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naturgucker Nr. 73

DAS MAGAZIN ZUR VOGEL- UND NATURBEOBACHTUNG Wir zeigen Ihnen die Natur von ihrer schönsten Seite! Blättern Sie durch unser aktuelles Heft, und werfen Sie einen Blick auf die Vielfalt, die Sie umgibt. Alle zwei Monate finden Sie bei uns packende Fotos, Reportagen und Berichte über Vögel, seltene Pflanzen, Amphibien, Reptilien, Säugetiere oder Insekten wie Libellen und Schmetterlinge. https://www.naturgucker-magazin.de


DAS MAGAZIN ZUR VOGEL- UND NATURBEOBACHTUNG
Wir zeigen Ihnen die Natur von ihrer schönsten Seite! Blättern Sie durch unser aktuelles Heft, und werfen Sie einen Blick auf die Vielfalt, die Sie umgibt. Alle zwei Monate finden Sie bei uns packende Fotos, Reportagen und Berichte über Vögel, seltene Pflanzen, Amphibien, Reptilien, Säugetiere oder Insekten wie Libellen und Schmetterlinge.

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NATURGUCKER <strong>73</strong><br />

Ausgabe <strong>73</strong> Juli / August 2024 Deutschland 4,50 € | Österreich 4,90 € | Schweiz 5,00 CHF | Italien 5,70 €<br />

Das Magazin zur Vogel- und Naturbeobachtung<br />

Schöne Taucher<br />

Vogel-Fotos am<br />

Parkteich<br />

Ruf der Wildnis<br />

Auf den Spuren<br />

der Schreiseeadler<br />

<strong>73</strong><br />

4 198182 804502


NATURGUCKER-RÄTSEL<br />

02<br />

Wir zeigen Ihnen die Natur<br />

VON IHRER SCHÖNSTEN SEITE!<br />

Lernen Sie unser Magazin kennen, und werfen Sie einen Blick auf die Vielfalt,<br />

die Sie umgibt. Alle zwei Monate finden Sie bei uns packende Fotos, Reportagen<br />

und Berichte über Vögel, seltene Pflanzen, Amphibien, Reptilien, Säugetiere<br />

oder Insekten wie Libellen und Schmetterlinge. Natürlich stellen wir für Sie auch<br />

