Kunstbulletin Juli/August 2024

María Gainza, ‹Schwarzlicht›, dt. Erstausgabe, Verlag Klaus Wagenbach, 2023
Ist eine gute Fälschung nicht besser als ein schlechtes Original?
Die Kunstkritikerin María Lydis mietet sich in einem luxuriösen Hotel ein. Sie hat gerade
ihre Stelle verloren und lässt zwischen Marmorbad und Louis-seize-Schreibtisch
ihr Leben Revue passieren. María Lydis ist nicht ihr wahrer Name. Das erzählt
sie freimütig auf der ersten Seite. Aber, was ist schon Wahrheit? Ein fragiles Pflänzchen,
das in diesem faszinierenden Roman von schillernden Blüten umwuchert wird.
Lydis verdankt ihre Ausbildung Enriqueta Macedo, der angesehensten Kunstexpertin
des Landes. Sie weihte Lydis in die Kunst ein, Kunstfälschungen mit blossem Auge
zu erkennen. Für den Schützling bleibt die Grande Dame immer ein wenig mysteriös.
Über Macedos Arbeitszimmer schreibt sie einmal: «Es hätte ohne weiteres sein können,
dass eins der Bücherregale nur die Tarnung einer Geheimtür war.»
Macedo deklarierte oft Fälschungen als Originale. Sie hatte also tatsächlich ein
Geheimnis – und einen Kreis von Mitwissenden. In dessen Zentrum stand La Negra,
eine geradezu mystische Figur. Sie verstand sich perfekt darauf, Gemälde im Stil
berühmter Porträtmalerinnen zu fertigen. Lydis macht sich auf die Suche nach der
verschwundenen Meisterfälscherin und befragt dabei die Bedeutung der Originalität
in der Kunst. Ist nicht eine echt gute Fälschung besser als ein schlechtes Original?
Zum Lesevergnügen wird diese Recherche durch María Gainzas eigenwillige Sprache,
lässig und hier und da mit überraschenden Metaphern angereichert. Alice Henkes
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