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Kunstbulletin Juli/August 2024

Unsere Juli/August Ausgabe für 2024 mit Beiträgen zu Esther Mathis, Kunstvolle Lesetipps, Dunja Herzog, Dineo Seshee Raisibe Bopape, Ana Mendieta, u.v.m.

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Barry Le Va<br />

Vaduz — «Einen Eindruck von Ganzheit ausschliessen<br />

und sich auf Einzelteile, Fragmente,<br />

unvollständige Handlungen und Strukturen<br />

konzentrieren.» Diese Notiz von Barry Le Va<br />

(1941–2021) aus dem Jahr 1989 charakterisiert<br />

fast alle seiner dreidimensionalen Arbeiten,<br />

die derzeit im Kunstmuseum Liechtenstein<br />

zu sehen sind. ‹In a State of Flux› ist die erste<br />

Retrospektive nach dem Tod des US-amerikanischen<br />

Künstlers. Sie richtet das Augenmerk<br />

nicht nur auf den radikalen Bildhauer, sondern<br />

ebenso sehr auf den aufmerksamen Denker<br />

und Planer.<br />

Der Ausstellungsparcours beginnt mit Werken<br />

von herausfordernder Präsenz: ‹Cleaved Wall›<br />

(1969/70) besteht aus zwölf in die Wand gehauenen<br />

Metzgerbeilen. Für ‹Shots from the End<br />

of a Glass Line› (1969/70) gibt eine Schlangenlinie<br />

aus zerbrochenem Glas die Distanz<br />

vor, von der aus fünf Revolverschüsse auf ein<br />

Stahlrohr abgegeben werden. Aus der Serie<br />

der ‹Scatter Pieces›, zersplitterten Scheiben,<br />

sind drei Beispiele vertreten. Barry Le Va hat<br />

mit diesen Werken die Bildhauerei an ihre<br />

Grenzen geführt; er hat destruktive Momente<br />

in eine konstruktive Form übersetzt. Aus der<br />

Zerstörung und Streuung resultieren neue<br />

Ordnungssysteme wie Stapel, Reihen oder die<br />

variabel angeordneten ‹Distribution Pieces›<br />

aus Filzstücken und Metallkugeln. Und er hat<br />

Prozesse initiiert, die für jede Installation neu<br />

umgesetzt werden müssen – dies führte für die<br />

erste Ausstellung nach seinem Tod zu vielen<br />

Fragestellungen und intensiven Recherchen in<br />

unterschiedlichen Archiven. Briefe, Notizen und<br />

Zeichnungen des Künstlers lieferten Hinweise<br />

für die Ausführung und mehr noch: Dank der<br />

Forschungsarbeit kann bisher unentdecktes<br />

Material gezeigt werden, beispielsweise ein<br />

Filmfragment des Videopioniers Gerry Schum<br />

mit Anweisungen von Le Va.<br />

Der Präsentation gelingt die enge Verbindung<br />

zwischen dem Physischen und dem Konzeptuellen<br />

in Barry Le Vas Schaffen. Jedem skulpturalen<br />

Werk gehen zahlreiche Studien voraus.<br />

Der Künstler skizziert Varianten, Vorüberlegungen,<br />

räumliche Situationen. Diese Notationen<br />

werden in Liechtenstein in Nachbarschaft zu<br />

den Installationen gezeigt, jedoch ohne deren<br />

Präsenz zu beeinträchtigen: Raumgreifende<br />

Werke und Zeichnungskonvolute folgen einander<br />

in schlüssiger Inszenierung. Zur Ausstellung<br />

ist eine dreibändige Publikation in Arbeit,<br />

unter anderem mit erst- und wiederveröffentlichten<br />

Interviews mit dem Künstler. KS<br />

Barry Le Va, ‹Equal Quantities: Placed or<br />

Dropped In, Out, and On in Relation to Specific<br />

Boundaries›, 1967, Slg. Michalke, Ausstellungsansicht<br />

Kunstmuseum Liechtenstein,<br />

Vaduz. Foto: Sandra Maier © Estate of Barry<br />

Le Va, David Nolan Gallery, New York<br />

‹Barry Le Va – In a State of Flux›, Ausstellungsansicht<br />

Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz.<br />

Foto: Sandra Maier © Estate of Barry Le Va,<br />

David Nolan Gallery, New York<br />

→ Kunstmuseum Liechtenstein, bis 29.9.,<br />

danach Fruitmarket, Edinburgh (ab 26.10.), und<br />

Museum Kurhaus Kleve (ab Frühjahr 2025)<br />

↗ kunstmuseum.li<br />

84 <strong>Kunstbulletin</strong> 7-8/<strong>2024</strong>

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