praktische Tipps zum Beobachten und Bestimmen zusammen, um Sie auf Ihrer<br />

Entdeckungsreise durch die Natur zu begleiten.<br />

Als Abo 27 Euro im Jahr innerhalb Deutschlands<br />

(inkl. Porto – ohne Vertragsbindung)<br />

Bestellung online unter: www.<strong>naturgucker</strong>-magazin.de/abo<br />

oder per Postkarte an: Bachstelzen Verlag GbR, Frankenplatz 23,<br />

42107 Wuppertal, Telefon 00 49 (0) 202 30 63 66<br />

www.<strong>naturgucker</strong>-magazin.de


Liebe Leserinnen<br />

und liebe Leser !<br />

Wie jedes Jahr habe ich mich auch<br />

in diesem Frühjahr auf ihre<br />

Rückkehr gefreut: die Mauersegler.<br />

Um den 1. Mai herum sind sie in unserer<br />

Region plötzlich da, erst zwei, dann<br />

vier, dann sieben, acht. Mit ihren sichelförmigen<br />

Flügeln schießen sie pfeilschnell<br />

durch den Himmel, besonders gerne in<br />

den frühen Abendstunden. Ihre schrillen<br />

»Schreie« machen sie unverkennbar<br />

und unterscheiden sie – abgesehen vom<br />

Flugbild – von den kleinere Schwalben,<br />

die ebenfalls Sommerboten sind. Eines<br />

Abends traute ich meinen Augen kaum:<br />

Zwei Mauersegler näherten sich einander<br />

an, flogen übereinander und berührten<br />

sich, flogen quasi im Doppelpack weiter,<br />

bis sie sich nach etwa 15 Sekunden wieder<br />

voneinander lösten. Was ich gesehen<br />

hatte, war eine Paarung – und das in der<br />

Luft! Zwar wusste ich, dass Mauersegler,<br />

abgesehen von der Brut- und Jungen-Aufzuchtzeit,<br />

ihr Leben in der Luft verbringen,<br />

dort sogar schlafen, aber gesehen<br />

hatte ich eine Paarung in der Luft noch nie!<br />

Bei der diesjährigen Zählaktion »Stunde<br />

der Gartenvögel« von NABU und LBV<br />

wurden fünf Prozent mehr Mauersegler<br />

gemeldet als im Vorjahr; endlich mal eine<br />

gute Nachricht. Leider sind andere Insektenfresser<br />

wie Mehlschwalbe (minus 13<br />

Prozent im Vergleich zum Vorjahr) und<br />

Rauchschwalbe (minus 18 Prozent) regelrecht<br />

abgestürzt. »Das könnte vor allem<br />

mit dem winterlichen Intermezzo während<br />

der Zugrückkehr im April zu tun haben«,<br />

kommentiert der NABU diese Zahlen.<br />

Hoffentlich. Bei Deutschlands größter Citizen-Science-Aktion,<br />

die bereits zum 20.<br />

Mal stattfand, meldeten 58.000 Menschen<br />

insgesamt 1,2 Millionen Vögel. Besonders<br />

interessant finde ich das Fazit der vergangenen<br />

20 Jahre: Unter den 18 häufigsten<br />

Gartenvögeln nahmen die Sichtungen bundesweit<br />

bei Buntspecht, Eichelhäher und<br />

Ringeltaube zu, während sie bei Grünfink,<br />

Amsel und Hausrotschwanz immer weiter<br />

abnahmen. Laut NABU zeigten die Zahlen,<br />

dass typische Waldvögel inzwischen<br />

den Siedlungsraum erobert haben, weil<br />

sie hier offenbar in Gärten und Parks ein<br />

gutes Nahrungsangebot und sichere Bedingungen<br />

vorfänden. Die starken Rückgänge<br />

bei den insektenfressenden und gebäudebrütenden<br />

Arten seien vermutlich Folge<br />

des Insektensterbens sowie von fehlenden<br />

Nistmöglichkeiten. Es gibt also noch eine<br />

Menge zu tun. Machen Sie mit!<br />

Einen schönen Sommer wünscht Ihnen,<br />

Robert Lücke<br />

Herausgeber<br />

Mauersegler / Markus Varesvuo<br />

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INHALT<br />

INHALT<br />

42 16<br />

06 NATUR-SPAZIERGANG<br />

06 Wunder mit sechs Beinen<br />

08 NATUR-SAISON<br />

08 Seidensänger, Sumpfgrashüpfer und Störche<br />

14 NATURSCHUTZ<br />

14 Waldohreulen vor der Haustür<br />

32<br />

18 NATUR-WISSEN<br />

18 Gartenschläfer – Bedrohter, bunter Bilch<br />

22 Kerzen in der Nacht<br />

26 Schreiseeadler – Die Stimme Afrikas<br />

32 Moschusbock – Imposanter Bock im Garten<br />

34 Weinrebe – Beeren und Blätter voller Wirkstoff<br />

31 LESERSEITEN<br />

31 Ihre Briefe & Mails<br />

04<br />

29<br />

35 NATURGUCKER-RÄTSEL<br />

36 NATUR-FOTO<br />

36 Das Wasser und die Vögel<br />

40 NATUR-REISE<br />

40 Vesterålen – Wale um Mitternacht<br />

46 REZENSIONEN<br />

46 Lesestoff für Naturfreunde<br />

47 NATURGUCKER.DE<br />

47 Waldeslust<br />

42<br />

30<br />

48 NATUR-KIND<br />

48 Waldbaden – Tauche ab ins Grün<br />

50 KLEINANZEIGEN &<br />

VORSCHAU<br />

Titelbild: Rothalstaucher / Kai Bratke


NEU!<br />

INHALT<br />

12<br />

IMPRESSUM<br />

VERLAG<br />

Bachstelzen Verlag GbR<br />

Frankenplatz 23<br />

42107 Wuppertal<br />

www.<strong>naturgucker</strong>-magazin.de<br />

HERAUSGEBER<br />

Robert Lücke ( V.i.S.d.P.)<br />

robert.luecke@<strong>naturgucker</strong>-magazin.de<br />

REDAKTION<br />

Julia Klinkusch, Nicole Lücke,<br />

Robert Lücke, Dieter Schneider, Sebastian Teichmann<br />

redaktion@<strong>naturgucker</strong>-magazin.de<br />

MITARBEITER DIESER AUSGABE<br />

Andreas Bader, Werner Bartsch, Stefan Bosch, Kai Bratke,<br />

Harald Bräunlich, Brigitte Döhler, Dick Forsman, Saverio<br />

Gatto, Elias Hamaid, Silvio Heidler, Kai Kolodziej, Vincent<br />

Legrand, Reinhard Lehne, Rita Lüder, Sandra Malz, Bence<br />

Mate, Ruth Ortwein, Wolfgang Paczowsky, Peter Preus, Peter<br />

Reus, Christopher Schmidt, Hans Schwarting, Ina Siebert,<br />

Menno van Duijn, Elisabeth Wieborg, Winfried Wisniewski,<br />

Thea Wittmann<br />

GRAFIKDESIGN<br />

Christiane Püschel | pueschels.com<br />

39<br />

20<br />

ABOSERVICE<br />

T + 49 (0) 202 30 63 66<br />

dienstags: 12 - 17 Uhr<br />

mittwochs: 10 - 17 Uhr<br />

donnerstags: 10 - 17 Uhr<br />

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PARTNER<br />

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www.birdnet.de<br />

www.birdingtours.de<br />

www.dumanaturreisen.de<br />

Es gelten die Anzeigenkonditionen 2024. Alle Rechte vorbehalten.<br />

Das Magazin und alle enthaltenen Beiträge sind<br />

urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich<br />

zugelassenen Fälle ist eine Verwertung, auch auszugsweise,<br />

ohne Einwilligung des Hausgebers nicht gestattet. Für unverlangt<br />

eingesandtes Text und Bildmaterial wird keine Haftung<br />

übernommen.<br />

FACHBEIRAT<br />

FeldOrnithologie | Prof. Dr. Martin Kraft<br />

Vogelzug | Prof. Dr. Peter Berthold<br />

Physiologie der Vögel | Prof. Dr. Roland Prinzinger<br />

FeldEntomologie | Horst Schlüter<br />

Libellen | Hartwig Stobbe<br />

Allgemeine Botanik, Falter | Dieter Schneider<br />

Orchideen | Dr. Manfred Hennecke<br />

Naturschutzverbände | Maik Sommerhage<br />

Botanik, Pflanzenkunde, Pilze | Dr. Rita Lüder<br />

Fotografie | Bruno Dittrich<br />

ISSN 21955646<br />

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NATUR-SPAZIERGANG<br />

WUNDER MIT<br />

SECHS BEINEN<br />

Ein heißer Sommertag in Brandenburg<br />

