BRPHIL Orchestermagazin #12

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Bild: Andreas Burzik © PAK Deutschland
EINE GUTE ERREGUNGS-
KURVE IST EINE SOLCHE,
BEI DER MAN SCHLAG-
ARTIG RUHIG WIRD, SO-
BALD MAN AUF DER BÜHNE
STEHT. WENN DAS ADRE-
NALIN EINEN ERST AUF
DER BÜHNE ÜBERFÄLLT,
WIRD ES PROBLEMATISCH.
ist Lampenfieber aber auch nur ein Symptom
für einen tieferliegenden Konflikt,
das gilt es abzuklären. Ein Beispiel: Eine
hervorragende Musikerin kam zu mir,
sie litt unter heftigem Lampenfieber bei
Probespielen. In der Therapie stellte sich
folgendes heraus: Als Kind durfte nicht sie
ihr Wunschinstrument lernen, sondern
ihre Schwester. Ihre Eltern zwangen ihr
ein anderes Instrument auf. Beide Eltern
waren selbst Musiker in eher schlecht
bezahlten Positionen. Ihr Traum war, dass
ihre Töchter eines Tages in einem großen,
berühmten Orchester spielen sollten. Meine
Klientin überkam regelmäßig in der
zweiten Runde beim Probespiel ein Anfall
von heftigem Lampenfieber. Dieses Lampenfieber
war Ausdruck einer unbewussten
Wut, ein nichtgelebter Protest gegen die
Manipulation der Eltern. Dass Eltern Liebe
und Zuwendung an Leistung knüpfen,
ist in bildungsbürgerlichen Kreisen - aus
denen viele klassische Musiker stammen –
ein recht verbreitetes Phänomen. Die alte
Angst zu versagen kann sich dann jedes
Mal anschalten, wenn es auf die Bühne
geht.
Gibt es langfristige Auswirkungen von
wiederholtem Lampenfieber auf die
mentale Gesundheit eines Musikers?
Oh ja, Lampenfieber kann Karrieren
beenden. Wladimir Horowitz hat mal
zwölf Jahre lang seine Karriere unterbrochen,
weil er das Lampenfieber vor
jedem Konzert nicht mehr aushielt.
Problematisch wird es für Musiker und
Musikerinnen, wenn sie nur noch mit
Betablockern in den Dienst gehen können,
oder sogar mit Alkohol ihre Probleme versuchen
zu bewältigen. Aber es ändert sich
zum Glück etwas: In den 1980er Jahren war
Lampenfieber noch kein Thema, aber mittlerweile
sind die Hochschulen diesbezüglich
aufgewacht, es gibt Mental- und Aufführungstrainings.
Die Sportpsychologie
ist uns da um Längen voraus, dort hat man
schon früh gewusst, dass es etwas anderes
ist, immer nur fleißig zu üben oder seine
Leistung auf den Punkt genau abrufen zu
müssen.
ORCHESTERMAGAZIN 12_2024