BRPHIL Orchestermagazin #12
BRPHIL Orchestermagazin #12 - August - November 2024
BRPHIL Orchestermagazin #12 - August - November 2024
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.WAS HEISST HIER ALT?<br />
Andreas Hofer wurde zwischen 1626 und 1629 in<br />
Bad Reichenhall geboren. Das genaue Datum ist<br />
nicht bekannt, wohl aber, dass er als Vorgänger des<br />
bekannten Salzburger Hofkapellmeisters Heinrich<br />
Ignaz Franz von Biber tätig war. „Er schrieb raffiniert<br />
arrangierte, mehrchörige Werke und unsere Idee<br />
war, dem Repertoire aus dieser Zeit eine Bühne zu<br />
bieten“, erzählt Vereinsvorstand Robert Schlegl. Seit<br />
drei Jahren bringt die Andreas-Hofer Gesellschaft<br />
Musiker und Musikerinnen zusammen, kuratiert<br />
Programme und veranstaltet Konzerte.<br />
Wo die Bad Reichenhaller Philharmoniker kaum<br />
Stücke spielen, die aus der Zeit vor Johann Sebastian<br />
Bach stammen, ist die Andreas-Hofer Gesellschaft<br />
genau darauf spezialisiert, auf „alte Musik“.<br />
Darunter wird in der Regel Musik verstanden, die<br />
vor der Zeit der Romantik bis etwa zum Ende des<br />
18. Jahrhunderts komponiert wurde, also Werke der<br />
Renaissance, des Barock und der frühen Klassik.<br />
Der Begriff „historische Aufführungspraxis“ bezieht<br />
sich wiederum auf die Art und Weise, wie Stücke<br />
aus diesen vergangenen Epochen heute aufgeführt<br />
werden, nämlich unter Berücksichtigung der<br />
Spieltechniken, der Stimmung und Stile sowie<br />
der Instrumente, die in der Zeit, in der das Stück<br />
komponiert wurde, üblich waren.<br />
Gerade Musikinstrumente sind in den letzten 500<br />
Jahren baulich erheblich weiterentwickelt worden. Aus<br />
dem Cembalo wurde der heutige Konzertflügel, aus<br />
der Traversflöte die Querflöte und Streichinstrumente<br />
waren mit Saiten aus Darm bezogen, die wesentlich<br />
weicher und wärmer klingen als die heute<br />
gebräuchlichen Stahlsaiten. Will man also dem<br />
Klang jener „alten Musik“ möglichst nahekommen,<br />
muss man auf historischen Instrumenten spielen.<br />
So wie Robert Schlegl, studierter Musiker, der sich<br />
eine Barockposaune bauen ließ. „Ich bin über einen<br />
Bekannten zur historischen Musik gekommen. Er lud<br />
mich damals auf ein von ihm organisiertes Konzert<br />
ein. Es war ein kleines Ensemble, das nur auf alten<br />
Instrumenten spielte. Die Musik war so lebendig<br />
und abwechslungsreich. Weil man auf diesen<br />
Instrumenten nicht laut spielen kann, muss man mit<br />
anderen Parametern arbeiten. Eine Barockposaune<br />
hat zum Beispiel keine Ventile, man muss alles mit<br />
der Lippenspannung machen. Ich war so fasziniert,<br />
dass ich mich auf die historische Aufführungspraxis<br />
spezialisiert habe“, erzählt er.<br />
Aufführungen und Aufnahmen „alter Musik“<br />
sind eine Domäne spezialisierter Musiker und<br />
Ensembles. Sie beschäftigen sich ausführlich mit<br />
Musikgeschichte, Spielweisen, Stimmungssystemen,<br />
um herauszufinden, wie die Musik damals im Original<br />
geklungen haben könnte. Das ist Detektivarbeit,<br />
zumal Musik sehr lange nur mündlich überliefert<br />
wurde. Sie möglichst präzise aufzuschreiben ist<br />
eine relativ neue Tradition. Deshalb geben die Noten<br />
aus der Barockzeit oftmals nur die Melodie und<br />
wenige Details an. Viele Informationen fehlen, weil<br />
sie damals einfach als selbstverständlich angesehen<br />
wurden. Spielanweisungen wie in einer modernen<br />
Partitur gibt es nicht. „Es war nicht notwendig,<br />
viel hineinzuschreiben. Eine Hofkapelle hat jeden<br />
Tag miteinander gespielt, jedem war klar, was<br />
gemeint war. Außerdem konnte man die Partitur<br />
nicht einfach vervielfältigen, alles musste per<br />
Hand notiert werden“, weiß <strong>BRPHIL</strong>-Chefdirigent<br />
Daniel Spaw. Überhaupt habe es damals keine<br />
Normen für Töne gegeben. „Die Tonhöhe des<br />
allgemein verwendeten Kammertons A wurde erst<br />
1939 auf 440 Hertz festgelegt. In deutschen und<br />
österreichischen Sinfonieorchestern sind heute 443<br />
Hz üblich, in der Schweiz sind es 442 Hz. Mozarts A<br />
lag wahrscheinlich bei 430 Hz und Bachs bei 420, also<br />
deutlich tiefer.“ Weil es keine Normen gab, war es vor<br />
300 Jahren nicht ohne weiteres möglich miteinander<br />
zu musizieren, wenn man aus unterschiedlichen<br />
Regionen kam, denn die beweglichen Instrumente<br />
wie Dulzian oder Flöte waren auf die verfügbaren<br />
Orgeln abstimmt. Dieses Problem ist Robert Schlegl<br />
heute ebenfalls geläufig. „Es kann passieren, dass wir<br />
für ein historisches Konzert auf eine Orgel treffen,<br />
<strong>BRPHIL</strong>