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Inspiration - Nr. 03 - 2024

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N o <strong>03</strong> | <strong>2024</strong><br />

Das Bergsportmagazin<br />

<strong>Inspiration</strong><br />

Wegweiser Expert Gipfeltreffen<br />

Seltene Ehre: Zum Jubiläum<br />

auf den Bächlistock<br />

Bindeglied von Mensch und<br />

Berg: Alles über Karabiner<br />

Die Kunst der Übergabe:<br />

Gründer und Erfi nder Paul Petzl


Zustieg<br />

Die «Weisch no?»-<br />

Momente<br />

Zusammen mit anderen in den Bergen unterwegs zu sein und «Weisch no?»-Momente sammeln,<br />

ist für mich etwas Wundervolles. Auf Hochtouren geht das besonders gut: Ein früher<br />

Aufbruch unter funkelndem Sternenhimmel. Die ersten Sonnenstrahlen. Ein gemeinsames<br />

Znüni, die Erleichterung nach der Schlüsselstelle. Und schliesslich die geteilte Gipfelfreude<br />

– mit einem «Weisch no?» rufen wir uns unsere schönsten und prägnantesten Bergmomente<br />

in Erinnerung. Oft genug sind solche Gespräche die Initialzündung für neue Tourenpläne, was<br />

wiederum zu neuen «Weisch no?»-Momenten führt. Der perfekte Kreislauf.<br />

Ich erinnere mich, dass es vor etwa 20 Jahren einen zweitägigen Ausflug für alle Mitarbeitenden<br />

in die Bächlitalhütte gegeben hat. Die Firma war damals noch so klein, dass das<br />

gesamte Team einen Schlafplatz in der Hütte beziehen konnte. Heute arbeiten immer noch<br />

einige Mitarbeitende bei uns, die damals schon an unserer Seite waren: «Weisch no, Michi?»<br />

Wieder zum Leben erweckt wurde diese Erinnerung durch die Tour auf den Bächlistock,<br />

die wir Ihnen in dieser Ausgabe vorstellen. Der Bächlistock ist nicht gerade ein Modegipfel.<br />

Trotzdem wollten wir ihm zum Firmenjubiläum die Ehre erweisen, also sind versierte Mitarbeitende<br />

aus verschiedenen Bächli-Filialen letzten Sommer dorthin aufgebrochen. Wie es<br />

ihnen ergangen ist und welche «Weisch no»-Momente sie dabei sammeln konnten, können<br />

Sie ab Seite 16 nacherleben.<br />

«Oft genug sind solche Momente die<br />

Initialzündung für neue Tourenpläne.<br />

Der perfekte Kreislauf.»<br />

Auch den zweiten Teil unserer nun fünfzigjährigen Firmengeschichte – den Aufbruch ins<br />

neue Jahrtausend und die Gründe, warum wir heute nicht mehr in die Bächlitalhütte passen<br />

– finden Sie in dieser Ausgabe. Ganz besonders ans Herz legen möchte ich Ihnen ausserdem<br />

unsere Jubiläumskampagne #zusammenunterwegs, die von gemeinsam erlebten Abenteuern<br />

und Geschichten aus 50 Jahren Bergleidenschaft erzählt. Wenn auch Sie in den Bergen<br />

unterwegs sein möchten, beraten wir Sie sehr gerne in unseren Filialen. Damit Sie der<br />

Sammlung Ihrer «Weisch no»-Momente nach Herzenslust nachgehen können.<br />

Herzlichst,<br />

Susanna Bächli<br />

VR-Vizepräsidentin Bächli Bergsport AG<br />

2<br />

1


Wegweiser Expert Gipfeltreffen<br />

Seltene Ehre: zum Jubiläum<br />

auf den Bächlistock<br />

N o <strong>03</strong> | <strong>2024</strong><br />

Bindeglied von Mensch und<br />

Berg: Alles über Karabiner<br />

Die Kunst der Übergabe:<br />

Gründer und Erfinder Paul Petzl<br />

Inhalt<br />

Wegweiser<br />

N o <strong>03</strong><br />

<strong>2024</strong><br />

Aussicht<br />

Die schönsten Seiten der Berge .................................................. 4<br />

3 x 3<br />

Produktneuheiten und Bergsport-News .................................. 10<br />

Wegweiser<br />

Jubiläumshochtour auf den Bächlistock .................................. 16<br />

Wie die Rega Einsätze übt .......................................................... 30<br />

44<br />

Genuss im<br />

Schmugglerrevier<br />

Durch die schroffen Flanken von Wasenhorn, Bortelhorn<br />

und Furggubäumhorn über dem Simplonpass<br />

ziehen wilde Schmugglerpfade. Tempi passati. Heute<br />

gehören die Kämme den Genusskletterern.<br />

Bergwandern über dem Simplonpass ...................................... 44<br />

Expert<br />

Auf Schritt und Tritt: Wanderschuhe .......................................... 24<br />

Gut verbunden: Karabiner und Haken ...................................... 38<br />

Der Talon & Tempest Velocity<br />

definiert die Grenzen von<br />

Geschwindigkeit und Effizienz<br />

beim Bergwandern neu.<br />

Der von Laufwesten inspirierte Gurt<br />

hält Wichtiges und Wasserflaschen<br />

griffbereit, während das<br />

Rückenpaneel unvergleichliche<br />

Bewegungsfreiheit bietet.<br />

Gipfeltreffen<br />

Paul Petzl ...................................................................................... 50<br />

1 x 1<br />

Besser biwakieren ....................................................................... 56<br />

Partnercheck<br />

Firmenhistorie Bächli Bergsport Teil 2: 2000 – <strong>2024</strong> ............ 60<br />

1 x 1<br />

56<br />

Ausstieg<br />

Unsere Teamkultur ...................................................................... 64<br />

TALON | TEMPEST<br />

VELOCITY<br />

Das Bergsportmagazin<br />

<strong>Inspiration</strong><br />

Titelseite: Nach einer ausgesetzten<br />

Abseilstelle geht es weiter<br />

über den Nordgrat auf den selten<br />

besuchten Bächlistock. Die ganze<br />

Reportage gibt es ab Seite 16.<br />

Foto Bernard van Dierendonck<br />

Besser biwakieren<br />

Ungeplante Biwaks können der Horror sein.<br />

Umgekehrt sind geplante Biwaks nicht<br />

automatisch ein Traum – aber mit ein paar<br />

Tipps steigen die Chancen.<br />

2<br />

newrocksport.ch<br />

3


Rubrik Thema<br />

Aussicht<br />

Bäumchen<br />

wechsel dich<br />

Mit einem «verwirrenden Wald aus Gendarmen»<br />

sah sich Fotograf Ben Tibbetts<br />

auf der Überschreitung vom Schreckhorn<br />

zum Lauteraarhorn konfrontiert. Als<br />

unbeteiligter Betrachter läuft man natürlich<br />

nicht Gefahr, den Wald vor lauter<br />

Gendarmen zu übersehen: markant das<br />

Finsteraarhorn zwischen dem Gendarm<br />

und dem nahe gelegenen Lauteraarhorn,<br />

rechts schliessen erst das Fiescher Gabelhorn<br />

und dann, wie Yin und Yang, das<br />

schwarze, fast apere Gross Grünhorn und<br />

das umso weissere Aletschhorn an. Neben<br />

dem alpinen Verwirrspiel machte Tibbetts<br />

und Gefährten auch noch das Wetter zu<br />

schaffen. In der schattigen Westseite gingen<br />

ihnen eiskalte Böen auf die Nerven,<br />

während das Klettern in der nahezu windstillen<br />

Ostseite an sonnengewärmtem Fels<br />

deutlich angenehmer war.<br />

Schreckhorn – Lauteraarhorn Traverse<br />

Berner Alpen, Schweiz<br />

Ben Tibbetts<br />

bentibbetts.com<br />

4<br />

5


Aussicht<br />

Aussicht<br />

Höhere<br />

Weihen<br />

Es soll Gipfel geben, die für ihr bergreiches<br />

Panorama gerühmt werden. Deutschlands<br />

höchster Gipfel, die Zugspitze, darf<br />

angeblich mit einer 400-Gipfel-Aussicht<br />

aufwarten. Nicht ausgeschlossen, dass<br />

findige Tiroler Touristiker bald auf der<br />

Wildspitze mit dem Nachzählen beginnen<br />

und frühestens bei 401 damit aufhören.<br />

Und dann gibt es Gipfel, die so hoch sind,<br />

dass sie derlei Kräftemessen gar nicht nötig<br />

haben. So ist das am Monte Rosa. Der<br />

Tag steht kurz vor seinem Anbruch, noch<br />

weigert sich der Mond zu gehen, gleich<br />

knirschen die Steigeisen über eine apere<br />

Gratstelle, und irgendwo unter dem Wolkenmeer<br />

müsste sicher Mailand sein. Mit<br />

dem Gipfelzählen wäre man hier sicherlich<br />

schnell fertig – aber wer käme, bei dieser<br />

Aussicht, überhaupt auf so eine blödsinnige<br />

Idee? Übrigens: In Ausgabe 3/2022 von<br />

<strong>Inspiration</strong>, die in unserem Online-Archiv<br />

zugänglich ist, finden Sie eine Reportage<br />

über eine Begehung des Signalgrats.<br />

Signalgrat (4554 m), Monte Rosa<br />

Walliser Alpen, Schweiz<br />

Stefan Filzmoser<br />

stefanfilzmoser.at<br />

6<br />

7


Aussicht<br />

Verkehrte Welt<br />

«Wie rum gehört jetzt das Bild?» Wir haben<br />

uns extra beim Fotografen Christian<br />

Adam versichert: Die Ausrichtung stimmt.<br />

Zu sehen ist Connor Herson, der diese king<br />

line in seiner Heimat Tuolumne Meadows,<br />

Kalifornien, zum Leben erweckte. Schon in<br />

den 1980er-Jahren sei die Linie eingebohrt<br />

worden. Doch der Erschliesser war nicht<br />

imstande, die Route zu klettern. Und weil er<br />

die Bohrhaken maschinell gesetzt hatte –<br />

was an dieser Stelle gemäss dem örtlichen<br />

Kletterkodex nicht zulässig war –, wurden<br />

sie entfernt, und die Linie vergessen. Dann<br />

kam Herson, bohrte die Löcher vorschriftsmässig<br />

von Hand, und erreichte so das<br />

markante Dach, dessen Riss clean abgesichert<br />

wird. Der Move über die Dachkante<br />

ist die Crux der Route – was folgt, sei «fun<br />

climbing», so Herson gegenüber dem Climbing<br />

Magazine. «Kilogram» (5.14-) checkt<br />

hierzulande im 11. Grad ein und befindet<br />

sich am sogenannten Drug Dome. Wer<br />

beim Betrachten des Bildes nun an gezielt<br />

herbeigeführte Bewusstseinsveränderungen<br />

glaubt, liegt knapp daneben: Weder die<br />

Route noch der Berg haben etwas zu tun<br />

mit dem legendären Flugzeugabsturz von<br />

1977, als ein Flugzeug aus Kolumbien mit<br />

Tonnen von Marihuana in den einige Meilen<br />

südlich gelegenen Lower Merced Pass Lake<br />

stürzte und die Locals frohlocken liess.<br />

«Kilogram» (5.14-)<br />

Tuolumne Meadows, Kalifornien<br />

Christian Adam<br />

christian-adam.com<br />

8<br />

9


3 x 3<br />

Lichtbaukasten<br />

Mit der Free 2000 S hat Silva ein modulares<br />

Stirnlampensystem geschaffen, bei<br />

dem sich der Akku ganz leicht austauschen<br />

lässt. Dank im Stirnband untergebrachter<br />

Elektronik ist das Modell frei von<br />

jeglichem Kabelsalat. Die Lampe besticht<br />

mit einer extrem hohen Leuchtstärke von<br />

max. 2000 Lumen, Aluminiumkühlkörper sorgen<br />

dafür, dass die Leistung dabei nicht einbricht. Je<br />

nach Situation und Bedürfnis kann aber auch eine<br />

niedrigere Leuchtstufe mit lediglich 80 Lumen gewählt<br />

werden. Hilfreich bei temporeichem Bergsport<br />

ist die Kombination von Fernlicht für grosse<br />

Distanzen und starkem Flutlicht für die Nähe – so<br />

sind alle Bereiche gut ausgeleuchtet. Dank Baukastensystem<br />

kann die Free 2000 S alternativ<br />

auch am Velo benutzt werden. Der 24.1 Wh starke<br />

Akku wird per USB-C aufgeladen. Wasser- und<br />

staubdicht nach IPX5-Standard.<br />

FREE 2000 S<br />

SILVA<br />

Gewicht: 273 g (inkl. Akku)<br />

CHF 279.–<br />

Neues aus der Welt<br />

des Bergsports<br />

Aktuelle Produkte aus unserem Sortiment, bevorstehende<br />

Events und News aus der Bergsport-Branche<br />

Weisses Wunder<br />

Als der Whiteout von Exped vor fünf Jahren auf<br />

den Markt kam, sorgte sein reinweisses, leichtes<br />

und nahezu unkaputtbares Dyneema-Material<br />

für viel Aufsehen. Jetzt hat der aufs Nötigste reduzierte<br />

Alpinrucksack ein Update bekommen.<br />

So wurden etwa die Befestigungen der Eisgeräte<br />

verbessert, der Kontaktrücken verändert und<br />

die Daisychains an der Front modifiziert. Das<br />

Hauptfach mit getapten Nähten lässt sich über<br />

den praktischen Rolltop schnell und wasserdicht<br />

verschliessen und zugleich komprimieren. Es<br />

wird ergänzt durch ein Frontfach für Kartenmaterial<br />

oder kleinere Gegenstände.<br />

Ein Strap über dem Rolltop fixiert Seil oder<br />

Isomatte. Auch sonst weiss der Alpinrucksack<br />

mit ausgeklügelten Details zur Materialbefestigung<br />

zu überzeugen. Die Abnahme<br />

aller optionalen Riemen, Schnallen und<br />

des Hüftgurts spart rund 140 g ein. Auch das<br />

Rückenpanel ist als Sitzmatte herausnehmbar.<br />

Ein starker und leichter Begleiter in alpinen<br />

Wänden und auf Skitouren.<br />

WHITEOUT 45<br />

EXPED<br />

Gewicht: 860 g<br />

CHF 389.–<br />

Von der Rolle<br />

Vereinfacht ausgedrückt wurde beim Sicherungsgerät<br />

Neox Petzls bewährtes Grigri<br />

weiterentwickelt. Im Inneren des Gehäuses<br />

läuft das Seil nun über eine Rolle. Dadurch<br />

eignet sich das Neox besonders gut für das<br />

Vorstiegsklettern, denn die Rolle erlaubt<br />

ein besonders dynamisches, schnelles und<br />

gleichmässiges Seilausgeben. Für die nötige<br />

Sicherheit im Falle eines Sturzes sorgen<br />

Klemmnocken, welche die Blockierfunktion<br />

zusätzlich unterstützen und damit den<br />

Kraftaufwand der Bremshand entscheidend<br />

minimieren. Der ergonomisch geformte Ablassgriff<br />

trägt zum guten Handling bei. Zur intuitiven<br />

Bedienung tragen auch eingravierte<br />

Markierungen zusätzlich bei. Das Neox lässt<br />

sich mit Einfachseilen von 8,5-11 mm Durchmesser<br />

verwenden, optimalerweise liegt<br />

er bei 8,9-10,5 mm. Näheres zum Neox<br />

auch im Interview mit Paul Petzl ab<br />

Seite 50.<br />

NEOX<br />

PETZL<br />

Gewicht: 230 g<br />

CHF 126.–<br />

Produkthighlights<br />

Selection 3/<strong>2024</strong>:<br />

Jetzt als Online-<br />

Magazin<br />

Die Selection, unsere vierteljährliche Auswahl<br />

an Produkthighlights für jede Bergsportsaison,<br />

erscheint im Wechsel gedruckt<br />

und als Online-Magazin. Zum jeweils «grossen»<br />

Saisonwechsel zwischen Sommerund<br />

Wintersaison, also im April und Oktober,<br />

informiert die gedruckte Selection<br />

über Neuheiten und Highlights. Die Ausgaben<br />

im Januar und Juni erscheinen als Online-Magazin.<br />

Das ist nicht nur nachhaltiger, sondern auch<br />

aktueller, da die Verfügbarkeit der abgebildeten<br />

Produkte laufend aktualisiert werden<br />

kann. Unsere aktuellen Highlights<br />

für Bergwandern, Bergsteigen, Klettern,<br />

Hochtouren und Trailrunning finden Sie ab<br />

sofort in Selection 3/<strong>2024</strong> auf unserer Website.<br />

baechli-bergsport.ch/de/<br />

selection-sommer<br />

Ausdauernder Allrounder<br />

Der Fortux GTX von Lowa ist ein Multifunktions- und Trailrunningschuh<br />

für lange Distanzen, der sich aber auch für Fast Hiking oder<br />

ausgedehnte Spaziergänge eignet. Er verfügt über den klassischen Sohlenaufbau<br />

moderner Trailrunningschuhe: Die weiche DYNEVA-Zwischensohle zur Dämpfung<br />

wird kombiniert mit einer Rebound Plate. Diese soll die Kraft beim Auftreten in eine<br />

Vorwärtsbewegung umwandeln. Die Rocker-Konstruktion und eine Sprengung von<br />

6 mm unterstützen das Abrollen. Der Schaftabschluss ist anatomisch an den Knöchelbereich<br />

angepasst und ebenso wie die Zunge aus einem Stück gefertigt – so<br />

entfallen Nähte als mögliche Druckstellen. Dank der wasserdichten Gore-Tex-<br />

Membran und der Vibram-Sohle mit 4 mm Stollen kann der Schuh auch bei<br />

Regen oder wechselhaften Bedingungen eingesetzt werden. Das Obermaterial<br />

ist aus einem strapazierfähigen Synthetikgewebe.<br />

FORTUX GTX<br />

LOWA<br />

Gewicht: 600 g/Paar<br />

CHF 189.–<br />

10<br />

SPECTER 15F/-9C SCHLAFSACK<br />

Erreiche die Spitze im Schlaf.<br />

Hochleistungsfähig & komprimierbar: RDS ® -zertifizierte 800er Daunenfüllung<br />

Ultraleicht & robust: Pertex ® Quantum Pro Material mit 20-den Ripstop, Gewicht des Schlafsacks 1<strong>03</strong>1 g<br />

Durchdachtes Design: Zweiseitiger, leuchtender Reissverschluss mit reflektierenden Schiebern<br />

Erweiterte Isolierung: Futter aus 15-den Nylon, schnell trocknendes Funktionsfutter<br />