beschert viele tolle Blüten und zahllose Insekten.<br />

Text und Zeichnungen von Christopher Schmidt<br />

06<br />

Rosenkäfer<br />

Fast kein Windhauch weht an diesem<br />

heißen Augusttag in der<br />

Umgebung von Eberswalde in<br />

Brandenburg. Ich sitze am Rande eines<br />

kleinen Hofes und meine Augen schweifen<br />

über die Landschaft, die geprägt ist<br />

von sanften Hügelketten, einzelnen Kiefernwäldchen,<br />

von Getreidefeldern und<br />

Wiesen. Auf dem sandigen Boden blühen<br />

Kornblumen, Karthäusernelken, Mohnblumen,<br />

Johanniskraut, Ochsenzungen,<br />

Sandglöckchen und Sand-Strohblumen.<br />

Gelegentlich singen Heide- und Feldlerchen,<br />

und Rauchschwalben schwatzen<br />

über meinem Kopf, die nur dann hektisch<br />

schimpfend auseinanderfliegen, wenn<br />

aus dem nahegelegenen Kiefernwald ein<br />

Baumfalke heransaust, um hier Beute zu<br />

machen.<br />

Ochsenzunge<br />

GROSSE VIELFALT<br />

In dieser ziemlich kargen und gerade<br />

dadurch wunderbaren Landschaft ist<br />

die Insektenvielfalt spürbar höher als in<br />

meiner holsteinischen Heimat, und so<br />

setze ich mich einfach an einen dieser<br />

Blühsäume, um zu beobachten, was hier<br />

an sechsbeinigen Wunderwerken fliegt,<br />

krabbelt, saugt und summt. Die Vielfalt<br />

an Arten, die ich nicht zuordnen kann,<br />

ist beachtlich, und trotzdem gefällt es<br />

mir, die Verschiedenartigkeit des Aussehens<br />

zu betrachten, und ich versuche,<br />

Verhaltensweisen zu deuten und Zusammenhänge<br />

zu erkennen. Insgesamt ist es<br />

eine Zeit, in der mehr Fragen entstehen<br />

als mir Antworten einfallen. Natürlich<br />

sind es die farbenfrohen und größeren<br />

Tiere, die mir schnell ins Auge fallen.<br />

Die Tagpfauenaugen, die Goldlaufkäfer,<br />

verschiedene Libellenarten und bestimmte<br />

Heuschrecken. Faszinierend für mich<br />

Frauenflachs


NATUR-SPAZIERGANG<br />

sind aber auch die ganz kleinen, schwarzen<br />

und kaum zu erkennenden Insekten,<br />

bei denen es schwerfällt, schon eine grobe<br />

Einteilung vorzunehmen. Sind es kleine<br />

Wespen, Käfer, winzige Fliegen? Welche<br />

Lebensgeschichte steckt hinter diesen winzigen<br />

Wesen, von denen man sich fragt, ob<br />

je ein Mensch außer mir Notiz von ihnen<br />

genommen hat?<br />

Rosenkäfer<br />

SCHÖNE DETAILS<br />

Ein lautes Brummen reißt mich aus dem<br />

Sinnieren über die Bedeutung des fast<br />

Unsichtbaren. Genau das Gegenteil dieser<br />

unauffälligen Welt erscheint direkt vor<br />

mir und landet taumelnd auf einer Blüte:<br />

Ein wunderschöner Rosenkäfer, von dem<br />

ich vermute, dass es der »Goldglänzende<br />

Rosenkäfer« ist – zumindest würde damit<br />

sein Aussehen bestens beschrieben<br />

sein. Trotz seines Gewichts kann er sich<br />

auf der Blütendolde halten, jongliert mit<br />

seinen hakigen Beingliedern über den lückigen<br />

und wackeligen Untergrund und<br />

versucht hier offenbar, an den Nektar und<br />

die Pollen der Pflanzen zu kommen. Es ist<br />

unfassbar, in welchen Farben die Flügeldecken<br />

schillern. Die unglaubliche Schönheit<br />

ist das eine, die Fragen nach der Funktion<br />

und Bedeutung das andere. Später fallen<br />

mir hier noch weitere Rosenkäfer auf. Es<br />

ist gar nicht so selten, dass mehrere Käfer<br />

dieser Art auf einer Blütendolde nach<br />

Nahrung suchen. Und so tragen die Goldglänzenden<br />

Rosenkäfer an diesem heißen<br />

Sommertag einen tropisches Gefühl in<br />

diese eher karge Landschaft, die voller<br />

Wunder mit sechs Beinen ist.<br />

Eicheln<br />

Zimmermannsbock<br />

07<br />

Alle Rechte an Text und Zeichnungen<br />

bei Christopher Schmidt<br />

Sandglöckchen<br />

Rosenkäfer<br />

Johanniskraut


NATUR-SAISON<br />

Seidensänger,<br />

SUMPFGRASHÜPFER<br />

UND STÖRCHE<br />

Über Arten im Aufwind, seltene Gäste sowie den »Beobachtungsbedarf«<br />

an Gewässern, Feuchtgebieten und am Meer berichtet Ina Siebert.<br />

08


NATUR-SAISON<br />

01 Der Klimawandel macht‘s möglich: Immer<br />

mehr Weißstörche überwintern nicht mehr<br />

in Afrka, sondern in Europa. Manche Vögel fliegen<br />

gar nicht mehr weg. / Menno van Duijn, Agami<br />

Wenn es im Frühling immer<br />

lauter und vielstimmiger<br />

singt und summt, grünt und<br />

gedeiht, lockt es Naturbeobachtende<br />

verstärkt nach draußen: Nun sind wieder<br />

alle biologischen Stämme vertreten<br />

und zumindest theoretisch aufzufinden.<br />

Makroobjektive, Unterwasserkameras<br />

und andere Spezialgeräte werden aus<br />

dem Schrank geholt. Dementsprechend<br />

steigen die Beobachtungsdaten auf den<br />

Meldeportalen und damit auch die Themen<br />

für Gespräche unter Naturbegeisterten<br />

sowie für die Natur-Saison.<br />

NEUES ZUGVERHALTEN<br />

Steigen wir ein mit positiven Nachrichten<br />

aus der Vogelwelt. Im Aufwind ist<br />

der Weißstorch: Von nicht einmal 3.000<br />

Brutpaaren 1988 hat sich der Bestand<br />

bei uns auf mindestens 11.000 Paare im<br />

Jahr 2023 erholt. Das liegt an Schutzmaßnahmen<br />

sowie an einem veränderten<br />

Zugverhalten. Westzieher schlagen<br />

sich vermehrt in Spanien durch.Viele<br />

Störche überwintern inzwischen auch<br />

in Mitteleuropa. Auffällig viele sind es<br />

in Hessen, wo sie eine Deponie westlich<br />

von Darmstadt besuchen, in der Biomüll<br />

aus Haushalten zwischengelagert wird.<br />

Um die Verhaltensänderungen besser<br />

untersuchen zu können, haben NABU<br />

und NABU|<strong>naturgucker</strong> mit großer Resonanz<br />

zur Meldung überwinternder<br />

Störche aufgerufen. Zwischen dem 1.<br />

November und 31. Januar wurden 1.642<br />

Beobachtungen eingetragen, eine Verfünffachung<br />

gegenüber dem Vorjahreszeitraum.<br />

Bis Mitte Mai waren es 2.728<br />

Eintragungen für 2024. In diesem Frühjahr<br />

wird mit insgesamt rund 30.000<br />

Individuen gerechnet. An den Weißstörchen<br />

zeigt sich der Zusammenhang von<br />

Klimawandel, Naturschutz und Vogelzug<br />

besonders gut.<br />

Im Gegensatz zu den im Westen<br />

steigenden Storchenzahlen stagniert der<br />

Bestand der ostwärts ziehenden Störche,<br />

die eine längere Route haben. 2024<br />

werden wieder in 54 Ländern Europas,<br />

Nordafrikas und Asiens die Brutpaare<br />

für den internationalen Weißstorchzensus<br />

erfasst. Er findet alle zehn Jahre statt<br />

und wird vom NABU koordiniert.<br />

09<br />

MEHR FISCHADLER<br />

Zwar zählt der Fischadler zu den am<br />

weitesten verbreiteten Vogelarten der<br />

Welt, wurde aber in Mitteleuropa bereits<br />

im Mittelalter unerbittlich verfolgt<br />

und in der zweiten Hälfte des 20.


