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Kunstbulletin Juli/August 2024

Unsere Juli/August Ausgabe für 2024 mit Beiträgen zu Esther Mathis, Kunstvolle Lesetipps, Dunja Herzog, Dineo Seshee Raisibe Bopape, Ana Mendieta, u.v.m.

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Not Vital<br />

Zürich — Wir dachten, der Kraft strotzende,<br />

von Mannesstolz gesättigte Künstlertyp sei<br />

ausgestorben. Aber weit gefehlt! Er hat überlebt.<br />

In engen Schweizer Bergtälern. Die Galerie<br />

Tschudi zeigt in der Schau ‹Not Vital – Silence›<br />

den Senter Installationskünstler, Bildhauer und<br />

nun auch Maler. Und wir reiben uns die Augen.<br />

Eine beeindruckende Bildserie treibt mit<br />

unserem Blick Schabernack. Zwei tiefblaue Öl-<br />

Malereien, ‹Self-portraits› (<strong>2024</strong>), lassen hinter<br />

gewichtigen Glasscheiben zwei Hoffnungslichter<br />

strahlen. Darob ist der blasse Schriftzug<br />

«NOT» kaum zu erkennen, ein Menetekel, das<br />

uns weniger an den Künstler als an Gustav<br />

Mahlers Chorsatz der 2. Symphonie erinnert:<br />

«Der Mensch liegt in grösster Not.»<br />

Not Vital ist im Zwielichtigen, Mehrdeutigen<br />

unterwegs, auch mit Humor, der allerdings an<br />

Altherrenwitze erinnert, wenn der Künstler zum<br />

Beispiel Klebmasse auf den Bildern appliziert<br />

und mit der Assoziation rechnet, es sei Mannessaft.<br />

Zumindest bietet er dadurch einen niederschwelligen<br />

Einstieg in die Kunst wie in dem<br />

Blatt ‹Verschiebung›. Das titelgebende Wort ist<br />

mit Bleistift ins Bild gesetzt. Dazu ein ausgerissenes<br />

Dreieck, zwei Millimeter nach links<br />

verschoben und mit Klebstreifen fixiert. Damit<br />

verdoppelt der Künstler die ästhetische Pointe.<br />

Sie verpufft. Und mit ihr eine Spezies, die wir<br />

hier vor ihrem endgültigen Verschwinden noch<br />

einmal eindrücklich beobachten können. MG<br />

Hanns Kunitzberger<br />

Zürich — Anstatt seine Bilder vorne auf der<br />

aufgespannten Leinwand zu grundieren, setzt<br />

der Österreicher Hanns Kunitzberger (*1955)<br />

rückwärts an und zeichnet die Grundierung<br />

hinter das Tuch. Mit unzähligen Schichten von<br />

Farbpigmenten überzieht er danach die Vorderseite<br />

und erschafft so eine fragile Durchsichtigkeit<br />

und Tiefe: Das Gemälde wird zu einem<br />

beinahe körperlichen Objekt. Betrachtet man<br />

die anfänglich farblos erscheinende Leinwand,<br />

beginnt sie allmählich in zarten Farbtönen<br />

zwischen Grün und Orange zu oszillieren. Dabei<br />

endet der Blick nicht im farbigen Weiss der<br />

Oberfläche, sondern verliert sich in der Ferne,<br />

und man findet sich wieder in der eigenen<br />

Gedankenwelt. Der Bildtitel ‹Mitte 2015 später›<br />

lässt erahnen, dass der Künstler sehr langsam<br />

am Gemälde gearbeitet hat.<br />

Beim Schauen der sehr sinnlichen Ausstellung<br />

bei Dierking entsteht die Erkenntnis, dass hier<br />

ein zutiefst romantisches Werk geschaffen<br />

wurde. Es geht um die Verdichtung von Zuständen<br />

zu farbigen Bildnissen, die eine emotionale<br />

Welt entstehen lassen. Die schillernde Aura der<br />

Leinwände scheint die Gefühle des Künstlers<br />

zu übertragen und lässt so Erinnerungen an eigene<br />

Emotionen und Gedanken aufsteigen. JEN<br />

‹Not Vital – Silence›, Ausstellungsansicht<br />

Galerie Tschudi, Zürich. Foto: Cedric Mussano<br />

→ Galerie Tschudi, bis 3.8.<br />

↗ galerie-tschudi.ch<br />

Hanns Kunitzberger, ‹Anfang 2022 später›,<br />

2022, Öl auf Leinen, 170 x 170 x 4 cm<br />

→ Dierking – Galerie am Paradeplatz, bis 23.8.<br />

↗ dierking.ch<br />

HINWEISE // ZÜRICH<br />

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