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RECHTSPRECHUNG
Aktuelle und interessante
Gerichtsurteile
Arbeitsrecht
Interne Untersuchung
wegen sexueller Belästigung
Das Bundesgericht (BGer) hat in einem
nicht offiziell veröffentlichten Urteil vom 19.
Januar 2024 (4A_368/2023) eine interne
Untersuchung gegen den Direktor einer
Bank behandelt, dem sexuelle Belästigung
vorgeworfen wurde. Die Bank kündigte
später das Arbeitsverhältnis, was zu einer
erfolgreichen Klage des Arbeitnehmers
führte, um sein Arbeitszeugnis zu ändern,
jedoch erfolglos in Bezug auf eine Entschädigung
wegen angeblich missbräuchlicher
Kündigung. Das Gericht betonte, dass
interne Untersuchungen nicht den gleichen
Regeln wie strafrechtliche Verfahren folgen
müssen. Es ist wichtig für Unternehmen,
ihre internen Vorschriften genau einzuhalten
und zu dokumentieren, es ist aber
nicht erforderlich, die verdächtigte Person
vor dem ersten Gespräch über Zweck und
Inhalt zu informieren.
Überbrückungsleistungen
möglich bei übermässigem
Vermögensverbrauch
Eine Person aus dem Kanton Tessin beantragte
im September 2022 Überbrückungsleistungen
für ältere Arbeitslose. Die Ausgleichskasse
verweigerte die Leistungen,
da die Person einen Teil ihres Freizügigkeitsguthabens
in Höhe von 120 000 Franken
ohne Grund ausgegeben hatte, wodurch ihr
Vermögen über der Anspruchsschwelle von
50 000 Franken lag. Das Kantonsgericht
Tessin gab der Beschwerde der Person
2023 statt, da gemäss dem Bundesgesetz
über Überbrückungsleistungen für ältere
Arbeitslose ein übermässiger Vermögensverbrauch
nur berücksichtigt werden sollte,
wenn er nach Entstehung des Anspruchs
auf Überbrückungsleistungen erfolgte.
Das Bundesgericht bestätigte diese Entscheidung
und wies die Beschwerde der
Ausgleichskasse ab. Beim Entscheid über
einen Anspruch auf Überbrückungsleistungen
für ältere Arbeitslose muss anders als
bei Ergänzungsleistungen unberücksichtigt
bleiben, wenn die betroffene Person zuvor
ihr Vermögen übermässig verbraucht hat.
Das Bundesgericht weist eine Beschwerde
der Ausgleichskasse des Kantons Tessin
ab. (BGer-Urteil 8C_438/2023)
Sozialversicherungen
Verfahren dauert zu lange
Das Kantonsgericht Basel-Landschaft
muss die Strafe für einen IV-Betrüger
senken, weil das Strafverfahren viel zu
lange dauerte. Dies hat das Bundesgericht
entschieden. Der Mann täuschte Ärzte
und Behörden über seinen Gesundheitszustand,
verbrachte seine Zeit jedoch mit
dem Bau eines grossen Biotops und engagierte
sich in einem Musikverein.
(BGer-Urteil 7B_454/2023)
Steuerrecht
Geschäftsvermögen
oder Privatvermögen:
Dauerbrenner
Streitig ist, ob der Steuerpflichtige Abschreibungen
auf seinem Fahrzeug vornehmen
konnte. Die Kriterien, welche die Rechtsprechung
für die Zuordnung zu Privatvermögen
oder Geschäftsvermögen (Art.
18 Abs. 2 DBG) heranzieht, unterscheiden
sich von denjenigen, die für die Bestimmung
der geschäftsmässig begründeten
Kosten (Art. 27 DBG) angewendet werden.
Vorliegend ist nicht nachgewiesen, dass
das Fahrzeug für den Transport von sperrigen
Medizingütern oder für häufige Fahrten
zwischen der Praxis und den Patienten
benutzt werden musste. Folglich ist das
Fahrzeug nicht technisch notwendig für den
Betrieb der Arztpraxis. Das streitige Fahrzeug
ist daher vollumfänglich dem Privatvermögen
zuzuordnen, und folglich sind
keine Abschreibungen zulässig. Abweisung
der Beschwerde des Steuerpflichtigen.
(BGer-Urteil 9C_719/2022)
Sozialhilfe trotz 100 000
Franken Vermögen
Ein heute 64-jähriger Mann bezog ab 2013
Leistungen der Sozialhilfe. Die Sozialhilfebehörde
seiner Wohngemeinde stellte die
Sozialhilfeleistungen 2022 ein und forderte
78 000 Franken zurück. Sie begründete dies
damit, dass der Betroffene ihr gegenüber
sein Freizügigkeitskonto von CHF 100 000
verschwiegen habe. Dieses Guthaben hätte
er mit 60 Jahren per April 2019 beziehen
können; in diesem Fall wäre er nicht mehr
von der Sozialhilfe abhängig gewesen.
Sozialhilfebeziehende können laut Bundesgerichtsentscheid
(Urteil 8C_333/2023)
nicht verpflichtet werden, sich Freizügigkeitsguthaben
mit 60 Jahren vorzeitig
auszahlen zu lassen, wenn dieses beim
Erreichen der Altersgrenze von 63 Jahren
zum Vorbezug der AHV-Rente bereits aufgebraucht
wäre. Laut Bundesgericht hat
der 64-jährige Mann deshalb die Sozialhilfeleistungen
ab 2019 rechtmässig bezogen.
Für eine Rückforderung bleibt kein Raum,
so das Bundesgericht.
Wirtschaftsrecht
Alte Tricks, neue Opfer
Ein Vermögensberater aus dem Kanton
Luzern wurde rechtskräftig wegen
gewerbsmässigen Betrugs und mehrfacher
Urkunden fälschung verurteilt. Das Bundesgericht
bestätigte die Freiheitsstrafe von fünf
Jahren und sieben Monaten und wies die
Beschwerde des Mannes vollständig ab.
30 veb.ch | Standard 2 I 2024