NATUR-SAISON<br />

10<br />

03<br />

02<br />

Jahrhuderts<br />

in Westdeutschland<br />

ausgerottet.<br />

Nur in der DDR<br />

06<br />

überlebten wenige<br />

Dutzend Paare, aber<br />

auch der dortige Bestand brach durch<br />

die Anreicherung von Bioziden im<br />

Körper der Vögel massiv ein. Seit dem<br />

Verbot von DDT und dank erheblicher<br />

Arten- und Naturschutzmaßnahmen<br />

erholte sich die hiesige Population seit<br />

1990. Aktuell leben wieder mehr als<br />

700 Brutpaare bei uns. Seine größte<br />

Dichte erreicht der Fischadler derzeit<br />

in den Seen- und Flusslandschaften des<br />

Nordostdeutschen Tieflandes. Erstmals<br />

nach 115 Jahren brütete 2023 auch wieder<br />

ein Paar in Baden-Württemberg<br />

und zog erfolgreich zwei Junge groß.<br />

In diesem Frühjahr ist es auf den vom<br />

NABU installierten Horst in der Oberrheinebene<br />

bei Rastatt zurückgekehrt.<br />

Zusätzlich könnten sich in einigen Jahren<br />

die hier aufgewachsenen Vögel ansiedeln,<br />

da Fischadler-Männchen recht<br />

heimattreu sind und die Art gerne in<br />

der Nähe von Artgenossen brütet.<br />

ERFOLG BEIM WALDRAPP<br />

Einen großen Erfolg meldet auch das<br />

Waldrappteam aus Überlingen am<br />

Bodensee. Nach drei Jahren haben die<br />

Waldrappe eine natürliche Felsnische<br />

angenommen und Anfang Mai Eier<br />

gelegt. Motiviert wurden sie mit vorbereitetem<br />

Nistmaterial und zwei künst-<br />

04 05


NATUR-SAISON<br />

lichen Artgenossen. Es besteht die<br />

Hoffnung, dass die Vögel eine selbstständige<br />

Population aufbauen, nachdem<br />

der Waldrapp in Mitteleuropa im<br />

17. Jahrhundert ausgerottet worden ist.<br />

Als erster Zugvogel soll er in Europa<br />

wissenschaftlich fundiert und mit finanzieller<br />

Förderung auch von der Europäischen<br />

Union wieder angesiedelt werden.<br />

Zu den Ausnahmeerscheinungen<br />

im Frühjahr zählte ein Gleitaar<br />

in Rheinland-Pfalz, der an<br />

zwei Tagen auf NABU-<strong>naturgucker</strong>.de<br />

dokumentiert<br />

worden ist. Verbreitet ist<br />

er in Südeuropa, Afrika<br />

und Südasien. Von März bis in den Mai<br />

hielten sich zudem ein bis zwei Seidensänger<br />

in Nordrhein-Westfalen auf.<br />

Sie sind seltene Gastvögel aus dem<br />

Mittelmeerraum. Doch immer wieder<br />

kommt es zu Bruten auch in Mitteleuropa,<br />

meistens nach milden Wintern.<br />

In Bayern, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein,<br />

Niedersachsen und zuletzt<br />

Rheinland-Pfalz wurden ein bis<br />

vier Stelzenläufer gemeldet. Auch sie<br />

kommen eher in Südeuropa vor, wobei<br />

sie zunehmend immer mal im Norden<br />

erfolgreich brüten. Drei bis sieben Paare<br />

sollen es in Deutschland sein. Seit<br />

07<br />

Juli 2021 halten sich insbesondere im<br />

Südosten durchgängig Zwergscharben<br />

bei uns auf. Sie sind inzwischen in 13<br />

Bundesländern beobachtet worden, auf<br />

NABU-<strong>naturgucker</strong>.de zuletzt an den<br />

Garstädter Seen in Bayern.<br />

CITIZEN SCIENCE<br />

Bis 2027 müssen nach der europäischen<br />

Wasserrahmenrichtlinie alle Gewässer<br />

in einem guten oder sehr guten ökologischen<br />

Zustand sein. Das erfüllen in<br />

Deutschland bislang nur acht Prozent.<br />

Kaum systematisch untersucht werden<br />

Bäche mit einem Einzugsbereich von<br />

weniger als zehn Quadratkilometern,<br />

die rund 70 Prozent des Gewässernetzes<br />

ausmachen. Damit sie als Lebensräume<br />

wiederhergestellt werden<br />

können, sind wie meist im Natur- und<br />

Artenschutz standardisierte Daten und<br />

gesellschaftliche Unterstützung notwendig.<br />

Im Citizen-Science-Projekt FLOW<br />

haben 900 Bürgerforschende 137 kleine<br />

Gewässer von 2021 bis 2023 beprobt.<br />

Sie bewerteten die Gewässerstruktur,<br />

maßen die chemische Wasserqualität<br />

und untersuchten die wirbellosen Tiere<br />

des Gewässergrunds, das Makrozoobenthos.<br />

Den im April vorgestellten<br />

Auswertungen zufolge ist in 58 Prozent<br />

der landwirtschaftlich geprägten Bäche<br />

die Wirbellosenfauna durch Einträge<br />

von Pflanzenschutzmitteln gestört. 65<br />

Prozent weisen keine gute Struktur auf.<br />

MITMACH-AKTIONEN<br />

Das Projekt von Helmholtz-Zentrum<br />

für Umweltforschung, Deutschem<br />

Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung<br />

und BUND hat außerdem<br />

gezeigt, dass Bürgerforschung in der<br />

Gewässerökologie die benötigten Daten<br />

in hoher Qualität erbringen kann. Seit<br />

dem 12. Mai ruft die Rundfunkanstalt<br />

ARD Interessierte dazu auf, sich bis<br />

zum 30. September an der Mitmachaktion<br />

#unsereFlüsse zu beteiligen und<br />

die Struktur eines kleinen Bachs anhand<br />

eines mit der Wissenschaft entwickelten<br />

Fragebogens zu untersuchen. Viele an<br />

Gewässer gebundene Tiere sind nämlich<br />

gefährdet. Das gilt für alle zwölf Arten<br />

von Blattfußkrebsen, die Hälfte der insgesamt<br />

rund 100 Arten von Süßwasserschnecken<br />

und -muscheln, knapp die<br />

Hälfte der jeweils über 100 Eintags- und<br />

Steinfliegenspezies sowie rund ein Drittel<br />

der 79 Libellen-, 315 Köcherfliegenund<br />

344 Käferarten. Ebenfalls stark<br />

gefährdet sind die Wasserpflanzen- sowie<br />

die Quell- und Moorgesellschaften.<br />

Dabei gehören Köcherfliegen zu<br />

den wichtigsten Indikatororganismen für<br />

die Qualität von Gewässern. Von ihnen<br />

wurden in den vergangenen drei Jahren<br />

02 Die Zahl der Brutpaare nimmt<br />

bei den Fischadlern erfreulicherweise<br />

zu. / Bence Mate, Agami<br />

03 Das Waldrappen-Team am<br />

Bodensee hat eine Brut in einer<br />

natürlichen Felswand vermeldet. /<br />

Vincent Legrand, Agami<br />

04 Stelzenläufer, die sonst eher in<br />

Südeuropa brüten, wurden bei uns<br />

gesichtet. / Saverio Gatto, Agami<br />

05 Wasserlgebundene Insekten wie<br />

dieser Rückenschwimmer haben es bei<br />

Trockenheit schwer. / Elias Hamaid<br />

06 Ein Gleitaar tauchte überraschend<br />

in Rheinland-Pfalz auf. / Dick Forsman,<br />

Agami<br />

07 Nur acht Prozent der Gewässer in<br />

Deutschland sind in einem guten oder<br />

sehr guten Zustand. / wajan, stock.adobe<br />

‣ 08 Frühe Adonislibellen waren ab Ende<br />

März zu sehen. / Peter Preus<br />

11<br />

08


NATUR-SAISON<br />

09<br />

in jeweils 420 bis 580 Beobachtungen<br />

auf NABU-<strong>naturgucker</strong>.de eingetragen.<br />

Ebenfalls gute Bioindikatoren sind die<br />

deutlich auffälligeren Libellen, die im<br />

gleichen Zeitraum durchschnittlich<br />

15.500-mal gemeldet worden sind. Als<br />

erste erwachsene Individuen im Jahr erscheinen<br />

die Winterlibellen, die im Spätsommer<br />

schlüpfen und im Gegensatz zu<br />

den anderen heimischen Arten als ausgewachsene<br />

Tiere überwintern.<br />

Ende März kamen die Frühen Adonislibellen<br />

hinzu, und Mitte April zeigten<br />

sich mit Nordischer Moosjungfer, Gemeiner<br />

Keiljungfer, Frühem Schilfjäger und<br />

Falkenlibellen die ersten Großlibellen.<br />

Seit Mitte Mai sind die täglichen Beobachtungen<br />

auf mehr als 100 angestiegen.<br />

FRÜHE MAIKÄFER<br />

Eher Aprilkäfer waren in diesem Jahr<br />

die Maikäfer, die 2024 vor allem bei<br />

