Biogas: mal leichter, mal schwerer als Luft Biogas kann leichter oder schwerer als Luft sein. Diese Eigenschaft ist beim Festlegen von Schutzmaßnahmen (zum Beispiel Anordnung von ortsfesten Gaswarnanlagen) zu berücksichtigen. Im Gegensatz zur Mehrzahl anderer beruflicher Gefährdungen ist die Bedrohung nicht auf eine eng begrenzte Stelle beschränkt, vielmehr kann der gesamte Raum von Schächten, Gruben und Kanälen gefährlich sein. Deshalb sind nicht nur Verunglückte, sondern in gleichem Maße auch die Retter bedroht. Charakteristisch für das Unfallgeschehen beim Einsteigen und Arbeiten in Schächten, Gruben und Kanälen ist, dass die Unfallauswirkungen meist sehr schwerwiegend sind – bis hin zum Todesfall. Die Ausführungen der TRGS 529 sind eindeutig: Kondensatabscheider müssen leicht und gefahrlos, ohne in Schächte und Gruben einsteigen zu müssen, zu kontrollieren und zu warten sein. Durch die Bauart und Wartung muss sichergestellt sein, dass bei allen Betriebszuständen ein Gasaustritt verhindert wird. Wartungs- und Bedienstände sowie Bedienteile von Armaturen, Rühr-, Pump- und Spüleinrichtungen sind grundsätzlich über Flur anzuordnen. Ist dies nicht möglich, muss eine ausreichende technische Belüftung mit mindestens fünffachem Luftwechsel vorhanden sein. Die DGUV-Regel 113-004 „Arbeiten in Behältern, Silos und engen Räumen“ fordert für Personen, die mit dem Freimessen in engen Räumen, wie zum Beispiel Silos, Tanks, Schächten und Gruben, beauftragt werden, eine Fachkunde. Auch die Neufassung der TRGS 529 widmet sich ausführlicher dem Thema richtiges Freimessen und definiert Anforderungen an die zum Einsatz kommenden Gasmessgeräte und fordert dezidierte Fachkenntnisse gemäß der DGUV 313-002. Wie können Unfälle in engen Räumen und Behältern vermieden werden? Je besser der Einstieg in Schächte und enge Räume (Confined Space Entry) vorbereitet ist, umso geringer das Risiko. Hier ist eine Liste wichtiger Fragen, die der Betreiber beantworten sollte, bevor eine Person in einen engen Raum einsteigen soll: f Stehen ausreichend qualifizierte Mitarbeiter und geeignete Geräte zur Verfügung? f Kennen alle Beteiligten ihre Verantwortlichkeiten? f Liegen die erforderlichen Betriebsanweisungen vor? f Wurden die Beschäftigten für ihre jeweiligen Tätigkeiten geschult? f Sind sie mit der Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung vertraut? f Haben Sie für diese spezielle Aufgabe einen Alarm- und Rettungsplan? f Sind die empfohlenen Maßnahmen gründlich durchdacht? Manche Betreiber sind sich nicht einmal des Vorhandenseins enger oder umschlossener Räume bewusst. Dies bedeutet, dass es keine Risikobewertung gibt, weil eine Gefahr gar nicht erkannt wurde. Information und Beratung sind der erste Schritt. Danach erst kommt die Schulung für das Arbeiten in engen Räumen (CSE-Training). Ein geeignetes Training ist eine wichtige Voraussetzung, um Unfälle zu vermeiden und die Sicherheit der Arbeitenden zu gewährleisten. Dabei werden reale Arbeitsszenarien in Behältern und engen Räumen simuliert. So beginnt man beispielsweise mit der Demonstration einer korrekten Freimessung und der Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung, gefolgt von Ein- und Ausstiegsübungen. Ohne „Freimessen“ geht es nicht Freimessen von engen Räumen – eine Arbeit für Experten: Vor dem Einstieg in solche potenziell gefährlichen Arbeitsumgebungen müssen Standardsicherheitsmaßnahmen für enge Räume, zum Beispiel Freimessungen, ergriffen werden. Die Atmosphäre muss mit speziellen Gaswarngeräte für enge Räume gemessen und auf Gefahrstoffe überwacht werden. Um die Sicherheit der Beschäftigten zu gewährleisten, sind umfassendes Wissen und praktische Kenntnisse erforderlich. (siehe auch den Fachartikel zur neuen TRGS 529 auf Seite 38). 41

