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BRPHIL Orchestermagazin #12

BRPHIL Orchestermagazin #12 - August - November 2024

BRPHIL Orchestermagazin #12 - August - November 2024

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24<br />

.ZU VIEL ADRENALIN KILLT DIE FEINMOTORIK<br />

Was sind die häufigsten Ursachen für Lampenfieber<br />

bei Musikern und Musikerinnen?<br />

Man kann zwei Ebenen unterscheiden. Psychologisch<br />

gesehen handelt es sich bei Lampenfieber<br />

um Versagensängste. Sich dem Urteil<br />

anderer Menschen auszusetzen, weckt Angst<br />

vor Peinlichkeit und Scham. Im Kern geht es um<br />

die Furcht vor sozialem Ausgeschlossensein. Bei<br />

Berufsmusikern kommen noch Existenzängste<br />

hinzu. An Probespielen hängt die ganze materielle<br />

Zukunft, die Karriere, alles, was man<br />

sich erträumt hat. Auf der körperlichen Ebene<br />

geht es bei Lampenfieber um ein Übermaß an<br />

Adrenalin. Ein erhöhtes Adrenalin-Niveau ist<br />

grundsätzlich notwendig für Bestleistungen:<br />

Es regt an, macht wach, gibt Energie. Problematisch<br />

wird ein Übermaß. Zu viel Adrenalin<br />

ist der Performance-Killer Nr. 1. Es aktiviert im<br />

Körper eine Kampf-oder-Flucht-Reaktion. Die<br />

Feinmotorik und das kreative Denken werden<br />

blockiert. Man möchte im Grunde weglaufen<br />

oder um sein Leben kämpfen, aber nicht die<br />

Geige auspacken.<br />

Wie unterscheidet sich Lampenfieber bei<br />

Musikern im Vergleich zu anderen Tätigkeiten?<br />

Musizieren ist eine sehr anspruchsvolle,<br />

mehrdimensionale Tätigkeit. Musiker müssen<br />

körperlich, emotional und mental funktionieren.<br />

Die starke sympathikotone Aktivierung<br />

schaltet die Feinmotorik aus, man wird fest,<br />

feine Empfindungen werden unterdrückt. Es<br />

kommt zum Blackout, weil das Adrenalin die<br />

Synapsen-Verbindungen im Gehirn blockiert.<br />

Wer Eishockey oder Fußball spielt - also einer<br />

Tätigkeit mit hoher körperlicher Aktivierung<br />

nachgeht - kann den Adrenalinüberschuss in<br />

grobmotorische Aktivität umsetzen. Das geht<br />

beim Musizieren nicht.<br />

Wie kann man zwischen gesundem Lampenfieber,<br />

das die Leistung steigert, und übermäßigem<br />

Lampenfieber, das die Leistung<br />

beeinträchtigt, unterscheiden?<br />

Letztlich gibt es nur graduelle Unterschiede,<br />

aber als Musiker spürt man die. Üblicherweise<br />

baut der Körper schon Wochen vor einem wichtigen<br />

Konzert Adrenalin auf. Kurz vor dem Auftritt<br />

ist es dann am schlimmsten, man möchte<br />

am liebsten sterben. Eine gute Erregungskurve<br />

ist eine solche, bei der man schlagartig ruhig<br />

wird, sobald man auf der Bühne steht. Wenn das<br />

Adrenalin einen erst auf der Bühne überfällt,<br />

wird es problematisch.<br />

Gibt es bestimmte Persönlichkeitsmerkmale,<br />

die mit einem höheren oder niedrigeren<br />

Lampenfieberrisiko bei Musikern verbunden<br />

sind?<br />

Musiker sind oft sehr sensible, oft sogar hochsensible<br />

Menschen. Sie sind sehr durchlässig<br />

und nehmen auf vielen verschiedenen Ebenen<br />

gleichzeitig Informationen auf, so dass sie<br />

schnell überladen sind und zu Lampenfieber<br />

neigen – gleichzeitig sind es aber meist<br />

ganz hervorragende Musiker. Bei manchen<br />

<strong>BRPHIL</strong>

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