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vsao Journal Nr. 3 - Juni 2024

Plan - Ziele, Zufälle, Zeitzeugnisse Politik - 42+4: Gegenargumente auf dem Prüfstand Geschlechtsdysphorie – Chirurgische Behandlungsoptionen Achalasie - Verlauf, Diagnose, Therapie

Plan - Ziele, Zufälle, Zeitzeugnisse
Politik - 42+4: Gegenargumente auf dem Prüfstand
Geschlechtsdysphorie – Chirurgische Behandlungsoptionen
Achalasie - Verlauf, Diagnose, Therapie

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<strong>vsao</strong><br />

<strong>Nr</strong>. 3, <strong>Juni</strong> <strong>2024</strong><br />

<strong>Journal</strong><br />

Das <strong>Journal</strong> des Verbandes Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />

Plan<br />

Ziele, Zufälle,<br />

Zeitzeugnisse<br />

Seite 28<br />

Politik<br />

42+4: Gegenargumente<br />

auf dem Prüfstand<br />

Seite 6<br />

Geschlechtsdysphorie<br />

Chirurgische<br />

Behandlungsoptionen<br />

Seite 50<br />

Achalasie<br />

Verlauf, Diagnose,<br />

Therapie<br />

Seite 54


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Inhalt<br />

Plan<br />

Ziele, Zufälle, Zeitzeugnisse<br />

Coverbild: Stephan Schmitz<br />

Editorial<br />

5 Vorausschauen und nachzeichnen<br />

Politik<br />

6 Einschränkung oder Chance?<br />

8 Eine Rose und ein Setzling<br />

11 Auf den Punkt gebracht<br />

Weiterbildung /<br />

Arbeitsbedingungen<br />

12 Nominieren Sie engagierte Weiterbildende<br />

für den SIWF-Award<br />

14 Next Level<br />

Feedback geben<br />

18 Forschen lernen<br />

<strong>vsao</strong><br />

20 Ein Unter stützungsnetzwerk<br />

für Ärztinnen und Ärzte<br />

22 Neues aus den Sektionen<br />

26 <strong>vsao</strong>-Inside<br />

27 <strong>vsao</strong>-Rechtsberatung<br />

Perspektiven<br />

50 Aktuelles zur Geschlechtsdysphorie:<br />

Geschlechts angleichende<br />

Operationen – was ist möglich?<br />

54 Aus der «Therapeutischen<br />

Umschau» – Übersichtsarbeit:<br />

Klinik-Update Achalasie <strong>2024</strong><br />

61 My Way<br />

mediservice<br />

62 Briefkasten<br />

64 Zusatzversicherungen kündigen?<br />

Medpension<br />

65 Wir setzen den Wachstumskurs<br />

erfolgreich fort<br />

66 Impressum<br />

Fokus: System<br />

28 Wie Muscheln sich in Schale werfen<br />

31 Die Autonomie der Patientinnen<br />

und Patienten fördern: die Gesundheitliche<br />

Vorausplanung<br />

36 Stadtpläne im Wandel der Zeit<br />

40 «So furchtbar es klingt: Ich bin<br />

dankbar um meine Krankheit»<br />

42 Ist Kreativität planbar?<br />

46 Wie wir den Zufall auf unsere<br />

Seite bringen<br />

48 Können Tiere planen?<br />

<strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong>:<br />

neue Redaktionsmitglieder gesucht<br />

Sind Sie vielseitig interessiert und haben Lust,<br />

das <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong> mitzuprägen?<br />

Bild: zvg<br />

Gewinnen Sie einen Einblick in unsere Arbeit, und nehmen<br />

Sie unverbindlich an einer Redaktionssitzung teil.<br />

Hauptaufgaben der Redaktion sind<br />

• die thematische Planung der Hefte,<br />

• die Suche nach Autorinnen und Autoren,<br />

• die regelmässige Teilnahme an den Sitzungen<br />

(sechs abendliche Sitzungen und eine Retraite).<br />

Interessiert? Dann melden Sie sich unter journal@<strong>vsao</strong>.ch.<br />

Wir freuen uns auf neue Gesichter.<br />

«Als Redaktionsmitglied des<br />

<strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong>s kann ich in<br />

einem erfrischenden Umfeld<br />

neue Ideen umsetzen.»<br />

Fabian Kraxner,<br />

Oberarzt Psychiatrie, Spital Affoltern,<br />

und Redaktionsmitglied seit 2020<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 3


Allgemeine<br />

Innere Medizin<br />

13. – 16.11.<strong>2024</strong> Zürich 32 h<br />

21. – 25.01.2025 Basel 40 h<br />

Innere Medizin<br />

25. – 29.06.<strong>2024</strong> Zürich 39 SGAIM<br />

03. – 07.12.<strong>2024</strong> Zürich 40 h<br />

Hausarzt<br />

Fortbildungstage<br />

05. – 06.09.<strong>2024</strong> Basel<br />

12. – 13.09.<strong>2024</strong> Bern<br />

27. – 28.09.<strong>2024</strong> Luzern<br />

Allergologie<br />

27. – 28.11.<strong>2024</strong> Zürich<br />

14 h<br />

13 h<br />

Diabetes<br />

07. – 09.11.<strong>2024</strong> Zürich<br />

EKG – Aufbaukurs<br />

28. – 29.10.<strong>2024</strong> Zürich<br />

16 SSAPM | 14 SGK |<br />

14 SGAIM | 16 SGNOR<br />

Gynäkologie<br />

28. – 30.11.<strong>2024</strong> Livestream<br />

Immunonkologika<br />

und gezielte Therapien<br />

05. – 06.07.<strong>2024</strong> Livestream<br />

Kardiologie<br />

15. – 16.11.<strong>2024</strong> Zürich<br />

21 h<br />

24 h<br />

16 h<br />

12 h<br />

Neurologie<br />

29. – 30.11.<strong>2024</strong> Zürich<br />

Notfallmedizin<br />

NEU<br />

13. – 14.11.<strong>2024</strong> Zürich<br />

Pädiatrie<br />

28. – 30.10.<strong>2024</strong> Zürich<br />

Psychiatrie und<br />

Psychotherapie<br />

07. – 09.11.<strong>2024</strong> Livestream<br />

Psychologie<br />

26. – 28.11.<strong>2024</strong> Zürich<br />

Rheumatologie<br />

16 SNG<br />

12 h<br />

24 h<br />

21 h<br />

23 h<br />

13 h<br />

Update Refresher<br />

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Nephrologie<br />

27. – 28.09.<strong>2024</strong> Zürich<br />

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Editorial<br />

Vorausschauen<br />

und<br />

nachzeichnen<br />

Regula Grünwald<br />

Chefredaktorin <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong><br />

Kommissar Matthäi hat an alles gedacht: an die Tankstelle<br />

an der Strasse zwischen Graubünden und Zürich,<br />

an welcher der Mörder dreier Mädchen früher oder<br />

später vorbeifahren muss, und an das blonde Mädchen<br />

im roten Kleid, das seinem Beuteschema entspricht und als<br />

Lockvogel dienen soll. In Friedrich Dürrenmatts Kriminalroman<br />

«Das Versprechen» geht Matthäis Plan fast auf, aber eben nur fast.<br />

Im letzten Moment kommt der Zufall dazwischen.<br />

Auch unser Leben ist durchzogen von Zufällen – wenn glücklicherweise<br />

auch meist von weniger tragischen. Wie sich Zufälle<br />

in unsere Planung integrieren und sogar nutzen lassen, zeigt ein<br />

Beitrag im Fokusteil dieser Ausgabe. Ebenso gehen wir weiteren<br />

Fragen rund um das Thema «Plan» nach: Wie lässt sich Kreativität<br />

planen? Gibt es auch Tiere, die mit Absicht für zukünftige Bedürfnisse<br />

vorsorgen? Welche Vorteile hat die Gesundheitliche Vorausplanung?<br />

Und was bedeutet es, wenn eine Krankheit die eigenen<br />

Lebenspläne über den Haufen wirft?<br />

Neben der Beschäftigung mit der Zukunft machen wir auch zwei<br />

Abstecher in die Vergangenheit. Vor etwa 540 Millionen Jahren<br />

begannen die Muscheln, ihren Bauplan anzupassen und eine<br />

Panzerung zu entwickeln, um sich zu schützen. Die Folge davon<br />

ist eine schier endlose Artenvielfalt. Etwas weniger weit zurück<br />

reicht die Anfangszeit der Stadtpläne. Deren Wandel zeigt sowohl<br />

die technische Entwicklung als auch verschiedene gesellschaftliche<br />

Bedürfnisse auf.<br />

Eine Dienstplanung, die für Assistenzärztinnen und -ärzte eine<br />

Sollarbeitszeit von 42 Stunden plus vier Stunden strukturierte<br />

Weiterbildung vorsieht, ist ein Ziel des <strong>vsao</strong>. Welche Argumente<br />

die Gegner dieses Arbeitszeitmodells vorbringen und wie der <strong>vsao</strong><br />

dazu Stellung nimmt, ist im Politik-Teil nachzulesen. Und um<br />

die Frage, wie strukturiertes Feedback sowie schwierige Rückmeldungen<br />

im Spitalalltag gelingen, geht es in der Serie «Next Level».<br />

Möchten Sie sichergehen, dass Sie in Zukunft die Onlineausgabe<br />

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<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 5


Politik<br />

Einschränkung<br />

oder Chance?<br />

Die 42+4-Stunden-Woche für Assistenzärztinnen und -ärzte<br />

ist ein zentrales Anliegen des <strong>vsao</strong>. Eine parlamentarische Initiative im<br />

Kanton Zürich will eine entsprechende Regelung im Gesetz verankern.<br />

Gegenstimmen gab es aus bürgerlichen Parteien – auch von Ärzten.<br />

Wir haben bei ihnen nachgefragt.<br />

Philipp Thüler, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong><br />

Mit der 42+4-Stunden-Woche soll nicht nur die Arbeitszeit reduziert werden, sondern dank erhöhter Effizienz mehr Zeit für Patientinnen und Patienten<br />