11


3 x 3<br />

Heidi Schwaiger<br />

«Erlebnis SAC-Hütten. Bergabenteuer<br />

für Familien»<br />

Hütten bieten nicht nur Schutz und günstige<br />

Ausgangspunkte für Bergtouren, sondern sind<br />

auch das perfekte Motivations-Sprungbrett<br />

für Familienabenteuer in den Bergen. Autorin<br />

Heidi Schwaiger bringt nun den Nachfolger zu<br />

ihrem erfolgreichen Werk «Familienausflüge<br />

zu SAC-Hütten» heraus. Vorgestellt werden<br />

35 actionreiche Hüttenausflüge in der ganzen<br />

Schweiz: etwa eine Höhlenbegehung auf eigene<br />

Faust, ein familientauglicher Klettersteig,<br />

ein 3000er zum Wandern oder auch Abenteuer<br />

im Winterraum oder auf einer Selbstversorgerhütte.<br />

Das Buch eignet sich für Familien<br />

und Gruppen mit Kindern zwischen 8 und 15<br />

Jahren, die bereits etwas Wandererfahrung<br />

gesammelt haben und in den<br />

Bergen gut zu Fuss unterwegs<br />

sind.<br />

Format: 148 x 210 mm<br />

Umfang: 264 Seiten<br />

CHF 55.–<br />

Neues vom<br />

Bücherberg<br />

Signal in der Schwebe<br />

Der AirMarker R.One ist ein innovatives analoges<br />

Notsignal, das aus einem kompakten Köcher<br />

besteht, aus dem sich im Notfall ein Ballon auslösen<br />

lässt. An einer Leine fixiert schwebt dieser<br />

Ballon auf einer maximalen Höhe von 45 Metern<br />

weit über den Köpfen und Baumwipfeln verunfallter<br />

Personen und hilft Rettungskräften, diese<br />

zu lokalisieren – dank integrierter Leuchte und<br />

Reflektoren auch im Dunkeln. Ausgelöst wird der<br />

Signalballon über Heliumkartuschen. Jeder Air-<br />

Marker R.One kann über die individuelle Seriennummer<br />

online registriert werden, was Zugang<br />

zu umfassenden Hersteller-Serviceleistungen<br />

bietet. Einmal ausgelöst, kann der AirMarker<br />

retourniert werden und die Komponenten werden,<br />

wo möglich, recycelt. Das Packmass liegt<br />

bei 9,5 x 8,4 x 25,1 cm – in etwa so gross wie eine<br />

1-Liter-Weithalsflasche.<br />

AIRMARKER R.ONE<br />

AIRMARKER<br />

Gewicht: 890 g<br />

CHF 195.–<br />

Wohnmobil<br />

Das 3-Saison-Zelt Hubba Hubba Bikepack 2 ist<br />

eine für Bikepacking optimierte Variante des<br />

bewährten Hubba Hubba 2. Dank kürzeren<br />

Stangensegmenten (31 cm statt 45 cm) passt<br />

das verpackte Zelt (37 x 18 x 13 cm) gut an den<br />

Fahrradlenker, wo es mit Abstandhaltern und<br />

Straps in einer wasserdichten Packtasche<br />

montiert wird. Das Zwei-Personen-Zelt zeichnet<br />

sich durch ein gutes Raum-/Gewichtsverhältnis<br />

aus, das Innenzelt bietet mit dem<br />

rechteckigen Grundriss und aufgrund der Sonderkonstruktion<br />

der Stangen viel Kopffreiheit.<br />

In übergrossen Staufächern kann nasse Kleidung<br />

zum Trocknen untergebracht werden.<br />

Taschen, Schuhe etc. finden in den beiden Apsiden<br />

Platz. Das Aussenzelt besteht aus silikonisiertem<br />

Polyester. Ein durchdachtes Zelt für<br />

Radreisende, das sowohl beim Transport als<br />

auch in Gebrauch punktet.<br />

gravity STOVE von<br />

Genug gross für viele hungrige Mäuler.<br />

Genug leicht für anspruchsvolle Expeditionen.<br />

HUBBA HUBBA BIKEPACK 2<br />

MSR<br />

Gewicht: 1710 g<br />

CHF 579.–<br />

Vorheizspule zum Kochen<br />

in kalten Jahreszeiten<br />

BREITE FLAMME ZUM ERHITZEN<br />

GRÖSSERER TÖPFE<br />

Tiefer Schwerpunkt für<br />

maximale Stabilität<br />

12<br />

Möglichkeit zum Aufrüsten mit dem Gravity<br />

MultiFuel Kit für flüssige Brennstoffe 13


Thema Rubrik<br />

Wir feiern 50 Jahre Bächli Bergsport und sammeln ganz besondere<br />

Geschichten von Menschen, die zusammen in den Bergen unterwegs sind.<br />

100% Merino<br />

Private Flugshow vom Bartgeier inklusive<br />

Uschi Ammann & Hermann Brüesch<br />

Seit über zwanzig Jahren sind Uschi und<br />

Hermann gemeinsam in den Alpen unterwegs.<br />

Und obwohl man ihre Namen in so<br />

manchen Gipfelbüchern findet, sind es die<br />

vielen kleinen Momente, die jede Tour unvergesslich<br />

machen.<br />

Erinnert ihr euch noch an eure erste gemeinsame<br />

Tour? Wie war das?<br />

Hermann: Unsere allererste Tour<br />

zusammen war im Jahr 2002, ein echtes<br />

Abenteuer, das uns von Avers Cresta auf den<br />

Piz Platta führte. Uschi hatte damals als echtes<br />

Unterländer-Girl nur superleichte Bergschuhe mit<br />

einer Sohle, welche sich in alle Richtungen verformte, aber<br />

sicher keinen Halt versprach. Wir sind direkt via Couloir zu<br />

Punkt 3139 hochgestiegen. Das Couloir war voller loses Geröll<br />

und meine liebe Frau hat gehadert.<br />

Uschi: (lacht) Daran kann ich mich noch gut erinnern. Ich<br />

habe den ganzen Weg vor mich hin geflucht.<br />

Hermann: Als wir das Couloir hinter uns hatten, wollte<br />

sie nicht mehr weiter. Also machten wir erst mal eine Pause.<br />

Natürlich in der Hoffnung, dass sich ihre Stimmung dabei wieder<br />

etwas hebt.<br />

Uschi: Kaum hatten wir in unsere Brötchen gebissen,<br />

hörten wir plötzlich Stimmen aus dem Couloir. Kurz darauf<br />

spazierte eine Familie mit einem knapp zehnjährigen Knaben,<br />

gesichert an einem kurzen Seil, an uns vorbei. Als ob sie auf einem<br />

Sonntagsspaziergang wären. Da gab es für mich natürlich<br />

kein Halten mehr.<br />

Hermann: So standen wir mit zweifelhaftem Schuhwerk,<br />

dafür voller Stolz, wenig später schon auf dem Gipfel.<br />

Uschi: Die Woche darauf kaufte ich mir ein paar richtige<br />

Bergschuhe.<br />

Das ist mittlerweile gut 20 Jahre her. Weshalb seid ihr immer<br />

noch so gerne miteinander in den Bergen unterwegs?<br />

Uschi: Ja, verrückt, wie schnell doch die Zeit vergeht.<br />

Wenn ich so zurückdenke, wir haben schon sehr viele Touren<br />

zusammen unternommen. Es dürfen gerne noch ein paar<br />

mehr werden.<br />

Hermann: Auf all den Touren haben wir uns in- und auswendig<br />

kennengelernt. Wir sind ein eingespieltes Team und<br />

können uns ohne Worte zu 100 Prozent aufeinander verlassen.<br />

Zudem hat Uschi einen ausgezeichneten Orientierungssinn.<br />

Während ich jede Tour immer<br />

wieder neu erlebe, weiss sie immer schon,<br />

was nach der nächsten Abzweigung<br />

kommt (lacht).<br />

Das klingt nach vielen Bergabenteuern.<br />

Da gab es sicherlich auch die eine oder<br />

andere brenzlige Situation?<br />

Uschi: Für uns ist der Weg wichtiger<br />

als das Ziel und wir versuchen, heikle<br />

Situationen, so gut es geht, zu vermeiden. Wie<br />

viele kritische Momente wir unbewusst überstanden<br />

haben, wissen wir allerdings nicht.<br />

Was war bis anhin euer gemeinsames Touren-Highlight?<br />

Hermann: In den gut 20 Jahren gab es für uns sehr viele<br />

unvergessliche Momente. Irgendwie ist jede Tour voll davon. Es<br />

kommt nur darauf an, sie zu sehen. Ein ganz besonderes Highlight<br />

war für uns die persönliche Flugshow eines Bartgeiers.<br />

Vielleicht haben wir so erledigt ausgesehen, dass er baldiges<br />

Futter vermutete.<br />

Uschi: Ich lag im Gras und Hermann hat sich beinahe den<br />

Hals ausgerenkt, um ein möglichst gutes Foto zu erhaschen.<br />

Wir hatten noch nie eine so nahe und lang andauernde Begegnung<br />

mit einem so schönen Tier.<br />

Das klingt in der Tat nach einem einmaligen Bergerlebnis. Was<br />

verbindet euch neben den gemeinsamen Bergtouren sonst<br />

noch alles?<br />

Hermann: Wir sind seit gut zwanzig Jahren ein Paar und<br />

geniessen unsere gemeinsame Zeit sehr. Dass wir dabei beide<br />

so gerne draussen unterwegs sind, verbindet und schweisst<br />

uns zusammen.<br />

Uschi: Die Tatsache, dass wir das auch können, macht<br />

uns sehr dankbar und wir hoffen, dass noch viele weitere Jahre<br />

voller gemeinsamer Bergabenteuer hinzukommen werden.<br />

Weitere einmalige Geschichten aus<br />

50 Jahren Bergleidenschaft<br />

finden Sie während unseres Jubiläumsjahrs<br />

hier in der <strong>Inspiration</strong> und stets<br />

auf unserer Website.<br />

Jeden Tag.<br />

Ein T-Shirt, grenzenlose Möglichkeiten.<br />

Entdecke unser Tech Lite mit neuen Mustern.<br />

14<br />

15


Wegweiser Bächlistock<br />

Der Nordgrat auf den Bächlistock<br />

überrascht mit einigen<br />

schönen Kletterpassagen<br />

und einer ausgesetzten<br />

Abseilstelle.<br />

Auf zum<br />

Jubiläumsgipfel<br />

Zuhinterst im Bächlital steht der 3246 Meter hohe Bächlistock.<br />

Auch wenn der SAC-Führer über den selten besuchten<br />

Gipfel nicht gerade schwärmt – zum 50. Geburtstag von Bächli<br />

Bergsport müssen wir ihm die Ehre erweisen.<br />

Text & Fotos Bernard van Dierendonck


Wegweiser Bouldern im Tessin<br />

Bächlistock Wegweiser<br />

‹1› Faktencheck: Im Führer<br />

wird der Nordgrat auf den<br />

Bächlistock als «wenig<br />

lohnend» beschrieben.<br />

‹2› Hier muss der richtige<br />

Weg sein.<br />

‹ 3 › Tags zuvor regnete<br />

es Bindfäden, aber beim<br />

Aufstieg über den Bächligletscher<br />

empfängt uns ein<br />

traumhafter Bergtag.<br />

‹1›<br />

Tanja Schödler<br />

‹2›<br />

31 Jahre alt. Seit sieben Jahren arbeitet<br />

sie bei Bächli Bergsport in Thun, heute<br />

als Abteilungsleiterin Hartwaren.<br />

• Am liebsten berate ich zu Schlafsäcken und<br />

Campingkochern. Ich mag das Technische<br />

und gleichzeitig erfahre ich so viel über die<br />

Kundin oder den Kunden.<br />

• Im Rucksack dabei habe ich immer ein<br />

Rivella rot. Ich trinke es ausschliesslich auf<br />

Bergtouren, dann finde ich das wunderbar<br />

erfrischend.<br />

• Besonders gerne bouldere und klettere ich.<br />

Sehr gut gefallen mir auch Mehrseillängenrouten,<br />

wie diejenigen am Hintisberg oder<br />

an den Lobhörnern.<br />

• Auf meiner «Bucket List» gibt es Hunderte<br />

Ideen, die ich gerne umsetzen möchte.<br />

Ein Fallschirmsprung, die Besteigung des<br />

Doms und des Eigers über den Mittellegigrat<br />

stehen dabei ganz weit oben.<br />

‹3›<br />

Am schwarzblauen Nachthimmel funkeln die Sterne und es leuchtet<br />

der Mond. Im Schein der Stirnlampen laufen wir schweigend<br />

hintereinander her. Unser regelmässiger Atem und das Knirschen<br />

der Bergschuhe im feinen Kies vereinen sich mit dem Rauschen des<br />

Bächlibaches. Irgendwo löst sich ein Stein aus einer Bergflanke und<br />

kollert in die Tiefe. Sonst herrscht absolute Stille. Wenn man das<br />

frühe Aufstehen überwunden hat, ist das Laufen im noch dunklen<br />

Hochgebirge eine fast schon meditative Erfahrung. Tags zuvor auf<br />

dem Zustieg zur Bächlitalhütte schien der Start in so einen makellosen<br />

Bergtag undenkbar. Beim Loslaufen auf der Staumauer des<br />

Räterichsbodensees rüttelte ein eiskalter Wind an den Kapuzen unserer<br />

Regenjacken. Weiter oben, auf der grossen Schwemmebene<br />

Bächlisboden, ergoss sich ein kräftiger Regenschauer nach dem anderen<br />

über uns. Zu guter Letzt, als wir gerade beim Hüttensee einen<br />

Platz fürs Picknick ausgesucht hatten, scheuchte uns der nächste<br />

Intensivregen unter das trockene Hüttendach.<br />

Wer darf mit zur Bächli-Feier auf dem Bächlistock? Es sind<br />

Tanja Schrödler, Abteilungsleiterin Hartwaren aus Thun, Tamara<br />

Giovanoli, stellvertretende Filialleiterin aus Bern, und Filialleiter<br />

Patrick Goeringer aus Conthey (VS). Geleitet werden sie von den<br />

beiden Bergpunkt-Bergführern Michael Wicky und Bruno Hasler.<br />

Alpinkompass – dies oder das?<br />

Merino<br />

(in den Bergen)<br />

Kunstfaser<br />

(im Sport)<br />

Benzinkocher Gaskocher<br />

Hochtour Klettertour<br />

Klettergarten Bouldern<br />

Trailrunning Wandern<br />

Zelt<br />

Hütte<br />

Kaffee<br />

Tee<br />

Powergel Sandwich<br />

GPS<br />

Landkarte<br />

Wanderstöcke ohne<br />

Hochgebirge Klettern am Meer<br />

Norden<br />

Süden<br />

WHITEOUT 30 | 45<br />

Extrem robust<br />

Wasserdicht<br />

Leicht<br />

Diese durchdachten, superleichten Alpinrucksäcke<br />

sind speziell für den anspruchsvollen Bergeinsatz<br />

sowie Expeditionen konzipiert und bilden die<br />

Spitze der EXPED Alpinrucksack-Linie, wenn es<br />

um minimalistisches Design und eine anwendungsorientierte<br />

Materialauswahl geht. In zwei<br />

Grössen erhältlich.<br />

18<br />

Produkt<br />

myclimate.org/01-20-799878<br />

19<br />

exped.com


Wegweiser Bächlistock<br />

‹1 › Die Metallleitern führen zur<br />

Obri Bächlilicken und damit<br />

zum Anfang des Bächlistock<br />

Nordgrates.<br />

‹2 › Diese Querung im festen<br />

Fels bleibt besonders in<br />

Erinnerung.<br />

Bergschuhe auf die Tritte und bewegt sich trotzdem in einem<br />

konstanten Rhythmus bergauf. Schnell wird klar, dass unsere<br />

beiden Seilschaften mit diesem Gelände überhaupt keine Mühe<br />

haben. Alle sind routiniert unterwegs. So klettert Tanja sehr<br />

gerne Mehrseillängenrouten und hält sich mit Joggen und Velofahren<br />

fit. Bei Tamara ist die Bergsteigerei fester Bestandteil<br />

der Familien-DNA. Sie trifft man immer wieder in Seilschaft mit<br />

ihrem Vater und ihrer Schwester auf Hochtouren im Oberengadin,<br />

und Patrick ist seit jeher so viel wie möglich in den Bergen<br />

unterwegs. Früher auf Hochtouren im In- und Ausland, sogar an<br />

zwei Achttausendern hat er sich schon versucht. Heute ist er<br />

begeisterter Trailrunner.<br />

Zweifel am Planziel<br />

Wie wir schon bei der Planung der ersten Jubiläumstour gelernt<br />

hatten, stimmen die freien Termine des Bächlikaders und<br />

das gute Bergwetter selten überein. Damit wir von einem kurzen<br />

Schönwetterfenster Anfang Juli profitieren können, wurden<br />

diesmal die Dienstpläne und Sitzungen nochmals kurzfristig verschoben.<br />

Denn die Besteigung des Bächlistocks ist ein Termin von<br />

grosser Priorität für Bächlis Geburtstagsjahr. Wenn das Bergsportgeschäft<br />

schon als Namensvetter einen Hochgebirgsgipfel<br />

hat, so gilt es das zu feiern.<br />

Aber als wir die Führerliteratur studierten, begannen wir<br />

an der Grossartigkeit des Plans zu zweifeln. Denn die Routen auf<br />

diesen hintersten und höchsten Gipfel im Bächlital sind alles andere<br />

als Modetouren. Nur über den Ostgrat verliert der SAC-Führer<br />

einige positive Worte. Es handelt sich dabei um eine Tour,<br />

die eine schnelle Seilschaft in fünf Stunden schaffen kann. Dies<br />

ist für unsere siebenköpfige Gruppe vielleicht eine Nummer zu<br />

gross. Wir wollen sicher auf den Gipfel und entscheiden uns darum<br />

für den kürzeren Nordgrat. Dieser wird im Führer mit der<br />

Schwierigkeit ZS- bewertet und etwas abschreckend als «wenig<br />

lohnend, eher für den Abstieg geeignet. Etwas mühsam, lose Felsen.»<br />

beschrieben.<br />

Beim Aufstieg in der frühmorgendlichen Stille in Richtung<br />

Obri Bächlilicken sehen wir weit vor uns Lichtkegel über Geröll,<br />

‹2›<br />

‹1›<br />

Felsplatten und Moränen huschen. Diese schnellen Seilschaften<br />

werden wohl kaum auf dasselbe Ziel wie wir zusteuern. Denn gemäss<br />

Hüttenwart erklimmt höchstens eine Seilschaft pro Saison<br />

den Bächlistock. Tatsächlich beobachten wir bei Tagesanbruch<br />

die Seilschaften am Einstieg zum Ostgrat des 3161 Meter hohen<br />

Gross Diamantstocks. Dessen ausgesetzte Gratkletterei, mit Kletterstellen<br />

im oberen vierten Grad in meist schönem, festem Fels,<br />

ist die Modetour der Region.<br />

Wir schnallen dagegen die Steigeisen unter die Bergschuhe<br />

und seilen uns an. Weiter geht’s über den Bächligletscher.<br />

Dank der klaren Nacht ist der Firn noch pickelhart und ermöglicht<br />

ein regelmässiges, zügiges Steigen. Knapp zwei Stunden<br />

nach dem Aufbruch gelangen wir unter eine rund fünfzig Meter<br />

hohe Felsstufe. Ausgesetzt führt eine Serie Metallleitern über<br />

diese Stufe auf die Obri Bächlilicken. Dieser Übergang zwischen<br />

dem Bächlital und dem einsamen Gauligebiet ist auch der Ort,<br />

an dem der Nordgrat des Bächlistocks beginnt.<br />

Auf den ersten Blick bestätigt sich das Urteil des SAC-Führers:<br />

Der Grat besteht aus lauter lose geschichteten Felsbrocken<br />

und Platten in allen Grössen – Geschirrladen nennt man<br />

das in der Szenesprache. Doch wir lassen uns davon nicht abschrecken<br />

und steigen behutsam am kurzen Seil den beiden<br />

