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Kunstbulletin Juli/August 2024

Unsere Juli/August Ausgabe für 2024 mit Beiträgen zu Esther Mathis, Kunstvolle Lesetipps, Dunja Herzog, Dineo Seshee Raisibe Bopape, Ana Mendieta, u.v.m.

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Karin Schwarzbek — Im Spannungsfeld<br />

Körper und Raum interessieren Karin Schwarzbek schon lange.<br />

Angefangen hat sie mit ordentlicher, figurativer Tafelbildmalerei,<br />

die sie konsequent weiterentwickelt hat. Ihre Ausstellung im<br />

Kunst(Zeug)Haus nun ist intensiv ortsspezifisch und zeigt einen<br />

souveränen Umgang mit gesellschaftspolitischen Fragen.<br />

Rapperswil-Jona — Minimal und zugleich skurril hängen sie über Kleiderbügeln am<br />

Ständer: Die Gewichtsmanschetten an schwarzen Auto-Sicherheitsgurten sind für<br />

den physischen Einsatz parat. Als Sportartikel werden sie bei Kraftübungen für mehr<br />

Effizienz, bessere Ausdauer, gesteigerten Kalorienverbrauch eingesetzt; aus diesem<br />

Kontext verschoben, schärfen sie den Blick für Zusammenhänge und Selbstreflexion.<br />

‹Heavy Healthy›, so der in Klammern zur fortlaufenden Nummerierung ihrer Werke<br />

beigefügte Titel, gewichtet Sichtweisen neu. Karin Schwarzbek (*1969) ist eine aufmerksame<br />

Menschen-Beobachterin. Hautdarstellungen in der Renaissance-Malerei<br />

interessieren sie genauso wie obsessiv ausgeführte Freizeitaktivitäten oder heutige<br />

Vorstellungen von Schönheit und Körperoptimierung. Wie im Circuit-Training leiten<br />

die einzelnen Werke den Gang durch die Ausstellung ‹Hilo Glow›. Diese sei wie ein<br />

massgeschneidertes Kleid für den Ort, sagt die Künstlerin. Das Tafelbild ist in den<br />

Raum getreten, malerische Entscheide und abwesende Körper bleiben präsent. Das<br />

ehemalige Zeughaus, in dem einst Militärisches von der Socke bis zum Sturmgewehr<br />

lagerte, hat Akzente in Rosa bekommen – eine Anlehnung an die psychologisch beruhigende<br />

Wirkung der Farbe, aber auch an die Cool-down- und Glow-up-Kosmetik.<br />

Statt auf Keilrahmen spannt Karin Schwarzbek heute Stoff auf Zeltstangen und<br />

lässt diese beispielsweise runde Räume bilden mit Wänden aus unterschiedlich<br />

hautfarbenen Futterstoffen. Wie unzugängliche Umkleidekabinen hängen sie an einem<br />

Balancesystem, das als Zeichnung die Dachkonstruktion kommentiert. Die ineinandergeschobene<br />

Verdoppelung der Stoffkörper findet ein Echo in zwei mit Badekostümen<br />

bespannten Keilrahmen. Andernorts sind aufgetrennte und neu in die<br />

Fläche zusammengenähte Vorderteile von Warnwesten auf Kniehöhe wie ein ausgebreitetes<br />

Sprungtuch im Raum verspannt. Die Westen für Sicherheit und Rettung<br />

werden zur latenten Gefahrenzone. So auch der rosa Sicherheitsgurt, der auf der Höhe<br />

von Schwebebalken wie eine Slackline zwischen zwei Pfeiler gespannt ist. Der<br />

Balanceakt im Kopf kann nicht gelingen, aufgefangen würden wir im Falle eines Falls<br />

nicht vom weichen Sprungtuch, sondern vom Mockup der Sicherheitsmatten, die<br />

ihrerseits an ein riesiges Himmel-und-Hölle-Spiel erinnern. Der Boden der Realität,<br />

des Ausstellungsraums ist hart. Doch dessen ungeachtet und Gewichtsmanschetten<br />

zum Trotz aktiviert Karin Schwarzbek den Körper als Kapital umwerfend behände,<br />

leichtfüssig und verspielt. Ursula Badrutt<br />

→ ‹Karin Schwarzbek – Hilo Glow›, Kunst(Zeug)Haus, bis 4.8. ↗ kunstzeughaus.ch<br />

106 <strong>Kunstbulletin</strong> 7-8/<strong>2024</strong>

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