VORSICHT SATIREGLOSSE:NBIN ICH FROH, DASS ICH NICHT DABEI WAR, ALS ...… in der Schule etwas fürs Leben gelernt wurdeCHRISTOPH SIEBER (54)… hat die Bühne studiert: Nach dem Abitur inVillingen belegte der Baden-WürttembergerPantomime an der Folkwang-Hochschule inEssen. Bald schon wurde ihm klar: „Alle Pantomimenkönnen schweigen, ich nicht!“ Damitwar der Weg geebnet. Siebers erstes Soloprogrammwar gleichzeitig seine künstlerischeAbschlussprüfung. Ansonsten kann der KabarettistChristoph Sieber auch Clown, Jongleur,Trickdieb, Feuerschlucker, Schauspieler,Akrobat, und natürlich Autor und Moderator.2015 gab´s den Deutschen Kleinkunstpreis,später folgte der Deutsche Comedypreis. Seit2021 moderiert der Wahl-Kölner die Mitternachtsspitzenim WDR. Gerade ist Sieber mitseinem sechsten Soloprogramm „Weitermachen!“auf Deutschland-Tour (auch mehrfachim Süden). Alle Infos und Tickets unterwww.christoph-sieber.deBILDUNG IST DIE Lösung. DieFrage aber ist: Für was? Für welches gesellschaftlicheProblem ist Bildung die Lösung?Als würden nicht auch Menschenmit Abitur zum Schlamassel beitragen. Alskönnten gebildete Menschen nicht auchRechtsradikale, Klimakiller oder einfacheArschgeigen sein.Bildung sei unsere wichtigste Ressource,liest man allenthalben. Ich frage mich: Warumsehen die Schulen hierzulande dannso aus wie sie aussehen? Und weiter heißtes: Die Schule bereite nicht genug aufs Lebenvor. Aber hat Schule das jemals getan?Mit Gedichtinterpretation? Haben Sie späterim Leben noch mal Gedichtinterpretationgebraucht? Beim Bewerbungsgespräch?Dass es geheißen hat: Sie könnenden Job haben. Aber erst noch eine Gedichtinterpretation.Oder bei der Eheschließung?Ihr könnt euch jetzt küssen!Aber vorher von jedem bitte noch eine Gedichtinterpretation.Schule und Leben gehen schon immergetrennte Wege. Wir setzen Kinder unterDruck, zwingen sie, Dinge zu tun, auf diesie keine Lust haben und setzen sie einemenormen Konkurrenzkampf aus. Mit derBegründung, dass das im späteren Lebenauch mal so sein wird. Wir kommen abernicht auf den Gedanken, dass nicht dieKinder das Problem sind, sondern das Leben,auf das wir sie vorbereiten. Dieses Lebenmit Stress, Druck und Ellenbogenmentalität,das wir längst satt haben unddem wir, wenn immer möglich, entfliehen.Vielleicht sollten wir das Leben ändernund nicht die Kinder.Bis heute vergeben Lehrer und LehrerinnenNoten. Dabei haben Studien längstergeben: Noten demotivieren. Sie führennicht zu besserem Lernen und zu klügerenKindern. Sie nutzen lediglich denen, diesich kurzfristiges Fast-Food-Wissen aneignenund dem System Schule möglichst gutanpassen können. Wir lehren die Kindernicht eigenständiges Denken, die Freiheitder Fantasie und eine gehörige Portion Rebellentum,sondern Angepasstheit und dasFunktionieren in von anderen gestecktenGrenzen. Wir schicken Kinder zehn, elf,zwölf Jahre lang zur Schule und am Endewissen sie nicht mal, was sie werden wollen.Sie wissen nicht mal, wer sie sind. Und,noch viel schlimmer, sie wissen nicht, wofürsie brennen.Dabei ist das Wichtigste, das wir im Lebenerreichen können: Für etwas zu brennen.Das machen zu können, wofür wir Talentund Begeisterung haben. Manchmalist auch erst nur Begeisterung und das Talentkommt hinterher.Das System Schule frustriert alle: Schüler,Lehrer, Eltern und die politisch Verantwortlichen.Wir sollten es überdenken.Die Wahrheit ist nämlich, dass es ein Lebennach der nächsten Mathe-Klausur gibt.Und die entscheidende Frage ist nicht, wieich die nächste Klausur überstehe, sondernwas ich aus meinem Leben mache. Weil esmein Leben ist. Und nicht das Leben derSchule.Wenn es der Schule gelingen würde, unszu lehren, dass es nicht schlimm ist, etwasnicht zu wissen, es aber Freude bereitenkann, etwas wissen zu wollen, dann wäreviel mehr erreicht als mit einer Gedichtinterpretationüber Annette von Droste-Hülshoff. Und dass es nur eine Sache gibt,die wir im Leben wirklich erreichen sollten:Glücklich zu sein.Ich bedaure sehr, dass ich damals nichtdabei war, als ich in der Schule etwas fürsLeben gelernt habe.Und ich bedaure noch mehr, dass es bisheute immer noch so ist. AFoto: T. Kurda28| missio 4/2024
HINGEPINSELT AUSGERECHNETKarikatur: Rabe/toonpool.com43%... aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland wissen nicht,was sie später einmal werden wollen. Einer OECD-Studiezufolge, in der Jugendliche aus 41 Ländern befragt wurden,befinden sich unter den Top Ten der Traumjobs ganz konventionelleBerufe wie Ärztin, Ingenieur und Lehrerin. Trendberufewie Influencer wurden nicht genannt. A Quelle: Bertelsmann-Stiftung; OECDmissio 4/2024 |29