Bergführern hinterher. Das Bewegen im brüchigen Gelände hat,<br />

so befremdend es klingen mag, auch etwas Reizvolles. Statt<br />

dass man Griffe unbesehen auf Zug belastet, stemmt und drückt<br />

man sich behutsam hoch, setzt leichtfüssig wie eine Katze die<br />

«Das Bewegen im<br />

brüchigen Gelände hat, so<br />

befremdend es klingen mag,<br />

auch etwas Reizvolles.»<br />

Was wir im Hochgebirge suchen<br />

So kommen wir speditiv voran, legen das Seil, welches der Bergführer<br />

zur Sicherung um einen Zacken führt, schnell für den Nachfolger<br />

um den nächsten Vorsprung und bleiben dabei im Flow. Der<br />

Grat verwöhnt uns ab und an mit einigen überraschend festen Kletterstellen<br />

im zweiten bis dritten Schwierigkeitsgrad. Besonders in<br />

Erinnerung bleiben eine Querung, bei der wir uns an der spitzen<br />

Gratkante halten und mit den Füssen auf Reibung hinüberhangeln,<br />

und eine ausgesetzte Abseilstelle auf einem grossen Felsturm.<br />

Während einer kurzen Trinkpause wird uns die eindrücklich<br />

wilde Szenerie bewusst, in der wir uns bewegen. Der Blick zurück<br />

über den Zackengrat und weiter bis zum Gipfel des Gross Diamantstocks<br />

ist von rauer Schönheit. Der Tiefblick zwischen den Felstürmen<br />

hinunter auf die sanfte, weisse Schneeoberfläche des Bächligletschers<br />

könnte kontrastreicher nicht sein.<br />

Tamara Giovanoli<br />

25 Jahre alt. Sie arbeitet seit fünf Jahren<br />

bei Bächli Bergsport in Bern und<br />

ist heute stellvertretende Filialleiterin.<br />

• Am liebsten berate ich zu Hochtouren,<br />

von den Schuhen über den Klettergurt<br />

bis hin zu Steigeisen und Pickel.<br />

• In meinem Rucksack immer dabei ist ein<br />

Clifbar. Der Energieriegel ist mein Notnagel.<br />

• Ich liebe den Winter, darum sind Skitouren<br />

meine Lieblingsdisziplin.<br />

• Zuoberst auf meiner «Bucket List» steht<br />

der Biancograt am Piz Bernina. Diesen<br />

möchte ich zusammen mit meinem Vater<br />

und meiner Schwester besteigen.<br />

Alpinkompass – dies oder das?<br />

Merino<br />

Hochtour<br />

Klettergarten<br />

Trailrunning<br />

Zelt<br />

Kaffee<br />

Powergel<br />

GPS<br />

Wanderstöcke<br />

Hochgebirge<br />

Norden<br />

Kunstfaser<br />

Klettertour<br />

Bouldern<br />

Wandern<br />

Hütte<br />

Tee<br />

Sandwich<br />

Landkarte<br />

ohne<br />

Klettern am Meer<br />

Süden<br />

20<br />

21


Wegweiser Bächlistock<br />

Die Bächlitalhütte ist<br />

Ausgangspunkt für<br />

wunderschöne alpine<br />

Kletterrouten und<br />

Hochtouren.<br />

*Zertifiziertes Produkt: climate-id.com/CZSG93<br />

Wir packen unsere Trinkflaschen wieder ein und steigen weiter.<br />

Plötzlich löst sich direkt über mir doch noch ein Felsbrocken. Zum<br />

Glück purzelt er nur aus geringer Höhe auf meinen Oberschenkel und<br />

hinterlässt lediglich einen blauen Flecken. Das mahnt uns weiterhin<br />

zur Vorsicht, und so gratulieren wir uns ohne weitere Zwischenfälle<br />

nach einer Stunde Kletterzeit zum schönen Gipfel des Bächlistocks.<br />

Ich muss an die Erstbesteiger denken, welche bereits vor<br />

136 Jahren auf dem Gipfel des Bächlistocks standen. Im SAC-Heft<br />

«Die Alpen» aus dem Jahr 1892 beschreibt der Pfarrer Heinrich<br />

Baumgartner, wie ihn damals Gewissensbisse plagten: Da sie bei<br />

ihrem ersten Anlauf im faustdicken Nebel kletterten, war er sich<br />

nicht sicher, ob sie tatsächlich auf dem richtigen Spitz einen Steinmann<br />

aufgeschichtet hatten. So organisierte er vier Jahre später<br />

eine zweite Expedition, die er über den Westgrat auf den Nordgipfel<br />

führte. Baumgartner: «Wir sind nicht die so und so vielten, sondern<br />

die ersten; denn wie ein zweiter musternder Blick zeigt, nirgends<br />

eine Spur, dass je vor uns ein menschliches Wesen hier oben gestanden.<br />

(…) Am meisten interessierte und freute mich indessen<br />

mein unmittelbares vis-à-vis, der südliche Bächlistock. (…) auf seinem<br />

Haupte trug er den von uns im September 1888 im dichtesten<br />

Nebel errichteten Steinmann.» Baumgartner war übrigens der<br />

Meinung, dass dieser Gipfel der wahre Gipfel des Bächlistocks sei.<br />

Heute weiss man, dass der Nordgipfel mit 3246 Metern immerhin<br />

um drei Meter höher ist.<br />

So wie der berggängige Pfarrer geniessen auch wir die Aussicht<br />

über die hochalpine Wildnis des Unteraargletschers bis hin<br />

zu Finsteraar-, Lauteraar-, Schreck- und Wetterhorn. Gegenüber,<br />

am Gross Diamantstock, beobachten wir, wie sich auch dort die<br />

ersten Seilschaften dem Gipfel nähern. Einige Stunden später, bei<br />

saurem Most, Kaffee und Kuchen auf der sonnigen Hüttenterrasse<br />

der Bächlihütte, denken wir an den Jubiläumsgipfel zurück. Es ist<br />

nicht nur die Fünfsternewertung einer Modetour, die ein grossartiges<br />

Bergerlebnis auszeichnet. Das Unberührte und Einsame, das<br />

wir auf dem Nordgrat des Bächlistocks fanden – ist es nicht das,<br />

was wir wirklich im Hochgebirge suchen?<br />

Patrick Goeringer<br />

58 Jahre alt. Arbeitet seit 15 Jahren bei<br />

Bächli Bergsport und leitet heute die<br />

Filiale in Conthey (VS).<br />

• Am liebsten verkaufe ich Pickel, Steigeisen<br />

und Sicherungsgeräte – diese Ausrüstung<br />

habe ich immer gerne in den Händen.<br />

• Besonders mag ich Skitouren und im Sommer<br />

Trailrunning. In Zukunft möchte ich wieder<br />

vermehrt Hochtouren unternehmen. Ich<br />

merke, sie fehlen mir zunehmend.<br />

• Lieblingsgebiet? Wenn ich auf einem Gipfel<br />

einen Sonnenaufgang erlebe, dann gibt<br />

mir das so viel Kraft – egal, wo dieser Gipfel<br />

steht.<br />

• «Bucket List»: Sehr gerne möchte ich wieder<br />

zum Bergsteigen in den Himalaja oder<br />

nach Südamerika und mich dort zusammen<br />

mit Kollegen an 6000ern und 7000ern<br />

versuchen.<br />

Alpinkompass – dies oder das?<br />

Merino<br />

Hochtour<br />

Klettergarten<br />

Trailrunning<br />

Zelt<br />

Kaffee<br />

Powergel<br />

GPS<br />

Kunstfaser<br />

Klettertour<br />

Bouldern<br />

Wandern<br />

Hütte<br />

Tee<br />

Sandwich<br />

Landkarte<br />

DEUTER<br />

IS FOR<br />

THE LONG HAUL<br />

<br />

<br />

#deuterforever<br />

Wanderstöcke<br />

Hochgebirge<br />

Norden<br />

ohne<br />

Klettern am Meer<br />

Süden<br />

Infos zur Tour<br />

baechli-bergsport.ch/baechlistock<br />

22<br />

AIRCONTACT ULTRA 40+5<br />

deuter.com


Expert Wanderschuhe<br />

Expert<br />

Auf Schritt<br />

und Tritt<br />

Bei kaum einem Bergsportartikel ist die Auswahl so gross wie bei<br />

Wanderschuhen. Zur richtigen Kaufentscheidung gehören nicht<br />

nur die Passform, sondern auch das geplante Einsatzgebiet und eine<br />

ehrliche Einschätzung der eigenen Trittsicherheit.<br />

Schaft<br />

Je höher und fester der Schaft des Schuhs ist, desto<br />

mehr Stabilität bietet er im Knöchelbereich und<br />

schützt vor Umknicken. Ein etwas niedrigerer und<br />

weicherer Schaft bietet hingegen mehr Flexibilität<br />

und Bewegungsfreiheit. Unabhängig von der Schafthöhe<br />

sollte der Schuh beim Abrollen nirgends am<br />

Bein drücken oder scheuern.<br />

Schnürung<br />

Viele Wanderschuhe haben zwei<br />

Schnürzonen mit Ösen am Rist<br />

und Haken am Schaft. Ein möglicher<br />

Tiefzughaken kann am Übergang<br />

vom Rist zum Schaft den<br />

Schuh in der Ferse fixieren und<br />

ein Herausrutschen verhindern.<br />

Text Hanna Bär<br />

Sie tragen uns weite Strecken, schützen<br />

uns vor dem Umknicken, geben uns Halt,<br />

sorgen für einen sicheren Tritt und im<br />

Idealfall spürt man sie kaum: die Wanderschuhe.<br />

Manch einem fällt es da schwer,<br />

sich nach vielen gemeinsamen Touren vom<br />

ausgedienten Paar zu trennen. Vorausgesetzt,<br />

er hat perfekt gepasst – zum eigenen<br />

Fuss, aber auch zum Einsatzgebiet.<br />

Von der kurzen Wanderung im Unterland<br />

bis zur mehrtägigen Durchquerung in alpinem<br />

Gelände: was man als «Wandergelände»<br />

ansieht, kann sehr individuell sein.<br />

Ebenso gross ist die Auswahl an Wanderschuhmodellen:<br />

vom leichten Mid-Schuh<br />

aus Synthetik über den «klassischen»<br />

Wanderschuh bis hin zum schweren, hohen<br />

Ledermodell.<br />

Doch was genau zählt als Wanderoder<br />

Trekkingschuh? Ausschlaggebend<br />

sind die Schafthöhe und die Steigeisentauglichkeit:<br />

«Ein Wanderschuh deckt<br />

bei uns immer den Knöchel ab. Können<br />

Steigeisen montiert werden, zählt der<br />

Schuh zur Kategorie Bergschuh», erklärt<br />

Produktmanager Kevin Nanzer. In diesem<br />

Rahmen gibt es Wanderschuhe mit unterschiedlichen<br />

Schafthöhen, Sohlensteifigkeit<br />

und aus verschiedenen Materialien.<br />

Entscheidend für die Wahl sind neben der<br />

Passform der konkrete Einsatzbereich und<br />

die dafür benötigte Robustheit und Stabilität<br />

des Schuhs.<br />

Wahl des Schuhtyps<br />

Bei Wanderungen im leichten Gelände und<br />

festem Untergrund bieten Mid-Schuhe mit<br />

einem niedrigen Schaft und vergleichsweise<br />

biegsamer Sohle eine ausreichende<br />

Mischung aus Stabilität und Bewegungsfreiheit.<br />

Der klassische Wanderschuh bietet<br />

etwas mehr Stabilität, etwa durch einen<br />

etwas höheren Schaft oder einen steiferen<br />

Sohlenaufbau, und ist daher ideal für leichtes<br />

alpines Gelände. Wird der Untergrund<br />

felsiger und steiniger, benötigt man einen<br />

robusten und langlebigen Wanderschuh<br />

mit einer torsionsfesten Sohle, der auch<br />

in Geröll genügend Schutz und Stabilität<br />

bietet. Die Grenzen zum Bergsteigen können<br />

fliessend sein. «Auf blau-weiss-blauen<br />

Routen ist man im Bereich Alpinwandern,<br />

und da braucht man auf einem vereisten<br />

Schneefeld vielleicht schon Steigeisen»,<br />

gibt Nanzer zu bedenken. In diesem Fall<br />

sollte man einen Bergschuh mit entsprechend<br />

steifer und gerader Sohle wählen.<br />

Die Torsionssteifigkeit der Sohle ist eines<br />

der Kriterien für die Einteilung von Schuhen<br />

in die Kategorien A bis D – auch überschneidende<br />

Bezeichnungen wie B/C sind<br />

möglich. Wander- und Trekkingschuhe gen im Bereich A/B bis B/C.<br />

Neben der Wegbeschaffenheit hängt die<br />

Wahl des Wanderschuhs auch von der<br />

eigenen Trittsicherheit und dem Gewicht<br />

des Rucksacks ab. «Wer etwas weniger<br />

trittsicher ist, dem empfehle ich einen tendenziell<br />

stabileren Schuh», sagt Nanzer.<br />

Gleiches gilt für längere Wanderungen<br />

in anspruchsvollem Gelände. «Je länger<br />

lieman<br />

in unebenem Gelände unterwegs ist,<br />

desto stärker wird die Fussmuskulatur<br />

beansprucht und die Eigenstabilität des<br />

Fusses nimmt ab», so Nanzer. Schuhe mit<br />

einem höheren Schaft und einer torsionssteiferen<br />

Sohle sorgen hier für die nötige<br />

Stabilität. Das Tragen eines schweren<br />

Illustration: Saija Sollberger<br />

Sohle<br />

Eine Zwischensohle, meist aus<br />

PU oder EVA, federt Stösse beim<br />

Gehen ab und dämpft sie. Die Laufsohle<br />

sorgt mit ihrem Profil für<br />

den nötigen Halt. Sohlen aus weicheren<br />

Gummimischungen haften<br />

besser, härtere sind abriebfester.<br />

Wetterschutzrand<br />

Ist der Schuh auch für den Einsatz in steinigem Gelände<br />

gedacht, wird das Obermaterial am Übergang<br />

zur Sohle durch einen Schutzrand aus Gummi vor<br />

Abrieb geschützt. Dieser bedeckt entweder den Zehen-<br />

und Fersenbereich oder verläuft vollständig um<br />

den Schuh herum.<br />

24<br />

25


Expert Wanderschuhe<br />

Rucksacks verlagert zusätzlich den Körperschwerpunkt<br />

nach oben. Nanzer vergleicht<br />

das mit dem Bau eines Hochhauses:<br />

Je höher ein Haus wird, desto wichtiger ist<br />

ein solides Fundament. Auf Wanderschuhe<br />

übertragen heisst das: «Je schwerer der<br />

Rucksack, desto stabiler muss der Schuh<br />

sein», rät Nanzer.<br />

Mehr Stabilität geht in der Regel<br />

mit einem höheren Eigengewicht der<br />

Schuhe einher: Bei den Damen reicht die<br />

Spanne von 510 Gramm beim leichtesten<br />

Mid-Schuhpaar bis zu 1530 Gramm beim<br />

Yukon Leder von Hanwag, einem hohen<br />

Schuh für anspruchsvolle Bergwanderungen<br />

und lange Trekkingtouren. Bei den<br />

Herren ist die Spanne noch grösser und<br />

reicht von 480 bis 1900 Gramm. Das Gewicht<br />

sollte aber nur dann als Auswahlkriterium<br />

herangezogen werden, wenn der<br />

Schuh für den geplanten Einsatzbereich<br />

stabil genug ist, rät der Schuhexperte.<br />

Innerhalb desselben Einsatzbereiches unterscheide<br />

sich das Gewicht der Modelle<br />

ohnehin meist nur geringfügig.<br />

Eine steifere Sohle bedeutet übrigens<br />

nicht zwangsläufig ein schlechteres Abrollverhalten.<br />

Je nach Modell sind die Sohlen<br />

von Wanderschuhen mehr oder weniger<br />

stark gewölbt. «So kann man trotz steifer<br />

Sohle gut abrollen», sagt Nanzer. Wanderschuhe<br />

mit einer geraderen Sohle und einer<br />

zusätzlichen «Climbing Zone» – einem<br />

meist profillosen Abschnitt mit einer klaren<br />

Kante im vorderen Bereich der Sohle, wie<br />

sie etwa der Zodiac TRK GTX von Scarpa<br />

aufweist –, ermöglichen hingegen ein präziseres<br />

Antreten in felsigem Gelände.<br />

auf das Gewicht ankommt, ist meist ein<br />

Schuh aus Synthetik die richtige Wahl,<br />

wenn Stabilität und Langlebigkeit im Vordergrund<br />

stehen, dann Glattleder. Das<br />

von Nanzer bevorzugte Nubuk- oder auch<br />

Veloursleder liegt hinsichtlich Gewicht,<br />

Robustheit und Pflegeaufwand etwa in der<br />

Mitte. Teilweise werden die Materialien<br />

bei den Schuhmodellen auch kombiniert:<br />

So kommt das robuste Leder im unteren<br />

Bereich des Schuhs zum Einsatz und wird<br />

durch Einsätze aus dem leichteren Synthetik-Textil<br />

am Schaft ergänzt. Wer auf den<br />

klassischen Lederschuh-Look nicht verzichten<br />

möchte, jedoch auf das Material<br />

tierischen Ursprungs, der findet mit dem<br />

Superalp V-Light GTX von AKU ein entsprechendes<br />

Modell.<br />

Gegen Regenwetter und nasse Bedingungen<br />

schafft eine wasserdichte und<br />

dampfdurchlässige Membran Abhilfe, die<br />

in den meisten Wanderschuhen zu finden<br />

ist. Wird ein reiner «Schönwetterschuh»<br />

gesucht, rät Nanzer allerdings zu einem<br />

Schuh ohne Membran. In diesen schwitzt<br />

man vor allem bei warmen Temperaturen<br />

weniger. Wer generell zu schwitzenden<br />

Füssen und Blasen oder Druckstellen<br />

neigt, ist zudem mit einem Schuh mit<br />

Lederinnenfutter gut beraten. Leder hat<br />

von Natur aus Poren, durch die Feuchtigkeit<br />

– eine mögliche Ursache für Blasen<br />

– in Form von Wasserdampf entweichen<br />

kann. «Deshalb geht der Trend in letzter<br />

Zeit wieder etwas mehr zu Lederschuhen»,<br />

verrät der Schuhexperte. Auch bei<br />

«Jeder Fuss ist anders:<br />

Am besten probiert<br />

man verschiedene<br />

Modelle an.»<br />

Kevin Nanzer<br />

Produktmanager Schuhe<br />

Über Stock und Stein, durch ein<br />

Bächlein oder in unwegsamem Gelände?<br />

Bereits bei der Auswahl des<br />

Wanderschuhs gilt es, den späteren<br />

Einsatzbereich mitzudenken.<br />

«Leicht und schnell», so lässt sich der Einsatzbereich<br />

dieses Wanderschuhs aus synthetischem<br />

Obermaterial zusammenfassen. Die Sohle ist ähnlich<br />

wie bei einem Trailrunningschuh aufgebaut:<br />

abgerundet, von der Ferse nach vorne flacher<br />

werdend und mit einer Zwischensohle aus EVA<br />

und Pebax. Das unterstützt das Abrollen und die<br />

Vorwärtsbewegung beim Gehen. Erhältlich als<br />

Herrenmodell «Spark S Mid GTX».<br />

AGATE S MID GTX W<br />

TECNICA<br />

Gewicht: 700 g/Paar<br />

CHF 219.–<br />

Ein wasserdichter Schuh für mittelschwere bis<br />

anspruchsvolle Wanderungen, der durch den hohen<br />

Gummischutzrand auch in steinigem Gelände<br />

vor Abrieb geschützt ist. Technische Felspassagen<br />

können dank der Climbing-Zone im Zehenbereich<br />

der Sohle präzise angetreten werden und<br />

durch die lange Schnürung lässt sich der Schuh<br />

für ein direktes Gefühl eng an den Fuss anpassen.<br />

MESCALITO TREK GTX<br />