BIOGAS JOURNAL | 4_<strong>2024</strong><br />

PRAXIS<br />

Rohrleitungen münden häufig<br />

in engen Schächten.<br />

In Schächten, Gruben und Kanälen kommt es, wie<br />

die Erfahrung zeigt, immer wieder zu schweren Unfällen,<br />

weil die gefährliche Atmosphäre nicht erkannt<br />

und die Gefahr unterschätzt wird. Die Auswertung der<br />

Unfälle zeigt, dass die Ursache in der Regel in der<br />

gefährlichen Atmosphäre liegt. Die Dichte von Biogas<br />

kann in Abhängigkeit von der Zusammensetzung,<br />

Feuchte und Temperatur schwanken.<br />

Biogas: mal leichter, mal schwerer als Luft<br />

Biogas kann leichter oder schwerer als Luft sein.<br />

Diese Eigenschaft ist beim Festlegen von Schutzmaßnahmen<br />

(zum Beispiel Anordnung von ortsfesten<br />

Gaswarnanlagen) zu berücksichtigen. Im Gegensatz<br />

zur Mehrzahl anderer beruflicher Gefährdungen<br />

ist die Bedrohung nicht auf eine eng begrenzte<br />

Stelle beschränkt, vielmehr kann der gesamte Raum<br />

von Schächten, Gruben und Kanälen gefährlich<br />

sein. Deshalb sind nicht nur Verunglückte, sondern<br />

in gleichem Maße auch die Retter bedroht. Charakteristisch<br />

für das Unfallgeschehen beim Einsteigen<br />

und Arbeiten in Schächten, Gruben und Kanälen ist,<br />

dass die Unfallauswirkungen meist sehr schwerwiegend<br />

sind – bis hin zum Todesfall.<br />

Die Ausführungen der TRGS 529 sind eindeutig:<br />

Kondensatabscheider müssen leicht und gefahrlos,<br />

ohne in Schächte und Gruben einsteigen zu müssen,<br />

zu kontrollieren und zu warten sein. Durch die Bauart<br />

und Wartung muss sichergestellt sein, dass bei allen<br />

Betriebszuständen ein Gasaustritt verhindert wird.<br />

Wartungs- und Bedienstände sowie Bedienteile<br />

von Armaturen, Rühr-, Pump- und Spüleinrichtungen<br />

sind grundsätzlich über Flur anzuordnen.<br />

Ist dies nicht möglich, muss eine ausreichende<br />

technische Belüftung mit mindestens fünffachem<br />

Luftwechsel vorhanden sein. Die DGUV-Regel<br />

113-004 „Arbeiten in Behältern, Silos und engen<br />

Räumen“ fordert für Personen, die mit dem Freimessen<br />

in engen Räumen, wie zum Beispiel Silos,<br />

Tanks, Schächten und Gruben, beauftragt werden,<br />

eine Fachkunde. Auch die Neufassung der TRGS<br />

529 widmet sich ausführlicher dem Thema richtiges<br />

Freimessen und definiert Anforderungen<br />

an die zum Einsatz kommenden Gasmessgeräte<br />

und fordert dezidierte Fachkenntnisse gemäß der<br />

DGUV 313-002.<br />

Wie können Unfälle in engen Räumen und Behältern<br />

vermieden werden? Je besser der Einstieg in<br />

Schächte und enge Räume (Confined Space Entry)<br />

vorbereitet ist, umso geringer das Risiko. Hier ist<br />

eine Liste wichtiger Fragen, die der Betreiber beantworten<br />

sollte, bevor eine Person in einen engen<br />

Raum einsteigen soll:<br />

f Stehen ausreichend qualifizierte Mitarbeiter und<br />

geeignete Geräte zur Verfügung?<br />

f Kennen alle Beteiligten ihre<br />

Verantwortlichkeiten?<br />

f Liegen die erforderlichen<br />

Betriebsanweisungen vor?<br />

f Wurden die Beschäftigten für ihre jeweiligen<br />

Tätigkeiten geschult?<br />

f Sind sie mit der Verwendung der persönlichen<br />

Schutzausrüstung vertraut?<br />

f Haben Sie für diese spezielle Aufgabe einen<br />

Alarm- und Rettungsplan?<br />

f Sind die empfohlenen Maßnahmen<br />

gründlich durchdacht?<br />

Manche Betreiber sind sich nicht einmal des Vorhandenseins<br />

enger oder umschlossener Räume<br />

bewusst. Dies bedeutet, dass es keine Risikobewertung<br />

gibt, weil eine Gefahr gar nicht erkannt wurde.<br />

Information und Beratung sind der erste Schritt. Danach<br />

erst kommt die Schulung für das Arbeiten in<br />

engen Räumen (CSE-Training).<br />

Ein geeignetes Training ist eine wichtige Voraussetzung,<br />

um Unfälle zu vermeiden und die Sicherheit<br />

der Arbeitenden zu gewährleisten. Dabei werden<br />

reale Arbeitsszenarien in Behältern und engen Räumen<br />

simuliert. So beginnt man beispielsweise mit<br />

der Demonstration einer korrekten Freimessung und<br />

der Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung,<br />

gefolgt von Ein- und Ausstiegsübungen.<br />

Ohne „Freimessen“ geht es nicht<br />

Freimessen von engen Räumen – eine Arbeit für<br />

Experten: Vor dem Einstieg in solche potenziell<br />

gefährlichen Arbeitsumgebungen müssen<br />

Standardsicherheitsmaßnahmen für enge Räume,<br />

zum Beispiel Freimessungen, ergriffen werden. Die<br />

Atmosphäre muss mit speziellen Gaswarngeräte für<br />

enge Räume gemessen und auf Gefahrstoffe überwacht<br />

werden. Um die Sicherheit der Beschäftigten zu<br />

gewährleisten, sind umfassendes Wissen und<br />

praktische Kenntnisse erforderlich. (siehe auch den<br />

Fachartikel zur neuen TRGS 529 auf Seite 38).<br />

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