Karlsruhe, in Nordbaden und Südhessen,<br />

bei Hanau und am Kaiserstuhl ein<br />

Hauptflugjahr hatten. Zwei bis drei<br />

Wochen früher als üblich flogen sie<br />

aus. Regionale Vorkommen schlüpfen<br />

nach ihrer mehrjährigen Larvenzeit in<br />

11<br />

10<br />

12<br />

12


der Regel gemeinsam; überregional dagegen<br />

treten sie in verschiedenen Jahren<br />

gehäuft auf. Von ihrem Tiefstand haben<br />

sie sich in den vergangenen Jahren erholt,<br />

sind aber verglichen mit der Zeit<br />

vor dem starken Pestizideinsatz weiterhin<br />

in merklich geringerer Zahl vorhanden.<br />

Drei Arten kommen insgesamt in<br />

Deutschland vor, und am größten ist<br />

ihre Zahl im Südwesten.<br />

GEFAHR FÜR SCHRECKEN<br />

Im April neu erschienen ist die Rote<br />

Liste der Heuschrecken und Fangschrecken.<br />

82 Arten sind bei uns etabliert;<br />

von den Fangschrecken lebt hier nur die<br />

Europäische Gottesanbeterin. 31 Prozent<br />

der Spezies sind in ihrem Bestand<br />

gefährdet, darunter beispielsweise der<br />

Sumpfgrashüpfer. Auf NABU-<strong>naturgucker</strong>.de<br />

wurden im letzten Jahr 83 Beobachtungen<br />

eingetragen. 2022 waren es<br />

98, 2023 noch 119. Insbesondere Arten,<br />

die Feuchtigkeit in ihrem Lebensraum<br />

oder ein kühles Bergklima benötigen,<br />

gehören zu den Verlierern. Selbst der bislang<br />

ungefährdete Feld-Grashüpfer steht<br />

jetzt auf der Vorwarnliste, da es immer<br />

weniger Wegränder und Feldraine gibt.<br />

Wärmeliebende Arten dagegen<br />

profitieren auch bei den Schrecken vom<br />

Klimawandel und breiten sich aus. Besonders<br />

gilt das für die Gottesanbeterin,<br />

von der es 2.051 Beobachtungen<br />

auf NABU-<strong>naturgucker</strong>.de im Jahr 2023<br />

waren. In den beiden Vorjahren lagen<br />

die Zahlen bei 717 und 235 Meldungen.<br />

Sie erregt Aufmerksamkeit und kommt<br />

teils im Siedlungsbereich vor, was selbst<br />

weniger naturbegeisterte Menschen zu<br />

einer Meldung motiviert. Am häufigsten<br />

treten erwachsene Heuschrecken<br />

zwischen Juni und September auf. Mit<br />

erwachsenen Gottesanbeterinnen ist<br />

normalerweise ab Ende Juli zu rechnen.<br />

Zuletzt begeben wir uns ans Meer.<br />

In der Ostsee zeigte sich ebenfalls eine<br />

Seltenheit: Vor Travemünde schwamm<br />

und sprang im Mai wieder ein Großer<br />

Tümmler, der hier bereits im Frühjahr<br />

und November 2023 ein gern gesehener<br />

Gast war.<br />

SICHTUNGEN MELDEN<br />

Naturbegeisterte werden eng verfolgen,<br />

wie es ihren Lieblingsgruppen nach<br />

einem oft frühen Start in diesem Jahr<br />

ergeht. Viele Tier- und Pflanzenarten<br />

zeigten sich zwei bis drei Wochen eher.<br />

Profitieren sie davon, oder schaden<br />

ihnen Kälteeinbrüche und länger andauernde<br />

Niederschläge und Hochwasserereignisse<br />

in größerem Ausmaß?<br />

Wie entwickeln sich die Beobachtungen<br />

von Arten wie der Gottesanbeterin und<br />

der Asiatischen Hornisse, auf die auch<br />

die Aufmerksamkeit der Bevölkerung<br />

insgesamt gerichtet ist?<br />

Sehr groß ist außerdem die Resonanz<br />

auf Meldeaufrufe zu beliebten<br />

Arten wie Eichhörnchen und Igel, über<br />

deren Verbreitung es bislang zu wenige<br />

Daten gibt. Es bleibt zu hoffen, dass die<br />

Wahrnehmung und Wertschätzung für<br />

die Natur über den bisherigen Kreis der<br />

Beobachtenden hinaus dauerhaft zunehmen.<br />

Sie können ebenfalls dazu beitragen,<br />

die Datenlage zu verbessern: Werden<br />

Sie Mitglied bei <strong>naturgucker</strong>.de und<br />

tragen Sie regelmäßig ein, was Ihnen<br />

in der Natur begegnet.<br />

09 Der Frühe Schilfjäger ist eine der<br />

ersten Großlibellen im April. /<br />

Reinhard Lehne<br />

10 Sichtungen der Gottesanbeterin<br />

werden immer häufiger gemeldet. /<br />

Sandra Malz<br />

11 Ein Großer Tümmler vor Travemünde<br />

erfreute die Zuschauer. /<br />

Harald Bräunlich<br />

12 Die Maikäfer flogen in diesem Jahr<br />

ungewöhnlich früh (hier ein Feldmaikäfer).<br />

/ Peter Reus<br />

Interessante Online-Infos<br />

Mitmach-Aktion #unsereFlüsse<br />

der ARD: daserste.de/<br />

information/reportagedokumentation/unsere-fluesse/<br />

index.html<br />

Webseite des BeachExplorer:<br />

beachexplorer.org<br />

Einige Web-Apps von<br />

NABU|<strong>naturgucker</strong>:<br />

nabu-<strong>naturgucker</strong>.de/<br />

gottesanbeterin<br />

nabu-<strong>naturgucker</strong>.de/hornissen<br />

nabu-<strong>naturgucker</strong>.de/eichhorn<br />

nabu-<strong>naturgucker</strong>.de/igel<br />

Aktuelle Sichtungen:<br />

<strong>naturgucker</strong>.de


NATUR-REISE<br />

40<br />

Wale<br />

um Mitternacht<br />

01<br />

02 03


NATUR-REISE<br />

Der tosende Nordatlantik bricht<br />

sich an schroffen Felsen, Wind<br />

peitscht die Gischt schaumig<br />

vor sich her und als bildfüllender Hintergrund<br />

dienen schneebedeckte Berge,<br />

selbst im Hochsommer. Naturgewalten,<br />

eingebettet in eine atemberaubende<br />

Landschaft, und das bei einer nie untergehenden<br />

Sonne – das gibt es auf den<br />

Vesterålen in Nordnorwegen. Noch nie<br />

habe ich die Natur mit all ihrer Schönheit<br />

so komprimiert und gewaltig erlebt. Wie<br />

gibt man so etwas unbeschreiblich Schönes<br />

in Wort und Bild wieder? Ich möchte<br />

es hier versuchen.<br />

ANKUNFT IM REICH DER<br />

MITTERNACHTSSONNE<br />

Am Flughafen Evenes regnet es. In der<br />

kleinen Flughafenhalle wartet bereits<br />

Ian Robbins, der Betreiber der Ferienanlage<br />

Ringstad – Sjøhus. Als wir nach<br />

drei Stunden Fahrt Ringstad erreichen,<br />

zeigt sich uns das Meer ruhig und ohne<br />

eine einzige Welle, das Ganze bei graugoldenem<br />

Dämmerlicht, was für ein Anblick!<br />

Ich bin angekommen, ganz oben,<br />

im Reich der Mitternachtssonne.<br />

Die Vesterålen sind ein<br />

wahres Naturparadies im Nordatlantik.<br />

Silvio Heidler war überwältigt.<br />

04<br />

SCHWEINSWALE<br />

IM OFFENEN FJORD<br />

Am Morgen dann die erste Ausfahrt.<br />

Das Besondere: Ich muss das Boot selbst<br />

steuern. Nach einer ausführlichen Einweisung<br />

durch Ian, den Hausherr von<br />

Ringstad Sjøhus, geht es los. Direkt in<br />

der weitläufigen Naturhafenanlage befinden<br />

sich mehrere kleinen Schäreninseln<br />

voller Dreizehenmöwen, dazwischen Silber-<br />

und einzelne Mantelmöwen (Larus<br />

marinus). An der Untiefe Jørnfjordflesa<br />

erkenne ich schon von Weitem einige mir<br />

sehr bekannte Silhouetten: Kormorane<br />

(Phalacrocorax carbo). Auch in hiesigen<br />

Gewässern sind diese Vögel eines meiner<br />

Lieblingsfotomotive. Dieses erste Ziel<br />

vor Augen fahre ich langsam weiter. In<br />

relativ guter Fotoentfernung schalte ich<br />

41<br />

01 Das erste Ziel: die Untiefe Jørnfjordflesa.<br />

Dort tummeln sich Kormorane,<br />

die Boote gewohnt sind.<br />

02 Was für ein Anblick: Ein Orca pflügt<br />

durchs Wasser. Er wird auch Schwertwal<br />

oder Killerwal genannt.<br />

03 Schweinswale sind mit den Delfinen<br />

verwandt, unterscheiden sich aber<br />

dennoch deutlich von ihnen.<br />

04 Der Pottwal zeigt seine Fluke<br />

kurz vorm Abtauchen. Ein kurzer, aber<br />

atemberaubender Anblick.


