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Kunstbulletin Juli/August 2024

Unsere Juli/August Ausgabe für 2024 mit Beiträgen zu Esther Mathis, Kunstvolle Lesetipps, Dunja Herzog, Dineo Seshee Raisibe Bopape, Ana Mendieta, u.v.m.

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Kunstsammlung der Post im Dialog — Assoziative Punktlandung<br />

Geburtstage laden zum Feiern ein, stimmen aber auch nachdenklich.<br />

Wenn die Post ihr hundertjähriges Kunstengagement<br />

mit einem Ausstellungsreigen in Szene setzt, spielt die Frage<br />

mit, was die Post war, heute ist, sein wird. Mit ‹Fragile› im Bündner<br />

Kunstmuseum ist der Auftakt gelungen.<br />

Chur — Es blühten schon die Primeln, als Roman Signer (*1938) den Restschnee des<br />

Winters zusammenkratzte und in ein gelbes Postpaket füllte. «Diese Schachtel trug<br />

ich unter dem Arm und legte sie unter eine Tür», kommentiert er lakonisch die 2009<br />

entstandene Arbeit ‹Letzter Schnee›. Zurück blieb die dreiteilige Fotoserie und die<br />

damit geweckte Neugierde über den weiteren Verlauf. Auch die Freude an absurden<br />

Handlungen kommt nicht zu kurz, genauso wenig wie virulente Fragen, etwa nach<br />

den Folgen der Klimaerwärmung. Oder dem Service publique. In Kombination mit<br />

einer Gruppe von ‹Mailed Paintings› von Karin Sander (*1957) und ‹Postal Machine<br />

Decision› der !Mediengruppe Bitnik gibt das einen fulminanten und doppelbödigen<br />

Auftakt zur Sammlungsschau der Schweizerischen Post: Sanders Leinwände werden<br />

per Post ohne Schutzumschlag durch die Welt spediert und berichten in der Austellung<br />

als Kunstwerke mit Klebe- und Schleifspuren oder Zollformularen von diesen<br />

Reisen. Das Bitnik-Duo Carmen Weisskopf und Domagoj Smoljo überliess doppelseitig<br />

unterschiedlich adressierte Pakethüllen dem automatisierten Versandsystem,<br />

das die Pakete weltweit hin und her spedierte, bis ein Mensch es stoppte – eine amüsante<br />

Entlarvung von Schwachstellen der Digitalisierung.<br />

Aus der über 450 Werke umfassenden Kunstsammlung der Post wurden für ‹Fragile›<br />

in Chur rund fünfzig Arbeiten ausgewählt. Zusammen mit Werken des Bündner<br />

Kunstmuseum und externen Leihgaben stecken sie ein thematisches Feld rund um<br />

Fragen von Kommunikation in einer prekären Welt ab und reflektieren gesellschaftsrelevante<br />

Herausforderungen aus künstlerischer Sicht. Das geht von H.R. Frickers<br />

Briefmarkenbogen ‹Nur Sender kann man orten› (1999) bis zum gut gealterten ‹Fernsehabend›<br />

(1981/1985) von Guido Nussbaum voller Einsamkeit trotz Zweisamkeit<br />

oder Jules Spinatschs Foto-Diptychon ‹Asynchron I, Rote Mirage S (1958)› (2014) zu<br />

den Nuklearambitionen der Schweiz im Kalten Krieg – erschütternd aktuell. Etwas<br />

hinter dem Treppenaufgang verborgen zieht der ‹Prophet› mit dem Feldstecherblick<br />

von Ana Roldán (*1977) die Aufmerksamkeit auf sich und steckt ein Assoziationsfeld<br />

zwischen Kontaktaufnahme, Überwachen und Machthierarchie ab. Nicht nur Postsendungen<br />

sind fragil, die Welt als Ganzes ist zerbrechlich. Umso erfreulicher, dass<br />

das ‹Trari tra ra Die Post ist da!› (1997) von Hannes und Petruschka Vogel als Kunst<br />

im öffentlichen Raum am Postbahnhof Chur wieder heiter leuchtet. Ursula Badrutt<br />

→ ‹Fragile – Die Kunstsammlung der Post im Dialog›, Bündner Kunstmuseum Chur, bis 25.8.<br />

↗ buendner-kunstmuseum.ch<br />

96 <strong>Kunstbulletin</strong> 7-8/<strong>2024</strong>

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