BRPHIL Orchestermagazin #12
BRPHIL Orchestermagazin #12 - August - November 2024
BRPHIL Orchestermagazin #12 - August - November 2024
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.MUSIK IST ETWAS SINNLICHES<br />
Wir treffen Johannes Witt zum Onlinegespräch. Er<br />
sitzt in seinem Büro in der Oper Wuppertal. Dort<br />
ist er seit der Spielzeit 2021/22 als 1. Kapellmeister<br />
engagiert. Er hat seinen Laptop in der Hand und<br />
sucht das Eck mit der besten Internetverbindung.<br />
Am Fenster ist es gut, dort bleibt er schließlich<br />
stehen. Gutgelaunt lächelt er in die Kamera und<br />
beginnt zu erzählen. „Das Musische in unserer<br />
Familie kommt von meiner Mutter. Sie hat sanft,<br />
aber bestimmt dafür gesorgt, dass meine zwei Brüder<br />
und ich jeden Tag eine halbe Stunde Klavier<br />
übten“.<br />
Als Johannes sieben Jahre alt war, zog die Familie<br />
für einige Jahre nach Kanada. Der Sohn seiner<br />
dortigen Klavierlehrerin spielte Schlagzeug. Johannes<br />
war begeistert, wechselte das Instrument. Das<br />
Schlagzeug wiederum führte ihn ins Orchester.<br />
Als es zurück nach Köln ging, nahm er Unterricht<br />
beim Gürzenich-Orchester und spielte im Jugendsinfonieorchester<br />
Köln. „Ich fand das toll. Wir<br />
waren eine eingeschworene Gemeinschaft. Dieses<br />
Miteinander hat mich geprägt“. Als junger Paukist<br />
hatte Johannes Witt den Dirigenten buchstäblich im<br />
Auge. Er erlebte, welche Wirkung von ihm ausgeht<br />
und entschied: Das will ich auch machen. Noch vor<br />
dem Abitur stellt er sich in Köln an der Musikhochschule<br />
vor. „Ich hatte keine Ahnung wie Dirigieren<br />
geht und einfach zuhause vorm Spiegel geübt. Es<br />
war natürlich von hinten bis vorn alles falsch.“ Aber<br />
sein späterer Professor Michael Luig erkennt: Dieser<br />
junge Mann hat mit seiner Körpersprache Potenzial.<br />
Johannes Witt besteht die Aufnahmeprüfung,<br />
absolviert ein Gast-Semester in Sankt Petersburg.<br />
Nach fünf Jahren ist er Diplom-Dirigent und findet<br />
am Aalto Theater Essen seine erste Anstellung,<br />
zunächst als Repetitor mit Dirigierverpflichtung,<br />
schließlich als Kapellmeister. „Das Aalto Theater<br />
war ein riesiges Glück. Es ist ein sehr großes Haus<br />
und ich hatte viele Möglichkeiten, mich auszuprobieren.<br />
Das war wie ein zweites Studium“, sagt er.<br />
Auf Augenhöhe<br />
Das Zusammenspiel zwischen Dirigent und Orchester<br />
ist wohl eine der komplexesten, nonverbalen<br />
Kommunikationsformen. Es gibt unterschiedliche<br />
Typen von Dirigenten. Hochvirtuose, die sich<br />
über den Körper ausdrücken und solche, die übers<br />
Erklären ein Orchester mitnehmen. Johannes Witt<br />
ist der Bewegungsmensch. „Mir ist wichtig, dass<br />
eine Sinnlichkeit in meinen Bewegungen entsteht,<br />
denn Musik ist ja auch etwas sehr Sinnliches. Was<br />
mich immer wieder fasziniert: Wie man durch eine<br />
einzige Körpergeste - die entweder besonders weich<br />
und zart oder abrupt und schnell sein kann - einen<br />
Klang kreieren kann und alle Musiker und Musikerinnen<br />
im gleichen Charakter, in der gleichen Lautstärke,<br />
der gleichen Intensität spielen“. Die Zeiten,<br />
als Dirigenten diktatorisch von oben herab befahlen,<br />
sei zum Glück vorbei, sagt er. „In einem Orchester<br />
sitzen Menschen vor mir, die unglaublich viel wissen,<br />
die begabt und engagiert sind. Das erfordert<br />
Respekt, trotzdem muss ich sie von meiner Idee des<br />
Stücks überzeugen. Ich muss sie animieren, inspirieren<br />
und so mitreißend sein, dass sie meinen Vorstellungen<br />
unbedingt folgen“.<br />
<strong>BRPHIL</strong>