zur Verfügung stehen.<br />

Die meisten Spitäler in der<br />

Schweiz planen die Einsätze<br />

ihrer Assistenzärztinnen und<br />

-ärzte auf der Basis einer<br />

50-Stunden-Woche. Das führt regelmässig<br />

zu Verstössen gegen das Arbeitsgesetz, das<br />

eine Höchstarbeitszeit von 50 Stunden pro<br />

Woche vorschreibt. Gleichzeitig kommt<br />

die Weiterbildung zu kurz, und viele Assistenzärztinnen<br />

und -ärzte leiden unter<br />

Überlastung und Erschöpfung, wie das unter<br />

anderem die Auswertung der <strong>vsao</strong>-Mitgliederumfrage<br />

2022 gezeigt hat.<br />

Der <strong>vsao</strong> setzt sich deshalb für das<br />

Modell der 42+4-Stunden-Woche ein, bei<br />

dem mit 42 Stunden Dienstleistung rund<br />

um die Patientenbetreuung plus vier<br />

Stunden strukturierter Weiterbildung geplant<br />

wird. Um dem Modell zum Durchbruch<br />

zu verhelfen, setzt der <strong>vsao</strong> vor allem<br />

auf Verhandlungen mit einzelnen<br />

Spitälern oder Kliniken – dies hat zum<br />

Beispiel am Institut für Intensivmedizin<br />

des Unispitals Zürich, am Paraplegiker-Zentrum<br />

Nottwil wie auch im Kanton<br />

Tessin (GAV-Regelung ab 2025) zum Erfolg<br />

geführt.<br />

Bild: Adobe Stock<br />

6<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Politik<br />

Verankerung im Gesetz?<br />

Im Kanton Zürich gibt es nun zudem den<br />

Versuch, die 42+4-Stunden-Woche in den<br />

kantonalen Gesetzen zu verankern. Eine<br />

entsprechende parlamentarische Initiative<br />

wurde vom Medizinstudenten Benjamin<br />

Walder lanciert, der für die Grüne Partei<br />

im Kantonsrat sitzt. Konkret fordert die<br />

Initiative die konsequente Umsetzung der<br />

42+4-Stunden-Woche für Assistenzärztinnen<br />

und -ärzte in Zürcher Spitälern durch<br />

eine Änderung des Spitalplanungs- und<br />

Finanzierungsgesetzes sowie eine Änderung<br />

des Gesundheitsgesetzes.<br />

In der Parlamentsdebatte am 29. April<br />

fand die Initiative eine Mehrheit von<br />

62 Stimmen, womit der Vorschlag an die<br />

zuständige Kommission für soziale Sicherheit<br />

und Gesundheit überwiesen wurde.<br />

Diese wird die Idee und die konkrete Umsetzung<br />

diskutieren und dem Parlament<br />

einen Vorschlag zur Diskussion und Abstimmung<br />

unterbreiten.<br />

Die knappe Mehrheit kam dank der<br />

Unterstützung von SP, der Grünen Partei,<br />

der EVP, der Alternativen Liste und von<br />

Teilen der GLP zustande. Die GLP vertrat<br />

zwar die Meinung, dass die konkrete Forderung<br />

der 42+4-Stunden-Woche nicht<br />

umsetzbar sei, anerkennt aber das Problem<br />

und möchte es deshalb in der Kommission<br />

diskutieren, um eine – aus ihrer<br />

Sicht machbare – Lösung zu finden.<br />

Bürgerliche Ärzte dagegen<br />

Von bürgerlicher Seite hingegen erhielt die<br />

Vorlage keine Unterstützung, auch nicht<br />

von Ärzten. Josef Widler, Arzt, ehemaliger<br />

Präsident der Zürcher Ärztegesellschaft<br />

und Mitglied der Mitte-Fraktion, sowie<br />

Andreas Juchli, Arzt, Unternehmer und<br />

FDP-Mitglied, lehnten die Initiative ab.<br />

Wir wollten von ihnen wissen, warum.<br />

Josef Widler nimmt Bezug auf die beschränkte<br />

Zahl von Studienplätzen. 2022<br />

hätten sich 6147 Personen für die 2172<br />

angebotenen Studienplätze beworben.<br />

Widler betont zwar, dass eine Erhöhung<br />

der Ausbildungsplätze angestrebt werden<br />

müsse, aber es werde kaum möglich sein,<br />

innert nützlicher Frist genügend Plätze<br />

bereitzustellen, um die ärztliche Versorgung<br />

sicherzustellen. «Wer also einen der<br />

raren und kostspieligen Studienplätze erhält,<br />

sollte deshalb bereit und fähig sein,<br />

mehr zu leisten.»<br />

Die raren Studienplätze können aber<br />

auch zu anderen Schlussfolgerungen führen,<br />

findet der <strong>vsao</strong>: Gerade weil die Studienplätze<br />

beschränkt und teuer sind, muss<br />

verhindert werden, dass die frisch ausgebildeten<br />

Ärztinnen und Ärzte den Arztberuf<br />

frühzeitig wieder verlassen. Genau<br />

dies geschieht aber momentan aufgrund<br />

der schlechten Arbeitsbedingungen viel<br />

zu oft, wie diverse Studien und Umfragen<br />

gezeigt haben.<br />

Wie der <strong>vsao</strong> ist auch Josef Widler der<br />

Meinung, dass die Bürokratie unbedingt<br />

reduziert werden muss, damit Ärztinnen<br />

und Ärzte mehr Zeit am Patientenbett verbringen<br />

können. Widler glaubt aber diesbezüglich<br />

nicht an die heilsame Wirkung<br />

der 42+4-Stunden-Woche, sondern hält<br />

fest: «Dieser Kampf muss von der Ärzteschaft<br />

direkt in den Institutionen geführt<br />

werden.» Die 42+4-Stunden-Woche sei als<br />

Mittel gegen die Bürokratie untauglich.<br />

Der <strong>vsao</strong> hingegen ist überzeugt, dass die<br />

42+4-Stunden-Woche beim Bürokratieabbau<br />

hilfreich sein kann, da die Spitäler<br />

einen Anreiz erhalten, die klar beschränkte<br />

Arbeitszeit der Ärztinnen und Ärzte<br />

sinnvoll und effizient zu nutzen.<br />

Die drei Ziele von 42+4<br />

Mit der 42+4-Stunden-Woche will der<br />

<strong>vsao</strong> erreichen, dass die Sollarbeitszeit<br />

von Assistenzärztinnen und -ärzten<br />

reduziert wird, die Weiterbildung<br />

gemäss den Vorschriften des SIWF<br />

wahrgenommen werden kann und die<br />

ärztliche Tätigkeit wieder mehr am<br />

Patientenbett stattfindet. Auf der<br />

Website www.<strong>vsao</strong>.ch/42plus4 finden<br />

sich weitere Informationen zur<br />

42+4-Stunden-Woche, unter anderem<br />

ein Kurzargumentarium und konkrete<br />

Tipps zur Umsetzung.<br />

Wie viel wollen Ärztinnen und Ärzte<br />

arbeiten?<br />

Andreas Juchli begründet sein Votum<br />

gegen das Anliegen vor allem damit, dass<br />

der Arztberuf ein «Leistungsberuf» sei.<br />

Leistung heisse auch, «viel arbeiten zu<br />

wollen» – und 42 Stunden plus Weiterbildung<br />

seien «dafür einfach zu wenig».<br />

Gleichzeitig stellt Juchli die Frage: «Woher<br />

stammt die Erkenntnis, dass 42+4 mit viel<br />

mehr Lebensqualität einhergeht?» Auch<br />

Josef Widler ist der Meinung, dass eine<br />

Verkürzung der Arbeitszeit «die Freiheit<br />

der jungen Ärztinnen und Ärzte [einschränkt]<br />

und sie in ihrem Fortkommen<br />

behindert».<br />

Tatsache ist aber – auch das hat die<br />

<strong>vsao</strong>-Umfrage gezeigt – dass sich über<br />

80 Prozent der Assistenzärztinnen und<br />

-ärzte eine deutliche Reduktion der heute<br />

üblichen Sollarbeitszeit von 50 Stunden<br />

wünschen. Mit 42+4 kann diesem Wunsch<br />

entsprochen werden, zudem lässt sich damit<br />

das Arbeitsgesetz eher einhalten, da<br />

bei unvorhergesehenen Einsätzen nicht<br />

sofort die zulässige Höchstarbeitszeit<br />

überschritten wird. Mehreinsätze werden<br />

durch 42+4 somit nicht verhindert, sondern<br />

die Spitäler erhalten bei der Einsatzplanung<br />

mehr Flexibilität im Rahmen des<br />

Arbeitsgesetzes.<br />

Juchli betont, dass er sehr wohl für eine<br />

Verbesserung der Arbeitsbedingungen<br />

sei, aber «nicht einseitig über die Reduktion<br />

der Arbeitszeit». Er will stattdessen «das<br />

Effizienzpotenzial maximal ausschöpfen».<br />

Und diese «Effizienzdividende» solle danach<br />

fair aufgeteilt werden, zwischen Patientinnen<br />

und Patienten, Ärzteschaft, anderen<br />

Gesundheitsberufen sowie Arbeitgebenden<br />

und Steuerzahlenden.<br />

Damit ist Juchli letztlich nahe an der<br />

Argumentation des <strong>vsao</strong>. Die Arbeitszeit<br />

ist heute zu lang und wird oft ineffizient<br />

genutzt, was für viele frustrierend ist.<br />

Bei der Forderung nach einer 42+4-Stunden-Woche<br />

geht es deshalb nicht nur um<br />

eine Reduktion der Sollarbeitszeit, sondern<br />

auch um die Stärkung der Weiterbildung<br />

und um die Reduktion von administrativen<br />

Tätigkeiten, damit sich die<br />

Assistenzärztinnen und -ärzte vermehrt<br />

auf ihre Kernaufgabe, die Arbeit am Patientenbett,<br />

konzentrieren können.<br />

Der <strong>vsao</strong> wird sich deshalb weiterhin<br />

an allen Fronten für die 42+4-Stunden-Woche<br />

stark machen. Nur so kann langfristig<br />

sichergestellt werden, dass genügend Ärztinnen<br />

und Ärzte zur Verfügung stehen,<br />

die ihren Beruf mit Freude und Leidenschaft<br />

ausüben, ohne dabei ihre eigene<br />

Gesundheit aufs Spiel zu setzen.<br />

@<strong>vsao</strong>asmac<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 7


Politik<br />

Der <strong>vsao</strong>-Zentralvorstand<br />

bestätigte Angelo Barrile<br />

als Präsidenten.<br />

Eine Rose und<br />

ein Setzling<br />

Mit der Spitalrose 2023 zeichnete der <strong>vsao</strong>-Zentralvorstand<br />

einen Arbeitgeber aus, der seit Jahren in die Weiterbildung investiert.<br />

Noch weit vor der Blüte hingegen steht die Idee einer nationalen Kampagne<br />

oder Aktion für die Beschäftigten im Gesundheitswesen.<br />

Regula Grünwald, Chefredaktorin <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong>, Bilder: Severin Nowacki<br />

Ursprünglich hätte die Spitalrose<br />

2023 ausserordentliche Bemühungen<br />

zur Reduktion der<br />

Bürokratie oder zur Digitalisierung<br />

eines Spitals oder einer Klinik würdigen<br />

sollen. Bis zum offiziellen Einsendeschluss<br />

ging jedoch keine einzige Nomination<br />

ein. Deshalb erweiterte der Geschäftsausschuss<br />

(GA) den Aufruf kurzerhand um<br />

das Thema «Weiterbildung» – und konnte<br />

so dem Zentralvorstand (ZV) an dessen<br />

Frühjahrssitzung vom 27. April <strong>2024</strong> immerhin<br />

drei Projekte zur Auswahl vorlegen.<br />

Eine Rose mit Signalwirkung?<br />

Die Sektion Aargau hatte das interdisziplinäre<br />

Notfallzentrum des Kantonsspitals Baden<br />

(KSB) nominiert, weil es seit vielen Jahren<br />

konsequent in die Weiter- und Fortbildung<br />

investiert; unter anderem mit zehn<br />

expliziten externen Weiter- bzw. Fortbildungstagen<br />

für alle, weiteren internen Weiterbildungstagen<br />

für Assistenzärztinnen<br />

und -ärzte, kurzen Weiterbildungselementen<br />

beim Schichtwechsel am Nachmittag<br />

sowie einer grosszügigen finanziellen Unterstützung<br />

der Weiter- und Fortbildung.<br />

8<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Politik<br />

Ebenfalls zur Auswahl stand das Universitätsspital<br />

Basel mit seiner vorbildlichen<br />

Mitbestimmungskultur. Nach einem<br />

offenen Brief, in dem die Assistenz- und<br />

Oberärztinnen und -ärzte ihre Unzufriedenheit<br />

mit den Arbeitsbedingungen und<br />

den Löhnen kundgetan hatten, initiierte<br />

die Spitalleitung monatliche Sitzungen.<br />

Diese finden seit über einem Jahr statt<br />

und haben bereits zu einigen Verbesserungen<br />

sowie weiteren Projekten in Planung<br />

geführt.<br />

Dritte Anwärterin auf die Spitalrose<br />

war die Abteilung Allgemeine Innere Medizin<br />

des Kantonsspitals St. Gallen. Eine<br />

gut organisierte Weiterbildung, das Eingehen<br />

auf individuelle Planungs- und Teilzeitwünsche,<br />

eine Dienstplanung, die – sogar<br />

auf dem Notfall – für eine zumutbare<br />

Belastung und ein gutes Arbeitsklima<br />

sorgt, sowie eine Stunde Homeoffice pro<br />

Woche zur Vorbereitung auf die Facharztprüfung<br />

waren einige der Argumente, welche<br />

die Sektion St. Gallen zugunsten ihrer<br />

Kandidatin ins Feld führte.<br />

Nach einer kurzen Diskussion entschied<br />

der ZV mit grosser Mehrheit, ein<br />

Zeichen dafür zu setzen, dass eine gute<br />

Weiterbildung auch auf einer Notfallstation<br />

möglich ist: Er vergab die Spitalrose<br />

2023 an das interdisziplinäre Notfallzentrum<br />

des KSB in der Hoffnung, dass sich<br />

auch andere Arbeitsorte daran ein Vorbild<br />

nehmen. Eine ausführliche Würdigung<br />

folgt in der nächsten Ausgabe.<br />

Gemeinsam für das Gesundheitswesen<br />

Nicht nur in manchen Notfallstationen und<br />

nicht nur punkto Weiterbildung herrscht<br />

im Gesundheitswesen Handlungsbedarf;<br />

weitere Stichworte sind der Fachkräftemangel,<br />

die schwierige Finanzlage der Spitäler<br />

und die schlechten Arbeitsbedingungen.<br />

Um diese Probleme anzugehen, hat die<br />

Gewerkschaft Unia gemeinsam mit dem<br />

Verband der Pflegefachpersonen (SBK) die<br />

Idee einer nationalen Kampagne mit den<br />

im Gesundheitswesen tätigen Personen<br />

lanciert. Hauptziele sind es, die Rahmenbedingungen<br />

und Voraussetzungen für eine<br />

langfristige und bedarfsorientierte Gesundheitsversorgung<br />

zu schaffen sowie die<br />

Arbeitsbedingungen und Tarifverträge der<br />

Leistungserbringer so zu gestalten, dass das<br />

Gesundheitswesen als attraktiver Arbeitsmarkt<br />

wahrgenommen wird und ausreichend<br />

Fachkräfte zur Verfügung stehen.<br />

Kann und will der <strong>vsao</strong> die finanziellen<br />

und personellen Ressourcen aufwenden,<br />

um bei der Kampagne mitzumachen?<br />

Ja, entschieden die Delegierten, sofern einige<br />

Bedingungen erfüllt sind: Der Beitrag<br />

des <strong>vsao</strong> ans Startkapital darf drei Franken<br />

pro Mitglied – also rund 66 000 Franken –<br />

nicht übersteigen, die Kampagne muss<br />

von einem Grossteil der Arbeitnehmendenverbände<br />

im Gesundheitswesen mitgetragen<br />

werden und die Entscheidungsprozesse<br />

im zu gründenden Verein sollten<br />

so gestaltet werden, dass der <strong>vsao</strong> als<br />

grosser Verband auch ein entsprechendes<br />

Mitspracherecht hat (siehe auch Kasten).<br />

Ein Abgang und zwei neue Gesichter<br />

Alle zwei Jahre muss der ZV die GA-Mitglieder<br />

und die Präsidentin bzw. den Präsidenten<br />

bestätigen. Bis auf Martin Sailer, der aus<br />

beruflichen Gründen auf eine Wiederwahl<br />

verzichtete, dem <strong>vsao</strong> jedoch als Vorstandsmitglied<br />

der Sektion Basel erhalten bleibt,<br />

stellten sich alle GA-Mitglieder für eine erneute<br />

Wahl zur Verfügung. Jedoch wird<br />

Vizepräsidentin Nora Bienz – ebenfalls aus<br />

beruflichen Gründen – nur noch bis Ende<br />

<strong>Juni</strong> im Amt bleiben. Neu wählte der ZV<br />

Vera Dino und Sarah Stalder (siehe Kasten<br />

auf S. 10) in den GA, zudem bestätigte er<br />

Angelo Barrile mit Applaus als <strong>vsao</strong>-Präsidenten.<br />

Auch im FMH-Zentralvorstand stehen<br />

im <strong>Juni</strong> Gesamterneuerungswahlen<br />

an. Der ZV beauftragte die Ärztekammer-<br />

Delegierten des <strong>vsao</strong>, die bisherigen Mitglieder<br />

Jana Siroka und Christoph Bosshard<br />

wiederzuwählen, wobei Letzteres für<br />

kurze Diskussionen sorgte. Dies nicht etwa,<br />

weil jemand die Kompetenz oder das<br />

<strong>vsao</strong>-Herz von Christoph Bosshard angezweifelt<br />

hätte, sondern weil er aufgrund<br />

der geltenden Amtszeitbeschränkung nur<br />

antreten kann, wenn ein – nur einmalig<br />

möglicher – Antrag auf Amtszeitverlängerung<br />

gestellt und angenommen wird. Von<br />

mehreren Seiten wurde deshalb betont,<br />

dass es nun wichtig sei, bereits jetzt Personen<br />

aufzubauen, die in vier Jahren in die<br />

Fussstapfen von Christoph Bosshard treten<br />

können.<br />

Neues Projekt zu sexueller<br />

Belästigung<br />

Dass dem <strong>vsao</strong> die Arbeit nicht ausgehen<br />

wird, zeigten die Berichte aus den Ressorts<br />

und Arbeitsgruppen, den Sektionen<br />

und dem Dachverband. So ist etwa die Arbeitsgruppe<br />

42+4 zum einen in Kontakt<br />

mit Chirurginnen und Chirurgen bezüglich<br />

der Umsetzung der 42+4-Stunden-Woche<br />

in der Chirurgie. Zum anderen ist sie<br />

gemeinsam mit einer Agentur daran, eine<br />

Informationskampagne aufzugleisen, die<br />

Aktualisierung: keine<br />

Beteiligung des <strong>vsao</strong> an<br />

der Kampagne<br />

Wenige Wochen nach dem ZV befasste<br />

sich auch der Geschäftsausschuss<br />

mit der vom ZV im Grundsatz befürworteten<br />

Kampagne für die im Gesundheitswesen<br />

tätigen Personen,<br />

die gemeinsam mit der Unia, dem SBK<br />

und weiteren Verbänden geplant war.<br />

In der Zwischenzeit hatten verschiedene<br />

Sektionen Hinweise erhalten,<br />

dass sich der VPOD nicht an der Kampagne<br />

beteiligen wolle. Da für viele<br />

Sektionen der VPOD bei den Verhandlungen<br />

mit Spitälern der wichtigste<br />

Partner ist, kommt eine Kampagne<br />

ohne VPOD für sie nicht infrage. Der<br />

GA hat deshalb entschieden, auf eine<br />

Beteiligung des <strong>vsao</strong> an der geplanten<br />

Kampagne zu verzichten. Stattdessen<br />

soll nach Möglichkeit eine gemeinsame<br />

Aktion oder Kampagne mit dem<br />

SBK, dem VPOD und allenfalls weiteren<br />

Partnern angestrebt werden.<br />

dem geforderten Arbeitszeitmodell weiteren<br />

Auftrieb geben soll. Auch die aus dem<br />

runden Tisch hervorgegangenen Untergruppen<br />

sind nach wie vor aktiv, so etwa<br />

beim Thema Bürokratie. Nach der letztjährigen<br />

Umfrage zu negativen Beispielen<br />

will der <strong>vsao</strong> nun positive Beispiele sammeln,<br />

die als Vorbild dienen können.<br />

Nebst unnötigem bürokratischem<br />

Aufwand gehören insbesondere für Ärztinnen<br />

oft auch anzügliche Bemerkungen<br />

zum Alltag. Mit einem neuen Projekt<br />

möchte der <strong>vsao</strong> nun Ärztinnen und Ärzte<br />

in Spitälern für das Problem der sexuellen<br />

Belästigung sensibilisieren und das Thema<br />

enttabuisieren. Noch steht das Projekt<br />

am Anfang, angedachte Massnahmen<br />

sind unter anderem eine Datenerhebung<br />

sowie Schulungen in den Spitälern.<br />

Auch noch relativ neu, aber schon<br />

sehr aktiv ist die Arbeitsgruppe Planetary<br />

Health. Neben einer bereits durchgeführten<br />

Umfrage, über die im letzten <strong>vsao</strong><br />

<strong>Journal</strong> berichtet wurde, hat die Arbeitsgruppe<br />

diverse weitere Aktivitäten geplant,<br />

sodass schon über die Hälfte des<br />

gesprochenen Budgets von 20 000 Franken<br />

aufgebraucht ist. Die Sektionen Bern<br />

und Zürich beantragten deshalb eine Budgeterhöhung<br />

auf 35 000 Franken für das<br />

laufende Geschäftsjahr. Der ZV stimmte<br />

dem Antrag zu.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 9


Politik<br />

Das Vertrauen ins <strong>vsao</strong>-Zentralsekretariat ist da: Der Zentralvorstand genehmigte die Erfolgsrechnung 2023 einstimmig.<br />