NATUR-REISE<br />

07<br />

42<br />

den Motor aus und lasse mich treiben.<br />

Ein Zustand, den ich im Laufe dieser Reise<br />

nahezu perfektioniere. Die Ruderfüßer<br />

schauen zu mir herüber, aber da sie Boote<br />

ja kennen und ich nicht näherkomme, gelingen<br />

mir einige erste Bilder. Noch nichts<br />

Besonderes, eher ein Auftakt.<br />

PERFEKTES WETTER FÜR<br />

EIN TOLLES ERLEBNIS<br />

Untiefen, egal wo gelegen, sind regelmäßig<br />

sehr fischreich. Vor allem Jungfische<br />

bevorzugen solche Orte mit lichtdurchfluteten,<br />

erwärmten Flachwasserbereichen,<br />

und wo es massenweise kleine<br />

Fische gibt, da lauern auch die größeren<br />

Jäger. Dies bestätigt sich sehr schnell. Ich<br />

bin noch dabei, die Kormorane irgendwie<br />

besser aufs Bild zu bekommen, da<br />

schießen die ersten schwarzen Schatten<br />

durchs Meer – Schweinswale! Ich kann<br />

mein Glück kaum glauben. Sie kommen<br />

immer näher und sind voll im Jagdmodus.<br />

Sie zischen am Boot und unter<br />

dem Boot vorbei. Eine ganze Schule<br />

jagt dicht an meinem Boot, ein selten<br />

beobachtetes Schauspiel. Die Kamera<br />

rattert unentwegt und ich kann wirklich<br />

gelungene Aufnahmen dieser kleinsten<br />

norwegischen Walart fertigen. Bei späteren<br />

Ausflügen in diesem Bereich kann<br />

ich mehrfach die kleinen, flinken Meeressäuger<br />

beobachten und fotografieren<br />

– offenbar ist diese Untiefe ein fester<br />

Fressplatz der Schweinswale.<br />

Das Wetter verbessert sich nahezu stündlich,<br />

bis ein Zustand erreicht wird, den ich<br />

in den vielen Jahren Norwegen nur einmal<br />

erlebt habe: spiegelglatte See und<br />

das bei Vollsonne. Über dem nördlichen<br />

Polarkreis gelegen und auch noch zur Zeit<br />

der Mitternachtssonne bedeutet dies unglaubliche<br />

24 Stunden Sonnenschein, und<br />

das eine ganze Woche lang. Was für ein<br />

Wahnsinn! Mehrmals hatte ich frühere<br />

Norwegenurlaube abbrechen müssen,<br />

weil Sturm und Regen einen Aufenthalt<br />

im Freien unmöglich machten. Bei diesem<br />

Urlaub soll wirklich alles anders werden.<br />

EIN TIPP FÜR EIN ATTRAK-<br />

TIVES FOTOMOTIV<br />

Naturfotografie im Schatten der Lofoten –<br />

Ian ist selbst leidenschaftlicher Naturfotograf<br />

und gibt mir Tipps, wo ich seltene<br />

Meeresvögel finden kann. Die absolut<br />

ruhige See erlaubt es mir dann auch, gefahrlos<br />

die weit draußen liegenden Plät-<br />

05<br />

08<br />

06<br />

09


NATUR-REISE<br />

10<br />

ze anzusteuern. »Erst mal in Richtung<br />

Lofoten und dann immer weiter gerade<br />

aus ...« Nach einiger Zeit ragt ein gigantischer<br />

Felsen in Schwarz und Weiß aus<br />

dem Meer: eine Kormorankolonie. Ich<br />

versuche zu zählen, gebe aber schließlich<br />

auf: Es sind bestimmt an die 1.000<br />

Vögel. Vereinzelt kann ich dazwischen<br />

auch Krähenscharben beobachten. Diese<br />

ebenfalls zu den Ruderfüßern gehörenden<br />

Kormoranvögel sind etwas kleiner<br />

und dunkler als ihre größeren Verwandten.<br />

Alles lohnende Bildmotive, und so<br />

komme ich voll auf meine Kosten. Ich<br />

genieße die norwegische Natur in vollen<br />

Zügen und lasse mich zwischen den<br />

Vogelinseln einfach treiben. Motor aus,<br />

kein Lärm, kein Stress für die Tiere, quasi<br />

ein großes Stück Treibgut mit Fotoapparat.<br />

Dies zahlt sich aus. Keine 30 Meter<br />

neben mir steckt ein Seehund neugierig<br />

seinen Kopf aus dem Wasser und beobachtet<br />

mich. Ich schieße ein paar Bilder<br />

und so plötzlich, wie er aufgetaucht ist,<br />

verschwindet er auch wieder. Etwas weiter<br />

neben der Kormoraninsel befindet<br />

sich eine kleine Kolonie von Basstölpeln,<br />

den größten Seevögeln Nordeuropas.<br />

Die dunkle Färbung einiger Vögel verrät,<br />

dass hier fast erwachsene Jungvögel<br />

zwischen den creme-weißen Alttieren<br />

43<br />

05 Im Hintergrund sind die Berge der<br />

Lofoten zu erkennen. Der höchste heißt<br />

Higravstinden und ist 1.146 Meter hoch.<br />

06 Diese Kormorane sind daran gewöhnt,<br />

als Fotomotiv zu dienen und<br />

lassen sich nicht aus der Ruhe bringen.<br />

07 Die auffälligen Papageientaucher sind<br />

bei Fotografen sehr gefragt.<br />

08 Baßtölpel sind etwa so groß wie<br />

Gänse und in Norwegen in zahlreichen<br />

Brutkolonien vertreten.<br />

09 Zwischen diesen Tordalken hat sich<br />

eine Trottellumme versteckt (rechts).<br />

10 Diesen Felsen beanspruchen die<br />

Kormorane für sich.<br />

11 Die Schmarotzerraubmöwe jagt<br />

anderen Vögeln gerne ihre Beute ab.