SCARPA<br />

Gewicht: 1320 g/Paar<br />

CHF 319.–<br />

Eine Frage des Materials<br />

Beim Obermaterial kann man zwischen<br />

Schuhen aus Glattleder, Rauleder wie Nubuk<br />

oder Velours und synthetischem Material<br />

wählen. «Jedes dieser Materialien<br />

hat seine Vorteile», betont Nanzer. Synthetik<br />

ist leicht, genügsam in der Pflege<br />

und trocknet schnell. Leder hingegen ist<br />

sehr robust und bei richtiger Pflege sehr<br />

langlebig und wasserabweisend. Allerdings<br />

trocknet Leder, wenn es einmal nass<br />

geworden ist, nur langsam und Kratzer<br />

sind schnell sichtbar. «Ich persönlich finde<br />

Nubukleder am besten: Es ist robust,<br />

gut wasserabweisend, langlebig und pflegeleicht»,<br />

verrät Nanzer. Letztlich ist die<br />

Entscheidung eine persönliche: Wenn es<br />

Foto: Ralf Gantzhorn<br />

NEWPORT – DIE SANDALE,<br />

MIT DER ALLES BEGANN.<br />

Hässlich? Vielleicht.<br />

Unverzichtbar? Definitiv.<br />

26<br />

27


Expert Wanderschuhe<br />

Ein anschmiegsamer Klassiker unter den Trekkingschuhen<br />

für anspruchsvolles und steiniges<br />

Gelände. Der hohe Schaft bietet auch mit schwerem<br />

Rucksack auf langen Touren die nötige Stabilität.<br />

Innen und aussen ist der Schuh aus Leder<br />

– das sorgt für ein angenehmes Fussklima und<br />

minimiert die Gefahr von Blasen und Druckstellen.<br />

YUKON LEDER<br />

HANWAG<br />

Gewicht: 1700 g/Paar<br />

CHF 339.–<br />

am Schaft etwas lockerer, hat man mehr<br />

Bewegungsspielraum. Das kann vor allem<br />

bergauf angenehm sein. Vor dem Bergabgehen<br />

macht es Sinn, den Schuh generell<br />

etwas fester zu schnüren, um nicht nach<br />

vorne zu rutschen. «Insbesondere bei Problemen<br />

lohnt es sich, mit der Schnürung zu<br />

experimentieren», rät Nanzer. Zusätzlichen<br />

Halt in der Ferse erhält man etwa, indem<br />

man die Schnürsenkel von oben nach unten<br />

durch die Tiefzughaken führt.<br />

Richtig pflegen<br />

«besonderen» Füssen, wie zum Beispiel<br />

bei einer Fehlstellung des Grosszehenballens<br />

(Hallux valgus), sind Lederschuhe<br />

mit Lederfutter zu empfehlen. Denn das<br />

Material passt sich der Fussform gut an<br />

und lässt sich bei Bedarf gut ausweiten.<br />

Der Tatra II Bunion Leder W von Hanwag<br />

ist so gefertigt, dass er im Ballenbereich<br />

zusätzlichen Platz bietet.<br />

Auf den Fuss geschnitten<br />

Die Leistenform – also das dreidimensionale<br />

Modell des Fusses, auf das der Schuh<br />

zugeschnitten wird – ist für die Passform<br />

eines jeden Schuhs entscheidend. Sie bestimmt<br />

nicht nur die Breite eines Schuhs,<br />

sondern auch den Platz für den Rist nach<br />

oben. Jeder Hersteller verwendet eigene<br />

Leisten, die sich von Modell zu Modell<br />

unterscheiden können. «Jeder Fuss<br />

ist anders: Am besten probiert man verschiedene<br />

Modelle in unseren Filialen an»,<br />

empfiehlt Nanzer. Ein optimal passender<br />

Wanderschuh sollte nirgends drücken und<br />

ausreichend Platz für den Fuss bieten,<br />

aber speziell im Fersenbereich möglichst<br />

fest sitzen. Unabhängig von dem Leisten<br />

wählt man Wanderschuhe in der Regel<br />

mindestens eine Nummer grösser als die<br />

Fusslänge. So hat der Fuss auch beim<br />

Bergabgehen genügend Platz nach vorne.<br />

Dies lässt sich leicht überprüfen, indem<br />

man die Einlegesohle herausnimmt. Der<br />

Fuss wird mit der Ferse hinten bündig darauf<br />

gestellt. «Nach vorne sollte noch etwa<br />

eine Daumenbreite Platz sein», gibt Nanzer<br />

als Richtwert an. Neben dem Leisten beeinflussen<br />

auch die Dehnbarkeit des Obermaterials<br />

sowie eine mögliche Membran<br />

und ein Geröllschutzrand am Übergang<br />

zur Sohle die Passform geringfügig. «Ich<br />

empfehle, immer zehn bis 15 Minuten mit<br />

den Schuhen am Fuss herumzulaufen, um<br />

den Sitz und die allgemeine Passform zu<br />

überprüfen», so der Schuh-Experte. Auch<br />

mögliche Druckstellen des Schuhs lassen<br />

sich so meist schon erkennen. Ein guter<br />

Zeitpunkt für den Schuhkauf ist übrigens<br />

der Nachmittag oder Abend. Der Grund:<br />

Morgens nach dem Aufstehen sind die Füsse<br />

am kleinsten, im Laufe des Tages läuft<br />

man sie sozusagen warm und sie werden<br />

etwas grösser.<br />

Individuelle Anpassungen empfohlen<br />

Hat man ein passendes Modell gefunden,<br />

kann man den Sitz des Schuhs noch durch<br />

den Tausch der Innensohle optimieren. Die<br />

meisten Wanderschuhe sind ab Werk mit einer<br />

eher neutralen, flachen Innensohle ausgestattet.<br />

Hat man zum Beispiel ein hohes<br />

Fussgewölbe, kann eine Sohle mit zusätzlicher<br />

Stütze angenehmer sein und den Fuss<br />

vor allem beim Bergabgehen zusätzlich im<br />

Schuh fixieren. «Das kann einen grossen<br />

Unterschied machen», sagt Nanzer und<br />

empfiehlt, schon beim Schuhkauf verschiedene<br />

Sohlen auszuprobieren. Aber auch<br />

bei Problemen mit Blasen oder Schmerzen<br />

an der Fusssohle kann eine andere Einlegesohle<br />

helfen, ebenso wie eine Variation<br />

der Schnürung. Schnürt man den Schuh<br />

Nach der Tour sollte der Schuh immer gelüftet<br />

und getrocknet werden, am besten<br />

mit herausgenommener Einlegesohle –<br />

das beugt auch der Geruchsbildung vor.<br />

Ist ein Schuh richtig durchnässt, helfen<br />

ein elektrischer Schuhtrockner oder das<br />

Ausstopfen mit Papier. Auf keinen Fall<br />

sollte ein Schuh zum Trocknen auf die<br />

Heizung oder den Ofen oder in die pralle<br />

Mittagssonne gestellt werden. Die Hitze<br />

schadet dem Material, vor allem Leder. Ist<br />

der Schuh von aussen verschmutzt, sollte<br />

er mit Wasser und Bürste, bei starker<br />

Verschmutzung mit Reinigungsschaum,<br />

abgebürstet und anschliessend neu imprägniert<br />

werden. Bei Schuhen aus Synthetik-<br />

und Nubukleder verwendet man etwa<br />

ein Spray. Schuhe aus Glattleder pflegt<br />

man hingegen am besten mit Wachs. Das<br />

dunkelt zwar die Farbe etwas ab, spendet<br />

dem Leder aber Feuchtigkeit und hält es<br />

so geschmeidig wie möglich. «Ich putze<br />

meinen Schuh nach jeder Wanderung»,<br />

sagt Nanzer. Gegen eine Verschleisserscheinung<br />

hilft aber auch die beste Pflege<br />

nichts: Bei der sogenannten «Hydrolyse»<br />

verhärtet sich die Zwischensohle des<br />

Schuhs, wenn sich nach meist vielen Jahren<br />

im Einsatz oder auch nach langer Lagerung<br />

ohne Gebrauch alle Weichmacher<br />

verflüchtigt haben. In der Folge löst sich<br />

meist die Sohle vom Schuh. Ob ein Schuh<br />

auch in diesem Fall wieder besohlt werden<br />

kann, hängt von der Machart des Schuhs<br />

ab: Klebegezwickte Schuhe können wieder<br />

besohlt werden, gestrobelte Schuhe nicht.<br />

Auskunft darüber, um welche Schuhe es<br />

sich handelt, können die Fachleute in den<br />

Filialen geben. Die Kosten für eine Neubesohlung<br />

liegen zwischen 160 und 220<br />

Franken. «Das lohnt sich, wenn der Schuh<br />

gut eingelaufen ist und vorher gut gepflegt<br />

wurde», sagt Nanzer.<br />

ANDY STEINDL<br />

MORE MOUNTAINS IN A DAY<br />

28<br />

TRAVERSE<br />

29


Wegweiser Rettung Rega<br />

Am langen Seil: Per<br />

Rettungswinde werden im<br />

Rahmen einer Übung Patient<br />

und Rega-Arzt aus einer<br />

Schlucht im Göschenertal<br />

geholt.<br />

Bereit für<br />

den Ernstfall<br />

Eine Woche lang hat unser Fotograf Urs Nett<br />

Helikopterübungen der Alpinen Rettung Schweiz mit<br />

der Rega in Erstfeld begleitet – von der Seilbahnevakuation<br />

bis zur Felsrettung per Rettungswinde.<br />

Neben vielen Bildern hat er auch ein Interview<br />

mit dem Rettungsspezialisten und Bergführer<br />

Iwan Infanger festgehalten.<br />

Text Urs Nett & Thomas Ebert, Fotos Urs Nett


Wegweiser Rettung Rega<br />

Eine umfangreiche Bildgalerie<br />

finden Sie auf:<br />

baechli-bergsport.ch/rettung-rega<br />

‹1›<br />

‹5›<br />

‹6›<br />

‹1› Übung einer Seilbahn-Evakuation<br />

an der Bahn Attinghausen-Brüsti.<br />

Zwischen den Tragseilen der Gondeln<br />

ist die Luftrettung besonders<br />

anspruchsvoll.<br />

‹2›<br />

‹2› Ein Rettungsspezialist wird für<br />

eine Wandbergung an der Winde<br />

abgelassen. Der Rettungssanitäter<br />

bedient per Joystick die Winde und<br />

ist die Schnittstelle zwischen Pilot<br />

und Rettungsspezialist.<br />

‹3›<br />

‹4›<br />

‹3› Nach ersten medizinischen<br />

Massnahmen wird der Patient im<br />

Bergesack ausgeflogen.<br />

‹4› Übungsszenario: Die Rega-Notärztin,<br />

für die zuvor mit Bohrhaken<br />

eine Abstiegsmöglichkeit geschaffen<br />

wurde, nimmt mit einem blockierten<br />

Strahler Erstkontakt auf.<br />

‹5› Ein verunfallter Sportkletterer<br />

wird in diesem Übungsszenario<br />

nahe Isenthal per Rettungswinde<br />

aus der Wand gerettet.<br />

‹6› Wo der Helikoptereinsatz<br />

nicht möglich ist, muss terrestrisch<br />

gerettet werden. Übung im<br />

Stägwald bei Erstfeld.<br />

32<br />

33


Wegweiser Rettung Rega<br />

«Mentale Stärke und<br />

Belastbarkeit sind wichtig»:<br />

Rettungsspezialist Iwan<br />

Infanger nach der Übung<br />

auf der Göscheneralp, die er<br />

überwacht hat.<br />

Wie bist du Rettungsspezialist Helikopter<br />

(RSH) geworden?<br />

Ich war damals als 18-Jähriger in der Rettungskolonne<br />

tätig, wurde Bergführer und<br />

war viel in den Bergen unterwegs. Über andere<br />

Rettungsspezialisten, die mich direkt angefragt<br />

haben, bin ich in das Umfeld der RSH<br />

reingerutscht. Es folgte die Grundausbildung<br />

bei der Alpinen Rettung Schweiz ARS und die<br />

Trainingswoche. Heute müssen die RSH-Aspiranten<br />

zuerst etliche Ausbildungsmodule<br />

durchlaufen. Bergführer zu sein ist keine<br />

Pflichtvoraussetzung, aber erwünscht.<br />

Welche Eigenschaften, welchen Charakter<br />

sollte ein zukünftiger RSH mitbringen?<br />

Charakterlich sind mentale Stärke und<br />

Belastbarkeit wichtig. Dazu natürlich das<br />

alpintechnische Können: Es braucht den<br />

Alpinisten, der viel und aktiv in den Bergen<br />

unterwegs ist.<br />

Welche Eigenschaften sollte er nicht mitbringen?<br />

Er sollte kein Eigenbrötler und dadurch<br />

nicht teamfähig sein. Teamfähigkeit ist<br />

das A und O.<br />

Wie ist der Umgang mit Verunfallten nach<br />

dem Einsatz – gibt es ein Dankeschön, oder<br />

sitzt der Schock bei vielen noch zu tief?<br />

Gelegentlich erhalten wir Rückmeldungen<br />

und auch mal ein Geschenk von Geretteten,<br />

aber im Allgemeinen eher selten.<br />

Wie sieht es mit der Nachwuchsrekrutierung<br />

aus?<br />

Wir schätzen uns diesbezüglich in der<br />

glücklichen Lage, dass wir keinerlei Nachwuchsprobleme<br />

haben, im Gegenteil.<br />

Wie hoch ist die «Aussteiger-Quote» –<br />

gibt es Phänomene wie Burn-out?<br />

Wir haben eine äusserst geringe Aussteigerquote.<br />

Die allermeisten bleiben viele<br />

Jahre lang dabei, oftmals bis sie die Altersgrenze<br />

für RSH von 60 Jahren erreichen.<br />

Während eures Weiterbildungskurses habe<br />

ich ausschliesslich Männer in der Funktion<br />

RSH angetroffen, gibt es auch Frauen?<br />

Spontan kommt mir keine Frau in den<br />

Sinn, welche als RSH tätig ist. In den Rettungskolonnen<br />

sind aber viele Frauen tätig,<br />

auch als Rettungs-Chefinnen.<br />

Für welche Art von Einsätzen werdet ihr<br />

als RSH aufgeboten?<br />

Das kann bei der Rettung von verunfallten<br />

oder blockierten Alpinisten, Kletterern, Pilzsammlern,<br />

Wanderern, Jägern, Skitourengehern,<br />

Basejumpern, Bikern etc. sein. Auch bei<br />

Lawinenverschüttungen und Spaltenstürzen,<br />

bei Canyoning-Unfällen oder bei eingeklemmten<br />

Personen, was bei Strahlern (Kristallsuchern)<br />

und Bergsteigern ab und zu vorkommt.<br />

Bei Unfällen mit Hängegleitern, die sich etwa<br />

in Bäumen oder Tragseilen verhangen haben,<br />

auch bei Seilbahn-, Gondel- oder Liftevakuationen<br />

werden wir aufgeboten.<br />

Wie viele Einsätze leistet ihr als RSH der<br />

Alpinen Rettung Zentralschweiz (ARZ) ca.<br />

pro Jahr?<br />

Rund 100 Einsätze im Jahr.<br />

NEOX ®<br />

TAKE YOUR BELAY GAME<br />

TO THE NEXT LEVEL<br />

«Die Leute sind<br />

unglaublich froh, dass<br />

wir da sind.»<br />

Bergführer und Rettungsspezialist Helikopter Iwan Infanger im Interview<br />

Interview Urs Nett & Thomas Ebert<br />

34<br />

35<br />

Nina Caprez © <strong>2024</strong> - Petzl Distribution - Lafouche


Wegweiser Rettung Rega<br />

Hat die Zahl der geleisteten Einsätze in<br />

den letzten Jahren zugenommen?<br />

Ja, die Anzahl der Einsätze hat in den vergangenen<br />

Jahren stetig leicht zugenommen.<br />

Und im Vergleich zu vor 25 Jahren sind es<br />

viel mehr Einsätze geworden. Grund dafür<br />

ist, dass immer mehr Menschen in den Bergen<br />

unterwegs sind und Outdooraktivitäten<br />

im Alpenraum zugenommen haben.<br />

Wie läuft ein typischer Einsatz aus Sicht<br />

von dir als RSH ab?<br />

Auf der Aufgebots-App erscheint eine Kurzmeldung<br />

mit der «Ist-Situation». Dort steht<br />

der Ort des Einsatzes inklusive Kartenausschnitt,<br />

die Anzahl betroffener Personen und<br />

der Alarmierungsgrund. Dann kann ich auf<br />

der App antworten: A = sofort bereit, B = in 20<br />

Minuten bereit, C = bedingt bereit, D = nicht<br />

bereit. Diese Aufgebotsmeldung geht an<br />

sämtliche dem Einsatzgebiet zugeteilten<br />

RSH. Aufgrund der Rückmeldungen wählt<br />

der Einsatzleiter in der Einsatzzentrale der<br />

Rega einen RSH aus.<br />

Und wenn du ausgewählt wirst?<br />

Dann erfolgt sogleich ein Anruf von der Einsatzleitung<br />

mit einem kurzen Briefing, bei<br />

welchem wir besprechen, wo mich der Helikopter<br />

abholt. Dann mache ich mich bereit<br />

und werde vom Rega-Helikopter abgeholt,<br />

der innert fünf Minuten nach Alarmierung<br />

bereits in der Luft ist. Während des Anflugs<br />

zum Einsatzort sprechen wir uns innerhalb<br />

der Helikoptercrew ab. Am Einsatzort angelangt<br />

macht der Helikopter zuerst einen<br />

kurzen Reko-Flug, um sich eine Übersicht<br />

zu verschaffen. Hier ist die Beurteilung und<br />

die Einschätzung der alpinen Gefahren und<br />

Rettungsmöglichkeiten durch den RSH von<br />

entscheidender Wichtigkeit.<br />

Wie geht es dann weiter?<br />

Gehen wir mal zum Beispiel von zwei blockierten,<br />

unterkühlten Klettersteiggehern<br />

aus: Nach Beurteilung der Lage entscheiden<br />

wir uns, ganz in der Nähe auf einem<br />

Zwischenlandeplatz, etwa einer Alpenwiese,<br />

zu landen, und dort das nicht benötigte<br />

Material sowie den Arzt auszuladen. Somit<br />

hat der Helikopter nun auch mehr Leistung<br />

zur Verfügung. Der Windenoperateur im Helikopter<br />

lässt mich dann mit der Rettungswinde<br />

punktgenau zu den beiden Patienten<br />

im Klettersteig hinab. Sobald ich Kontakt mit<br />

dem Felsen habe, sichere ich mich und hän-<br />

ge den Windenhaken aus, damit der Helikopter<br />

wieder frei ist. Nun erkundige ich mich<br />

nach dem Wohlbefinden der beiden Klettersteiggeher<br />

und entscheide in diesem Fall,<br />

dass kein Arzt oder weitere Gerätschaften<br />

eingeflogen werden müssen. Dann bereite<br />

ich beide für die Evakuation vor. Wenn wir<br />

bereit sind, fliegt uns der Helikopter in zwei<br />

Rotationen aus der Wand aus und setzt uns<br />

unten auf dem Zwischenlandeplatz ab, wo<br />

uns der Rega-Notarzt oder die Notärztin in<br />

Empfang nimmt. Nach der Erstversorgung<br />

durch den Notarzt fliegen wir auf direktem<br />

Weg ins Spital, um die beiden unterkühlten<br />

Patienten zu übergeben. Wenn dies geschehen<br />

ist, fliegt mich der Helikopter wieder an<br />

meinen Abhol-Standort zurück. Mit meinem<br />

Einsatzbericht schliesse ich den Einsatz ab.<br />

Wie fühlt es sich an, wenn man sich vom<br />

Windenhaken ausklinkt und sich plötzlich<br />

mit einem vielleicht panischen Bergsteiger<br />

mitten in einer exponierten Wand befindet?<br />

Panisch ist nur sehr selten jemand. Die Leute<br />

sind in der Regel unglaublich froh, dass wir<br />

nun da sind. Auch hören sie uns meistens gut<br />