Solide Finanzen<br />

Nicht um das laufende, sondern um das<br />

vergangene Geschäftsjahr ging es bei der<br />

Erfolgsrechnung 2023. Die zunehmenden<br />

Aktivitäten des <strong>vsao</strong> widerspiegelten sich<br />

auch in den Kosten, sagte <strong>vsao</strong>-Geschäftsführer<br />

Simon Stettler. Dennoch gebe es<br />

keinen Anlass zu Sorge, der <strong>vsao</strong> sei finanziell<br />

solide aufgestellt. Zwar schloss die<br />

Rechnung mit einem Minus, dieses fiel jedoch<br />

weniger hoch aus als budgetiert.<br />

Team von mediservice ist wieder<br />

komplett<br />

Ähnlich präsentierte sich die Situation an<br />

der Delegiertenversammlung (DV) von<br />

mediservice <strong>vsao</strong>-asmac. Auch hier war<br />

ein Minus budgetiert worden, auch hier<br />

fiel es geringer aus als vorgesehen. Und<br />

auch hier sind einige Aktivitäten im Gang:<br />

In seinem Statusbericht verwies mediservice-Präsident<br />

Daniel Schröpfer auf<br />

die Seminare und Webinare mit Partnern,<br />

die vermehrt geplant und durchgeführt<br />

werden. 2023 verzeichnete mediservice<br />

ein deutliches Wachstum – und kam erstmals<br />

auf über 19 000 Mitglieder. Wie Marc<br />

Schällebaum erläuterte, ist das Team von<br />

mediservice, das im vergangenen Jahr einige,<br />

teils altersbedingte Abgänge verzeichnete,<br />

mit der Anstellung von Florian<br />

Albrecht im Account Management nun<br />

wieder komplett.<br />

@<strong>vsao</strong>asmac<br />

Neu im Geschäftsausschuss<br />

<strong>vsao</strong><br />

Vera Dino<br />

Assistenzärztin Innere<br />

Medizin, Spital Wil,<br />

seit 2023 Mitarbeit im<br />

Team der <strong>vsao</strong>-Sektion<br />

St. Gallen und<br />

Appenzell<br />

Sarah Stalder<br />

Assistenzärztin Praxis<br />

am Weissenstein in<br />

Langendorf, Vorstandsmitglied<br />

<strong>vsao</strong><br />

Solothurn<br />

Bilder: zvg<br />

10<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Politik<br />

Gemeinsam für<br />

ein starkes<br />

Gesundheits wesen?<br />

Bild: zvg<br />

Im November 2021 hat die Schweizer Stimmbevölkerung<br />

die Pflegeinitiative mit einer deutlichen Mehrheit von<br />

über 60 Prozent angenommen. Das klare Ja wurde zwar<br />

von der speziellen Situation mitten in der Covid-19-Pandemie<br />

begünstigt, trotzdem war es ein historischer Erfolg – nur<br />

schon, weil Volksinitiativen in der Schweiz nur ganz selten<br />

angenommen werden.<br />

Auch der <strong>vsao</strong> warb damals für ein Ja zur Initiative,<br />

weil er die Probleme bei den Arbeitsbedingungen<br />

des Pflegepersonals anerkannte. Er<br />

war und ist sich auch bewusst, dass der<br />

Fachkräftemangel bei den Pflegenden<br />

sich negativ auf die Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen<br />

der Spitalärzteschaft<br />

auswirkt. Die Unterstützung<br />

war also nicht nur ein Akt der<br />

Solidarität, sondern erfolgte durchaus<br />

auch in eigenem Interesse.<br />

Genauso gut hätte damals wie<br />

auch heute eine Initiative für Assistenz-<br />

und Oberärztinnen und -ärzte<br />

lanciert werden können – oder eine<br />

für Hebammen, Physiotherapeuten,<br />

Ergotherapeutinnen oder eine andere<br />

Berufsgruppe aus dem Gesundheitswesen.<br />

Praktisch alle Personen, die im Gesundheitswesen<br />

beschäftigt sind – insbesondere die Angestellten<br />

– leiden in der einen oder anderen Form unter<br />

dem hohen Rhythmus, den langen und unregelmässigen Arbeitszeiten,<br />

dem Schichtbetrieb mit Nacht- und Sonntagsarbeit,<br />

der zunehmenden Bürokratie, der fehlenden Wertschätzung<br />

durch Vorgesetzte.<br />

Sie spüren auch die schlechte finanzielle Lage vieler<br />

Spitäler, und dazu kommt eine Medienberichterstattung und<br />

eine politische Debatte, die gefühlt ständig davon spricht,<br />

dass das Gesundheitswesen viel zu teuer sei und die Kosten<br />

unbedingt und dringend gesenkt werden müssten. Wobei<br />

Kostensenkung immer auch bedeuten würde, dass der Druck<br />

auf das Personal weiter erhöht wird, da niemand auf Leistungen<br />

verzichten möchte.<br />

Die Pflegeinitiative ist mittlerweile in der Umsetzung<br />

einen grossen Schritt weitergekommen. Die erste Etappe, bei<br />

der es darum ging, die Ausbildung von neuem Pflegepersonal zu<br />

fördern, ist auf Bundesebene abgeschlossen und tritt am 1. Juli<br />

<strong>2024</strong> in Kraft. Die damit beschlossene Ausbildungsoffensive<br />

Auf den<br />

Punkt<br />

gebracht<br />

kann aber nur gelingen, wenn auch die Kantone ihren Beitrag<br />

leisten: Geld vom Bund fliesst nämlich nur in jene Kantone,<br />

die selbst auch einen finanziellen Beitrag für die Förderung<br />

der Pflegeausbildung leisten. Welche Wirkung die Offensive<br />

tatsächlich haben wird, lässt sich heute noch nicht abschätzen.<br />

Die zweite Etappe, mit der die Arbeitsbedingungen des<br />

Pflegepersonals verbessert werden sollen, wurde kürzlich<br />

in die Vernehmlassung geschickt und wird danach<br />

im Parlament verhandelt. Der Verband der<br />

Pflegefachpersonen SBK hat sich in einer<br />

ersten Stellungnahme nur teilweise<br />

positiv geäussert. Er begrüsst zwar<br />

die vorgesehenen Verbesserungen<br />

der Arbeitsbedingungen, bemängelt<br />

aber insbesondere, dass für die<br />

Umsetzung keine zusätzlichen<br />

finanziellen Mittel vorgesehen sind.<br />

Tatsächlich stellt sich die<br />

Frage, wie die Arbeitsbedingungen<br />

von Pflegefachpersonen ganz<br />

ohne zusätzliche finanzielle Mittel<br />

verbessert werden können. Es<br />

zeichnet sich also ab, dass auch nach<br />

der Umsetzung der Initiative viele<br />

Probleme bestehen bleiben bzw. dass<br />

deren Lösung an der fehlenden Finanzierung<br />

scheitern wird. Ebenso bleiben die Probleme<br />

der Assistenzärztinnen und -ärzte und der anderen<br />

Berufsgruppen bestehen.<br />

Vielleicht rückt so der Zeitpunkt näher, an dem es gelingen<br />

wird, ein breites Bündnis der Beschäftigten im Gesundheitswesen<br />

zu mobilisieren. Wenn all diese Berufsgruppen – von<br />

Ärztinnen und Pflegenden über Hebammen und Psychotherapeuten<br />

bis zu Ergotherapeutinnen – gemeinsam ein Zeichen<br />

setzen, dass Verbesserungen dringend nötig sind, hat dies<br />

bestimmt eine andere und stärkere Wirkung, als wenn wie<br />

bis anhin einzelne Verbände mehr oder weniger im Alleingang<br />

ihre Forderungen stellen.<br />

Philipp Thüler,<br />

Leiter Politik und Kommunikation /<br />

stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong><br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 11


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Nominieren Sie<br />

engagierte Weiterbildende<br />

für den SIWF-Award<br />

War eine ehemalige Weiterbildnerin von Ihnen besonders gut darin,<br />

einprägsame Erklärungen zu liefern? Oder hat sich ein früherer Weiterbildner<br />

auch in stressigen Situationen Zeit fürs Teaching genommen?<br />

Dann nominieren Sie diese Person oder auch ein ganzes Team für<br />

den SIWF-Award.<br />

Dr. med. Raphael Stolz, Vizepräsident des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF),<br />

PD Dr. med. et MME Monika Brodmann Maeder, Präsidentin des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF)<br />

Auf dem Weg zum Facharzttitel treffen Ärztinnen und Ärzte auf viele verschiedene Weiterbildungsverantwortliche.<br />

Motivierende und positive<br />

Reaktionen von Weiterbildnerinnen<br />

und Weiterbildnern,<br />

die für den SIWF-<br />

Award nominiert wurden, haben uns bestätigt,<br />

dass eine solche Auszeichnung<br />

sinnvoll ist und ihren Zweck erfüllt. Wir<br />

freuen uns deshalb, bereits zum elften Mal<br />

die Ausschreibung für den SIWF- Award<br />

veröffentlichen zu können.<br />

Entscheidende Grundlage für eine optimale<br />

Vermittlung von Haltung, Können<br />

und Wissen an die Weiterzubildenden ist<br />

das Engagement der Kaderärztinnen und<br />

Kaderärzte. Diese Aufgabe lässt sich nur<br />

beschränkt durch Pflichtenhefte definieren,<br />

viel wichtiger sind persönliches Engagement<br />

und Begeisterung. Die Belas-<br />

Bild: SIWF/Standardlizenz iStock<br />

12<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Bild: www.lovelife.ch/de/publikationen<br />

tungen in der medizinischen Arbeitswelt<br />

sind vielfältig, und die zeitlichen sowie finanziellen<br />

Ressourcen werden stets knapper.<br />

Umso mehr sollten besonders aktive<br />

und motivierte Weiterbildnerinnen und<br />

Weiterbildner auch Anerkennung erhalten.<br />

Das SIWF bietet aus diesem Grund Assistenzärztinnen<br />

und Assistenzärzten die<br />

Möglichkeit, das ausserordentliche Engagement<br />

solcher Weiterbildungsverantwortlichen<br />

explizit zu würdigen, ohne<br />

aber eine Rangliste erstellen zu wollen.<br />

Einzelpersonen oder Teams<br />

Für den SIWF-Award können Personen<br />

nominiert werden, die zurzeit in der ärztlichen<br />

Weiterbildung aktiv tätig sind. Im<br />

Fokus stehen Kaderärztinnen und Kaderärzte,<br />

die sich persönlich für die Weiterbildung<br />

von angehenden Fachärztinnen und<br />

Fachärzten einsetzen und besonders kompetent<br />

und initiativ bei der Weitergabe<br />

von Kompetenzen sind. Ebenfalls können<br />

verantwortliche Teams einer Weiterbildungsstätte<br />

nominiert werden. Nominationsberechtigt<br />

sind Ärztinnen und Ärzte,<br />

die sich zurzeit in der Weiterbildung zu<br />

einem Facharzttitel oder privatrechtlichen<br />

Schwerpunkt befinden oder vor weniger<br />

als einem Jahr den Facharzttitel erworben<br />

haben. Eine Nomination ist dann<br />

gültig, wenn sie durch zwei Personen gemeinsam<br />

erfolgt. Sie soll die persönliche<br />

Wertschätzung für die wahrgenommene<br />

Weiterbildungsqualität und für das Engagement<br />

der Weiterbildungsverantwortlichen<br />

ausdrücken. Damit aufgrund des<br />

Nominationsprozesses keine Vorteile oder<br />

Konflikte am Arbeitsplatz entstehen können,<br />

dürfen nur Weiterbildungsverantwortliche<br />

oder Teams nominiert werden,<br />

bei denen die Nominierenden aktuell<br />

nicht mehr angestellt sind.<br />

Die SIWF-Geschäftsleitung überprüft,<br />

ob die Nominierung formell korrekt ist,<br />

und entscheidet abschliessend über die<br />

Gültigkeit der einzelnen Nominationen.<br />

Alle korrekt Nominierten erhalten<br />

als Würdigung ihres Engagements in der<br />

Weiterbildung eine Anerkennungsurkunde,<br />

ein Präsent und eine kostenlose<br />

Einladung zum MedEd-Symposium am<br />

18. September <strong>2024</strong> in Bern. Sie werden<br />

(nach Rückfrage) auf der SIWF-Website<br />

(www.siwf.ch) aufgeführt und am MedEd-<br />

Symposium namentlich genannt. Die Namen<br />

der nominierenden Personen hingegen<br />

werden nicht veröffentlicht und<br />

den Nominierten auch nicht mitgeteilt.<br />

Es wird keine Rangliste der Nominierten<br />

erstellt.<br />

Jetzt Weiterbildungsverantwortliche nominieren!<br />

Der SIWF-Award gibt die Möglichkeit, besonders engagierten und kompetenten ärztlichen<br />

Weiterbildungsverantwortlichen und auch Teams eine Anerkennung auszudrücken.<br />

Hat eine ehemalige Weiterbildnerin oder ein ehemaliger Weiterbildner bei Ihnen<br />

einen bleibenden Eindruck hinterlassen? Dann nominieren Sie sie oder ihn für den<br />