NATUR-REISE<br />

stehen. Die Tölpel nehmen kaum Notiz<br />

von mir, und so gelingen mir auch hier<br />

großartige Aufnahmen.<br />

Die »Treibgutvariante« ist ein Erfolgsmodell.<br />

Wo es lohnende Fotomotive<br />

gibt, lasse ich mich mit der Strömung<br />

treiben, und in Felsnähe sichere ich mit<br />

dem Notpaddel vor Felsberührung. Bei<br />

Seegang völlig unmöglich, aber den habe<br />

ich ja glücklicher Weise nicht. Und diese<br />

Fotoausflüge in den ufernahen Untiefen<br />

entlarvt Ian am Urlaubsende beim Auslesen<br />

des Kartenplotters: »Du bist doch<br />

in den ,No Go Areas' gewesen!« Sichtbar<br />

unentspannt befürchtet der Anlagenbetreiber<br />

Schäden an einem seiner Boote.<br />

Ich kann ihn beruhigen und erzähle ihm<br />

von meiner treibenden Fotoinsel.<br />

44<br />

WHALE-WATCHING<br />

IM NORDATLANTIK<br />

Wie ich aus den Berichten und den Videos<br />

zu meinem Reiseziel schon erfahren<br />

hatte, bietet sich auf den Vesterålen auch<br />

die Möglichkeit, Wale in freier Wildbahn<br />

zu beobachten. Dies ist in Europa nur an<br />

ganz wenigen Stellen möglich, und hier<br />

auf den Inseln bekommt man sogar eine<br />

Wal-Garantie! Bedeutet, sollte man auf<br />

einer Ausfahrt keine Wale sehen, kann<br />

man an der nächsten Tour kostenfrei<br />

teilnehmen. Wale mal in echt, mitten<br />

im Ozean zu sehen, das ist auch ein erklärtes<br />

Ziel meiner Vesterålenreise. Und<br />

so buche ich bei perfektem Wetter mein<br />

Whale-Watching. Ausgestattet mit warmer<br />

Kleidung geht es hinaus in Richtung<br />

Bleik-Canon, einem Tiefseegraben mitten<br />

im Nordatlantik. Die Ausfahrt führt<br />

zunächst zum Naturschutzgebiet um die<br />

Leuchtturminsel Anda. Hier brüten in<br />

Spitzenzeiten bis zu 20.000 Papageitaucher.<br />

Die kleinen Meeresvögel mit den<br />

auffällig großen, bunten Schnäbeln sind<br />

die Lieblinge vieler Fotografen. Und so<br />

mache ich ein Foto ums andere. Das Ganze<br />

wird noch durch Schmarotzerraubmöwen,<br />

Skuas, Trottellummen, Tordalke,<br />

Eissturmvögel und sogar einen Seeadler<br />

vervollständigt. Ein Paradies für Naturfotografen,<br />

und das war erst die Anfahrt.<br />

EINE LANGE FAHRT UND<br />

EIN GROSSER MOMENT<br />

Weiter geht es mit voller Fahrt aufs offene<br />

Meer. Wellen und Wind werden deutlich<br />

stärker, und nun zeigt sich, dass viele Touristen<br />

eigentlich überhaupt nicht vorbereitet<br />

sind. Einige kamen mit T-Shirt und<br />

klappern jetzt ordentlich. Viele meinten<br />

auch, keine Tabletten gegen Seekrankheit<br />

13<br />

zu brauchen und es kommt, was kommen<br />

musste. Die bereitliegenden Tüten gegen<br />

Seekrankheit finden viele Abnehmer. Am<br />

Ende brauchen wir vier Stunden, bis wir<br />

bei den Pottwalen am Bleik-Canon angekommen<br />

sind. Unterwassermikrofone<br />

verraten uns, dass wirklich Wale da sind.<br />

Der Guide erklärt den Mitfahrern, dass<br />

die Klicklaute der Pottwale kurz vor dem<br />

Auftauchen verstummen. Dies ist kurze<br />

Zeit später der Fall, und alle starren gebannt<br />

aufs Meer. Und dann kommt der<br />

Ausruf »Da bläst er!« – ein Hauch von<br />

Herman Melvilles »Moby-Dick« hängt<br />

in der Luft. Die Lethargie an Bord ist<br />

14<br />

12


15<br />

NATUR-REISE<br />

16<br />

Kontaktadressen<br />

Arctic Whale Tours<br />

Stø Havn, 8430 Stø, Norwegen<br />

Telefon: 00 47 47 38 46 21<br />

info@arcticwhaltours.com<br />

arcticwhaletours.com<br />

Anlage Ringstad<br />

Ringstadveien 27, 8475,<br />

Straumsjøen, Norwegen<br />

Telefon 00 47 90 64 05 91<br />

karina@yttersiden.no, yttersiden.no<br />

Auf ein erneutes Auftauchen will die<br />

Crew nicht warten, da dies mindestens<br />

eine Stunde gedauert hätte und die vierstündige<br />

Rückfahrt auch noch ansteht.<br />

Die Enttäuschung an Bord ist riesengroß.<br />

Die Leute haben so lange auf ihren<br />

Wal gewartet und dann hat sich ein einziger<br />

Pottwal nur ganz kurz gezeigt. Das<br />

ist nicht das, was viele erwartet haben.<br />

45<br />

12 Die Schönheit der Vesteralen: Die<br />

Landschaft spiegelt sich im Wasser.<br />

13 Silvio Heidler wartet auf Wale.<br />

Später wird seine Geduld belohnt.<br />

14 Direkt am Ufer haben Flussseeschwalben<br />

eine Kolonie errichtet.<br />

15 Der Seeadler ist ein majestätischer<br />

Anblick und geschickter Jäger. In diesem<br />

Fall handelt es sich um einen Altvogel.<br />

16 Bei diesem Trupp handelt es sich um<br />

junge Silbermöwen.<br />

verschwunden. Alle starren zu dem riesigen<br />

Pottwal. Leider ist er etwa 500<br />

Meter vom Boot entfernt aufgetaucht.<br />

Handyfotos lassen sich bei der Entfernung<br />

nicht machen. Glücklicherweise habe<br />

ich das große Tele aufgeschraubt und<br />

kann so wenigstens einige brauchbare<br />

Fotos schießen. Nach wenigen Minuten<br />

holt der Meeressäuger Schwung und verschwindet<br />

wieder in der Tiefe. Was bleibt –<br />

die fotogene Fluke über dem Wasser, dazu<br />

ein vorbei fliegender Eissturmvogel,<br />

gebannt auf mehreren Fotos. Immerhin.<br />

WAS FÜR EINE SICHTUNG<br />

ZUM ABSCHLUSS!<br />

Auf der Rückfahrt passiert dann aber<br />

das Unglaubliche – Orcas! Und nicht<br />

nur einer. Insgesamt kommen in Abständen<br />

drei größere Familien mit Tieren<br />

in allen Größen. Die Touristen, aber<br />

auch die Crew, sind happy, hatte doch<br />

der Bootsführer schon zu Beginn der<br />

Reise berichtet, dass Orcas zu der Jahreszeit<br />

sehr selten sind. Orcas, die wie<br />

Pottwale zu den Zahnwalen gehören,<br />

sind dankbare Fotomotive. Sie umkreisen<br />

das Boot und zeigen sich in ihrer<br />

vollen Schönheit. Besonders die großen<br />

Bullen mit diesen riesigen, an die zwei<br />

Meter hohen Rückenflossen sind einfach<br />

nur beeindruckend. Man muss das<br />

auf sich wirken lassen, es ist nicht zu beschreiben.<br />

Diesem Erlebnis folgt die Erkenntnis,<br />

dass es so viel mehr auf dieser<br />

Welt gibt als uns Menschen. Mit großer<br />

Demut und Dankbarkeit habe ich die<br />

Größe und Wildheit des Nordatlantiks<br />

gespürt und aufgenommen – deep inside!


LESERSEITE<br />

Lesestoff für Naturfreunde<br />

Thea Wittmann stellt Ihnen interessante Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt vor.<br />