zu. Wir erklären ihnen kurz, welche nächsten<br />

Schritte wir geplant haben. Auch warum wir<br />

es so machen müssen – etwa, wenn wegen<br />

Nebel kein Ausfliegen möglich ist und wir uns<br />

gemeinsam abseilen müssen. Dass wir laut<br />

und deutlich werden müssen, ist sehr selten.<br />

Welchen Rettungseinsatz vergisst du nie<br />

mehr?<br />

Das war ein Einsatz vor mehr als zehn Jahren.<br />

An einem Geländeüberhang brach eine<br />

Skifahrerin ein und fiel etwa zwölf Meter in<br />

einen darunter liegenden, verdeckten Wasserfall-Schacht.<br />

Das Becken war gebrochen<br />

und sie lag schwer verletzt tief unten im<br />

eiskalten Schmelzwasser. Ihr Begleiter<br />

setzte beim Einsturzloch im angefrorenen<br />

Lawinenschnee Eisschrauben und seilte<br />

sich zu der Frau in den Wasserfallschacht<br />

ab. Es gelang ihm, die Verletzte unten im<br />

Schacht aus dem Wasser zu ziehen und auf<br />

einem kleinen Podest zu platzieren. Beim<br />

Wiederaufstieg lösten sich die Eisschrauben<br />

und er fiel ebenfalls in den Schacht.<br />

Glücklicherweise war er nur leicht verletzt.<br />

Mit zwei Eisschrauben arbeitete er<br />

sich dann Trittschlinge für Trittschlinge<br />

aus dem Schacht. Allerdings waren beide<br />

Handys durch das Schmelzwasser unbrauchbar.<br />

Der Begleiter musste also völlig<br />

Rettungsspezialist im<br />

Anflug: Iwan Infanger<br />

während der Übung einer<br />

Gondel-Evakuation.<br />

erschöpft noch die weitere Abfahrt auf sich<br />

nehmen. Zum Glück waren Einheimische zu<br />

dieser Zeit in einer Hütte hinten im Tal, die<br />

ihn sahen. Sie alarmierten die Rega.<br />

Und dann kamst du ins Spiel …<br />

Der Helikopter holte mich ab und flog mich<br />

zum Unfallort. Wegen der Lawinengefahr<br />

entschied ich mich, allein zur verunfallten<br />

Skifahrerin zu gelangen, um den Notarzt<br />

und die gesamte Crew nicht unnötig zu<br />

gefährden. Es gelang mir, etwas weiter<br />

oben im Felsen, einen Stand zu bohren, an<br />

welchem ich einen Flaschenzug einrichten<br />

konnte. In der Zwischenzeit wurde der von<br />

mir angeforderte zweite Bergretter eingeflogen.<br />

Ich seilte mich zu der verunfallten<br />

Skifahrerin in den Schacht herunter. Dann<br />

konnten wir die Frau mit dem Flaschenzug<br />

aus dem Wasserfallschacht retten<br />

und ausfliegen. Später erfuhr ich, dass sie<br />

überlebt hatte und nach diesem Unfall entschieden<br />

hatte, Medizin zu studieren.<br />

Nicht immer geht es so gut aus. Als RSH<br />

bist du oft auch mit belastenden Situationen<br />

konfrontiert. Wie gehst du damit um?<br />

Für mich ist dies eine der Herausforderungen<br />

in meinem Job, das Mentale. Es ist im<br />

Anschluss wichtig für mich, das Geschehene<br />

für mich selbst zu verarbeiten. Auch mit<br />

meiner Frau kann ich mich jederzeit aussprechen.<br />

Aber ich spreche hier für mich,<br />

jeder Retter handhabt dies etwas anders.<br />

Wenn ein RSH möchte, kann er auch jederzeit<br />

auf ein Care-Team oder eine Fachperson<br />

der Rega zurückgreifen.<br />

Was sind die aktuellen Herausforderungen<br />

der ARS-Rettungsstation Gotthard?<br />

Dass wir immer die Zeit für die zahlreichen<br />

gemeinsamen Trainings mit der Rega finden.<br />

Sind die Berggänger in den letzten Jahren<br />

unvernünftiger geworden?<br />

Für uns ist es nicht relevant, warum die<br />

Unfälle passieren. Eine mögliche Erklärung<br />

für die zunehmenden Einsatzzahlen ist zum<br />

Beispiel, dass viele Leute nicht mehr Vollzeit<br />

arbeiten und darum in der Freizeit auch<br />

unter der Woche in den Bergen anzutreffen<br />

sind. Dies betrifft sämtliche Freizeitaktivitäten.<br />

Und wo mehr Leute unterwegs sind,<br />

gibt es auch mehr Unfälle.<br />

Bist du privat auch auf Bergtouren unterwegs,<br />

wenn ja, auf welchen, und wie<br />

würdest du dein Risikomanagement beschreiben?<br />

Wenn ich in den Bergen unterwegs bin, muss<br />

es mir in erster Linie Freude bereiten. Ich<br />

bin jedoch überlegt unterwegs, kopflose<br />

Aktionen sind nicht mein Ding. Aber es ist<br />

sicher nicht so, dass ich wegen meiner Tätigkeit<br />

als RSH übervorsichtig bin oder ständig<br />

an mögliche Unfallgefahren denke. Ich finde,<br />

man muss dies klar trennen können. Wenn<br />

es belastend ist, hat man gewisse Einsätze<br />

nicht richtig verarbeitet.<br />

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit<br />

mit der Rega?<br />

Wir haben auf der Rega-Basis in Erstfeld<br />

eine sehr angenehme und kollegiale Zusammenarbeit,<br />

bei welcher wir uns auch<br />

gegenseitig wertschätzen. Der «Kitt» im<br />

Team ist sehr gut, was bei schwierigen Einsätzen<br />

auch sehr wichtig ist.<br />

Arbeitet ihr bei euren Rettungen ausschliesslich<br />

mit der Rega zusammen oder auch mit<br />

privaten Helikopter-Unternehmen?<br />

Je nach Situation, oder wenn ein zweiter<br />

Helikopter benötigt wird, arbeiten wir<br />

auch mit kommerziellen Helikopter-Unternehmen<br />

zusammen, zum Beispiel für<br />

einen Transporthelikopter zum Einsatzort.<br />

Wie ist man als Rettungsspezialist versichert?<br />

Wenn wir als RSH aufgeboten werden,<br />

sind wir über die Alpine Rettung Schweiz<br />

versichert. Dies ist auch während den<br />

Trainings der Fall.<br />

Was hat sich seit deinen Anfängen als Rettungsspezialist<br />

im Rettungswesen verändert?<br />

Die Einsätze sind im Allgemeinen mehrheitlich<br />

dieselben geblieben. Jedoch haben<br />

sich die Berge- und Rettungsmittel<br />

stark verändert. Hier haben wir, auch bei<br />

uns in Erstfeld, in den letzten Jahren viel<br />

Arbeit für die Weiterentwicklung geleistet.<br />

Auch wurden die Helikopter immer<br />

weiterentwickelt und die Rettungswinden<br />

optimiert. So sind zum Beispiel die heutigen<br />

Windenseile mit 90 Metern viel länger<br />

als früher.<br />

Was möchtest du aus Sicht des Retters<br />

uns Wanderern und Bergsteigern noch mit<br />

auf den Weg geben?<br />

Dass man sich vom Schwierigkeitsgrad<br />

her gesehen wieder vermehrt «step by<br />

step» hocharbeitet und nicht gleich oben<br />

einsteigt, was oftmals zu Überforderungen<br />

und gefährlichen Situationen führt.<br />

36<br />

37


Expert Karabiner<br />

Expert<br />

Gut verbunden<br />

Als verbindendes Element sind Karabiner im Bergsport<br />

unverzichtbar: Sie sind die entscheidende Schnittstelle<br />

zwischen Mensch, Berg und Seil. Welcher Aufwand hinter<br />

ihrer Produktion steckt und wo welche Karabinerform<br />

zum Einsatz kommt, klären wir in unserer Rubrik Expert.<br />

Text Alexandra Schweikart<br />

Karabiner wurden schon lange vor ihrer<br />

Anwendung im Bergsport für militärische<br />

und nautische Zwecke verwendet. Auch<br />

bei Rettungsdiensten wie der Feuerwehr<br />

fanden sie Anwendung. Diese frühen Karabiner<br />

waren einfache Metallhaken mit<br />

einem Federmechanismus zum schnellen<br />

Ein- und Aushängen von Seilen oder<br />

Waffen. Heutige Bergsportkarabiner bestehen<br />

überwiegend aus Aluminium, genauer<br />

gesagt aus Aluminiumlegierungen.<br />

Aluminium besitzt ein ideales Kraft-Gewichts-Verhältnis<br />

und ist unter optimalen<br />

Nutzungsbedingungen lange haltbar. In<br />

der Industrie, in Kletterhallen oder auch<br />

bei Slackline- und Rettungssituationen<br />

kommen hingegen vermehrt Stahlkarabiner<br />

zum Einsatz. Diese sind zwar schwerer,<br />

erzielen jedoch höhere Haltekräfte<br />

und sind noch langlebiger.<br />

Die einzigartige Funktion der Karabiner<br />

besteht darin, dass sie sich werkzeugfrei<br />

öffnen lassen und automatisch<br />

in ihre geschlossene Form zurückschnappen,<br />

wenn man sie loslässt. Dies wird entweder<br />

durch filigrane Federn oder durch<br />

die Spannung erreicht, die aus der Verdrehung<br />

des Drahtes bei Drahtschnappern<br />

resultiert.<br />

Herstellung<br />

Karabiner werden durch Heiss- oder Kaltverformung<br />

oder aus einem runden Aluminiumstab<br />

gebogen. Filigrane, gewichtsoptimierte<br />

Formen entstehen meist durch<br />

Heissschmieden, bei dem Aluminium auf<br />

hohe Temperaturen erhitzt und mit Hochdruckpressen<br />

geformt wird. Dies ermöglicht<br />

komplexe Formen mit hoher Festigkeit<br />

und minimalem Gewicht. Kaltschmieden<br />

hingegen erfolgt bei Raumtemperatur und<br />

kann die Festigkeit und Oberfläche des<br />

Endprodukts verbessern, ist jedoch in Bezug<br />

auf die Komplexität der herstellbaren<br />

Formen begrenzt. Nach dem Schmieden<br />

werden die Karabiner verschiedenen Veredelungsprozessen<br />

unterzogen, etwa dem<br />

Eloxieren. Dies verbessert die Korrosionsbeständigkeit<br />

und bringt Farbe ins Spiel.<br />

Anschliessend werden die Karabiner rigorosen<br />

Tests auf Festigkeit und Zuverlässigkeit<br />

unterzogen, um sicherzustellen, dass<br />

sie die strengen Sicherheitsstandards erfüllen.<br />

Der finale Zusammenbau beinhaltet<br />

das Anbringen des Schnappers, der Feder<br />

und des Drückers, gefolgt von weiteren<br />

Qualitätskontrollen.<br />

Auf einem Karabiner, der zum Klettern<br />

geeignet ist, sind verschiedene Mar-<br />

kierungen obligatorisch. Dazu gehören<br />

der Herstellername, die Norm, nach der<br />

der Karabiner geprüft wurde (EN), das<br />

Prüfinstitut (CE) und die Mindestbruchlast,<br />

die der Karabiner im Test ausgehalten<br />

hat. Je höher die Werte über der Mindestanforderung<br />

liegen, desto grösser ist<br />

die Sicherheitsreserve im Fall der Fälle.<br />

Karabinerformen<br />

Historisch wurden Karabiner in ovaler<br />

Form hergestellt. Schnell kam man jedoch<br />

auf den Gedanken, dass eine Art<br />

D-Form ideal ist. D-förmige Karabiner<br />

fördern die Belastung des Karabiners in<br />

seiner stärksten Ausrichtung, indem sie<br />

Lasten zur «Wirbelsäule» des Karabiners<br />

hin zwingen. Ein Offset-D verfeinert dieses<br />

Grunddesign, indem es die obere Karabinerseite<br />

verlängert und dadurch das<br />

interne Volumen erhöht. Dies verbessert<br />

die Handhabung und die Kompatibilität<br />

mit dicken Seilen und Schlingen. Alle<br />

Karabiner, die in Expressschlingen eingesetzt<br />

werden, haben diese Grundform.<br />

Ovale Karabiner sind beliebt bei Seilarbeiten<br />

und Baumpflege, da sie mehrere<br />

Verbindungselemente, Schlingen, Seile<br />

oder Umlenkrollen aufnehmen können.<br />

Illustration: Saija Sollberger<br />

38<br />

39


Expert Karabiner und Haken<br />

Karabiner Expert<br />

40<br />

D<br />

O<br />

HMS<br />

SICHERUNGS-<br />

KARABINER<br />

Heissgeschmiedet wird bei<br />

knapp 200 °C in Pressen, die<br />

über tausend Tonnen Kraft<br />

ausüben können.<br />

Die wichtigsten Karabinerklassen und ihre Mindest-Haltewerte<br />

KLASSE TYP LÄNGS (kN) QUER (kN) OFFEN (kN)<br />

B Basiskarabiner 20 7 7<br />

H HMS-Karabiner 20 7 6<br />

K Klettersteig Karabiner 20 7 8<br />

T Karabiner mit Seilpositionierung 20 – 7<br />

X Ovalkarabiner 18 7 5<br />

Karabinerformen<br />

Sie eignen sich auch für die Absturzsicherung<br />

und Rettungssysteme. Die runde<br />

Form sorgt dafür, dass sich alle Verbindungspunkte<br />

bei Belastung selbst zentrieren.<br />

Ihre symmetrische Form bedeutet,<br />

dass der Karabiner in jeder Ausrichtung<br />

gleich funktioniert. Ein HMS-Karabiner erleichtert<br />

die Anwendung einer Halbmastwurfsicherung<br />

(HMS-Knoten). Moderne<br />

HMS-Karabiner besitzen eine birnenförmige<br />

Gestalt. Beim Sichern ermöglicht die<br />

breite Kopfform des Karabiners, dass das<br />

Seil geschmeidig ausgegeben und eingeholt<br />

werden kann. Diese Form erlaubt es<br />

dem HMS-Knoten, leicht «umzuspringen»,<br />

also von einer Seite des Karabiners auf die<br />

andere zu gleiten, was flüssiges Sichern<br />

gewährleistet. Das schmalere Ende des<br />

Karabiners, das sich im Standplatz oder<br />

im Anseilring des Klettergurtes befindet,<br />

soll ein ungewolltes Verdrehen verhindern.<br />

Sicherungskarabiner haben oft eine<br />

HMS-Form, sodass man ein Sicherungsgerät<br />

bequem einhängen kann. Zusätzlich<br />

besitzen sie einen Verdrehschutz. Dieser<br />

verhindert, dass sich der Karabiner beim<br />

Sichern in eine ungünstige Position dreht.<br />

Der Verdrehschutz ist entweder ein Draht,<br />

der den Karabiner am Gurt fixiert, oder<br />

ein Plastik-Clip, mit dem man die Karabineröffnung<br />

zusätzlich verschliessen kann.<br />

Schnapper werden in Expressen verwendet,<br />

wo schnelles Ein- und Aushängen<br />

wichtig ist. Hier unterscheidet man solide<br />

Schnapper und Drahtschnapper. Letztere<br />

haben neben dem geringeren Gewicht<br />

den Vorteil, dass sie mangels Massenträgheit<br />

beim schnellen Aufschlagen auf den<br />

Fels nicht öffnen. Ein Schnappkarabiner<br />

ist grundsätzlich genauso stabil wie ein<br />

Schraubkarabiner – solange er geschlossen<br />

bleibt. Öffnet er sich, reduziert sich<br />

seine Haltekraft erheblich. In Situationen,<br />

wo der Karabiner nicht aufgehen darf, wie<br />

beim Sichern oder im Toprope, verwendet<br />

man einen Schraubkarabiner oder noch<br />

besser einen Safebiner. Dieser verfügt über<br />

mehrere Sicherheitsmechanismen (z. B.<br />

Tri-Lock, Ball-Lock oder Twistlock) und unterbindet<br />

ungewolltes Öffnen.<br />

Expressschlingen werden etwa seit<br />

den 1970er-Jahren genutzt. Sie revolutionierten<br />

das Sportklettern durch die<br />

Kombination von zwei Schnappern: Zum<br />

einen erleichtern sie das Einhängen, zum<br />

anderen wird die Seilreibung dank besserer<br />

Seilführung erheblich gemindert.<br />

Beim Wechsel vom Kletterhallensport<br />

zum Fels legt man sich meist den ersten<br />

Satz Expressschlingen zu. In den Voralpen<br />

reichen oft zehn Stück, während es<br />

in Spanien und Griechenland in längeren<br />

Routen bis zu 20 Haken zu klippen gilt. Expressschlingen<br />

sollten gut in der Hand liegen,<br />

mit geschmeidigen und ausreichend<br />

grossen Schnappern, um das Einklemmen<br />

der Finger zu vermeiden. Der untere Karabiner<br />

darf leicht gebogen sein, um das<br />

Einklippen des Seils zu erleichtern, und<br />

Drahtschnapper sind meist leichter als<br />

solide Schnapper. Als Faustregel gilt, dass<br />

der Karabiner, der am Fels hängt, robust<br />

und langlebig sein sollte, während der Karabiner,<br />

der das Seil hält, einfach zu bedienen<br />

sein muss. Die Länge der Schlinge<br />

kann je nach Route variieren – längere<br />

Schlingen reduzieren die Seilreibung und<br />

helfen, den Seilverlauf zu verbessern.<br />

Klein, kleiner, Spielzeug?<br />

In Situationen, in denen jedes Gramm<br />

zählt, experimentieren Gewichtsfanatiker<br />

gern mit kleinen, leichten Karabinern und<br />

GLORYFY<br />

GREEN<br />

Expressen, denn hier lässt sich ordentlich<br />

Ballast einsparen. Mini-Karabiner gibt es<br />

als Zubehör zwar schon lange, allerdings<br />

waren diese in der Regel mit der einschränkenden<br />

Prägung «Not for climbing»<br />

versehen, da sie nicht den Bruchlastnormen<br />

entsprachen. Doch inzwischen gibt es<br />

normkonforme Drahtschnapper, die weniger<br />

als 20 Gramm auf die Waage bringen.<br />

«Beim Einkauf von Hardware legen wir grössten<br />

Wert auf Qualität und Funktionalität. Die individuellen<br />

Vorteile unserer Produkte können Sie direkt in<br />

unseren Filialen selbst erleben und ausprobieren!»<br />

TÜV SÜD analyzed sustainability 64.49% www.gloryfy.com/green<br />

Matthias Schmid<br />

Produktmanager Hartwaren<br />

Allerdings sind diese Mini-Karabiner so<br />

klein, dass man fast eine Lupe braucht, um<br />

den winzigen Schnapper und den schmalen<br />

Öffnungswinkel zu erkennen, und der<br />

dünne Querschnitt, über den das Seil läuft,<br />

erinnert fast an Spaghetti. Auch wenn sie<br />

für den Dauereinsatz im Klettergarten in<br />

puncto Handhabung und Haltbarkeit eher<br />

suboptimal sind – die geforderten Normen<br />

gloryfy Brillen werden inmitten der Zillertal Alpen hergestellt um mit dir durch dick und dünn zu gehen.<br />

Die perfekte Kombination aus Style, Innovation, Funktion und Nachhaltigkeit.<br />

