A240483_veb_Fachmagazin_Standard_2-24_WEB
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
NACHHALTIGKEIT
Die Wesentlichkeitsanalyse –
Ausgangspunkt der Nachhaltigkeitsberichterstattung
nach CSRD und ESRS
Mit der Verabschiedung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD, Richtlinie 2022/2464)
im November 2022 wurden die Berichtspflichten im Nachhaltigkeitsbereich in der Europäischen Union
konkretisiert und erheblich ausgeweitet. Ausgangspunkt für die Bestimmung der Berichtsinhalte ist
das Konzept der doppelten Wesentlichkeit. Der Wesentlichkeitsanalyse kommt damit eine zentrale
Bedeutung in der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach CSRD und ESRS zu.
Katrin Hummel
Für alle Unternehmen im Anwendungskreis
der CSRD gelten nun einheitliche Standards
der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Diese
European Sustainability Reporting Standards
(ESRS) wurden von der Europäischen
Kommission 2023 in Form einer delegierten
Verordnung verabschiedet (2023/2772). Die
CSRD sieht eine schrittweise Einführung
der neuen Berichts pflichten vor. Erstmalig
berichtspflichtig sind für das Geschäftsjahr
2024 jene Unternehmen, die auch in
den Anwendungskreis der Non-Financial
Reporting Directive (NFRD, 2014/95/EU)
fallen. Dabei handelt es sich um grosse
Kapitalgesellschaften in der EU, die Unternehmen
von öffentlichem Interesse sind,
mit durchschnittlich mehr als 500 Mitarbeitenden.
Ab dem Geschäftsjahr 2025 fallen
auch alle anderen grossen EU-Unternehmen
in den Anwendungsbereich der CSRD.
Für alle kapitalmarktorientierten kleinen
und mittleren EU-Unternehmen (KMU)
gelten die Berichtspflichten der CSRD
ab dem Geschäftsjahr 2026. 1 Nicht-EU-
Unternehmen mit Zweigniederlassungen
oder Tochter gesellschaften in der EU, die
bestimmte Grössenkriterien überschreiten,
1
Für diese besteht die Möglichkeit, die Erstanwendung der
Berichtspflicht bei entsprechender Begründung um 2 Jahre
zu verschieben.
unterliegen den Berichtspflichten der CSRD
ab dem Geschäftsjahr 2028. 2 Schweizer
Konzerne können somit indirekt von der
CSRD betroffen sein, wenn sie grosse bzw.
kapital marktorientierte Tochtergesellschaften
in der EU besitzen, oder direkt durch
die Regelungen für Nicht-EU Unternehmen.
Die Wesentlichkeitsanalyse bildet den Ausgangspunkt
für die Bestimmung der Inhalte
der Nachhaltigkeitsberichterstattung und
stellt somit das «Herzstück» 3 der Nachhaltigkeitsberichterstattung
dar. Dabei gilt
der Grundsatz der doppelten Wesentlichkeit.
Demnach ist ein Nachhaltigkeitsaspekt
wesentlich, wenn er unter dem Gesichtspunkt
der Auswirkungen und/oder unter
finanziellen Gesichtspunkten wesentlich ist.
Das Konzept der doppelten Wesentlichkeit
wurde erstmals im Rahmen der NFRD und
den unverbindlichen Richtlinien zur Klimaberichterstattung
(2019/C 209/01) eingeführt
und ist nun in den CSRD und ESRS
ausführlich verankert.
Trotz dieser relativ langen zeitlichen Historie
2
Eine detaillierte Übersicht über den Anwendungskreis und
die gestaffelte Einführung liefern Hummel und Jobst (2024).
Für Nicht-EU Unternehmen sollen reduzierte Berichtsplfichten
gelten.
3
Vgl. Baummüller/Schönauer (2023).
des Grundsatzes der doppelten Wesentlichkeit
in der EU gibt es viele Unklarheiten
bei dessen Operationalisierung und
praktischer Anwendung. Der vorliegende
Beitrag skizziert daher das Konzept
der doppelten Wesentlichkeit und die
zentralen Schritte einer Wesentlichkeitsanalyse
gemäss CSRD, ESRS und des
aktuellen Entwurfs eines Leitfadens zur
Umsetzung der Wesentlichkeitsanalyse
der European Financial Reporting Advisory
Group (EFRAG). 4
Das Konzept der doppelten
Wesentlichkeit
Das Prinzip der Wesentlichkeit bildet die
Grundlage der Nachhaltigkeitsberichterstattung
gemäss den ESRS und dient
zur Abgrenzung der relevanten Nachhaltigkeitsaspekte.
Gemäss ESRS
1 (Allgemeine Anforderungen) ist die
Durchführung einer Bewertung der Wesentlichkeit
für die Ermittlung der «wesentlichen
Auswirkungen, Risiken und Chancen»
erforderlich (ESRS 1.25). Dabei verweisen
die ESRS auf das Konzept der doppelten
4
Am 22.12.2023 hat die EFRAG den Entwurf eines Leitfadens
zur Umsetzung der Wesentlichkeitsanalyse (Draft
EFRAG Implementation Guidance IG1: Materiality Assessment)
veröffentlicht.
36 veb.ch | Standard 2 I 2024