SIWF-Award.<br />

Füllen Sie auf der SIWF-Website<br />

(www.siwf.ch b SIWF-Projekte b SIWF-Award)<br />

das Onlineformular aus.<br />

Einsendeschluss: 31. Juli <strong>2024</strong><br />

Weitere Informationen finden Sie auf www.siwf.ch.<br />

Wenn Sie Fragen haben, erreichen Sie uns über info@siwf.ch<br />

oder unter 031 503 06 00.<br />

Kriterien für die Nomination<br />

– Zugelassen sind Ärztinnen und Ärzte,<br />

die sich zurzeit in der Weiterbildung zu<br />

einem Facharzttitel oder privatrechtlichen<br />

Schwerpunkt befinden oder vor<br />

weniger als einem Jahr den Facharzttitel<br />

erworben haben.<br />

– Die Nomination muss gemeinsam durch<br />

zwei Personen erfolgen.<br />

– Nominierende dürfen aktuell nicht mehr<br />

bei der oder dem zu nominierenden Weiterbildungsverantwortlichen<br />

an gestellt<br />

sein.<br />

– Die zu nominierende Person muss aktuell<br />

in der Weiterbildung tätig sein.<br />

MedEd-Symposium <strong>2024</strong><br />

Die Nominierten werden am MedEd-<br />

Symposium am 18. September <strong>2024</strong><br />

in Bern gewürdigt. Weitere Informationen<br />

zum Symposium finden Sie<br />

via QR-Code.<br />

LOVE LIFE: Neue Schutz- und Testempfehlungen<br />

Seit vielen Jahren ist das Kondom in der breiten Öffentlichkeit<br />

verankert. Es war lange das Symbol von Safer Sex<br />

und bedeutete Schutz vor HIV. Heute umfasst Safer Sex<br />

den Schutz vor HIV, HCV, HBV und anderen sexuell<br />

übertragbaren Infektionen (STI).<br />

Die LOVE-LIFE-Kampagne «READY!» spricht nun nicht<br />

mehr von «Safer-Sex-Regeln», sondern von individuellen<br />

«Empfehlungen». An die Stelle der Kondomregel für alle<br />

tritt deshalb die neue Empfehlung: «Mach deinen persönlichen<br />

Safer-Sex-Check.»<br />

So erhalten die Nutzenden individuelle Schutz- und<br />

Testempfehlungen.<br />

Mehr Infos unter: www.lovelife.ch<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 13


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Positives Feedback darf auch mal im Patientenzimmer stattfinden.<br />

Next Level<br />

Feedback geben<br />

Regelmässige Rückmeldungen ermöglichen es Assistenzärztinnen<br />

und -ärzten, ihre Leistungen zu verbessern. Insbesondere dann,<br />

wenn relevante Defizite zur Sprache kommen, ist eine gute Vorbereitung<br />

des Feedbackgesprächs wichtig.<br />

Dr. med. Christine Roten, Spitalfachärztin I, und Dr. med. Martin Perrig, Chefarzt,<br />

Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin, Inselspital Bern<br />

Bilder: Adobe Stock, zvg<br />

14<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Feedback ist eine gezielte Information<br />

über eine beobachtete<br />

Leistung im Vergleich zu einem<br />

definierten Standard [1]. Feedback<br />

soll möglichst konkret und konstruktiv<br />

beschreiben, wie etwas gemacht<br />

bzw. durchgeführt wurde: Ziel ist die spezifische<br />

Verbesserung oder Änderung eines<br />

Verhaltens, einer Tätigkeit oder eines<br />

Prozesses.<br />

Voraussetzungen für Feedback<br />

Respektvolles Klima: Ein respektvolles<br />

Lernklima ist die Grundvoraussetzung, damit<br />

Feedback effektiv und nachhaltig ist<br />

[2]. Nur durch gegenseitigen Respekt und<br />

Vertrauen kann Feedback gut angenommen<br />

und umgesetzt werden [3].<br />

Erwartungen definieren: Es braucht definierte<br />

Vorgaben und Lernziele betreffend<br />

erwartete Leistung, um vorhandenes<br />

Wissen, eine Handlung oder ein Verhalten<br />

beurteilen zu können.<br />

Beobachtete Handlungen: Feedback soll<br />

sich auf konkret beobachtete Situationen<br />

beziehen. Es wirkt unglaubwürdig, wenn<br />

es auf einem Hörensagen oder auf Aussagen<br />

Dritter basiert.<br />

Regelmässig und zeitnah: Feedback soll<br />

regelmässig im Alltag integriert werden.<br />

Durch unmittelbares und direktes Ansprechen<br />

kann eine mangelhafte Leistung am<br />

effizientesten verbessert werden.<br />

Wie läuft strukturiertes Feedback ab?<br />

Auswahl der Inhalte und des geeigneten<br />

Rahmens: Vor dem Beobachten wird gemeinsam<br />

festgelegt, was die Ziele und Inhalte<br />

des Feedbacks sein sollen. Es sollen<br />

vor allem veränderbare Leistungen besprochen<br />

werden. Ein Feedback soll nach<br />

Möglichkeit immer in einer geeigneten<br />

und für beide Seiten angenehmen Umgebung<br />

stattfinden. Positives Feedback darf<br />

auch mal vor der Pflege oder vor Patientinnen<br />

und Patienten im Patientenzimmer<br />

stattfinden.<br />

Selbsteinschätzung: Beim Feedbackgespräch<br />

wird als Erstes mit offenen Fragen<br />

die Selbsteinschätzung der Assistentin<br />

oder des Assistenten erfragt, z.B.:<br />

«Wie hast du die Intervention, das Gespräch<br />

erlebt? Hast du dich sicher gefühlt? Gab es<br />

Unsicherheiten? Was hast du als schwierig<br />

empfunden?»<br />

Durch die Selbsteinschätzung können<br />

Schwierigkeiten aufgegriffen werden, die<br />

von der Oberärztin oder dem Oberarzt<br />

ebenfalls beobachtet wurden.<br />

Feedback: Beim eigentlichen Feedback beschreibt<br />

die Oberärztin oder der Oberarzt<br />

konkrete persönliche Beobachtungen. Dazu<br />

soll die Ich-Form verwendet werden,<br />

z.B.:<br />

«Ich habe beobachtet …, Mir ist aufgefallen<br />

…, Mir hat sehr gefallen, dass …»<br />

Als Erstes bespricht die Oberärztin oder<br />

der Oberarzt die Stärken (Verhalten, Gesprächstechnik,<br />

Fertigkeiten usw.), die<br />

beibehalten werden sollen. Die Assistenzärztin<br />

oder der Assistenzarzt fühlt sich<br />

dadurch unterstützt und motiviert [4, 5].<br />

Danach beschreibt und bespricht die<br />

Oberärztin oder der Oberarzt, bei welchen<br />

Leistungen Verbesserungen angezeigt<br />

sind.<br />

Eine Formulierung wie «… sehr gut,<br />

aber …» ist zu vermeiden, da unklar ist,<br />

was gut und was zu verbessern ist. Zudem<br />

hilft es, wenn die Oberärztin oder der<br />

Oberarzt konkret begründet, weshalb etwas<br />

verbessert werden soll, und spezifische<br />

Veränderungsvorschläge macht, die<br />

nachvollziehbar sind. Damit können die<br />

Akzeptanz und die Bereitschaft zur Veränderung<br />

erleichtert werden [6].<br />

Zusammenfassung und Abschluss: Die<br />

Assistentin oder der Assistent wird aufgefordert,<br />

ihre respektive seine Lerneffekte<br />

zusammenzufassen. Es kann ein nächstes<br />

Feedbacktreffen abgemacht werden, bei<br />

dem die Verbesserungen und Fortschritte<br />

erneut besprochen werden.<br />

Auch wenn man sich gut vorbereitet,<br />

laufen nicht alle Feedbacks wie erwartet.<br />

Deshalb lohnt es sich, nach jedem Feedback<br />

zu überlegen, was gut gelaufen ist<br />

und was man beim nächsten Mal anders<br />

machen würde [5, 7].<br />

Was sind meine Aufgaben<br />

als Oberärztin<br />

oder als Oberarzt?<br />

Da Oberärztinnen und -ärzte direkt für<br />

die Qualität der medizinischen Betreuung<br />

in ihrem ärztlichen Team mitverantwortlich<br />

sind, ist es wichtig, dass<br />

sie die Leistung ihres Teams beobachten,<br />

beurteilen sowie Probleme, Mängel<br />

usw. konkret ansprechen. Zudem<br />

tragen sie durch ihr Feedback wesentlich<br />

dazu bei, dass Assistenzärztinnen<br />

und -ärzte in ihrer Weiterbildung<br />

effizient vorwärtskommen und sich<br />

gezielt verbessern können.<br />

Um eine optimale Patientenbetreuung<br />

zu erreichen, ist auch ein regelmässiger<br />

Austausch mit gegenseitigem Feedback<br />

innerhalb des interprofessionellen<br />

Teams wichtig.<br />

Ein Leitfaden zur oberärztlichen Tätigkeit<br />

Der Schritt von der Assistenzzeit hin zur oberärztlichen<br />

Tätigkeit ist mit vielen neuen Aufgaben verbunden. Neben<br />

den fachlichen Kompetenzen sind auch vermehrt überfachliche<br />

Kompetenzen wie eine gute Kommunikation<br />

sowie didaktische und Führungsqualitäten gefordert. Die<br />

Artikelserie «Next Level» zeigt entsprechende Herausforderungen<br />

auf und bietet praktische Tipps und Unterstützung<br />

für die tägliche Arbeit. Die leicht angepassten und<br />

teilweise stark gekürzten Texte stammen aus dem Leitfaden<br />

«Die oberärztliche Tätigkeit – eine neue Herausforderung»<br />

und wurden vom Verlag Hogrefe sowie den jeweiligen<br />

Autorinnen und Autoren freundlicherweise für einen Nachdruck<br />

zur Verfügung gestellt. Der gesamte Leitfaden mit<br />

den ungekürzten Texten und weiteren Themen ist beim Verlag Hogrefe oder bei der<br />

Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) erhältlich.<br />

Roten C, Perrig M (Hrsg.): Die oberärztliche Tätigkeit – eine neue Herausforderung.<br />

Ein praktischer Leitfaden. 1. Auflage, Bern: Hogrefe Verlag, 2021.<br />

www.hogrefe.com, www.sgaim.ch<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 15


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Feedback ist wichtig und wirksam: Mit gezieltem Feedback und bei Bedarf Unterstützung können Leistungen kontinuierlich verbessert werden.<br />