erfüllen sie allemal. Ihre grosse Stärke,<br />

das geringe Gewicht, spielen Leichtgewichtsschnapper<br />

bei langen Zustiegen<br />

oder im ambitionierten Alpinismus aus,<br />

wenn es auf jedes Gramm ankommt. Auch<br />

als Not- bzw. Reservekarabiner oder als<br />

Bestandteil eines ultraleichten Spaltenrettungs-Sets<br />

können die Leichtgewichte zum<br />

Einsatz kommen.<br />

41


Expert Karabiner<br />

Hakensortiment bei<br />

Bächli Bergsport<br />

Für die Sanierung und Erschliessung von<br />

Kletterrouten bietet Bächli Bergsport ein<br />

umfassendes Sortiment an. Von Bolzenankern<br />

und Laschen bis hin zu Klebehaken<br />

und sogar wiederverwendbaren Bohrhaken<br />

ist alles verfügbar. Auch Steinbohrer in der<br />

passenden Stärke für Haken und Umlenker<br />

sind im Angebot. Wer die klassischen Routen<br />

in den Dolomiten oder in anderen historischen<br />

Gebieten erkunden möchte, findet<br />

hier auch Schlaghaken und Felshammer<br />

in bester Qualität. Ein besonderes Highlight<br />

ist der Yosemite Hammer von Black<br />

Diamond, der nicht fehlen darf, wenn in<br />

Bigwalls ordentlich «genagelt» wird: Sein<br />

speziell geschmiedeter Hammerkopf erfüllt<br />

gleich mehrere Funktionen, und der Schaft<br />

aus Hickoryholz dämpft Vibrationen beim<br />

Hämmern effektiv.<br />

PETZL<br />

SCREW-LOCK<br />

Gewicht: 70 g<br />

CHF 16.–<br />

MAMMUT<br />

SENDER KEYLOCK 12 CM<br />

QUICKDRAW<br />

Gewicht: 77 g<br />

CHF 22.–<br />

WILD COUNTRY<br />

HMS XENON<br />

Gewicht: 71 g<br />

CHF 19.–<br />

BLACK DIAMOND<br />

LITEFORGE SCREWGATE<br />

Gewicht: 45 g<br />

CHF 14.–<br />

DMM<br />

SPECTRE QUICKDRAW<br />

Gewicht: 75 g<br />

CHF 19.–<br />

Lebensdauer<br />

EDELRID<br />

STRIKE SCREW FG<br />

Gewicht: 62 g<br />

CHF 23.–<br />

EDELRID<br />

NINETEEN G<br />

Gewicht: 20 g<br />

CHF 11.–<br />

Aluminiumlegierungen sind theoretisch<br />

unendlich haltbar und werden<br />

mit der Alterung interessanterweise<br />

eher stabiler. Ein kleiner Schraubkarabiner,<br />

den man zum Standplatzbau<br />

verwendet, kann endlos<br />

halten, wenn man ihm gelegentlich<br />

Aufmerksamkeit schenkt, indem<br />

man ihn mit Wasser reinigt und<br />

mit Feinmechaniköl (beispielsweise<br />

Ballistol) schmiert. Karabiner, die<br />

viel Reibung ausgesetzt sind, wie<br />

Expressen, durch die ständig ein<br />

Seil läuft, oder Sicherungskarabiner,<br />

entwickeln mit der Zeit Einkerbungen.<br />

Verschmutzungen im Seil<br />

tragen wesentlich dazu bei. Solange<br />

nur ein wenig Farbe am Karabiner<br />

fehlt, besteht noch kein Handlungsbedarf.<br />

Wird die Kerbe jedoch grösser,<br />

kann sich eine scharfe Kante bilden,<br />

die das Seil gefährden könnte.<br />

Wenn die Funktion beeinträchtigt ist<br />

und der Karabiner nicht mehr richtig<br />

schliesst, kann man versuchen,<br />

ihn zu reinigen und zu schmieren.<br />

Bei dauerhafter Verformung durch<br />

Herunterfallen oder unsachgemässen<br />

Gebrauch muss der Karabiner<br />

jedoch sofort ausgetauscht werden.<br />

Für manche Anwendungen gibt es<br />

inzwischen auch Aluminiumkarabiner<br />

mit einer robusteren Stahleinlage<br />

an der Stelle, wo das<br />

Seil durchläuft.<br />

BERG<br />

LUFT<br />

ATMEN<br />

2.5L JACKET VISTDAL L & M<br />

Ultimativen Wetterschutz<br />

bietet die umweltfreundliche<br />

Wanderjacke von Schöffel was<br />

Dir maximale Performance für<br />

jedes Abenteuer gibt!<br />

42<br />

43


Wegweiser Über dem Simplonpass<br />

Kaltes Wasser, heisse<br />

Herzen: unterwegs am Wasenhorn,<br />

im Hintergrund der<br />

Chaltwassergletscher samt<br />

gleichnamigem See.<br />

Im Simpiler<br />

Schmugglerrevier<br />

Über dem Simplonpass ragen drei schroffe Pyramiden<br />

in den Himmel. Durch ihre Flanken ziehen wilde<br />

Schmugglerpfade. Tempi passati. Heute gehören die<br />

Kämme den Genusskletterern.<br />

Text Iris Kürschner, Fotos Dieter Haas


Wegweiser Über dem Simplonpass<br />

‹1› Bergführer Fredy<br />

Tscherrig kennt die Schleichwege<br />

am Simplon.<br />

‹2› Südseitig des Wasenhorns<br />

lädt die Monte-Leone-Hütte SAC<br />

zur Einkehr ein.<br />

‹3› Süsser Gruss: Wanderer freuen<br />

sich über die umfunktionierte<br />

Milchkanne bei der Bortelhütte.<br />

‹4› Die Lage der Bortelhütte am<br />

Fusse des Bortelhorns schenkt<br />

Weitblick über das Rhonetal.<br />

‹2›<br />

Die Gipfel feuern, während das Tal immer noch im schwarzen<br />

Schatten schläft. Als tiefe Furche zu Füssen zieht sich das Rhonetal<br />

gen Westen, flankiert vom Berner Alpenkamm, aus dem<br />

der formschöne Spitz des Bietschhorns gerade einen rosa Touch<br />

bekommt. Dunkle Gestalten huschen unter den Nordwänden des<br />

Grenzkammes durch. Gebückt, als würden sie schwere Last auf<br />

ihren Schultern tragen.<br />

Im Keller habe er dereinst alte Jutesäcke gefunden, erinnert<br />

sich Fredy Tscherrig. Sein Vorgänger, der Furrer Erni – der letzte<br />

Krämer von Brig, wie dieser sich nannte – führte das Berggasthaus<br />

Wasenalp als Umschlagplatz für ein reges Schmugglergeschäft.<br />

In den Jutesäcken wurden kiloweise Zigaretten verstaut<br />

und dann von den Italienern bei Nacht und Nebel über die Furggubäumlücke<br />

ins Piemont gebracht. Einige sind dabei ums Leben<br />

gekommen, wenn sie zu früh aufbrachen im Frühjahr<br />

und Nassschneemassen südseitig von den Flanken<br />

rutschten. Die Wasenalp auf der Nordseite hingegen<br />

liegt lawinensicher. Jetzt im Hochsommer denkt niemand<br />

an Schnee.<br />

Ein frühes z'Morge, dank des angebauten Pavillons<br />

mitten im Panorama. Schon bald nach dem Aufbruch<br />

beginnt das Schauspiel: Von Rosa ins Violett,<br />

dann ins Blau – Himmelsmaler zaubern ein hinreissendes<br />

Aquarell. Erst spät brechen die Sonnenstrahlen<br />

über die Gebirgskämme hervor und lassen die<br />

Höhenterrasse der Wasenalp gleissen. Da steht die<br />

Gruppe schon längstens auf der Gratschneide und<br />

blinzelt in die Sonne. Was für ein strahlender Tag.<br />

Und das Wetter soll sich halten. Genau richtig für eine<br />

Besteigung der «drei Grossen» am Simplon, wie Fredy<br />

seine Hausgipfel gerne nennt. Das Wasenhorn, das<br />

Furggubäumhorn und das Bortelhorn bilden eine hüb-<br />

‹1›<br />

sche Trilogie östlich des Simplons. Von der Aufwärmtour auf das<br />

Spitzhorli geben sie sich als filigrane Pyramiden zu erkennen, im<br />

Aufstieg von der Wasenalp zeigen sie sich hingegen als mächtige<br />

breite Mauern.<br />

Neben seinen Ämtern als Hüttenwart der Turtmannhütte und<br />

Patron des Berggasthauses Wasenalp führt Fredy als Bergführer<br />

mal hier, mal dort, doch am liebsten vor seiner Haustür. Jetzt auf<br />

unserem Gipfeltrek bilden wir eine Fünfer-Seilschaft. Sarah und<br />

Thomas, ferienhalber auf der Bettmeralp, haben sich angeschlossen<br />

und sind bereits gut akklimatisiert. Ein nicht unwesentliches<br />

Detail für das Wohlbefinden, damit solch eine Hochtour überhaupt<br />

Spass macht. Wenn der Körper noch nicht ausreichend für rote<br />

Blutkörperchen sorgen konnte, werden die Nächte unruhig und<br />

im Halbschlaf verbracht, was dazu führt, dass einem tagsüber die<br />

Energie fehlt. Unsere Gruppe strotzt vor Energie und wir kommen<br />

an unserem ersten Gipfel, dem Wasenhorn, gut vorwärts. Gleich<br />

an der Mäderlicke beginnt genussreiches Kammklettern über den<br />

Westgrat. Um uns herum ein Panorama sondergleichen: Im Süden<br />

ganz nah begleitet der Eisriegel des Monte Leone. Darunter die<br />

Trockenwüste des Hochtals, in dem der Chaltwassersee wie eine<br />

Türkisperle brilliert. Kaum, dass die Monte-Leone-Hütte in dem<br />

ockerfarbenen Gelände auffällt, so perfekt ist sie in die Landschaft<br />

eingepasst. Im fernen Gipfelmeer jenseits des Simplonpasses stechen<br />

Fletschhorn, Mischabel und Weisshorn ins Auge. Und im Norden<br />

drapieren sich über dem tief eingekerbten Rhonetal die Berner<br />

Alpen mit Aletschhorn, Nesthorn und Bietschhorn als Eyecatcher.<br />

‹3›<br />

den Chaltwasserpass im Westen des Alpkessels konnten sie nicht<br />

nehmen, denn dort stand die Hütte der Grenzsoldaten – die heute<br />

als SAC-Unterkunft genutzte Cabane Monte Leone. Also mussten sie<br />

über die nördlich gelegene Furggubäumlicke kraxeln. Gelegentlich<br />

sorgten Verfolgungsjagden mit den Grenzwärtern für Schlagzeilen.<br />

Vom «Wilden Westen an der Südgrenze» war in den Schweizer Medien<br />

gar die Rede. Aber in der Regel stand man in freundschaftlicher<br />

Kommunikation mit den Zöllnern der Furggubäumlicke. «Wir wussten<br />

genau, wann sie abends in ihrer schlichten Hütte am Pass assen,<br />

und schummelten uns dann vorbei», verriet uns Severino. An die 40<br />

Kilo schleppten die spalloni (Träger) auf dem Buckel. Seine bricolla<br />

(Tragekiste) hat Severino im Albergo della Fonte ausgestellt, wo<br />

er 1968 als Wirt anfing. Heute wird die Unterkunft am Südfuss des<br />

Furggubäumhorns von seinen Kindern, den Geschwistern Katjuscia<br />

und Danilo, in zweiter Generation geführt.<br />

Scharf am Abbruch zur Alpe Veglia kraxeln wir das Wasenhorn<br />

südlich ab. Ein imposanter Bartgeier kreist federleicht durch<br />

die Lüfte. Dabei können diese Raubvögel an die sieben Kilo auf die<br />

Waage bringen, weiss Fredy. Das Schöne, sagt er, dass Bartgeier<br />

neugierig seien und gerne auch mal ganz nahe kämen. So wie jetzt.<br />

Nach einer Stärkung in der Monte-Leone-Hütte folgt wieder ein Gegenanstieg<br />

zur Mäderlicke, wo sich über den breiten Grat ganz leicht<br />

das Mäderhorn überschreiten lässt. Zu Füssen liegt der breite Simplonpass<br />

mit dem wuchtigen Hospiz. Fredy deutet in Richtung der<br />

Chalti Wasser, wo die Schmelzbäche des Chaltwassergletschers gen<br />

Simplon stürzen. Dort, im Felsaufschwung, stünde das Überbleibsel<br />

einer Seilbahnstütze. Es geht auf die Zeit zurück, als hier Gletschereis<br />

abgebaut wurde. Mit Pferdefuhrwerken und Schlitten konnte das<br />

Eis vom Simplonpass über die napoleonische Strasse relativ leicht<br />

nach Brig transportiert werden. Vor allem die Bierbrauerei war ein<br />

dankbarer Abnehmer. Gletschereis als Kühlmittel nahm in Europa<br />

um die Mitte des 19. Jahrhunderts seinen Anfang. Einmal pro Woche<br />

ging ein Zug aus dem Rhonetal gar nach Paris, um die Metzger und<br />

Limonadenhersteller mit Walliser Gletschereis zu erfreuen. Erst in<br />

den 1950er- und 60er-Jahren wurde die Eisindustrie durch moderne<br />

Kühlanlagen abgelöst. Gebührend ehren wir diesen Tag im Berggasthaus<br />

Wasenalp mit einem Drink «on the rocks», als die Tür aufgeht<br />

und ein älterer Herr die Gaststube betritt. Er stellt sich als Heli<br />

Wyder vor, dereinst Lehrer und Oberst beim Militär. Ein Urgestein<br />

‹4›<br />

Wilder Westen an der Südgrenze<br />

Erst ganz oben am Wasenhorn kommt auch der Blick nach Italien<br />

ins Spiel. Man steht direkt über dem grossen Wiesenkessel der Alpe<br />

Veglia, wo sich der eine oder andere Bauer oder Gastwirt dereinst<br />

mit Schmuggel ein Zubrot verdiente. So wie Severino Orio, Seniorwirt<br />

vom Albergo della Fonte. Bei einem Besuch im Vorjahr erzählte<br />

er uns, dass er in seinen 20er-Jahren fast eine Dekade lang Zigaretten<br />

geschmuggelt habe. Damals arbeitete er noch als Bäcker in<br />

Varzo, und der karge Lohn reichte nicht aus, die Familie zu ernähren.<br />

Der illegale Handel mit der Schweiz war lukrativ, aber extrem<br />

riskant. Viele seiner Freunde verloren ihr Leben. Die Route über<br />

46<br />

47


Wegweiser Bortelhorn<br />

Auf der Schmugglerroute<br />

zur Furggubäumlicke<br />

grüsst das Aletschhorn<br />

am Horizont.<br />

Unbeschwert in die Berge<br />

Nicht jede der vielen Neuheiten, die jährlich auf den Markt kommen,<br />

vermag am Berg zu überzeugen. Bei diesen drei Produkten sind wir uns aber<br />

sicher: Sie machen das Bergwandern leichter und genussvoller!<br />

«Die Schmuggler wussten, was<br />

sie abzugeben hatten, damit beim<br />

Risotto ein ungestörtes Durchhuschen<br />

ermöglicht wurde.»<br />

der Wasenalp. Jetzt als Pensionär pflegt der 89-Jährige die Wanderwege<br />

und reinigt die Wiesen von Grünerlensprösslingen, was<br />

ihm ein agiles Alter beschert. Als er erfährt, dass wir anderntags<br />

das Furggubäumhorn besteigen wollen, kommt er ins Erzählen. Sein<br />

Onkel sei dort droben Grenzsoldat gewesen. Mit netten Kollegen<br />

aus dem Nachbarland. Solidarisch war man. Die Schmuggler wussten,<br />

was sie abzugeben hatten, damit beim Risotto ein ungestörtes<br />

Durchhuschen ermöglicht wurde. Später kaufte Heli die Passhütte<br />

für den symbolischen Betrag von einem Franken. Doch Schlitzohren<br />

seien nach wie vor unterwegs: Letztens waren seine dort aufgehängten<br />

Petroleumlampen verschwunden. Deshalb belasse er es<br />

nur bei einer rudimentären Notunterkunft.<br />

Süsses hinterm Viehgatter<br />

Ein zeitiger Aufbruch führt uns erneut ins Schmugglerleben.<br />

Der recht lange Zustieg zur Furggubäumlicke lässt viel Zeit für<br />

die Fantasie, für Szenen, wie es damals abgegangen sein könnte.<br />

Die letzten Meter beansprucht ein Klettersteig, wo es wahrscheinlich<br />

zu Schmugglerzeiten noch ungesichert über diese<br />

Felsstufe ging. Oben am Pass nicht nur die Hütte, sondern auch<br />

unzählige Steinböcke. Nicht wenige mit mächtigen Hörnern.<br />

Sie trollen sich schwerfällig, als wir am Kamm aufsteigen. Die<br />

Kletterei über den Südwestgrat auf das Furggubäumhorn zeigt<br />

sich abwechslungsreich und nur wenig anspruchsvoller als am<br />

Wasenhorn. Die Schwierigkeiten gehen nicht über den II. Grad<br />

hinaus, leicht genug, um die fantastischen Tiefblicke zur Alpe<br />

Veglia und ins Rhonetal geniessen zu können. Nordseitig unter<br />

den Flanken liegt die Bortelhütte, in der wir die nächste Nacht<br />

verbringen. Der süsse Gruss – eine Milchkanne mit Guetzli gefüllt<br />

– hängt am Viehgatter kurz vor der Hütte und lässt eine<br />

herzliche Bewirtschaftung vermuten. Seit 2018 führt Irmtraud<br />

Chastonay, die alle nur Irmi nennen, die Bortelhütte und man<br />

spürt, dass sie das mit grosser Freude tut. Längst hat sie sich<br />

einen Namen mit all ihren leckeren Kuchen gemacht.<br />

Früh geht es wieder aus den Betten und bergwärts. Nun<br />

steht das Bortelhorn an. Die erste Stunde lässt sich gut noch im<br />

Halbschlaf bewältigen. Im gemütlichen Trott dringt Fredys Stimme<br />

ans Ohr: «Mein Vater pflegte zu sagen: Um schnell zu sein,<br />

muss man langsam laufen.» Eine uralte Bergführer-Weisheit, die<br />

uns durch das Gelände hilft, das nun zunehmend heikler wird. Wo<br />

es dereinst leicht mit Steigeisen über den Gletscher ging, muss<br />

man sich jetzt zwar ohne Steigeisen, doch um einiges mühsamer<br />

über instabilen Moränenschutt schuften. Freudiges Aufatmen,<br />

wenn man dann endlich an der Wand steht, ein plattiger Felsaufschwung<br />

unterhalb der Scharte, über den Fixseile hinauf in die<br />

Sonne helfen. Wir geniessen die wärmenden Strahlen und die<br />

Gratkletterei zum letzten der drei Grossen über der Wasenalp.<br />

Ohne Zusammenhalt könnte man leicht links oder rechts im Abgrund<br />

landen. Eben so wie im Leben.<br />

Anreise und Tourentipps<br />

baechli-bergsport.ch/simplon<br />

Technik-Traum<br />

Schön zu sehen, dass nicht nur im Hochtourenund<br />

Trailrunningsegment Innovationen initiiert<br />

werden. Der Beta Light 45 ist ein hochtechnischer<br />

Wanderrucksack: Das Challenge Sailcloth<br />

Ultra 200-Gewebe ist robust, ultraleicht<br />

und sorgt dank versiegelten Nähten für guten<br />

Wetterschutz. Der Rucksack besteht aus<br />

einem grosszügigen Hauptfach mit Innenfach<br />

für ein Trinksystem. Ergänzt wird es durch ein<br />

frontales Stretchfach und zwei seitliche Aussentaschen.<br />

Zwei übergrosse RV-Taschen für<br />

Kleinteile stehen am abnehmbaren Hüftgurt zur<br />

Verfügung. Das Tragesystem des Beta Light 45<br />

besteht aus einem herausnehmbaren Rahmenpad,<br />

einem leichten Aluminiumrahmen und breiten<br />

Schulterträgern, die im Stil einer Laufweste<br />

mit mehreren Taschen und doppeltem Brustgurt<br />

versehen sind. Ein Rolltopverschluss und mehrere<br />

(abnehmbare) Kompressionsriemen dienen<br />

zugleich zum Befestigen weiterer Ausrüstung.<br />

1 BETA LIGHT<br />

BLACK DIAMOND<br />

Gewicht: 890 g<br />

CHF 399.–<br />

Koffein zum Quetschen<br />

Das Start-up um Alexander Häberlin und Philippe<br />

Greinacher wollte einen Kaffee für unterwegs<br />

anbieten, der besser schmeckt und<br />

hochwertiger ist als das übliche Instant-Pulver.<br />

Herausgekommen ist die Kaffeepaste<br />

Dark Roast Coffee, erhältlich in der 100 g-Tube.<br />

Zum Servieren werden 5 g Paste mit 100 ml<br />

Wasser (ca. 85 °C) verrührt. Alternativ kann<br />

die Paste auch direkt aus der Tube als Brotaufstrich,<br />

mit (Trocken-)Früchten oder als<br />

Beigabe zu Proteinshakes genossen werden.<br />

Einmal geöffnet ist die Tube bis zu drei Wochen<br />

ungekühlt haltbar. Die in der Schweiz<br />

produzierte Paste enthält ausschliesslich<br />

Fairtrade- und Bio-Arabica-Kaffeebohnen<br />

aus Kolumbien, Schweizer Bio-Zucker sowie<br />

natürliches Arabicum.<br />

2 NO NORMAL COFFEE<br />

DARK ROAST COFFEE<br />

CHF 14.–<br />

1<br />

3<br />

2<br />

Familie im<br />

Gleichgewicht<br />

Beim Aequilibrium Hike GTX werden die Eigenschaften<br />

der Aequilibrium Bergschuh-Familie<br />

auf einen leichten, aber technischen Wanderschuh<br />

übertragen. Der Mid-Schuh ist am Knöchel<br />

mit dem 3D Flex System Evo vorgeformt:<br />

Das Abrollen ist komfortabel möglich und bietet<br />

gleichzeitig Stabilität beim Gehen. Auffällig<br />

ist die aequilibrium-typische Double Heel-Konstruktion.<br />

Gemeinsam mit der Vibramsohle<br />

sorgt sie beim Bergabgehen für zusätzlichen<br />

Halt auf dem Untergrund. Die Stollen sind so<br />

angeordnet, dass sie den Aufprall beim Auftreten<br />

minimieren und das Gehen auch auf<br />

langen Wanderungen angenehm machen. Das<br />

synthetische Obermaterial ist an besonders<br />

beanspruchten Stellen zusätzlich verstärkt, die<br />

weiche Zwischensohle mit einer widerstandsfähigen<br />

TPU-Folie überzogen. So ist der Schuh<br />

auch in felsigem Gelände vor Abrieb geschützt.<br />

Dank der wasserdichten Gore-Tex-Membran<br />

bleibt das Schuhinnere auch bei Regen trocken.<br />

3 AEQUILIBRIUM HIKE GTX<br />

LA SPORTIVA<br />

Gewicht: 960 g/Paar<br />

CHF 259.–<br />

Bächli<br />

Einkaufsbegleiter<br />

Sie träumen von einem mehrtägigen<br />

Hüttentrekking und sind unsicher,<br />

welche Ausrüstung es braucht?<br />

Unser Einkaufsbegleiter bietet eine<br />

zeitsparende Vorauswahl und berät<br />

Sie in entspannter Atmosphäre<br />

zu Ihrem Wunschtermin, ohne<br />

jegliche Kaufpflicht.<br />

48<br />

49


Gipfeltreffen Paul Petzl<br />

Thema Rubrik<br />

«Das Erfinden<br />

steckt in<br />

unserer DNA.»<br />

Paul Petzl ist Eigentümer und Mitbegründer des französischen<br />

Bergsportpioniers Petzl. Ein seltenes Gespräch über<br />

Aufbau und Übergabe eines Familienunternehmens – und was<br />

Paranoia und Reizwäsche damit zu tun haben.<br />

Interview Bernard van Dierendonck<br />

«Das ist ein schlaues Ding – ich<br />

