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Kunstbulletin Juli/August 2024

Unsere Juli/August Ausgabe für 2024 mit Beiträgen zu Esther Mathis, Kunstvolle Lesetipps, Dunja Herzog, Dineo Seshee Raisibe Bopape, Ana Mendieta, u.v.m.

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Monika Emmanuelle Kazi — Koloniale Bilder zurückgespiegelt<br />

Die Gewinnerin des diesjährigen Bally Artist Award, die francokongolesische<br />

Künstlerin Monika Emmanuelle Kazi, stellt durch<br />

ihre Rauminszenierungen Bilder und Narrative der kolonialen<br />

Vergangenheit infrage und nimmt uns durch spiegelnde Silbernitratmalereien<br />

auf Gläsern und Scheiben in die Verantwortung.<br />

Lugano — Wie manifestiert sich der Kolonialismus in den Alltagsgegenständen der<br />

ehemaligen Kolonien? Welche immer wiederkehrenden Bilder, Narrative und Archive<br />

beherrschen das kollektive Bewusstsein der früher fremddominierten Kulturen und<br />

ihrer Angehörigen? Wie drückt sich die koloniale Macht aus in der Innenarchitektur<br />

und ihrer Ästhetik? Wie kann der eurozentrische und koloniale Blick in der Kunst<br />

sichtbar gemacht werden? Um solche Fragen kreisen die Installationen, Videos und<br />

Tonarbeiten von Monika Emmanuelle Kazi (*1991), diesjährige Gewinnerin des Bally<br />

Artist Award. Das MASI Lugano zeigt aus diesem Anlass im Palazzo Reali mehrere<br />

ihrer Installationen unter dem Titel ‹Mimesis of Domesticity›.<br />

Auf den ersten Blick erscheint die Sala Mattoni eher spärlich bespielt, fast etwas<br />

leer. Angedeutet ist ein bürgerliches Interieur: Ein antiker Holztisch, ein Regal<br />

bestückt mit Gläsern und Glasschüsseln und eine an die Wand gelehnte Vitrinentüre<br />

befinden sich im Raum. Eine Lampe hängt von der Decke. An zwei Stellen ist auf den<br />

schwarzen Steinfliesen eine weisse Flüssigkeit ausgeleert. In einer Ecke hängt eine<br />

Soundbar, aus der hörbar Wasser plätschert. Auf den zweiten, vertieften Blick entpuppen<br />

sich die spiegelartig wirkenden, gläsernen Oberflächen der verschiedenen<br />

Objekte als Malereien aus flüssigem Silbernitrat. Scherenschnittartige, silbern gemalte<br />

und durchscheinend ausgelassene Partien lassen Darstellungen von Körpern,<br />

Figuren, Landschaften oder Gebäuden erahnen. Die Bilder bleiben mehrdeutig und<br />

vor allem auf den traditionell westlichen Glasschüsseln und Gläsern schwer lesbar.<br />

Doch die Betrachtenden, also wir, spiegeln uns in diesen Silbernitratmalereien. Unser<br />

Blick, der eurozentrische Blick, wird auf uns selbst zurückgeworfen, wir werden<br />

durch die Installation der franco-kongolesischen Künstlerin auf unser koloniales Erbe<br />

verwiesen und somit in die Verantwortung genommen. Und die Welt scheint aus<br />

dem Lot: Die Lampe, welche uns erleuchten könnte, befindet sich am Boden statt an<br />

der Decke. Das unbefleckte Tischtuch, auf dem die bemalten Gläser und Schüsseln<br />

stehen, ist fast hinabgerutscht. Das mit einem weissen Pulver vermischte Wasser ist<br />

ausgelaufen. Auf subtile Art präsentiert Monika Emmanuelle Kazi eine prekäre und<br />

fragile Realität in steter Veränderung: Instabilität als postkoloniales Erbe. Das Rad<br />

der Zeit kann nicht zurückgedreht werden, aber vielleicht können Transparenz und<br />

Dialog das Bewusstsein schärfen. Barbara Fässler<br />

→ ‹Monika Emmanuelle Kazi – Mimesis of Domesticity› MASI Lugano, bis 11.8. ↗ masilugano.ch<br />

102 <strong>Kunstbulletin</strong> 7-8/<strong>2024</strong>

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