Anzeige<br />

www.hogrefe.com<br />

Norbert Donner-Banzhoff<br />

Die ärztliche Diagnose<br />

Erfahrung – Evidenz – Ritual<br />

Insbesondere niedergelassene<br />

Ärzt * innen müssen zunehmend die<br />

eigenen Erfahrungswerte und das<br />

individuelle Patienten-Wohl mit in<br />

die eigene Entscheidungsfindung<br />

integrieren, was nicht immer und<br />

zwangsläufig mit der Hochschullehrmeinung<br />

übereinstimmt. Das Buch versucht anhand verschiedener<br />

Sichtweisen eine Handlungsrelevanz für den ärztlichen<br />

Alltag herauszuarbeiten.<br />

2022, 360 S., 64 Abb., 5 Tab., Kt.<br />

€ 45,00 (DE) / € 46,30 (AT) / CHF 58.50<br />

ISBN 978-3-456-86194-4<br />

Auch als ebook erhältlich<br />

Schwieriges Feedback<br />

Feedback wird zu einer besonderen Herausforderung,<br />

wenn relevante Defizite beobachtet<br />

werden [8, 9]. Assistenzärztinnen<br />

und -ärzte sind sich dieser Defizite oft<br />

nicht bewusst.<br />

Für Oberärztinnen und -ärzte stellt<br />

sich die Frage, wann und wie sie schwerwiegende<br />

Mängel ansprechen sollen. Es<br />

besteht das Risiko, dass schwierige Gespräche<br />

verschoben und weitergegeben<br />

werden, ohne dass die betreffende Person<br />

je eine Rückmeldung erhält. Jedoch können<br />

bis zu 90 Prozent dieser Schwierigkeiten<br />

nach einem Feedback mit anschliessender<br />

Intervention und adäquater Unterstützung<br />

behoben werden [10, 11]. Der<br />

Austausch mit anderen oberärztlichen<br />

Kollegen und Kolleginnen ist hier besonders<br />

wichtig und hilfreich.<br />

TIPS-Modell<br />

Ist schwieriges Feedback nötig, empfiehlt<br />

sich das TIPS-Modell [12]. Die ersten beiden<br />

Schritte sollten vor dem Gespräch<br />

stattfinden.<br />

T = Type – Aufschreiben und Spezifizieren<br />

des Problemverhaltens<br />

Essenziell für Feedback bei relevanten Defiziten<br />

ist eine gute Vorbereitung. Es sol-<br />

Bild: Adobe Stock<br />

16<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

len möglichst viele konkrete, am besten<br />

selbst beobachtete Beispiele gesammelt<br />

werden. Es lohnt sich, eigene Eindrücke<br />

aufzuschreiben. Zur Bestätigung können<br />

auch Eindrücke von anderen Beteiligten<br />

eingeholt werden.<br />

I = Identification – Identifizieren der<br />

Kategorie des Problems<br />

Die Zuordnung des Problems ist wichtig,<br />

um eine Lösungsstrategie entwickeln zu<br />

können. Die meisten Probleme können<br />

drei Gruppen zugeordnet werden:<br />

– Wissen: z.B. relevante Lücken im medizinischen<br />

Basiswissen<br />

– Verhalten/Haltung: z.B. fehlende Motivation,<br />

Selbstüberschätzung, mangelhafte<br />

Arzt-Patienten-Beziehung<br />

– Skills: z.B. falsche Interpretation von Informationen<br />

und Befunden, fehlende<br />

interpersonelle und kommunikative<br />

Skills, chaotische Arbeitsorganisation<br />

Die folgenden Schritte finden während<br />

des Feedbackgespräches statt.<br />

Literatur<br />

[1] van de Ridder JM, Stokking KM,<br />

McGaghie WC, Ten Cate OT. What is feedback<br />

in clinical education? Med Educ.<br />

2008;42(2):189–97. https://doi.<br />

org/10.1111/j.1365-2923.2007.02973.x.<br />

[2] Hewson MG, Little ML. Giving<br />

feedback in medical education: verification<br />

of recommended techniques. J Gen Intern Med.<br />

1998;13(2):111–6. https://doi.<br />

org/10.1046/j.1525-1497.1998.00027.x.<br />

[3] Hesketh EA, Laidlaw JM.<br />

Developing the teaching instinct, 1: feedback.<br />

Med Teach. 2002;24(3):245–8. https://doi.<br />

org/10.1080/014215902201409911.<br />

[4] Cantillon P, Sargeant J. Giving<br />

feedback in clinical settings. BMJ.<br />

2008;337:a1961. https://doi.org/10.1136/bmj.<br />

a1961.<br />

[5] Dent J, Harden RM, Hunt D, eds.<br />

A practical Guide for Medical Teachers. 5 th ed.<br />

Amsterdam: Elsevier; 2017.<br />

[6] Vickery AW, Lake FR. Teaching<br />

on the run tips 10: giving feedback. Med J Aust.<br />

2005;183(5):267–8. https://doi.<br />

org/10.5694/j.1326-5377.2005.tb07035.x.<br />

[7] Ramani S, Krackov SK. Twelve tips<br />

for giving feedback effectively in the clinical<br />

environment. Med Teach. 2012;34(10):787–91.<br />

https://doi.org/10.3109/0142159X.2012.684916.<br />

[8] Steinert Y. The «problem» junior:<br />

whose problem is it? BMJ. 2008;336(7636):150–3.<br />

https://doi.org/10.1136/bmj.39308.610081.AD.<br />

[9] Hicks PJ, Cox SM, Espey EL,<br />

Goepfert AR, Bienstock JL, Erickson SS, et al.<br />

To the point: medical education reviews –<br />

dealing with student difficulties in the clinical<br />

setting. Am J Obstet Gynecol.<br />

2005;193(6):1915–22. https://doi.org/10.1016/j.<br />

ajog.2005.08.012.<br />

[10] Winter RO, Birnberg B. Working<br />

with impaired residents: trials, tribulations,<br />

and successes. Fam Med. 2002;34(3):190–6.<br />

[11] Reamy BV, Harman JH. Residents<br />

in trouble: an in-depth assessment of the<br />

25-year experience of a single family medicine<br />

residency. Fam Med. 2006;38(4):252–7.<br />

[12] Lucas JH, Stallworth JR. Providing<br />

difficult feedback: TIPS for the problem learner.<br />

Fam Med. 2003;35(8):544–6.<br />

P = Perception – Beobachtungen<br />

schildern<br />

Die Oberärztin oder der Oberarzt beschreibt<br />

das Problem als Beobachtung in<br />

der Ich-Form und gibt danach der Assistentin<br />

oder dem Assistenten die Möglichkeit,<br />

ihre respektive seine Sicht der Dinge<br />

zu schildern. Zudem sollte die Oberärztin<br />

oder der Oberarzt mit Feingefühl eventuelle<br />

private Ursachen und Leistungen in<br />

früheren Anstellungen ansprechen.<br />

Je nach Verlauf des Gespräches können<br />

verschiedene Kommunikationstechniken<br />

unterstützend sein:<br />

– Normalisieren: «Ich habe einige Assistenzärztinnen<br />

und -ärzte gesehen, die sich … »<br />

– Assoziationen formulieren, Verständnis<br />

signalisieren: «Durch diese schwierige<br />

Situation zu Hause fällt es dir schwer,<br />

dich zu konzentrieren …»<br />

Auch kann es helfen, eigene Erfahrungen<br />

mit ähnlichen Situationen zu schildern.<br />

Herausfordernd wird es dann, wenn es Dis-<br />

krepanzen zwischen der Selbstwahrnehmung<br />

der Assistentin oder des Assistenten<br />

und der Realität gibt. Falls keine Einsicht<br />

erreicht wird, etwas am eigenen Verhalten<br />

zu ändern, kann man sie respektive ihn<br />

auffordern, die Perspektive zu wechseln,<br />

oder schwierige Fragen stellen, z.B.:<br />

– «Was denkst du, was würde ein Patient sagen<br />

über eine Assistenzärztin, die sich …»<br />

– «Kann ich eine komische Frage stellen?<br />

Ich frage mich, ob du wirklich Arzt sein<br />

möchtest …»<br />

S = Strategies – Plan aufstellen<br />

Sobald die Mängel erkannt sind, werden<br />

gemeinsam konkrete Schritte besprochen,<br />

wie diese Mängel behoben werden könnten.<br />

Mögliche Interventionen sind:<br />

– zusätzliche Supervision, Coaching oder<br />

Teaching<br />

– schriftliches Festhalten von Erwartungen<br />

– Reduktion der klinischen Arbeitsbelastung<br />

mit mehr geschützter Arbeitszeit<br />

– Änderung des Arbeitsplatzes durch Rotation<br />

– Probezeit und Beobachtungszeit verlängern<br />

Die Massnahmen sollten in einem Gesprächsprotokoll<br />

schriftlich festgehalten<br />

und von beiden Teilnehmenden unterschrieben<br />

werden. Zusätzlich wird zur<br />

Evaluation der besprochenen Schritte ein<br />

Folgetermin vereinbart.<br />

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Kathrin Grüneis<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 17


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Forschen lernen<br />

Wie war noch mal<br />

die Frage?<br />

In Douglas Adams köstlichem<br />

Science-Fiction-Roman «Per Anhalter<br />

durch die Galaxis» wird ein<br />

Supercomputer beauftragt, die<br />

Frage «nach dem Sinn des Lebens, dem<br />

Universum und dem ganzen Rest» zu<br />

finden. Nach langer Rechenzeit verkündet<br />

er seine Antwort: die Zahl 42. Die erzürnten<br />

Auftraggeber fragen den Computer<br />

nach einer Interpretation dieses simplen<br />

Resultats. Dieser rügt sie, dass sie eine<br />

solch komplexe Frage gar nicht begreifen<br />

könnten und sich ihnen daher auch die<br />

Antwort nie erschliessen würde.<br />

Auch in der klinischen Forschung<br />

enden viele Studien ohne Erfolg, weil<br />

Daten gesammelt werden, ohne vorher<br />

eine präzise Frage gestellt zu haben. Dies<br />

führt spätestens bei den statistischen<br />

Analysen zu Problemen.<br />

Beim Ausarbeiten Ihrer Studienfrage<br />

empfehle ich, die Prinzipien zum Verfassen<br />

von systematischen Reviews anzuwenden.<br />

Mithilfe des englischen Akronyms<br />

PICOT können Sie die Frage in ihre<br />

Bestandteile zerlegen. Wenn Sie beispielsweise<br />

erforschen wollen, ob eine<br />

Otitis media mit Antibiotika behandelt<br />

werden soll, sollten Sie sich etwa folgende<br />

Punkte überlegen:<br />

– Patients: Wie ist Ihre Studienpopulation<br />

definiert? Sind es pädiatrische<br />

Patienten? Schliessen Sie Patientengruppen<br />

mit gewissen Vorerkrankungen<br />

aus?<br />

– Intervention: Welche Antibiotika<br />

wollen Sie studieren? Wie werden sie<br />

verabreicht, wie lange und in welcher<br />

Dosierung?<br />

– Comparator: Was ist die alternative<br />

Therapie? Ein Placebo, keine Therapie<br />

oder eine andere Behandlung? Wie<br />

wird diese verabreicht, wie lange und<br />

in welcher Dosierung?<br />

– Outcome: Wie definieren Sie den<br />

Erfolg der Behandlung? Messen Sie<br />

objektive Outcomes (z. B. Entzündungsparameter)<br />

oder auch subjektive<br />

(z. B. Schmerzen)?<br />

– Time: Wie lange ist das Zeitintervall<br />

von der Behandlung bis zum Messen<br />

des Outcomes?<br />

Wenn Klarheit zu den PICOT-Punkten<br />

herrscht, ist eine wichtige Grundlage<br />

für weitere Überlegungen zum Studiendesign<br />

geschaffen – und damit die<br />

Voraussetzung, dass Ihre Studie nicht<br />

in einer banalen zweistelligen Zahl<br />

resultieren wird.<br />

Lukas Staub,<br />

klinischer Epidemiologe,<br />

Redaktionsmitglied des<br />

<strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong>s<br />

Bild: zvg<br />

18<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Anzeigen<br />

Neues Gesundheitszentrum im Zürcher Unterland lockt Ärzte<br />

mit attraktiven Praxisflächen – Es hat noch einzelne freie Mietflächen<br />

Das Rietbach Center in Bachenbülach schliesst medizinische Versorgungslücken.<br />

Unter dem Motto «Shopping meets Health» bietet das erst kürzlich eröffnete Center eine breite Palette<br />

an medizinischen Dienstleistungen in Verbindung mit einem attraktiven Einkaufserlebnis.<br />

Bachenbülach, ZH – Schon jetzt erfreut sich das Rietbach<br />

Center grosser Beliebtheit. Die Praxen werden regelrecht<br />

von Patienten überrannt, was die hohe Nachfrage nach medizinischen<br />

Dienstleistungen in der Region unterstreicht.<br />

Die freien Flächen werden exklusiv an weitere medizinische<br />

Dienstleister vermietet, betont Alexander Herren von<br />

der Bauherrin P&F Immobilien AG. Dabei sei man für alle<br />

Fachrichtungen offen, solange sie die aktuellen Mieter<br />

nicht konkurrieren. Bereits geöffnet haben eine renommierte<br />

Hausärztegruppe, eine Kinderarztpraxis mit 7 Ärzten<br />

und eine hochmoderne Zahnarztpraxis. Noch in diesem<br />

Jahr werden zudem eine Spitex und weitere Dienstleister<br />

ihre Türen öffnen. Abseits der medizinischen Einrichtungen<br />

bietet das Center ein breites Spektrum an Dienstleistungen<br />

und Einkaufsmöglichkeiten. Dazu gehören ein<br />

Business-Hotel, Burger King, JYSK, Petfriends und ein<br />

Beauty-Salon. Die nahegelegenen Geschäfte wie die Parkallee, der neue Coop Mega Store, Aldi, Smyths Toys und Jumbo machen<br />

das Rietbach Center zu einem lebendigen Knotenpunkt für Gesundheit und Alltag.<br />

Beratung und Inspiration «Freie Mietflächen» im Rietbach Center<br />

Interessenten für Praxisflächen können sich an Alexander Herren wenden.<br />

E-Mail: herren@pfimmobilien.ch, Telefon: 061 564 74 32<br />

Webseite: www.rietbach-center.ch<br />

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Rechtsschutz für Ärzte und<br />

Medizinalpersonen<br />

Bei Ihrer Tätigkeit als<br />

medizinischer Leistungserbringer<br />

steht für Sie der Mensch im<br />

Mittelpunkt. Damit Sie sich<br />

sorglos um Ihre Patientinnen und<br />

Patienten kümmern können,<br />

kümmern wir uns um die<br />

Paragraphen. Wir sind vor einem<br />

Rechtsstreit für Sie da und<br />

unterstützen Sie, wenn es doch<br />

einmal kritisch wird.<br />

Vorteile des Rechtsschutzes<br />

für Ärzte und<br />

Medizinalpersonen<br />

• Persönliche Rechtsberatung<br />

und -vertretung<br />

• Finanzieller Rückhalt und<br />

umfassende Kostenübernahme<br />

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Umfeld<br />

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<strong>vsao</strong><br />

Ein Unterstützungsnetzwerk<br />

für Ärztinnen<br />

und Ärzte<br />

ReMed unterstützt Ärztinnen und Ärzte in Krisensituationen<br />

mit einem breiten Angebot. Dies mit dem Ziel, die Gesundheit und<br />

die ärztliche Funktionalität zu erhalten sowie die Patientensicherheit und<br />

die hohe Qualität in der medizinischen Versorgung zu gewährleisten.<br />

Dr. med. Peter Christen, ärztlicher Co-Programmleiter ReMed<br />

Esther Kraft, nicht ärztliche Co-Leitung ReMed<br />

Lange Arbeitszeiten, eine hohe Verantwortung und ein starker Leistungsdruck stellen<br />

für die Gesundheit von Ärztinnen und Ärzten eine Herausforderung dar. Das Netzwerk ReMed<br />

bietet Unterstützung in Krisensituationen.<br />

Illustration: zvg<br />

20<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


<strong>vsao</strong><br />

Damit Ärztinnen und Ärzte<br />

sich für die Gesundheit ihrer<br />

Patientinnen und Patienten<br />

engagieren können, ist es von<br />

grosser Bedeutung, dass sie ihre eigene<br />

Gesundheit im Blick behalten. Aufgrund<br />

ihrer Arbeitsbedingungen, ihrer hohen<br />

Leistungsbereitschaft und ihrem hohen<br />

Verantwortungsgefühl sind Medizinerinnen<br />

und Mediziner besonderen Risiken<br />

ausgesetzt, die zu ernsthaften physischen<br />

und psychischen Problemen führen können.<br />

Oft zögern sie aus Scham, Hilfe anzunehmen,<br />

und sie tendieren zu Selbstbehandlung<br />

und Selbstmedikation.<br />

In solchen Krisensituationen bietet das<br />

Netzwerk ReMed spezielle Unterstützung<br />

für die Ärzteschaft an, indem es Wissen und<br />

Erfahrung im Bereich Gesundheitsförderung<br />

und Prävention vermittelt. Das kompetente<br />

und erfahrene Beratungsteam sensibilisiert<br />

Ärztinnen und Ärzte für ihre eigene<br />

Gesundheit und vermittelt wertvolle<br />

Tipps. Die Ziele von ReMed bestehen darin,<br />

die Gesundheit und ärztliche Funktionalität<br />

zu erhalten sowie die Patientensicherheit<br />

und hohe Qualität in der medizinischen<br />

Versorgung sicherzustellen.<br />

Auch wenn ReMed von der FMH finanziert<br />

wird, hat die Standesorganisation zu<br />

keinem Zeitpunkt Einblick in die Personen-<br />

und Betreuungsakten. ReMed ist an<br />

das ärztliche Berufsgeheimnis gebunden,<br />

ärztliche und administrative Aufgaben<br />

sind klar getrennt [1].<br />

Situation verstehen und Lösungen<br />

erarbeiten<br />

Die Gesundheit der Ärztinnen und Ärzte<br />

steht bei ReMed im Zentrum, mit besonderer<br />

Beachtung berufsspezifischer Ri siken.<br />

ReMed kann über die 24-Stunden-Hotline<br />

0800-0REMED (0800-0-73633), per<br />

E-Mail (remed@hin.ch) oder über Internet<br />

(www.swiss-remed.ch) kontaktiert werden.<br />

Nach jeder Kontaktaufnahme meldet<br />

sich in nerhalb von 72 Stunden eine Erstberaterin<br />

oder ein Erstberater. Im Gespräch<br />

mit der Rat suchenden Person erfolgt eine<br />

Situa tionsanalyse, und weitere Massnahmen<br />

werden gemeinsam beschlossen. Re-<br />

Med vermittelt für die allfälligen weiteren<br />

Schritte geeignete Fachpersonen aus bestehenden<br />

Angeboten der Region für die<br />

Weiterbetreuung.<br />

ReMed ist für Sie da<br />

Brauchen Sie oder jemand aus Ihrem Umfeld professionelle Hilfe? Wenden Sie sich an<br />

ReMed: Das Unterstützungsnetzwerk für Ärztinnen und Ärzte respektiert das Arztgeheimnis<br />

und berät Sie kompetent. Auch bei anderen beruflichen und persönlichen Krisen kann Ihnen<br />