bin sehr stolz darauf.» Paul<br />

Petzl und der jüngste Zuwachs<br />

im Bereich Sicherungsgeräte,<br />

das Neox.<br />

Nahe Grenoble, im Dorf Crolles, steht hinter<br />

dem Ortsschild eine weitere Ortstafel.<br />

«Petzl» heisst das Dorf im Dorf. Es hat sogar<br />

eine eigene Strasse, die «Rue de Fernand<br />

Petzl». Diese Strasse führt zu einem<br />

etwas speziellen Fabrikgelände. Da steht<br />

ein Betonturm mit eigentümlich schrägen<br />

Dachflächen, daneben ein schmales,<br />

praktisch fensterloses Gebäude: Petzls<br />

Test- und Ausbildungsanlagen. Rundum<br />

reihen sich weitere graue Hallen, auch<br />

zwei Holzhäuser mit umfassenden Veranden<br />

– ein wilder Mix aus verschiedenen<br />

Bauformen. Ein Fabrikgelände, welches<br />

nicht auf dem Reissbrett entworfen wurde,<br />

sondern den Bedürfnissen entsprechend<br />

Gebäude um Gebäude erweitert<br />

wurde. Dieses «Village Petzl» ist der<br />

Hauptort des Familienbetriebes, der heute<br />

über tausend Personen beschäftigt.<br />

Im zentralen Bürogebäude haben wir<br />

uns mit Paul Petzl verabredet, dem Eigentümer<br />

und Mitbegründer des Unternehmens.<br />

Selten nimmt er noch Anfragen für<br />

Interviews wahr. Doch für das fast gleichaltrige<br />

Familienunternehmen Bächli macht<br />

er gerne eine Ausnahme. Wir treffen uns<br />

im Showroom, inmitten von Stirnlampen,<br />

Eispickeln, Karabinern, Klettergurten, Helmen<br />

und technischem Sicherungsmaterial<br />

für die Höhenarbeit. Voller Elan und mit<br />

einem gewinnenden Lachen betritt der<br />

heute 74-Jährige das Zimmer und streckt<br />

die Hand aus: «Enchanté, je suis Paul.»<br />

Das Interview, das im Juni 2023 stattfand,<br />

beginnt mit einem Missverständnis.<br />

Dein Mitarbeiter hat uns die Gebäude gezeigt,<br />

die Testanlage, das Warenlager und<br />

die Fertigungsstrassen, in denen Helme<br />

und Sicherungsgeräte von Hand zusammengebaut<br />

werden. Wir haben etwas von<br />

Petzl gesehen.<br />

Was, habt ihr schon das «Etwas» gesehen?<br />

(Er schaut fragend zu seinem Mitarbeiter.)<br />

Ah, handelt es sich um die nächste, grosse<br />

Erfindung? Die haben wir noch nicht gesehen.<br />

Foto: Bernard van Dierendonck<br />

50<br />

51


Gipfeltreffen Paul Petzl<br />

‹1›<br />

tig schockiert: Es war komfortabler zu bedienen<br />

als unser Grigri! Als Unternehmer<br />

werde ich schnell paranoid und sehe vor<br />

mir, wie uns die Konkurrenz grosse Marktanteile<br />

wegnimmt. Wenn eine andere Firma<br />

ein besseres Produkt auf den Markt bringt,<br />

dann ist das für mich unerträglich.<br />

Nach der Tour sprach ich sofort mit<br />

unserem Ingenieurteam. Sie beruhigten<br />

mich und zeigten mir die Schwachstellen<br />

des Konkurrenzproduktes. Doch der Ehrgeiz<br />

war geweckt. Wir dachten das Prinzip<br />

des Gerätes weiter und haben zu guter<br />

Letzt das Neox daraus entwickelt.<br />

Wie viel Zeit braucht es, bis so ein Gerät<br />

marktreif ist?<br />

Mein Vater Fernand Petzl – zusammen mit<br />

ihm baute ich unsere Firma auf – sagte:<br />

Ein Prozent ist <strong>Inspiration</strong> und 99 Prozent<br />

sind Transpiration.<br />

Fühlst du dich noch mit ihnen verbunden?<br />

Mit allem, was wir tun, bin ich im Geiste<br />

mit meinem Grossvater, meinem Vater<br />

und natürlich auch mit meiner Mutter verbunden.<br />

Ich spreche mit ihnen: «Es wäre<br />

nett, wenn ihr unsere neue Entwicklung<br />

sehen könntet.» Diese Verbundenheit ist<br />

wichtig in unserer kleinen Familie, in der<br />

wir alles eigenhändig aufgebaut haben.<br />

Petzl ist genauso alt wie Bächli Bergsport.<br />

Vor 50 Jahren hast du zusammen mit deinem<br />

Vater die Firma gegründet. Stimmt der Eindruck,<br />

dass dein Vater eher der Tüftler war<br />

und du vielmehr der Geschäftsmann bist?<br />

Wie wir zusammenspielten, zeigt die Entwicklung<br />

der Stirnlampe. In jungen Jahren<br />

diente ich als Gebirgsjäger in der Armee. Wir<br />

übernachteten öfters in Iglus. Licht gaben uns<br />

zwar auch Stirnlampen, nur steckten deren<br />

Flachbatterie, war geboren. Wir stellten davon<br />

sofort einige Hundert her und begannen<br />

mit dem Verkauf.<br />

Die Geschichte erzählt, dass ihr für die<br />

Bänder die elastischen Träger von BHs<br />

verwendet habt.<br />

Das dachte ich auch, es stimmt aber nicht,<br />

wie mich meine Frau Catherine aufklärte.<br />

Sie war für die Beschaffung der Bänder<br />

zuständig und kaufte diese in den Dessous-Geschäften<br />

der gehobenen Gesellschaft.<br />

Damals waren Strapse en vogue<br />

und die Bänder dieser Reizwäsche eigneten<br />

sich besonders gut für unsere Lampen.<br />

Davon hatte ich wirklich keine Ahnung.<br />

Dein Vater war begeisterter Höhlenforscher,<br />

doch dich und deinen Bruder nahm<br />

er nie zu diesen Höhlenexpeditionen mit.<br />

‹1› Von ersten Abseilbremsen<br />

und Stirnlampen bis<br />

zum Vollausrüster für vertikale<br />

Aktivitäten: An Ideen<br />

für neue Produkte mangelte<br />

es Paul Petzl nie.<br />

‹ 2 › Bis zu zehn Jahre<br />

Entwicklungsarbeit stecken<br />

in einem Sicherungsgerät<br />

– es muss so logisch und<br />

sicher wie möglich sein.<br />

‹ 3 › Der junge Paul<br />

Petzl demonstriert ein<br />

Abseilgerät.<br />

‹2›<br />

Es kommt im Juni <strong>2024</strong> auf den Markt. Ich<br />

denke, wir können darüber sprechen. (Der<br />

Mitarbeiter bringt aus einem Hinterzimmer<br />

eine kleine Schachtel und packt das<br />

Gerät aus.)<br />

Das sieht aus wie ein Grigri.<br />

Tatsächlich ist es eine Weiterentwicklung<br />

des Grigri. Es handelt sich aber um einen<br />

so grossen Schritt, dass es einen eigenen<br />

Namen hat. Es heisst Neox und wird als<br />

eigenständiges Produkt neben dem Grigri<br />

auf den Markt kommen.<br />

Was ist denn neu an diesem Neox?<br />

Im Innern des Gehäuses wurde die Klemme<br />

des Grigri durch eine bewegliche Rolle<br />

ersetzt. Wenn wir nun jemanden beim<br />

Vorsteigen sichern, dann ist das Seilaus-<br />

«Ein Prozent<br />

ist <strong>Inspiration</strong>,<br />

99 Prozent sind<br />

Transpiration.»<br />

geben sehr einfach. Das lästige Blockieren<br />

fällt weg. Damit haben wir das beste<br />

Sicherungsgerät auf dem Markt nochmals<br />

erheblich verbessert. Das ist ein schlaues<br />

Ding – ich bin sehr stolz darauf.<br />

Wie kommst du auf so eine Erfindung?<br />

Stehst du unter der Dusche und plötzlich<br />

blitzt die Idee auf?<br />

Mich fasziniert das Innovative, das Weiterentwickeln<br />

von Ausrüstung. Wenn es ein<br />

Problem zu lösen gibt, dann interessiert<br />

mich das brennend. Die Idee zum Neox ist<br />

mir auf einer Klettertour mit einem befreundeten<br />

Bergführer gekommen. Da dieser<br />

sowieso nie stürzt, probierte ich ein neues<br />

Sicherungsgerät aus, und zwar das Revo<br />

von Wildcountry. Bereits nach der ersten<br />

Seillänge war ich begeistert und gleichzei-<br />

Fotos: Bernard van Dierendonck<br />

Foto: Archiv Petzl<br />

Ein Prozent ist wenig!<br />

Es ist wirklich unvorstellbar, wie viel Arbeit<br />

in der Entwicklung steckt. Beim Grigri<br />

hat es ganze zehn Jahre in Anspruch genommen.<br />

Gerade bei einem Sicherungsgerät<br />

sind wir auch sehr vorsichtig. Denn<br />

wir versuchen es von Anfang an so logisch<br />

und sicher wie möglich herzustellen.<br />

Petzl ist bekannt für seinen Innovationsgeist.<br />

Was steckt dahinter?<br />

Eine Geschichte von meinem Grossvater:<br />

Er emigrierte aus Österreich nach<br />

Frankreich. Als Einwanderer wurde er<br />

zuerst zum Dienst in der Fremdenlegion<br />

verpflichtet. Anschliessend gründete er<br />

mehrere Firmen, die aber allesamt scheiterten.<br />

So verdiente er den Lebensunterhalt<br />

als Putzkraft in einer Elektronikfirma.<br />

Beim Putzen sah er die Pläne für einen<br />

Schalter und dachte sich: Das kann so nie<br />

funktionieren. Am Feierabend zog er sich<br />

in seine Werkstatt zurück und schuf aus<br />

Holz ein Modell eines solchen Schalters,<br />

wie dieser seiner Ansicht nach funktionieren<br />

könnte. Dieses Modell stellte er beim<br />

nächsten Putzeinsatz den Ingenieuren auf<br />

den Zeichentisch. Beeindruckt zeigten diese<br />

das Modell dem Firmenchef, und bald<br />

darauf wurde mein Grossvater als Entwickler<br />

in der Firma angestellt. Auch mein<br />

Vater tüftelte als Höhlenforscher an neuen<br />

Steigklemmen und Abseilbremsen. Das<br />

Erfinden steckt in unserer DNA.<br />

‹3›<br />

Batterien in der Jackentasche. Das Kabel von<br />

der Batterie zur Lampe war dabei immer im<br />

Weg – wie konnte man nur so etwas Idiotisches<br />

erfinden! An einem freien Wochenende<br />

fragte ich meinen Vater, ob es nicht eine Möglichkeit<br />

gäbe, auch die Batterie am Kopf zu<br />

tragen. Gesagt, getan, noch über Nacht setzte<br />

er meine Idee um. Im nächsten Biwak testete<br />

ich das neue Modell. Es rutschte mir aber<br />

immer wieder über die Augen. So befestigten<br />

wir noch ein Band, welches nicht nur rundum,<br />

sondern auch über den Kopf verlief. Die erste<br />

richtige Stirnlampe, damals noch mit grosser<br />

Ich vermute, dass er mit meiner Mutter<br />

eine Abmachung getroffen hatte. Denn<br />

sie fand diese Höhlenleidenschaft viel<br />

zu gefährlich und wollte nicht, dass ihre<br />

Kinder dereinst im dunklen Untergrund<br />

enden würden.<br />

Wie sieht es mit deinen beiden Söhnen Olivier<br />

und Sébastien aus? Konntest du ihre<br />

Leidenschaft für den Outdoorsport wecken?<br />

Darin war ich nicht sehr erfolgreich. Ich<br />

arbeitete 60 bis 70 Stunden die Woche<br />

und hatte für die Familie nur wenig Zeit.<br />

52<br />

53


Gipfeltreffen Paul Petzl<br />

«Wenn eine andere Firma ein<br />

besseres Produkt auf den<br />

Markt bringt, dann ist das für<br />

mich unerträglich.»<br />

Gelegentlich habe ich sie damals zum<br />

Klettern mitgenommen. Hochtouren hingegen<br />

fand ich selbst zu riskant. Ich wollte<br />

nicht, dass sie damit beginnen. Beide<br />

sind heute sportlich, sind begeisterte<br />

Läufer und haben die verschiedenen alpinen<br />

Disziplinen ausprobiert – dies auch,<br />

um sie besser zu verstehen.<br />

Für die Firma Petzl konntest du deine Söhne<br />

aber begeistern. Abgesehen von deiner<br />

Frau und deinem Bruder arbeiten auch sie<br />

in leitender Funktion bei Petzl. Sind die<br />

beiden gar die neuen Chefs?<br />

Die Gesamtführung liegt immer noch bei<br />

mir. Sébastien ist verantwortlich für die<br />

Forschungs- und Entwicklungsabteilung,<br />

Olivier leitet das Marketing und den Verkauf.<br />

Beides zentrale Abteilungen. Nächstes<br />

Jahr werde ich 75, und dann wird einer<br />

der beiden die Gesamtführung übernehmen.<br />

Ich werde aber Präsident des Verwaltungsrates<br />

bleiben.<br />

Wie plant ihr die ...<br />

Entschuldige, ich stelle hier die Fragen<br />

und beantworte sie gleich selbst.<br />

Ach so? Vielen Dank. Dann hole ich mir<br />

eine Tasse Tee. Unterdessen läuft das Aufnahmegerät<br />

auf dem Tisch weiter.<br />

(lacht) … die Übergabe findet auf verschiedenen<br />

Niveaus statt. Zentral sind mir die<br />

Wertvorstellungen und Antworten auf Fragen<br />

wie: Wie soll die Firma in zehn Jahren<br />

aussehen? Wie wird der Umgang mit dem<br />

Personal sein? Was will die Kundschaft<br />

von morgen? Selbst habe ich mir Petzl<br />

so erträumt, wie die Firma heute dasteht.<br />

Nun wollte ich von meinen Söhnen wissen,<br />

was denn ihre Petzl-Träume sind. In einem<br />

zwei Jahre langen, intensiven Austausch<br />

haben wir gemeinsam ein umfangreiches,<br />

internes Dokument erstellt.<br />

Wird der Nachwuchs die Richtung der Firma<br />

ändern?<br />

Unser Umfeld verändert sich immer<br />

schneller, die zentralen Werte unserer<br />

Firma bleiben aber in Marmor gemeisselt.<br />

Die Firma wird im Familienbesitz bleiben,<br />

wir nutzen niemanden finanziell aus, wir<br />

bleiben der Erforschung der Vertikalen<br />

verpflichtet.<br />

Stellt der Vater sicher, dass es auch weiterhin<br />

nach seinen Vorstellungen läuft?<br />

Im Gegenteil: Nach leidenschaftlichen<br />

Diskussionen habe ich mich jeweils zurückgezogen<br />

und meine Söhne haben<br />

die Zukunftsvision zusammen niedergeschrieben.<br />

Dies hat sie davon befreit, al-<br />

NEOX<br />

Petzl hat <strong>2024</strong> mit dem Neox eine<br />

für den Vorstieg optimierte Erweiterung<br />

des Grigri auf den Markt gebracht.<br />

Das Neox verfügt über eine<br />

bewegliche Rolle im Inneren, was<br />

ein flüssigeres Ausgeben des Seils<br />

im Vorstieg ermöglicht. Dabei wird<br />

die «klassische» Sicherungstechnik<br />

wie bei einem Tuber angewendet.<br />

Bei einem Sturz wird das Seil weiterhin<br />

durch einen Nocken blockiert,<br />

wodurch nur wenig Handkraft erforderlich<br />

ist. Der Ablasshebel ist ergonomisch<br />

gestaltet, und das Ablassen<br />

lässt sich gut dosieren.<br />

les genau so zu tun, wie es sich der Vater<br />

wünscht. Ich kann aber sehr gut leben<br />

mit dem, was schlussendlich in dieser<br />

Vision festgehalten wurde. Die Übergabe<br />

ist für mich die schwierigste Aufgabe,<br />

die ich innerhalb von Petzl angegangen<br />

bin. Gelernt habe ich, dass man scheitern<br />

wird, wenn man alles sofort möchte. Auch<br />

wenn in Anbetracht meines Alters meine<br />

Zeit begrenzt ist, ist die Zeit doch zu meiner<br />

Freundin geworden. Es ist die Zeit,<br />

die alles arrangiert.<br />

Im Zeitalter der Plastikbergschuhe:<br />

aus dem<br />

Petzl-Katalog 1987, links<br />

Paul Petzl.<br />

Gehört auch der Freiheitsbegriff zu den in<br />

Marmor gemeisselten Werten?<br />

Ich dachte, dass man als Chef eines Unternehmens<br />

immer frei sei, dass mir niemand<br />

sagen würde, in welche Richtung ich zu<br />

gehen habe. Meine eigenen Spuren wollte<br />

ich hinterlassen. Diese Vorstellung stimmt<br />

aber nicht: Ich trage die Verantwortung für<br />

alle, die von diesem Unternehmen leben.<br />

Mit der Zeit realisierte ich, dass dieses<br />

Verantwortungsbewusstsein mir nie wirklich<br />

das Gefühl von Freiheit gegeben hat.<br />

Von der Zukunft erhoffe ich mir, bald ein<br />

bisschen freier zu sein.<br />

Foto: Archiv Petzl<br />

54<br />

55


Biwakieren 1x1<br />

Besser<br />

biwakieren<br />

Ungeplante Biwaks können der Horror sein.<br />

Umgekehrt sind geplante Biwaks nicht automatisch ein Traum –<br />

aber mit ein paar Tipps steigen die Chancen.<br />

Text Thomas Ebert Fotos Urs Nett<br />

Standortfrage<br />

Während man zum Sonnenuntergang meist noch umherspaziert<br />

und dann (am besten gut aufgewärmt) in<br />

den Schlafsack schlüpft, bleibt man für den Sonnenaufgang<br />

gern noch in selbigem liegen. Ideal ist dann<br />

ein freier Blick nach Osten – der verschafft auch früh<br />

die ersehnte, wärmende und trocknende Sonne. Die<br />

aussichtsreichsten Plätze sind oft auch besonders<br />

windexponiert – der perfekte Platz ist meist ein<br />

Kompromiss aus vielen Faktoren. Mit Karte, Webcams,<br />

Satellitenbildern und Sonnenstand-Tools lässt<br />

sich einiges ausschliessen, wirklich fündig wird man<br />

aber erst vor Ort.<br />

«Zu einem guten Biwak<br />

gehört für mich ein<br />

Plan B, falls man sich an<br />

einen geschützten Ort<br />

zurückziehen muss.»<br />

Ralph Strahberger<br />

Filialleiter Kriens<br />

Mauerbau<br />

Eine aus umliegenden Steinen errichtete<br />

Schutzmauer mindert Windböen. Zugleich<br />

dient sie als Begrenzung des Aktionsradius,<br />

speziell in ausgesetztem Gelände. Gelegentlich<br />

stösst man im Gebirge auf solche<br />

Mauern oder Reste davon. Gut erhaltene<br />

Mauern sind ein Indiz dafür, dass der Biwakplatz<br />

gut gewählt ist.<br />

57


1x1 Biwakieren<br />

«Wenn die Nacht nicht<br />

enden will, vertreibe ich mir<br />

die Zeit mit einer Sternenkarten-App,<br />

um den Nachthimmel<br />

zu erkunden.»<br />

Der Prinz auf der Erbse<br />

Ralphs Komplett-Setup weist fast so<br />

viele Schichten auf wie im Märchen:<br />

Eine Faltmatte aus geschlossenzelligem<br />

Schaumstoff dient als Grundlage und<br />

Bodenschutz. Darauf folgt eine Luftmatte<br />

für Isolation und Schlafkomfort. So werden<br />

auch Nächte auf Böden erträglich,<br />

die sich nicht einebnen lassen. Den wärmebewahrenden<br />

Schlafsack schützt ein<br />

Biwaksack vor Wind und Niederschlag<br />

(Tau!). Gute Biwaksäcke haben auch ein<br />

Mückennetz.<br />

Nahrung<br />

Gefriergetrocknete Fertigmahlzeiten sind leicht, nahrhaft und mangels Geschirr<br />

entfällt der Abwasch. Tipp: Ein möglichst langer Löffel erleichtert das<br />

Auskratzen der Tüten. Mancher Biwakfan schwört auf ein kleines Fläschchen<br />

mit Olivenöl zum Aufpeppen der «Astronautennahrung». Wer kochtechnisch<br />

aktiver werden will, als nur heisses Wasser aufzugiessen, kann den Aufstieg<br />

ins Biwak nutzen und z.B. Couscous, Linsen oder andere Hülsenfrüchte in<br />

kaltem Wasser quellen lassen. Nüsse oder kleinen Naschkram kann man gut<br />

in wiederverschliessbaren Ziplocks transportieren.<br />

Gimmicks und Gadgets<br />

Eine Wärmflasche muss man nicht extra<br />

mit auf den Berg schleppen: Es genügt,<br />

das Teewasser für den nächsten<br />

Morgen schon abends heiss mit in den<br />

Schlafsack zu nehmen. Prinzipiell ist die<br />

Skala an kleinen Helferlein nach oben<br />

offen. Von faltbaren Bechern über aufblasbare<br />

Kopfkissen und Powerbanks<br />

bis hin zu isolierten Bierflaschen, kompakten<br />

Kaffeekochern und ultraleichten<br />

Pfeffermühlen: Für fast jeden denkbaren<br />

Luxus gibt es heutzutage eine Lösung.<br />

Zur Wahrheit gehört aber auch: Kaum<br />

etwas macht zufriedener, als mit wenig<br />

gut auszukommen.<br />

Rücksicht auf Natur<br />

und Umwelt<br />

Verglichen mit anderen Alpenländern<br />

ist das Biwakrecht in der Schweiz sehr<br />

liberal. Damit das so bleibt, steht über<br />

dem eigenen Genuss natürlich die<br />

Rücksicht auf Natur und Umwelt. Biwaks<br />

in Schutzgebieten sind tabu, es<br />

gilt der Grundsatz «Leave no Trace».<br />

Alles Wesentliche haben wir auf unserem<br />

Blog zusammengefasst.<br />

Wasserversorgung<br />

Vorausschauender Umgang empfiehlt sich mit<br />

dem Thema Wasser. Wer im Voraus nicht zweifelsfrei<br />

klären kann, ob Schneefelder oder gar<br />

Quellen in der Nähe verfügbar sind, deckt sich<br />

bei der letzten Gelegenheit mit Trink-, Koch- und<br />

etwas Waschwasser ein – durstig macht auch<br />

ein geplantes Komfortbiwak wenig Freude. Für<br />

grössere Mengen (4 bis 6 Liter) sind Wasserschläuche<br />

eine gute Wahl. Wer's braucht: Für<br />

die Katzenwäsche genügen auch zwei bis drei<br />

Feuchttücher – die man wie alles andere natürlich<br />

wieder mit ins Tal nimmt.<br />

baechli-bergsport.ch/blog/<br />

biwak-und-campingregelnin-der-schweiz<br />

Tatortreiniger<br />

Selbstverständlich hinterlässt man den<br />

Biwakplatz so sauber, wie man ihn vorgefunden<br />

hat.<br />

58<br />

59


Partnercheck Bächli Bergsport<br />

Text Thomas Ebert<br />

50 Jahre<br />

Bächli Bergsport<br />

Teil 2: Expansion und Professionalisierung. Nach der «Pionierphase»<br />

von 1974 bis 1999 in <strong>Inspiration</strong> 1/<strong>2024</strong> folgt Teil zwei der Firmengeschichte:<br />