von ihrer Ankunft im Brutgebiet<br />

über die Aufzucht der<br />

Jungen bis hin zu ihrem Zug<br />

nach Südeuropa und Afrika.<br />

Er liefert neue Forschungsergebnisse<br />

und erklärt, wie<br />

sich das Verhalten des Weißstorchs<br />

in den letzten Jahrzehnten<br />

verändert hat.<br />

Thomas Behrend, Martina<br />

Andrés: Unsere Meere –<br />

Naturwunder Nord- und<br />

Ostsee. 240 Seiten,<br />

35,99 Euro<br />

frederking-thaler<br />

Heinz Krinner: Die Wildnis<br />

der Zukunft. Vom Leben und<br />

Überleben in der Welt der<br />

Menschen. 576 Seiten,<br />

22 Euro, kosmos.de<br />

46<br />

SYMPATHISCHER<br />

ZUGVOGEL<br />

Majestätisch im schwarz-weißen<br />

Federkleid: Wer Weißstörche<br />

beobachtet, weiß,<br />

dass sie ausgezeichnete Segler<br />

sind und dass ihre Horste<br />

in schwindelerregender Höhe<br />

thronen, etwa auf Strommasten,<br />

Wassertürmen oder<br />

Schornsteinen. Das Leben<br />

des »Klapperstorchs« ist<br />

bestens erforscht; von keiner<br />

anderen Vogelart wurden<br />

bislang so viele Daten gesammelt.<br />

Allen, die den Kulturvogel<br />

besser kennenlernen<br />

möchten, sei dieses Buch ans<br />

Herz gelegt: Mit zahlreichen<br />

Fotos gewährt Storchenkenner<br />

Lorenz Heer einmalige<br />

Einblicke in das Leben und<br />

Verhalten der Weißstörche,<br />

Lorenz Heer: Der Weißstorch.<br />

Ein Zugvogel im Wandel.<br />

256 Seiten, 48 Euro<br />

www.haupt.ch<br />

NATURFOTOGRAFIE<br />

DELUXE<br />

500 Stunden unter Wasser,<br />

320 Drehtage, elf Länder, 30<br />

Tierarten: Der preisgekrönte<br />

Tierfilmer und Tauchexperte<br />

Thomas Behrend erkundete<br />

für die ARD mit seinem<br />

Team die Nord- und Ostsee<br />

auf den Spuren ihrer Bewohner<br />

– von der Strandkrabbe<br />

bis hin zu Deutschlands<br />

größtem Raubtier, der Kegelrobbe.<br />

Begleitend zur<br />

ARD-Serie »Unsere Meere«<br />

ist dieser Bildband entstanden,<br />

der nicht nur die Naturwunder<br />

der Meere in Norden<br />

zeigt, sondern Leserinnen<br />

und Leser staunen lässt, wie<br />

unter widrigen Bedingungen<br />

die faszinierendsten Bilder<br />

entstehen – in eisigem Wasser<br />

oder nach tagelangem<br />

Warten in einem winzigen<br />

Tarnzelt.<br />

DIE WILDNIS VON<br />

MORGEN<br />

Die Erde steht an einem<br />

Wendepunkt – verantwortlich<br />

dafür sind der Mensch<br />

und seine Eingriffe in die<br />

Natur. Autor Heinz Krinner<br />

wagt in seinem Sachbuch<br />

einen Blick in die Zukunft:<br />

Wie werden Klimawandel<br />

und Artensterben den Planeten<br />

verändern? Wie reagieren<br />

die Lebewesen auf die umwälzenden<br />

Veränderungen,<br />

wem gelingt die Anpassung?<br />

Werden kommende Generationen<br />

noch so etwas wie<br />

Wildnis vorfinden? Krinner<br />

betrachtet in seinem Buch<br />

verschiedene Ökosysteme:<br />

Ozeane, Urwälder, artenreiche<br />

Städte und lebensfeindliche<br />

Monokulturen. Trotz<br />

aller Hiobsbotschaften plädiert<br />

der Autor dafür, dass es<br />

Grund zum Optimismus gibt<br />

und dass eine Trendwende<br />

möglich ist. Wer in das komplexe<br />

Thema einsteigen will,<br />

findet hier eine gut lesbare<br />

Einführung mit vielen Fotos<br />

und Schaubildern.<br />

FEUER & EIS, VÖGEL<br />

UND ORCHIDEEN<br />

Ein weiterer deutschsprachiger<br />

Band der Crossbill<br />

Guides führt Naturliebhaber<br />

nach Island, auf die dünn besiedelte,<br />

wilde Insel der Gegensätze.<br />

Wale, Robben und<br />

Delfine lassen die Herzen<br />

von Naturfans höher schlagen.<br />

Papageientaucher und<br />

Küstenschwalbe begeistern<br />

die Birder. Mancher vergisst<br />

dabei die einzigartige Flora:<br />

Auf Island wachsen zahlreiche<br />

Orchideenarten wie die<br />

Nördliche Waldhyazinthe.<br />

Teil 1 informiert über<br />

die markantesten Naturphänomene:<br />

Küste, Gletscher,<br />

Flüsse, Seen, Heideland und<br />

Wälder. Im zweiten Teil finden<br />

sich 23 Routen. 53 Exkursionsziele<br />

beschreiben<br />

die Places-to-be, sei es zur<br />

Vogelbeobachtung oder als<br />

ausgemachte Orchideenund<br />

Wildblumen-Hotspots.<br />

Dirk Hilbers: Island.<br />

256 Seiten, 28,95 Euro<br />

www.crossbillguides.nl


NATURGUCKER.DE<br />

WALDESLUST<br />

Neues kostenloses Lernangebot vermittelt<br />

spannendes Waldwissen Von Elisabeth Wieborg<br />

Vielleicht kennen Sie diesen Moment<br />

von Sommerausflügen: Aus praller<br />

Sonne in der aufgeheizten Feldflur<br />

treten Sie über eine Baumschatten-Grenze<br />

in den Wald hinein, laubgefiltertes Licht<br />

lässt Sie erleichtert aufatmen und würzigfrische<br />

Luft füllt dabei Ihre Lungen. Dann<br />

schauen Sie sich um. Was sehen Sie jetzt?<br />

Sicherlich fällt es Ihnen nicht schwer,<br />

sich einen Wald vorzustellen. Und das Bild,<br />

das Sie sehen, wird eines gemeinsam haben<br />

mit den Bildern in anderen Köpfen:<br />

Es zeigt Bäume. Aber was macht eine Ansammlung<br />

von Bäumen zu einem Wald?<br />

DAS HERZ DES WALDES<br />

Die NABU|<strong>naturgucker</strong>-Akademie hat<br />

Antworten auf diese Frage. Seit dem 30.<br />

April lädt sie alle Interessierten auf eine<br />

lehrreiche Entdeckungsreise in das Herz<br />

des Waldes ein. Eher müsste es heißen:<br />

in das Herz der Wälder. Denn der Begriff<br />

»Wald« bezeichnet gewissermaßen eine<br />

»Ordnung« von Lebensräumen, die verschiedene<br />

»Familien« und »Gattungen«<br />

umfasst – ob nun Rotbuchenwald, Weißmoos-Kiefernwald<br />

oder Birkenbruchwald:<br />

Das Wesen aller Waldtypen ist ein komplexes<br />

Wirkungsgefüge, in dem Pflanzen, Tiere<br />

und Pilze eng vernetzt zusammenleben.<br />

Durch ihre einzigartige Interaktion erfüllen<br />

die Artengemeinschaften der unterschiedlichen<br />

Waldarten wichtige Ökosystem-<br />

Aufgaben für den Planeten.<br />

Dülmen, Göversheide.<br />

Foto: Dietmar<br />

Rabich, CC BY-SA 4.0,<br />

https://commons.wikimedia.org/w/index.<br />

php?curid=42018898<br />

ZUSAMMENHÄNGE<br />

VERSTEHEN<br />

In all diese Zusammenhänge führt der<br />

Autor des Lernthemas, Patrick Kuss, auf<br />

gewohnt abwechslungsreiche Art ein.<br />

Der promovierte Botaniker, Diplom-Biologe<br />

und Hochschuldidaktiker ist bereits<br />

Mit-Autor der Lernthemen Pflanzen und<br />

Feldflur in der NABU|<strong>naturgucker</strong>-Akademie.<br />

Im Lernangebot Wald erläutert<br />

er ausführlich, was diese Lebensräume<br />

ausmacht und wie sie definiert werden,<br />

welche Artengemeinschaften dort leben<br />

und welchen Bedrohungen sie ausgesetzt<br />

sind. Ein Blick auf die Geschichte<br />

der Wälder Mitteleuropas und auf das<br />

Verhältnis von Wald und Mensch hilft<br />

außerdem zu verstehen, was die Entwicklungen<br />

dieser Ökosysteme beeinflusst.<br />

Auch auf die vielleicht drängendste<br />

Frage in diesem Zusammenhang geht<br />

der Autor ein: Wie können wir uns eine<br />

mögliche Zukunft des Waldes vorstellen?<br />

Natürlich sollen diese neuen Erkenntnisse<br />

nicht nur am Bildschirm gewonnen<br />

werden. Spannende Beobachtungsaufgaben<br />

führen die Lernenden mitten hinein in<br />

den Lebensraum Wald. Kann es an heißen<br />

Sommertagen ein schöneres Ziel geben?<br />

Das Projekt NABU|<strong>naturgucker</strong>-Akademie<br />

wird gefördert im Bundesprogramm Biologische<br />

Vielfalt durch das Bundesamt für<br />

Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums<br />

für Umwelt, Naturschutz, nukleare<br />

Sicherheit und Verbraucherschutz.<br />

Lernangebot Wald: www.NABU<strong>naturgucker</strong>-akademie.de/Wald<br />

47


NATURKIND<br />

Tauche ab ins Grün!<br />

48<br />

Waldbaden bedeutet, den Wald mit allen Sinnen<br />

zu erfahren, weiß Thea Wittmann.<br />

Das ist Waldbaden<br />

Die Bäume um dich herum sind satt<br />

grün. Hohe Gräser wachsen am Rand<br />

einer Lichtung. Ruhig ist es im Wald,<br />

aber alles andere als still. Wenn du<br />

lauschst, hörst du, wie die Blätter<br />

sanft im Wind rauschen, es raschelt<br />

und knackt im Unterholz, Vögel zwitschern.<br />

Waldbaden heißt so viel wie<br />

»in die Atmosphäre des Waldes abtauchen«<br />

.<br />

Es geht bei diesem besonderen »Bad«<br />

darum, sich auf ein Fleckchen Natur<br />

einzulassen, zu beobachten, zu lauschen,<br />

zu tasten und zu spüren. Das<br />

klingt unglaublich langweilig für dich?<br />

Dann lass dich überraschen!<br />

So tauchst du in den Wald ein<br />

Waldbaden kannst du mit deiner ganzen<br />

Familie. Am besten sucht ihr euch eine<br />

schöne Stelle im Wald aus, das kann eine<br />

Lichtung sein, ein Tümpel, ein schattiges<br />

Plätzchen. Es geht darum, euch zu konzentrieren<br />

und den Wald mit allen Sinnen<br />

zu erfahren: Wonach riecht es hier?<br />

Was blüht und wie duftet es?<br />

Was siehst du? Lass den Blick zuerst<br />

schweifen, dann such dir ein Detail. Leg<br />

dich auf den Rücken und schau in die<br />

Baumkronen. Spürst du den Wind auf<br />

deiner Haut, die Sonnenstrahlen, die<br />

durch die Zweige fallen? Wenn du magst,<br />

dann zieh die Schuhe aus und spüre, wie<br />

sich der Waldboden unter den Füßen<br />

anfühlt.<br />

Taste vorsichtig deine Umgebung ab.<br />

Fühle das feuchte Moos oder lass' ein<br />

paar trockene Blätter zwischen deinen<br />

Händen zerbröseln. Fahre mit den Fingern<br />

durchs Gras. Betaste junge Knospen<br />

und grüne Blätter. Manche haben<br />

sogar Härchen. Oder du suchst dir ein<br />

paar Tannenzapfen und schaust sie dir<br />

genau an.<br />

Du musst dich für alle diese Wahrnehmungen<br />

nicht einmal vom Fleck bewegen.<br />

Du kannst aber auch herumgehen, dir<br />

verschiedene Stellen ansehen. Probiere<br />

es einfach aus. Du wirst staunen, was du<br />

alles entdeckst. Und wenn du dich sattgesehen<br />

hast und eine Herausforderung<br />

suchst, dann gehst du auf Schatzsuche!<br />

01 Oh, ein Igel! /<br />

Alexandr Vasilyev,<br />

stock.adobe


02 Foto: contrastwerkstatt,<br />

stock.adobe<br />

NATURKIND<br />

03 Illustration: Janie,<br />

stock.adobe<br />

Suche nach Waldschätzen<br />

Was blüht gerade im Wald? Findest du<br />

zehn verschiedene Blüten? Drehe ein<br />

paar Blätter auf dem Waldboden um.<br />

Welche Insekten kannst du entdecken?<br />

Verfolge eines davon. Welchen Weg<br />

nimmt der Käfer, welche Hindernisse<br />

muss er überwinden? Was trägt die<br />

Ameise davon? Kann sie dich zu ihrem<br />

Ameisenhaufen führen? Entdeckst du<br />

einen Baumpilz? Siehst du einen Baum,<br />

der so dick ist, dass du ihn nicht mit den<br />

Armen umfassen kannst? Suche einen<br />

morschen Baumstumpf und schau hinein.<br />

Lebt etwas darin? Findest du einen<br />

kleinen Setzling, ein »Baumkind«?<br />

Ausrüstung zum Waldbaden:<br />

• festes Schuhwerk<br />

• eine Sitzunterlage oder Decke<br />

Buchtipp:<br />

Raus in den Wald!: 30 Übungen<br />

und Spiele zum Waldbaden mit<br />

Kindern. Bildkarten. Entspannungsübungen<br />

für Kinder von<br />

vier bis zehn Jahren. Karten. Von<br />

Carola Bambas, Monika Bezdek<br />

und Petra Bezdek, Don Bosco<br />

Medien, 32 Seiten, 14 Euro.<br />

49<br />

• eine Lupe oder einen Lupenbecher<br />

04 Foto: Halfpoint,<br />

stock.adobe<br />

05 Fliegenpilz / C. Püschel


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Am 31. August kommt<br />

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Neues aus der Tier-, Pilz- und Pflanzenwelt, Tipps zum Beobachten,<br />

Nachdenkliches und Merkwürdiges können Sie erfahren und großartige Fotos<br />

und Zeichnungen genießen.<br />

Lesen Sie unter anderem:<br />

Kleine Räuber<br />

Im Sommer braun, im Winter schneeweiß – Hermeline sind<br />

faszinierende Marder. Ein Hermelin in freier Natur zu beobachten ist<br />

allerdings meist ein kurzes Vergnügen. Armin Dreisbach und<br />

Gerd Petri hatten das Glück und stellen das spannende »Wiesel« vor!<br />

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