ReMed Lösungswege aufzeigen. Dieses Angebot gilt auch für Personen aus dem Umfeld<br />

von Ärztinnen und Ärzten. 24 Stunden am Tag. Die ärztlichen Beratenden melden sich<br />

innerhalb von 72 Stunden.<br />

remed@hin.ch / Hotline: 0800 0 73633<br />

gen beraten, begleitet und unterstützt –<br />

und wird dies auch weiterhin tun, denn die<br />

Gesundheit der Ärztinnen und Ärzte ist<br />

und bleibt ein zentrales Thema. 2023 sind<br />

beim Netzwerk über 250 Beratungsanfragen<br />

eingegangen. Die Anzahl Beratungen<br />

nimmt über die Jahre zu. Wie in den letzten<br />

Jahren war die Problematik «Belastung<br />

am Arbeitsplatz» der meistgenannte Grund<br />

für die Kontaktaufnahme, dicht gefolgt<br />

von den Problemen «Burn-out», «Angst»,<br />

«Selbstzweifel» und «Depression».<br />

Die Gründe für die Kontaktaufnahmen<br />

sind vergleichbar geblieben, die<br />

Struktur der Ratsuchenden hingegen hat<br />

sich in den letzten Jahren vom ambulanten<br />

hin zum stationären Sektor und von<br />

den kurz vor der Pension stehenden Ärztinnen<br />

und Ärzten hin zu den Assistenzsowie<br />

Oberärztinnen und -ärzten entwickelt.<br />

Rund 87 Prozent der Rat suchenden<br />

Ärztinnen und Ärzte, die im Spital arbeiten,<br />

geben eine dieser Funktionen an.<br />

Wirkt das Angebot?<br />

Für ReMed war und ist es wichtig, die eigene<br />

Arbeit zu reflektieren und weiterzuentwickeln.<br />

So erfolgte 2016 eine externe<br />

Evaluation und 2021 eine prospektive Studie<br />

realer Beratungsfälle. Gemäss der externen<br />

Evaluation fanden 92 Prozent die<br />

Reaktionszeit (sehr) gut, 98 Prozent schätzen<br />

die Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme<br />

als (sehr) gut ein. Und das Angebot hat<br />

bei 95 Prozent der Rat suchenden Ärztinnen<br />

und Ärzten (teilweise) geholfen. Die<br />

Ergebnisse aus der prospektiven Studie<br />

zeigen ein durchwegs positives Bild mit einer<br />

(sehr) guten Beurteilung der Strukturqualität<br />

von 97 Prozent. Dieser Anteil lag<br />

bei der Prozessqualität bei 90 Prozent und<br />

bei der Ergebnisqualität bei 82 Prozent.<br />

Ärztegesundheit stärken<br />

Verschiedene Faktoren stellen für die Gesundheit<br />

von Ärztinnen und Ärzten in der<br />

Schweiz eine Herausforderung dar: Lange<br />

Arbeitszeiten, hohe Verantwortung, starker<br />

Leistungsdruck, wenig Ausgleichsmöglich-<br />

Belastung am Arbeitsplatz,<br />

Burn-out und Angst<br />

Das Team von ReMed hat in den letzten<br />

13 Jahren rund 1800 Ärztinnen und Ärzte<br />

im Rahmen seiner Unterstützungsleistunkeiten<br />

und schlechte Work-Life-Balance<br />

sind einige davon. Es ist dringend notwendig,<br />

dass die Gesundheit der Ärztinnen und<br />

Ärzte mehr Beachtung findet. Denn Versorgungssicherheit<br />

und Behandlungsqualität<br />

hängen direkt mit dem Gesundheitszustand<br />

der behandelnden Ärztinnen und<br />

Ärzte zusammen. Deshalb engagiert sich<br />

die FMH in diesem Bereich und schafft mit<br />

der Charta Ärztegesundheit eine Argumentationsbasis,<br />

um für die Gesundheit der<br />

Ärztinnen und Ärzte einzustehen.<br />

Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus<br />

Vertretungen der Verbände Schweizerischer<br />

Assistenz- und Oberärztinnen und<br />

-ärzte (<strong>vsao</strong>), der Jungen Haus- und KinderärztInnen<br />

(JHaS) und der Haus- und<br />

Kinderärzte (mfe), der Schweizerischen<br />

Gesellschaft für Arbeitsmedizin (SGARM),<br />

des Schweizerischen Instituts für ärztliche<br />

Weiter- und Fortbildung (SIWF), der Swiss<br />

Medical Students’ Association (swimsa),<br />

der FMH sowie den FMH-Projekten «Coach<br />

my Career» sowie ReMed erarbeitete in<br />

den Jahren 2020 und 2021 die Charta<br />

«Ärztegesundheit – Gesunde Ärztinnen<br />

und Ärzte für gesunde Patientinnen und<br />

Patienten». Diese wurde an der Ärztekammer<br />

vom 19. Mai 2022 allen der FMH<br />

an geschlossenen Verbänden vorgestellt.<br />

Die 14 Kernaussagen und die Angaben, wie<br />

die Charta unterzeichnet werden kann,<br />

finden Sie auf der FMH-Website unter:<br />

FMH › Themen › Public Health › Ärztegesundheit<br />

[2].<br />

Literatur<br />

[1] ReMed Handbuch (2023):<br />

https://remed.fmh.ch/ueber_remed.html,<br />

6.2.2023.<br />

[2] FMH Ärztegesundheit (2023):<br />

https://www.fmh.ch/themen/public-health/<br />

aerztegesundheit.cfm, 6.2.2023.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 21


<strong>vsao</strong><br />

Neues aus<br />

den Sektionen<br />

Bern<br />

Mitgliederversammlung im<br />

Zeichen der Ver änderung<br />

Ende April <strong>2024</strong> fand die Mitgliederversammlung<br />

wiederum im PROGR Bern<br />

statt, und erfreulicherweise waren rund<br />

50 Mitglieder anwesend. Der Slam-Poet<br />

und Arzt Michael Frei hat die Versammlung<br />

mit seinen erfrischenden Texten<br />

künstlerisch umrahmt und den – gemäss<br />

seiner Einschätzung trockenen – statutarischen<br />

Teil aufgewertet.<br />

Weder das Protokoll der Versammlung<br />

2023 noch der Jahresbericht 2023,<br />

die Jahresrechnung 2023, das Budget <strong>2024</strong><br />

oder die Mitgliederbeiträge 2025 gaben<br />

Anlass zu Diskussionen, und alle wurden<br />

einstimmig angenommen. Wir bedanken<br />

uns ganz herzlich für das unserer Arbeit<br />

entgegengebrachte Vertrauen.<br />

Der Vorstand des VSAO Bern hat sich<br />

neu organisiert, arbeitet nun in Ressorts<br />

und macht keine Unterscheidung mehr<br />

Der Slam-Poet Michael Frei lockerte die<br />

Mitgliederversammlung des VSAO Bern mit<br />

seinen erfrischenden Texten auf.<br />

zwischen Kern- und Gesamtvorstand. Wir<br />

haben die acht neuen Ressorts vorgestellt<br />

und zum Mitwirken aufgerufen.<br />

Arbeitsbedingungen: Ziele sind die<br />

Verbesserung der Arbeitsbedingungen und<br />

die Umsetzung der 42+4-Stunden- Woche.<br />

Die Sozialpartnerschaft und der Gesamtarbeitsvertrag<br />

werden gepflegt (inklusive<br />

Lohnverhandlungen). Die Dienstplanberatung<br />

ist ein zentrales Element, wird weiter<br />

ausgebaut, und Workshops dazu werden<br />

angeboten. Anliegen aus den Rechtsberatungen<br />

werden aufgenommen und weiterverfolgt.<br />

Ebenso wird Medizin statt Bürokratie<br />

auf kantonaler Ebene weiterverfolgt.<br />

Gleichstellung: Der VSAO Bern will<br />

die Mitglieder für Gleichstellungsthemen<br />

sensibilisieren. Er setzt sich ein für gleiche<br />

Karrierechancen für alle – ohne Diskriminierung<br />

bezüglich Lohn – und für die<br />

Möglichkeit zur Teilzeitarbeit. Ebenfalls<br />

geht er gegen sexuelle Belästigung am<br />

Arbeitsplatz vor.<br />

Kommissionen: Ziele sind die Koordination<br />

der Vertretungen durch den VSAO<br />

Co-Präsident Marius Grädel-Suter verlässt den<br />

Vorstand des VSAO Bern nach langjähriger<br />

Tätigkeit. Die bisherige Co-Präsidentin Rahel<br />

Gasser wurde zur Präsidentin gewählt.<br />

Bern in Nachfolgekommissionen (Inselspital/Universität<br />

Bern) sowie die Unterstützung<br />

bei Fragen/Unklarheiten zu<br />

Nachfolgegeschäften. Dabei fungiert der<br />

VSAO Bern als Bindeglied zwischen Vorstand<br />

und Nichtvorstandsmitgliedern in<br />

Nachfolgekommissionen.<br />

Kommunikation: Der VSAO Bern ist<br />

regelmässig auf LinkedIn, Facebook und<br />

Instagram aktiv. Übergeordnetes Ziel der<br />

Kommunikationsabteilung ist es, Aktivitäten<br />

des VSAO Bern sichtbar zu machen<br />

sowie die für seine Mitglieder relevanten<br />

politischen Themen aufzugreifen und dazu<br />

Stellung zu beziehen.<br />

Planetary Health: Gestützt auf den<br />

Leitfaden des <strong>vsao</strong> soll eine eigene Richtlinie<br />

erarbeitet werden. Geplant sind zudem<br />

die Kontaktaufnahme zu Nachhaltigkeitsbeauftragten<br />

der Spitäler sowie die<br />

Organisation von Anlässen zum Thema.<br />

Politik: Die Schwerpunkte beinhalten<br />

die aktive Stellungnahme zu aktuellen gesundheitspolitischen<br />

Themen und die<br />

Mitgestaltung auf nationaler, kantonaler<br />

und lokaler Ebene. Wir wollen uns klar positionieren<br />

und die Interessen junger Ärztinnen<br />

und Ärzte in der Schweiz vertreten.<br />

Spitalvernetzung: Der Austausch zwischen<br />

dem VSAO Bern und den Ärztinnen<br />

und Ärzten aller Spitäler des Kantons Bern<br />

soll gefördert werden. Ziel ist es, ein Netzwerk<br />

zu schaffen, das erlaubt, Probleme<br />

rasch zu erkennen und bei Bedarf entsprechend<br />

zu handeln.<br />

Weiterbildung: Ziele sind die Evaluation<br />

der bestehenden Weiterbildungsangebote<br />

und die Förderung der Synergien<br />

zwischen den Spitälern.<br />

Wer gerne in einem Ressort mitwirken<br />

möchte, kann sich bei Janine Junker<br />

(junker@<strong>vsao</strong>-bern.ch) melden. Wir freuen<br />

uns sehr über Interessierte!<br />

Die Versammlung stand auch in personeller<br />

Hinsicht im Zeichen der Veränderung.<br />

Marius Grädel-Suter, seit 2015 im<br />

Vorstand aktiv und seit 2020 Co-Präsident,<br />

ist zurückgetreten und konzentriert<br />

Bilder: VSAO Bern<br />

22<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


<strong>vsao</strong><br />

sich fortan auf die Arbeit auf nationaler<br />

Ebene. Wir bedanken uns ganz herzlich<br />

für sein langjähriges und engagiertes Mitwirken<br />

in unserer Sektion.<br />

Marius Grädel-Suter verglich in seinen<br />

Abschiedsworten den <strong>vsao</strong> mit einer<br />

Rosmarinpflanze: Die kleinen Blüten seien<br />

erst nach Jahren und nicht für alle auf<br />

den ersten Blick sichtbar, manchmal müsse<br />

man die Pflanze schneiden, damit sie<br />

auch wieder wachsen könne, sie ertrage<br />

aber auch trockene Zeiten und sei sehr widerstandsfähig.<br />

Rahel Gasser, bisherige Co-Präsidentin,<br />

wurde mit grossem Applaus als Präsidentin<br />

gewählt und wird im Vizepräsidium<br />

von Nicolas Arnold und Yannick Turdo<br />

unterstützt.<br />

Die Vorstandsmitglieder Lukas Bauer,<br />

Anne Lafranchi, Miriam Müller-Grädel,<br />

Svenja Ravioli, Patrizia Rölli, Helene Schott,<br />

David Schreier und Eveline Tissot haben<br />

ihre Vorstandstätigkeit leider beendet und<br />

wurden mit einem grossen Dank für ihr intensives<br />

Engagement verabschiedet.<br />

Wir freuen uns sehr, konnten wir neben<br />

den bisherigen Vorstandsmitgliedern<br />

drei neue Personen in den Vorstand wählen.<br />

Lara Brockhus, Carole Frenzer und<br />

Michael Gardill haben bereits an mehreren<br />

Sitzungen teilgenommen, wollen ihr<br />

Engagement fortsetzen und wurden mit<br />

grossem Applaus gewählt.<br />

Nach einer kurzen Information zu<br />

den Lohnverhandlungen <strong>2024</strong> blieb noch<br />

Zeit für eine Diskussion zur 42+4-Stunden-Woche<br />

und zu deren Umsetzung im<br />

Kanton Bern.<br />

Zum Ausklang gab es ein feines Essen,<br />

die legendäre Tombola, Zeit zum Schwatzen,<br />

Schwelgen und Pläne schmieden.<br />

Thurgau<br />

Viele Neuzugänge im Vorstand<br />

des VSAO Thurgau<br />

Unsere diesjährige Mitgliederversammlung<br />

fand am 16. April im Restaurant Frohsinn<br />

in Frauenfeld statt. Das gemütlich<br />

urchige Chalet musste zwar aufgrund des<br />

unerwarteten Wintereinbruchs mittels<br />

Heizlüfter auf angenehmere Temperaturen<br />

gebracht werden, dies tat der Stimmung<br />

unter den Mitgliedern jedoch keinen<br />

Abbruch. Der Vorteil einer kleineren<br />

Sektion ist die Überschaubarkeit, und so<br />

konnte rasch ein Kennenlernen und ein<br />

gelungener Austausch zwischen allen<br />

stattfinden. Der reichhaltige Apéro trug<br />

ebenfalls dazu bei, dass eine lockere und<br />

gleichzeitig konstruktive Atmosphäre<br />

herrschte. Nachdem das Protokoll der vergangenen<br />

Mitgliederversammlung angenommen<br />

worden war, folgte ein ausführlicher<br />

Bericht des Co-Präsidiums, wobei<br />

deutlich wurde, wie viele Aufgaben Michael<br />

Wallies in den letzten Jahren über-<br />

Janine Junker, Geschäftsführerin VSAO Bern<br />

Bild: zvg<br />

Der verstärkte Vorstand des VSAO Thurgau (v. l. n. r.): Sabrina Berdi (Sekretariat), Michael Wallies,<br />

Hannah Wagner (Co-Präsidentin), Andrei Patrulescu (Co-Präsident), Noemi Rütsche, Eric Vultier<br />

(Jurist), Susanna Krah, Thomas Weiss, Annebärbel Grosskopf. Es fehlen: Vinzenz Mühlstein<br />

(Co-Präsident), Eva Senica, Hermann Reischle.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 23


