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Kunstbulletin Juli/August 2024

Unsere Juli/August Ausgabe für 2024 mit Beiträgen zu Esther Mathis, Kunstvolle Lesetipps, Dunja Herzog, Dineo Seshee Raisibe Bopape, Ana Mendieta, u.v.m.

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Olaf Holzapfel — Von Räumen, die uns ummanteln<br />

Früh beschäftigen ihn urbane Systeme und digitale Welten, seit<br />

einigen Jahren wendet sich Olaf Holzapfel aber ruralem Handwerk<br />

und pflanzlichem Material zu. Dabei bleibt das Interesse<br />

an Raster- und Raumbildung eine Konstante seines Werks, das<br />

zurzeit im Museum Haus Konstruktiv gastiert.<br />

Zürich — Sie stehen im Raum wie Möglichkeiten der Behausung: Zylinderförmige<br />

Weidengeflechte erinnern an hohle Baumstämme, Holzbalken verkeilen sich zu<br />

geometrischen Ansätzen eines Fachwerkgerüsts, und getrocknetes Schilf türmt sich<br />

in rechteckigen Bündeln zu einem Wandelement, das inmitten der grossen Halle im<br />

Haus Konstruktiv eine halbrunde Nische formt. Olaf Holzapfel (*1967, Dresden) lädt<br />

hier zum Gang durch architektonische Skulpturen ein, die mit organisch gewachsenem<br />

Material, traditionellem Handwerk und minimalistischer Formgebung an Urtypen<br />

der Baukonstruktion denken lassen. Sie führen an ein Werk heran, dem stets<br />

etwas Zeitentrücktes anhaftet. Während in den oberen Etagen des Museums eine<br />

Gruppenausstellung die Geschichte des Zurich Art Prize seit der Gründung 2007 ausrollt,<br />

zeigt Holzapfel als diesjähriger Preisträger in den unteren Räumen eine Einzelschau,<br />

die scheinbar disparate Strukturen, Prozesse und Epochen in eine eigentümliche<br />

Balance bringt. Hier vermengt sich Natürliches und Gebautes, vielleicht auch<br />

Tradition und Moderne und sicherlich Handwerk und Kunst: Denn die Praxis Holzapfels<br />

vollzieht sich immer wieder ausserhalb seines Berliner Ateliers. In sein Schaffen<br />

bindet er Regionen und ihre vernakulären Techniken ein, mit denen Rohstoffe der jeweils<br />

umliegenden Wälder und Felder verarbeitet werden.<br />

Für seine Fachwerkskulpturen spannt der Künstler mit Zimmerleuten aus dem<br />

Harzgebiet zusammen, die Stroh- und Heubilder im zweiten Ausstellungsraum entstehen<br />

hingegen in Kollaborationen mit brandenburgischen und Lausitzer Höfen.<br />

Ihnen entstammen nicht nur die in den Arbeiten verwendeten Getreide- und Grashalme,<br />

sondern auch ein althergebrachtes Ritual, bei dem getrocknete Pflanzen von<br />

Hand zu Seilen gewunden werden. Wo das Stroh Stängel für Stängel auf Sperrholzplatten<br />

zu schraffurartigen Flächen von illusionistischer Bildtiefe geklebt ist, sind<br />

diese Seile aus dürren Gräsern, Kräutern und Wildblumen als voluminöse Gewebe auf<br />

Holzrahmen gespannt und vermitteln Landschaftsräume durch deren präsentes Material.<br />

Nicht zuletzt ihr intensiver Geruch setzt sie in direkte Beziehung mit unseren<br />

Körpern, auf die bereits durch die architektonischen Skulpturen verwiesen wird. Da<br />

schreiten wir über Holzschwellen und werden von einer Schilfnische eingehüllt, die<br />

den Titel ‹Mantel› (<strong>2024</strong>) trägt – ebenso heisst Holzapfels gesamte Schau, die in Zeiten<br />

der Schnelllebigkeit und der Virtualität von Räumen erzählt, die uns fortwährend<br />

physisch umgeben. <strong>Juli</strong>a Schmidt<br />

→ ‹Olaf Holzapfel – Der Mantel›, Museum Haus Konstruktiv, bis 8.9. ↗ hauskonstruktiv.ch<br />

114 <strong>Kunstbulletin</strong> 7-8/<strong>2024</strong>

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