Weggefährten aus Marketing, Verkauf, IT und Geschäftsleitung erinnern sich.<br />

gen», erinnert sich<br />

Schmocker.<br />

«Das<br />

hat damals Eindruck<br />

gemacht,<br />

manchmal<br />

werde<br />

ich heute noch darauf<br />

angesprochen.»<br />

Unter<br />

dem Strich war das neue<br />

ERP (Enterprise Resource Planning)<br />

ein Meilenstein, der viele<br />

Prozesse beschleunigte. «Wir<br />

haben eins zu eins gewusst, welches Produkt<br />

in welcher Filiale vorhanden ist, und<br />

wenn das letzte verkauft war, ist der Artikel<br />

zehn Minuten später aus dem Webshop verschwunden»,<br />

erinnert sich Michael Roth vom Marketing.<br />

In Sachen Software und IT war man damit also tens aufgestellt. «Das war auch nötig, weil wir gewachsen sind»,<br />

bessagt<br />

Susanna Bächli über diese Zeit. Da waren zum einen die neuen<br />

Filialen in Basel (2002), Kriens (20<strong>03</strong>) und St. Gallen (2004), mit denen<br />

man neue Regionen erschloss. Zum anderen begann um 2005<br />

die Sechs-Tage-Woche bei Bächli: Nun wurde auch montags geöffnet,<br />

in einigen Filialen auch bis 20 Uhr. Umsätze und Belegschaft<br />

stiegen stetig. Mit einem neuen, abstrakteren Logo wollte man diese<br />

Entwicklung 2008 auch visuell festigen: «Das Bächli-Kreuz erinnert<br />

ja an das Symbol für Gipfel und Wegpunkte auf der Landestopographie»,<br />

führt Michael Roth aus. Diese Festigung gelang auch logistisch:<br />

2009 wurde das Zentrallager von Schwerzenbach an den<br />

Fotos: zvg<br />

heutigen Standort in Nänikon umgezogen<br />

– weniger Stockwerke, aber mehr Fläche.<br />

Logistik und Verwaltung sind so bis heute<br />

am gleichen Ort.<br />

Wie aber gelingt es, in einem wachsenden,<br />

expandierenden Familienunternehmen<br />

Werte und Ziele beisammenzuhalten?<br />

Zum einen natürlich auf den Events und<br />

Ausbildungsterminen, zu denen alle Mitarbeitenden<br />

der Filialen und der Verwaltung<br />

zusammenkamen. Zum anderen, weil<br />

Menschen wie Moreno Zmak dafür sorgten,<br />

dass die Expansion verlässlich und koordiniert<br />

über die Bühne ging. 20<strong>03</strong> begann<br />

Zmak als Filialleiter in Zürich, managte<br />

dort Umzug und Outlet-Eröffnung. Ab 2010<br />

war er als Verkaufs- und Marketingleiter an<br />

elf Umbauten, Umzügen und Eröffnungen<br />

beteiligt, von der Standortsuche über die<br />

Personalplanung bis zum Eröffnungsapéro.<br />

«Wir bezogen die Standorte im Rohbau.<br />

Meine Erfahrungen mit Fluchtwegen, Lüftungsanlagen<br />

oder den kantonalrechtlichen<br />

Grundlagen von Brandmeldeanlagen waren<br />

sehr bescheiden.», schmunzelt Zmak. Mit seinem Team definierte er<br />

bald Standards für die Verkaufsflächen, von der Beleuchtung über<br />

die Kassensysteme bis zur Warenanordnung. «Es war ein eingespieltes<br />

Team mit der Zeit», erinnert sich Susanna Bächli. «Es war<br />

ja auch wichtig, nicht zu schnell zu wachsen – jede Filiale musste<br />

zuerst erfolgreich sein, bevor man weiter expandieren konnte.»<br />

Fragt man in der dienstälteren Belegschaft nach einer Zäsur<br />

in der Bächli-Geschichte seit der Jahrtausendwende, kommt unisono<br />

eine Antwort: Lausanne! «Der Schritt nach Lausanne war<br />

logisch», sagt Susanna Bächli heute, «in der Deutschschweiz hat<br />

unser Konzept ja schon gut funktioniert.» Schon die Filiale in Bern<br />

zog viele französischsprachige Schweizer an, sodass man damals<br />

schon auf eine zweisprachige Belegschaft achtete. «Trotzdem hatten<br />

wir eine gewisse Ehrfurcht, vor allem wegen dem Französischen,<br />

aber auch wegen der Mentalität», so Bächli.<br />

Davon kann Patrick Goeringer ein Lied singen. Als französischer<br />

Muttersprachler begann er seine Bächli-Karriere in der<br />

damals neuen Filiale Pfäffikon. «Zu Beginn hatte ich Bedenken,<br />

aber am Ende wurde ich sehr gut aufgenommen.» Als 2011 die<br />

Entscheidung stand, eine Filiale in Lausanne zu eröffnen, war<br />

Goeringer der ideale Mann. Er schaffte es nicht nur, den durchaus<br />

sportlich geplanten Eröffnungstermin zu halten (die letzten<br />

Arbeiten wurden um 22 Uhr des Vorabends vollendet), sondern<br />

auch ein völlig neues Team einzuarbeiten und eine neue Kundschaft<br />

mit neuen Ansprüchen zu bedienen. Da stiess die Bächli-<br />

Netto-Preispolitik auf eine städtische Umgebung, in der man Rabatte<br />

gewohnt war; da waren damals ungewohnt starke Nachfragen<br />

nach leichter Trailrunningbekleidung oder Pin-Bindungen,<br />

während man in der Deutschschweiz noch Rahmenbindungen<br />

vertraute. «Die Mentalität der Welschen ist völlig anders, ebenso<br />

wie ihre Anfragen nach technischem Material und ihre Wünsche»,<br />

erinnert sich Goeringer, der sechs Jahre lang die Filiale<br />

«Mir ist bewusst, was die<br />

Familie geschaffen hat.»<br />

Thomas Morand<br />

CEO<br />

«Alles wurde damals<br />

per Tastatur<br />

gesteuert,<br />

ohne<br />

Maus. Nicht alle<br />

konnten<br />

damals<br />

schon mit der Maus<br />

umgehen, da war auch<br />

viel Sanftmut gefordert.» So<br />

erinnert sich Dani Schmocker,<br />

heute IT-Chef bei Bächli Bergsport,<br />

an die grosse Umstellung des Warenwirtschaftssystems<br />

anno 2002. Schmocker,<br />

der diese Umstellung damals als externer<br />

Dienstleister veranlasste, weiss auch<br />

noch, wie er Felix Bächli überzeugte: «Mit einem<br />

selbst gebauten Fashion-Modul, mit dem man Farben,<br />

Grössen etc. einfach verwalten konnte.»<br />

Ein neues Jahrtausend, das Internet als Neuland: Auch<br />

für Bächli Bergsport waren die Nullerjahre eine Zeit der technologischen<br />

Beschleunigung. Schon ab 2000 gab es den ersten Webshop.<br />

Bald darauf machte die Einführung einer Online-Kasse das<br />

allabendliche Zusammenziehen der Umsätze in die Zentralkasse<br />

obsolet. Der Fortschritt war spürbar, gelegentlich demonstrierte<br />

das Digitalzeitalter aber auch die neuen Anfällig- und Abhängigkeiten:<br />

«Zur Hochsaison stand ich mal im Outlet in Volketswil, es<br />

war wirklich mächtig was los – nur an den Kassen ging gar nichts.<br />

Ich habe dann mit dem Laptop im Kassenbereich sozusagen am<br />

offenen Herzen programmiert, damit die Transaktionen durchginin<br />

Lausanne führte. Goeringer erweiterte das Sortiment schnell<br />

und blieb in anderen Wünschen hartnäckig. Dass das Lausanner<br />

Publikum dem Angebot bald Vertrauen schenkte, daran hatte<br />

auch das bewährte Bächli-Prinzip mit attraktiven Outlet-Preisen<br />

seinen Anteil. «Patrick hat das damals perfekt verbunden. Als<br />

Elsässer, der in der Deutschschweiz gelernt hat, konnte er die<br />

verschiedenen Mentalitäten gut integrieren», sagt Michael Roth<br />

rückblickend über den Schritt in die Westschweiz, der 2018 mit<br />

einer neuen Filiale in Conthey (VS) ergänzt wurde. Nicht nur für<br />

den Einkauf, auch für das Marketing war Lausanne eine Zäsur:<br />

Ab nun wurden alle Produkttexte und Publikationen zweisprachig<br />

geführt, samt Katalog und Webshop. «Für die Bächli-Kultur war<br />

das sehr bereichernd! Wir haben den Röstigraben überwunden»,<br />

zieht Susanna Bächli Bilanz.<br />

Ein weiterer Meilenstein der Firmengeschichte lässt sich auf<br />

2018 datieren: Eigentümer, VR-Präsident und CEO Felix Bächli entschied<br />

sich, einen Teil der Verantwortung abzugeben und das operative<br />

Geschäft in neue Hände zu legen. Kein einfacher, aber ein lang<br />

durchdachter, logischer Schritt angesichts der Grösse des stetig<br />

wachsenden Unternehmens mit rund 250 Mitarbeitenden. Seit dem<br />

1. September 2018 zeichnet mit Thomas Morand erstmals kein Familienmitglied<br />

für Bächli Bergsport verantwortlich. Ein Wendepunkt in<br />

der Firmenhistorie? Ganz und gar nicht. Das Verständnis zwischen<br />

60<br />

61


Partnercheck Bächli Bergsport<br />

Thema Rubrik<br />

‹1› Mit der neuesten Bächli-Filiale<br />

in Contone ist man nun auch<br />

im Tessin zu Hause.<br />

‹2› Die letzten Handgriffe vor dem<br />

Eröffnungsapéro: Eine neue Bächli-<br />

Filiale wird bestückt.<br />

by<br />

Bächli Filialen<br />

‹1›<br />

1974 Volketswil<br />

1977 Zürich-Oerlikon<br />

1994 Volketswil-Outlet<br />

1995 Schönbühl (Bern) und Bern Outlet<br />

2002 Basel<br />

20<strong>03</strong> Kriens/Luzern<br />

2004 St. Gallen<br />

2010 Pfäffikon<br />

2011 Volketswil Hauptgeschäft<br />

2012 Lausanne<br />

2013 Chur<br />

2014 Thun<br />

2017 Aarau<br />

2018 Conthey<br />

2022 Contone<br />

Meilensteine<br />

2000<br />

Lagerbewirtschaftung über EDV<br />

20<strong>03</strong> / 2004<br />

Einführung ERP Axapta<br />

‹2›<br />

Felix Bächli und Thomas Morand zur künftigen Ausrichtung der<br />

Firma war sofort da. «Mir ist bewusst, was die Familie geschaffen<br />

hat. Ich weiss aber auch, dass es in ihrem Interesse ist, das Unternehmen<br />

weitsichtig weiterzuentwickeln», erläutert Morand seine<br />

Herangehensweise. So herrscht beispielsweise Einigkeit, dass das<br />

Unternehmen unabhängig bleiben soll. Frei von Einkaufsorganisationen<br />

oder Investoren. «Diese Rahmenbedingungen geben uns die<br />

Freiheit, eigene Sortimentsentscheide zu fällen und uns auf unsere<br />

stationäre Fachhandelsstrategie zu fokussieren.» Dies beinhaltet<br />

auch die Weiterentwicklung des Online-Auftritts, im Wissen darüber,<br />

dass wir nicht mit den Online-Riesen mithalten können – und auch<br />

nicht müssen», so Morand weiter. Der gelernte Skibauer Morand<br />

kennt jeden Wertschöpfungszweig der Sportartikelbranche bestens.<br />

Im Zentrum bleibt bei Bächli dabei der Bergsport: «Nur weil wir dort<br />

etabliert sind, springen wir nicht auf andere Sportarten oder neue<br />

Freizeitbeschäftigungen auf, sondern konzentrieren uns auf die Entwicklung<br />

der Bergsport-Disziplinen.<br />

Detailhandel heisst vor allem auch Prozesse entwickeln. So löste<br />

Morand als interimistischer Informatik-Leiter während der Pandemie<br />

das altgediente ERP ab. Als eine der ersten Firmen der Schweiz<br />

stellte Bächli Bergsport komplett auf das cloudbasierte ERP «Microsoft<br />

Dynamics D365 FO» um. Bereits vorher wurden auf strategischer<br />

Ebene Weichen gestellt. 2019 wurde der Verwaltungsrat um externe<br />

Mitglieder mit den Spezialgebieten in Informatik- und Personalwesen<br />

erweitert, ehe 2023 auch die Kinder von Felix und Susanna Bächli hinzustiessen.<br />

Ein Familienunternehmen mit Impulsen von aussen: «Damit<br />

sind wir nachhaltig aufgestellt», ist Morand überzeugt.<br />

Bestätigt hat das unter anderem die Corona-Pandemie. Für<br />

Morand war es «eine Bewährungsprobe, die gezeigt hat, dass unsere<br />

Strategie krisenfest ist». Als von einem Tag auf den anderen die<br />

Filialen schliessen mussten, zahlten sich die Investitionen in die IT-Infrastruktur<br />

und den Webshop rasch aus. 2022 kam eine weitere Filiale<br />

dazu – im Tessin. «Contone war ein Herzensprojekt», erzählt Morand,<br />

Lausanne<br />

Conthey<br />

Bern<br />

Basel<br />

Thun<br />

Aarau<br />

Kriens<br />

Zürich<br />

Volketswil<br />

Pfäffikon<br />

Contone<br />

St. Gallen<br />

der nach einem Boulderausflug mit seinen Kindern im Verzascatal auf<br />

eine spannende Immobilie stiess. «Wenn diese Verkaufsfläche frei ist,<br />

brauchen wir sie!», habe er noch am Abend Verkaufsleiter Zmak informiert.<br />

Das Projekt gelang nicht nur, «der Schritt war richtig», so<br />

Morand. «Wir wollten einfach diese spezielle Bergkultur – vom Bouldern<br />

über Wandern, Skitouren bis zum Bigwallklettern – aber auch die<br />

italienische Sprachregion der Schweiz aufnehmen.»<br />

Wie fällt der Blick in die Zukunft aus? In einem überhitzten<br />

Markt ist nun eine Konsolidierungsphase im Gang, skizziert Morand.<br />

Das schnelllebige Umfeld hat der Fachhandel durchaus mit<br />

dem Bergsport gemein. «Der Bergsport verändert sich immer: die<br />

Technik, das Material, auch die Bedingungen am Berg selbst», findet<br />

Morand. «Das alles hat Einfluss auf unsere Umsetzung, nicht aber<br />

auf unsere Vision: Bergsport ist eine lebenslange Leidenschaft.»<br />

Chur<br />

Fotos: zvg<br />

2008<br />

Intensivierung e-Commerce/Webshop<br />

2009<br />

Umzug Zentrale inkl. Zentrallager Nänikon<br />

2012<br />

Erste französischsprachige Filiale in<br />

Lausanne<br />

2013<br />

Einführung Warensicherungssystem an<br />

allen Standorten<br />

2015<br />

Neugestaltung Onlineshop<br />

2016<br />

IT-Audit (Überprüfung IT-Architektur<br />

und IT-Sicherheit)<br />

2018<br />

Neuer CEO zur Erweiterung und<br />

Stärkung der Geschäftsleitung<br />

2020<br />

Einführung AX D365<br />

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62<br />

Entdecke mich!<br />

63


Ausstieg<br />

Vom Finden und Halten:<br />

Strategien für<br />

eine starke Teamkultur<br />

64<br />

Der Fachkräftemangel ist seit einigen Jahren in aller Munde. Auch<br />

im Detailhandel gibt es viele offene Stellen. Gleichzeitig ist die Arbeitslosenquote<br />

historisch tief. Aufgrund der demografi schen Entwicklung<br />

und dem Wunsch nach mehr Freizeit fehlen immer mehr<br />

Menschen im Arbeitsprozess. Wie schaffen wir es bei Bächli Bergsport unter<br />

diesen Umständen, genügend qualifi zierte und passende Mitarbeitende anzuziehen<br />

und bei uns zu halten?<br />

Alles beginnt beim Suchen unserer Fachpersonen. Bei der Rekrutierung<br />

setzen wir bewusst den Fokus auf den Bergsport. Nur Personen, welche diese<br />

Leidenschaft teilen, werden sich langfristig bei uns wohlfühlen und eine gute<br />

Beratungsqualität auf Augenhöhe mit unserer Kundschaft erbringen. Das Teilen<br />

der eigenen Erlebnisse, auch im Team, ist wohl der am häufi gsten genannte<br />

positive Aspekt im Arbeitsalltag. Um Mitarbeitende bei uns zu halten, achten wir<br />

insbesondere auf eine wertschätzende Führungskultur, auf die frühzeitige Einsatzplanung<br />

mit Mitsprachemöglichkeit und auf regelmässige Weiterbildungen<br />

am Berg und in den Filialen.<br />

Natürlich freuen die Mitarbeitenden sich auch über die grosszügigen Mitarbeiterrabatte<br />

und weitere Benefi ts. Was stark geschätzt wird: Wir unterstützen<br />

unsere Mitarbeitenden bei arbeitsbezogenen und gesundheitlichen Themen. Natürlich<br />

gibt es auch Themen, die wir verbessern wollen. Die Kommunikation in<br />

unserer dezentralen, bewusst wenig reglementierten Firmenstruktur ist äusserst<br />

anspruchsvoll. Auch die in der ganzen Branche herausfordernden Arbeitsbedingungen<br />

kommen zur Sprache. Hier schaffen wir faire Bedingungen innerhalb<br />

der Strukturen und sind im Dialog mit den Mitarbeitenden. Wir entschärfen den<br />

Fachkräftemangel, indem wir möglichst vielen jungen Menschen eine qualitativ<br />

hochwertige Lehre anbieten und sie je nach Leistung und Filialsituation für eine<br />

Festanstellung übernehmen. Bei geeigneter Passung ist es auch nach dem Pensionierungszeitpunkt<br />

möglich, weiter mit uns zusammenzuarbeiten.<br />

Wir wollen langfristig ein Verhalten im Unternehmen fördern, das unseren<br />

Werten Vertrauen, Respekt, Ehrlichkeit und Loyalität entspricht. Mitar-<br />

beitende sollen sich frei fühlen, ihre Gedanken und Ideen zu<br />

teilen, Fehler einzugestehen, Konfl ikte anzusprechen, ohne<br />

Angst vor Kritik oder Zurückweisung. Das ist der höchste<br />

Wert unserer Firmenkultur: Wir dürfen sein, wer wir<br />

sind, und arbeiten innerhalb unserer Werte gemeinsam<br />

für den Bergsport.<br />

Nadine Spirig<br />

Leiterin HR<br />

JETZT<br />

BEWERBEN<br />

Impressum<br />

«<strong>Inspiration</strong>», die Kundenzeitschrift der Bächli Bergsport AG,<br />

erscheint 4 x jährlich und ist in allen Filialen kostenlos erhältlich.<br />

Auflage: 90’000 Exemplare<br />

Herausgeber<br />

Bächli Bergsport AG<br />

Gewerbestrasse 12, 8606 Nänikon<br />

Tel: 044 826 76 76<br />

E-Mail: info@baechli-bergsport.ch<br />

Aboverwaltung & Information<br />

E-Mail: info@baechli-bergsport.ch<br />

Redaktion, Layout & Konzept<br />

Outdoor Publishing GmbH<br />

Kesselbachstrasse 4, 9450 Altstätten<br />

Tel: 071 755 66 55<br />

E-Mail: redaktion@outdoor-publishing.com<br />

Copyright<br />

Alle Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung<br />

ist ohne Zustimmung des Herausgebers unzulässig<br />

und strafbar. Das gilt insbesondere für<br />

Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und<br />

Verarbeitung in elek tronischen und multimedialen<br />

Systemen.<br />

Druck<br />

Stämpfli AG<br />

Wölflistrasse 1, 3001 Bern<br />

Tel: <strong>03</strong>1 300 66 66<br />

E-Mail: info@staempfli.com<br />

Drucksache<br />

myclimate.org/01-24-607485<br />

Fotos: Nicolas Tröhler, Christian Jäggi<br />

COMMITTED.<br />

BD Athlet Kim Marschner<br />

Pro Touch Traverse (7a), Brione, Schweiz<br />

Alex Fuchs<br />

Explore<br />

Ticino Gravity


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