<strong>vsao</strong><br />

nommen hatte. Insbesondere sein Engagement<br />

auf nationaler Ebene und seine<br />

Leidenschaft im Einsatz für die spezifischen<br />

Anliegen unserer Sektion sind hervorzuheben.<br />

Nach der Präsentation der<br />

aktuellen Zahlen konnten diese durch alle<br />

anwesenden Mitglieder in Form der Jahresrechnungen<br />

2022 und 2023 sowie des<br />

Revisorenberichts angenommen werden.<br />

Die Decharge für den bisherigen Vorstand<br />

wurde einstimmig erteilt.<br />

Anschliessend folgte eine lebhafte<br />

Diskussion über die Budgetplanung und<br />

die Mitgliederbeiträge. Für <strong>2024</strong> wurde<br />

beschlossen, diese in der bisherigen Höhe<br />

beizubehalten. Voraussichtlich wird es<br />

im kommenden Jahr eine moderate Erhöhung<br />

geben, um den vielfältigen Aufgaben<br />

und Entwicklungen des VSAO<br />

Thurgau gerecht werden zu können. Hierbei<br />

können wir weiterhin auf die Unterstützung<br />

unseres Sektionsjuristen Eric<br />

Vultier zurückgreifen, der bereits seit vielen<br />

Jahren mit aussergewöhnlichem Einsatz<br />

an Bord ist.<br />

Bei der Neuwahl des Vorstands<br />

herrschte Aufbruchstimmung. Wir freuen<br />

uns ausserordentlich über fünf Neuzugänge:<br />

Mit Thomas Weiss, Noemi Rütsche,<br />

Hermann Reischle, Eva Senica und Annebärbel<br />

Grosskopf wurde die Vorstandsebene<br />

unserer Sektion um sympathische<br />

und fachlich vielfältig tätige Kolleginnen<br />

und Kollegen ergänzt, die es uns möglich<br />

machen werden, das Engagement der<br />

Thurgauer Sektion weiter auszubauen.<br />

Auch Susanna Krah wird weiterhin im Vorstand<br />

tätig bleiben. Im Präsidium kam es<br />

ebenfalls zu Veränderungen: Michael Wallies<br />

legte sein Amt als Co-Präsident nieder,<br />

bleibt dem Vorstand jedoch weiterhin erhalten.<br />

Ebenfalls wird Vinzenz Mühlstein<br />

mit seiner jahrelangen Erfahrung und<br />

guten Vernetzung das Co-Präsidium noch<br />

bis Ende des Jahres bereichern. Insbesondere<br />

die zwei Neuzugänge im Präsidium,<br />

Andrei Patrulescu und Hannah Wagner,<br />

sind dankbar, die Herausforderungen der<br />

neuen Tätigkeit gemeinsam mit dem sehr<br />

erfahrenen Kollegen angehen zu können.<br />

Die Effizienz des neu gewählten Vorstands<br />

wurde gleich auf die Probe gestellt,<br />

als die anschliessende Diskussion um eine<br />

vermehrte Präsenz des VSAO Thurgau in<br />

den kantonalen Spitälern begann. Es ergibt<br />

sich dieses Jahr zum ersten Mal seit<br />

langer Zeit die Möglichkeit für unsere Sektion,<br />

an einer Standaktion in den Spitälern<br />

Münsterlingen und Frauenfeld mitzuwirken.<br />

Es ist sehr erfreulich, dass auf Anhieb<br />

beide Termine personell gut besetzt werden<br />

konnten und so eine hochstehende<br />

Teilnahme des VSAO Thurgau gewährleistet<br />

werden kann. Weiterhin wurde deutlich,<br />

dass die Themen Dienstplanung und<br />

Arbeitszeitreglement auf der Agenda weiterhin<br />

ganz oben stehen und es viel zu tun<br />

gibt. Auch die Zusammenarbeit mit anderen<br />

Sektionen soll vorangetrieben werden.<br />

Wir freuen uns, in dieser herausfordernden<br />

Zeit auf einen verstärkten Vorstand<br />

zählen zu können.<br />

Hannah Wagner, Co-Präsidentin VSAO Thurgau<br />

Zürich /<br />

Schaffhausen<br />

Im Einsatz für die<br />

42+4-Stunden-Woche<br />

Der VSAO Zürich hat sich in den vergangenen<br />

Monaten an verschiedensten Fronten<br />

intensiv für die Einführung der 42+4-Stunden-Woche<br />

eingesetzt. Neben den Verhandlungen<br />

in den Spitalleitungen haben<br />

wir uns auch auf politischer Ebene für eine<br />

Reduktion der Arbeitszeit für Assistenzärztinnen<br />

und -ärzte engagiert. So hat sich<br />

der VSAO Zürich gemeinsam mit über<br />

30 Ärztinnen, Ärzten und Medizinstudierenden<br />

Ende April <strong>2024</strong> vor dem Zürcher<br />

Kantonsrat für die 42+4-Stunden-Initiative<br />

starkgemacht und die Räte motiviert,<br />

dafür zu stimmen. Und es hat sich gelohnt!<br />

Der Vorstoss wurde angenommen und an<br />

die zuständige Kommission überwiesen.<br />

Ein starkes Signal, das zeigt, dass wir gemeinsam<br />

etwas bewirken können!<br />

Unseren Flyer zu den Chancen, die eine<br />

Einführung der 42+4-Stunden-Woche<br />

bietet, kannst du übrigens über folgenden<br />

QR-Code herunterladen und in den Spitälern<br />

und bei Kolleginnen und Kollegen<br />

verteilen. Weiteres Informationsmaterial<br />

und Gadgets wie unsere 42+4-Stunden-<br />

Stickers, den 42+4-Stunden-Frame für dein<br />

Social-Media-Profilbild oder die Lanyards<br />

für faire Arbeitsbedingungen findest du zudem<br />

unter www.<strong>vsao</strong>-zh.ch.<br />

QR-Code zum<br />

42+4-Stunden-Flyer<br />

Für unsere Verhandlungen mit den Spitalleitungen<br />

seid ihr die starke Basis. Helft<br />

mit, eure Kolleginnen, Vorgesetzten und<br />

Freunde über die Chancen einer<br />

42+4-Stunden-Woche zu informieren. Eine<br />

vereinte Ärzteschaft ist wichtig!<br />

Präsenz vor dem Kantonsrat für die 42+4-Stunden-Woche.<br />

Save the Date: Zweite VSAO-Zürich-<br />

«Research UNight»<br />

Nach der erfolgreichen Premiere findet<br />

der zweite Forschungsevent am Mittwoch,<br />

25. September <strong>2024</strong>, ab 18.30 Uhr an der<br />

Universität Zürich statt. Tragt euch den<br />

Termin bereits jetzt in der Agenda ein.<br />

Weitere Informationen folgen!<br />

Dominique Iseppi, Kommunikationsassistentin,<br />

VSAO Zürich / Schaffhausen<br />

Bild: zvg<br />

24<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Ich möchte<br />

als Ärztin<br />

durchstarten und<br />

auch am nächsten<br />

Triathlon.<br />

Geht das?<br />

Das geht!<br />

Gemeinsam machen<br />

wir es möglich!<br />

Wir setzen uns für Teilzeitstellen ein.<br />

JETZT AUF VSAO.CH MITGLIED WERDEN!


<strong>vsao</strong><br />

<strong>vsao</strong>-Inside<br />

Loredana Mitruccio<br />

Wohnort: Lugano und St. Gallen<br />

GA-Mitglied beim <strong>vsao</strong> seit:<br />

Dezember 2023<br />

Der <strong>vsao</strong> für dich in drei Worten:<br />

motiviert, offen, zielorientiert<br />

Nach einer kurzen Aufwärmzeit<br />

im Geschäftsausschuss<br />

(GA) ist Loredana mittlerweile<br />

voll im <strong>vsao</strong> dabei.<br />

Die Medizinstudentin vertritt die<br />

Swiss Medical Students Association<br />

(swimsa) im GA und sorgt so dafür,<br />

dass auch die Studierenden im <strong>vsao</strong><br />

gehört werden.<br />

Im Moment studiert Loredana Mitruccio<br />

in Lugano und wird nächstes Jahr ihr<br />

Studium abschlies sen. Von ihrer Zeit als<br />

Unterassistentin erhofft sie sich, dass sie<br />

mehr Klarheit darüber erhält, wo ihr beruflicher<br />

Werdegang sie hinführen wird.<br />

Zwischen all den Facharzttiteln hat sie<br />

sich bereits orientiert: Sie möchte in<br />

Pädiatrie abschliessen, kann sich aber<br />

sehr gut vorstellen, vorher in einem<br />

anderen Bereich Berufserfahrung zu<br />

sammeln.<br />

Auch ausserhalb der swimsa und<br />

des <strong>vsao</strong> ist Loredana sehr aktiv: Ihr medizinisches<br />

Interesse und Wissen gibt<br />

sie weiter, indem sie zukünftigen Autofahrenden<br />

in Nothelferkursen die wichtigsten<br />

Grundlagen lehrt. Ansonsten<br />

ist sie oft im Fitnesscenter und bei schönem<br />

Wetter auch draussen anzutreffen.<br />

Dass solche Aktivitäten Hunger verursachen,<br />

ist für sie kein Problem: Sie kocht<br />

sehr gerne und liebt es, auch mal zeitaufwendige<br />

Gerichte zu kreieren. Diese<br />

dürfen dann auch Freundinnen, Freunde<br />

und Familie geniessen.<br />

Als angehende Ärztin und Vertreterin<br />

der Medizinstudierenden sind<br />

die Arbeitsbedingungen und deren stetige<br />

Verbesserung ein wichtiges Anliegen<br />

von Loredana. So möchte sie die positiven<br />

Entwicklungen in der Branche,<br />

die der <strong>vsao</strong> vorantreibt, unterstützen<br />

und verstärken: Sie möchte ihren Beruf<br />

mit Leidenschaft ausüben können und<br />

will vermeiden, dass ihr im Arbeitsalltag<br />

die Lust am Beruf vergeht und sich<br />

dadurch auch die Patientenversorgung<br />

verschlechtern könnte. Im Moment<br />

stemme sich das Gesundheitswesen noch<br />

gegen viele positive und nötige Veränderungen,<br />

findet Loredana. Als Bindeglied<br />

zwischen der swimsa und dem <strong>vsao</strong><br />

möchte sie den nötigen Wandel aktiv<br />

mitgestalten.<br />

Der <strong>vsao</strong> erfüllt in ihren Augen<br />

eine zentrale Aufgabe, indem er auf<br />

positive Veränderungen im Gesundheitswesen<br />

hinwirkt. Im <strong>vsao</strong> selbst schätzt<br />

sie nicht nur den Austausch und die Diskussionen<br />

im GA und mit den Sektionen,<br />

sondern auch die zahlreichen Dienstleistungen:<br />

Das Wissen, dass der <strong>vsao</strong><br />

sich um die Ärztinnen und Ärzte kümmert<br />

und für sie sorgt, führt dazu, dass<br />

sie ihrem eigenen Berufseinstieg zuversichtlicher<br />

entgegenblickt.<br />

Bild: Severin Nowacki<br />

26<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


<strong>vsao</strong><br />

<strong>vsao</strong>-Rechtsberatung<br />

Überstundenregelung<br />

im Arbeitsvertrag:<br />

Was ist erlaubt?<br />

Bild: zvg<br />

In meinem Arbeitsvertrag als<br />

Assistenzärztin ist eine Sollarbeitszeit<br />

von 47 Stunden<br />

vorgeschrieben, ebenfalls enthält<br />

er die pauschalisierte Vertragsbestimmung,<br />

dass die Überstunden<br />

im Lohn inbegriffen sind. Ist das<br />

zulässig?<br />

Mit der derzeitigen Bewegung, der<br />

Abkehr von 50 Stunden Sollarbeitszeit,<br />

wird es insbesondere bei einem 100-Prozent-Pensum<br />

fortan nicht mehr nur<br />

Überzeit, sondern neu auch Überstunden<br />

geben. Als Überstunden gilt die Differenz<br />

zwischen der Sollarbeitszeit – in diesem<br />

Beispiel 47 Stunden – und der für Assistenzärztinnen<br />

und -ärzte geltenden<br />

Höchstarbeitszeit von 50 Stunden. So<br />

wären pro Woche drei Überstunden<br />

möglich, bis Überzeit (d. h. alles über<br />

50 Stunden) entstehen kann.<br />

Im Sinne von Art. 321c Abs. 1 OR<br />

sind Assistenzärztinnen und -ärzte zur<br />

Leistung von Überstunden verpflichtet,<br />

sofern diese betrieblich notwendig sind,<br />

sie diese zu leisten vermögen, diese zugemutet<br />

werden können und die Arbeitsund<br />

Ruhezeitvorschriften des Arbeitsgesetzes<br />

eingehalten werden.<br />

Grundsätzlich hat der Arbeitgeber<br />

im Einverständnis mit Arbeitnehmenden<br />

die Überstundenarbeit innert eines angemessenen<br />

Zeitraumes durch Freizeit von<br />

mindestens gleicher Dauer auszugleichen<br />

(Art. 321c Abs. 2 OR). Wird die<br />

Überstundenarbeit hingegen nicht durch<br />

Freizeit ausgeglichen, so hat der Arbeitgeber<br />

für die Überstundenarbeit Lohn<br />

zu entrichten, der sich nach dem Normallohn<br />

samt einem Zuschlag von mindestens<br />

einem Viertel bemisst, es sei<br />

denn, in einem Gesamtarbeitsvertrag<br />

(GAV) oder im Arbeitsvertrag ist etwas<br />

anderes schriftlich vereinbart (Art. 321c<br />

Abs. 3 OR).<br />

Diese Möglichkeit zu einer Vereinbarung<br />

bei Überstunden ist der Unterschied<br />

zur Überzeit, bei der die Zeitkompensation<br />

oder aber die Bezahlung des Zuschlages<br />

von 25 Prozent zwingend vorgeschrieben<br />

ist und die keine abweichende<br />

Vereinbarung zulässt.<br />

Bei Assistenzärztinnen und -ärzten<br />

ist die pauschalisierte Wegbedingung<br />

von Zeitkompensation bzw. der Abgeltung<br />

von Überstunden im Einzelarbeitsvertrag<br />

oder in allfälligen Reglementen<br />

gesetzlich grundsätzlich möglich. Dies<br />

ist in der Praxis jedoch nicht üblich, sondern<br />

höchstens die Klausel, dass für<br />

Überstunden nur der Normallohn ohne<br />

Zuschlag entrichtet wird. Schliesslich<br />

handelt es sich bei der Funktion der Assistenzärztin<br />

/ des Assistenzarztes um<br />

eine in der Regel befristete Weiterbildungsstelle<br />

mit grossem Abhängigkeitsverhältnis<br />

und nicht um eine leitende<br />

Position, bei der die Mehrarbeit mit dem<br />

Lohn abgegolten ist.<br />

Eine pauschalisierte Wegbedingung<br />

behandelt zudem Assistenzärztinnen<br />

und -ärzte im Voll- und Teilzeitpensum<br />

ungleich, da Teilzeitmitarbeitende für<br />

noch mehr unentgeltliche Überstundenarbeit<br />

herangezogen werden könnten,<br />

da die gesetzliche Höchstarbeitszeit von<br />

50 Stunden für Voll- und Teilzeitangestellte<br />

gleichermassen gilt und kaum von<br />

einem Spital reglementarisch entsprechend<br />

dem Pensum herabgesetzt wird.<br />

Es lohnt sich also, bei der Vertragsunterzeichnung<br />

die Augen offenzuhalten<br />

und nicht vorab einem Blankoverzicht<br />

auf Überstundenkompensation bzw. Abgeltung<br />

derselben zuzustimmen, da der<br />

Umfang der Überstunden bei Arbeitsbeginn<br />

meist nicht bekannt ist und<br />

ein solcher Verzicht insbesondere bei<br />

Teil zeitmitarbeitenden sehr viel unentgelt<br />

liche Arbeit bedeuten könnte.<br />

Der Fachkräftemangel und der notorisch<br />

eher knappe Stellenetat in den Spitälern<br />

wird auch bei einer Sollarbeitszeit von<br />

unter 50 Stunden wohl regelmässig Überstunden<br />

abverlangen, entsprechend ist<br />

es wichtig, darauf zu achten bzw. darum<br />

zu verhandeln, dass diese eine Wertigkeit<br />

erhalten bleibt – sei dies in Form von<br />

Freizeit oder im Rahmen einer finanziellen<br />

Entschädigung.<br />

Susanne Hasse,<br />

Sektionsjuristin VSAO Zürich<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 27


Fokus: Plan<br />

Wie Muscheln<br />

sich in Schale<br />

werfen<br />

Muscheln sind nicht nur schön, sondern auch artenreich.<br />

Mehr als 10 000 heute lebende Muschelarten sind bekannt,<br />

dazu kommen unzählige ausgestorbene Arten, die als Fossilien<br />

gefunden werden können. Und alle diese Arten haben<br />

unterschiedliche Schalen. Warum eigentlich?<br />

Michael Hautmann, Titularprofessor für Paläontologie, Universität Zürich<br />

Was uns ästhetisch erfreut,<br />

erfüllt für eine Muschel<br />

viele Zwecke. Die evolutive<br />

Idee, eine Schale auszubilden,<br />

die den Weichkörper umgibt, entstand<br />

zu Beginn des Kambriums vor ca. 540 Millionen<br />

Jahren, als die ersten Tiere anfingen,<br />

andere Tiere zu fressen. Die potenziellen<br />

Opfer, darunter die Muscheln, passten<br />

ihren Bauplan an und entwickelten eine<br />

Panzerung, die Schale. Das evolutive Wettrüsten<br />

zwischen Räubern und ihrer Beute<br />

führte zu einem raschen Anstieg der Artenvielfalt,<br />

die sich auch in einer Vielfalt unterschiedlicher<br />

Schalenmorphologien widerspiegelt.<br />

Denn die Schale erwies sich<br />

nicht nur als nützlich für den Schutz, sondern<br />

auch für die Anpassung an die unterschiedlichsten<br />

Lebensweisen.<br />

Einbuddeln und schnorcheln<br />

So graben sich viele Muscheln ein, indem<br />

sie ihren «Fuss» in den weichen Meeresboden<br />

hineintreiben und die Schale dann<br />

mit einer Schaukelbewegung nachziehen.<br />

Damit das leichter geht, helfen oftmals<br />

bestimmte Skulpturen auf der Aussenseite<br />

der Schale. Diese laufen häufig<br />

schräg zum Gehäuserand und sind asymmetrisch<br />

geformt, mit einer flachen Seite,<br />

die leicht ins Sediment flutscht, und einer<br />

steilen Seite, die das Tier im Sediment<br />

festhält, wenn die andere Hälfte der<br />

Schale in die Tiefe vordringt. Wenn sich<br />

Bereits vor 170 Millionen Jahren nutzte die<br />

Gattung Myophorella speziell angeordnete<br />

Pusteln auf der Schalenaussenseite, um beim<br />

Eingraben schneller voranzukommen.<br />

Muscheln sehr tief ins Sediment eingraben,<br />

benötigen sie eine Art Schnorchel,<br />

den sogenannten Sipho, mit dem sie den<br />

Kontakt zum Meerwasser aufrechterhalten.<br />

Diesen können sie, wenn er nicht<br />

zu lang ist, in die Schale zurückziehen.<br />

Den Platz dafür erkennt man im Inneren<br />

der Muschelschale in Form einer Ausbuchtung<br />

der «Mantellinie» – das ist die<br />

Linie, an welcher der Weichkörper mit der<br />

Schale verbunden ist.<br />

Räuber mit perfiden Methoden<br />

Aber wozu der Aufwand? Leider – zumindest<br />

aus Sicht der Muscheln – sind die<br />

Räuber im Laufe der Jahrmillionen deutlich<br />

raffinierter geworden. Rochen zerknacken<br />

harte Schalen mit ihrem Gebiss,<br />

Schutz in der Tiefe: Die Gattung Marcia gräbt<br />

sich tief in den Meeresboden ein und benötigt<br />

dafür einen «Schnorchel» (Sipho), was man an<br />

der Einbuchtung der Mantellinie (Pfeil)<br />

erkennen kann.<br />

Die Gattung Hysteroconcha schützt ihren Sipho<br />

mit langen Stacheln.<br />

Bilder: Michael Hautmann (Myophorella, Pectinidae, Rudisten, Malermuschel); Jan Delsing, Public domain, via Wikimedia Commons (Marcia); Wilfredor, CC0, via Wikimedia Commons (Hysteroconcha);<br />

Didier Descouens, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons (Spondylus)<br />

28<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus: Plan<br />

Krabben öffnen sie mit ihren Scheren,<br />

Nabel- und Purpurschnecken bohren<br />

kleine Löcher hinein und saugen das Tier<br />

aus. Besonders raffiniert sind die Seesterne:<br />

Sie umfassen das Gehäuse mit ihren<br />

Armen, saugen sich daran fest und<br />

ziehen. Wenn die Muschel müde wird und<br />

die Klappen auch nur einen winzigen<br />

Spalt öffnet, stülpt der Seestern seinen<br />

Magen aus, dringt durch den Spalt in das<br />

Schaleninnere ein und verdaut die Muschel<br />

in ihrer eigenen Schale. Bei so vielen<br />

perfiden Methoden braucht es mehr als<br />

eine einfache Panzerung, um sich zu<br />

schützen, und das Eingraben in den Meeresboden<br />

ist eine der besten Optionen.<br />

Falls doch mal einer in den Sipho beisst,<br />

hält die Gattung Hysteroconcha lange Stacheln<br />

an ihrem Hinterende bereit, um<br />

ihm den Appetit zu verderben.<br />

Die Geschichte eines bekannten<br />

Symbols<br />

Die Tiefe des Meeresbodens schützt, aber<br />

viele Muschelarten leben trotzdem auf<br />

dessen Oberfläche. Die Evolution hat im<br />

Laufe der Jahrmillionen dafür gesorgt,<br />

dass sie auch dort nicht schutzlos sind.<br />

Wird eine Kammmuschel angegriffen, so<br />

schwimmt sie einfach davon. Ihre kreisförmigen<br />

Klappen haben erstaunlich gute<br />

hydrodynamische Eigenschaften, und für<br />

den Antrieb sorgt ein rasches Öffnen und<br />

Schliessen der Klappen, wobei beim<br />

Schliessen das Wasser aus der Mantelhöhle<br />

in zwei Jets ausgestossen wird, die für<br />

den nötigen Schub sorgen. Sie wissen<br />

nicht, wie Kammmuscheln aussehen?<br />

Wenn Sie das nächste Mal bei Shell tanken,<br />

schauen Sie sich das Firmensymbol<br />

an. Tatsächlich hatte der Mineralölkonzern<br />

seine Anfänge im 19. Jahrhundert als<br />

Importeur von dekorativen Muschelschalen,<br />

die als Sammlerobjekte im viktorianischen<br />

England beliebt waren. Später kamen<br />

zu den Muschellieferungen andere<br />

Waren dazu, darunter die ersten Mineralölfässer,<br />

und der Firmeninhaber erkannte<br />

mit untrüglichem Geschäftssinn,<br />

dass hierin eine grössere Zukunft liegt als<br />

im Konchylienhandel.<br />

Muschelriffe aus der Kreidezeit<br />

Wer nicht flieht, kann das Gegenteil tun:<br />

sich festsetzen, am besten gleich richtig,<br />

indem die Schale auf den festen Untergrund<br />

zementiert wird. Das erschwert<br />

dem Räuber die Handhabung seines potenziellen<br />

Opfers, und wenn das nicht<br />

reicht, werden schöne lange Stacheln auf<br />

der Schalenaussenseite platziert, wie es<br />

Kammmuscheln (Pectinidae) leben auf der Oberfläche des Meeresbodens und können durch<br />

rasches Auf- und Zuklappen vor Angreifern davonschwimmen.<br />

Kaum als Muscheln zu erkennen sind die Rudisten, die in der Kreidezeit grosse Riffe bildeten.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 29


Fokus: Plan<br />

Anzeige<br />

Der Ausweg aus Hunger und<br />

Armut heisst Öko-Landbau.<br />

Die Gattung Spondylus zementiert sich fest<br />

auf den Untergrund und spielt Kaktus.<br />

Die hierzulande verbreiteten Malermuscheln verdanken ihren<br />

Namen einem handwerklichen Usus: Die Maler mischten darin<br />

ihre Farben.<br />

www.biovision.ch<br />

die Gattung Spondylus tut. Und wenn man<br />

sich erst einmal entschlossen hat, dauerhaft<br />

sessil zu sein, kann die Evolution alles<br />

über Bord werfen, was dereinst der Fortbewegung<br />

diente, und das Gehäuse zu neuen<br />

Zwecken konfigurieren. Am konsequentesten<br />

hat das die Muschelgruppe der Rudisten<br />

in der Kreidezeit gemacht, wo ihre<br />

festgewachsene Klappe einen lang gestreckten<br />

Kelch bildete und die andere<br />

Klappe einen Deckel. So konnten die Rudisten<br />

ähnlich wie heute die Korallen ganze<br />

Riffe aufbauen. Und wären sie nicht vor<br />

65 Millionen Jahren zusammen mit den<br />

Dinosauriern ausgestorben, weil die Erde<br />

mit einem Asteroiden kollidierte, würden<br />

die Touristinnen und Touristen im Roten<br />

Meer oder an Australiens Küste heute zwischen<br />

Muschelriffen schnorcheln. Die<br />

kreidezeitlichen Muschelriffe wurden derweil<br />

von tektonischen Kräften vielerorts in<br />

die Tiefe versenkt, wo sie aufgrund ihrer<br />

porösen Struktur allerbeste Erdölspeichergesteine<br />

bilden. Und viele der grossen<br />

Erdöllagerstätten im mittleren Osten zapfen<br />

genau diese an – für Shell schliesst sich<br />

hier der Kreis.<br />

Kleine Kunstwerke der Natur<br />

Wenn Ihr Interesse an den beschalten<br />

Weichtieren geweckt ist und der nächste<br />

Meeresurlaub noch auf sich warten lässt,<br />

dann fahren Sie einfach zum nächsten<br />

See. Denn auch die Schalen von Süsswassermuscheln<br />

sind sehr attraktiv. In<br />

Schweizer Seen ist neben einer Reihe von<br />

eingeschleppten Arten vor allem die Malermuschel<br />

noch weitverbreitet. Die lang<br />

gestreckten, dickschaligen Klappen beziehen<br />

ihre Ästhetik aus dem Perlmutt der<br />

Schaleninnenseite, das in allen Regenbogenfarben<br />

irisiert. Ihren Namen hat die<br />

Malermuschel jedoch nicht, weil sich<br />

Künstlerinnen und Künstler von ihrem<br />

Farbenrausch inspirieren liessen, sondern<br />

weil diese die massenhaft verfügbaren<br />

Schalen ganz profan als Behälter zum Mischen<br />

ihrer Farben nutzten. Ob sie dabei<br />

bemerkten, dass jede Schale ein Kunstwerk<br />

der Natur ist?<br />

30<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus: Plan<br />

Die Autonomie der<br />

Patientinnen und Patienten<br />

fördern: die Gesundheitliche<br />

Vorausplanung<br />

Die Gesundheitliche Vorausplanung (GVP) ist ein Kommunikationsprozess,<br />

der es für den Fall einer Urteilsunfähigkeit ermöglicht, die Behandlung<br />

der Patientinnen und Patienten besser in Einklang mit ihren Präferenzen zu bringen,<br />

das Risiko einer Überbehandlung zu reduzieren und die Kommunikation<br />

aller involvierten Personen zu verbessern.<br />

Prof. Francesca Bosisio 1 , Dr. Daniela Ritzenthaler 2, 5 , Dr. Laura Jones 2 , Dr. Eve Rubli Truchard 2, 3 und Prof. Ralf J. Jox<br />

2, 4, 5<br />

Bei der GVP bestimmen urteilsfähige Menschen gemeinsam mit Fachpersonen und – falls erwünscht –<br />

mit Angehörigen, welche medizinischen Massnahmen im Fall einer Urteilsunfähigkeit getroffen werden<br />

sollen und welche nicht.<br />

1<br />

Haute école d’ingénierie et de gestion du<br />

canton de Vaud, HES-SO<br />

2 Chaire de soins palliatifs gériatriques, CHUV<br />

Bild: Adobe Stock<br />

Dieser Artikel wurde erstmalig in der «gazette médicale» (2021, Ausg. 6, S. 24–27) publiziert<br />

und erscheint hier in einer gekürzten und aktualisierten Fassung.<br />

3<br />

Service de gériatrie et de réadaptation<br />

gériatrique, CHUV<br />

4<br />

Service de soins palliatifs et de support, CHUV<br />

5 Institut des humanités en médecine, CHUV-UNIL<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 31


Fokus: Plan<br />

32<br />

Planungsphase<br />

Andere<br />

Gesundheitsfachpersonen<br />

vertretungsberechtigte<br />

Person<br />

(Andere)<br />

Angehörige<br />

Ärztin/Arzt<br />

des<br />

Vertrauens<br />

diniert, wurde 2020 gegründet. Eine gemeinsame<br />

Arbeitsgruppe von BAG und<br />

SAMW arbeitet derzeit an der Implementierung<br />

von GVP in der Schweiz, basierend<br />

auf einem Mandat des Bundesrats.<br />

Von Werten zur Gesundheitlichen<br />

Vorausplanung<br />

Die Umsetzung eines spezifischen Modells<br />

für die GVP im Kanton Waadt zeigt<br />

vielversprechende Ergebnisse. Dieses Modell,<br />

das von der Professur für geriatrische<br />

Palliative Care am CHUV verwendet wird,<br />

basiert auf einem in Zürich entwickelten<br />

Konzept (ACP Medizinisch Begleitet®),<br />

das wiederum von deutschen [14], amerikanischen<br />

[15] und australischen [16] Modellen<br />

inspiriert ist. Das Zürcher Modell<br />

wurde im Rahmen einer randomisierten<br />

kontrollierten Studie im Spital getestet<br />

[11]. Es beinhaltet Schulungen, Formulare<br />

Zeit<br />

Umsetzungsphase<br />

GVP-<br />

Gesprächsbegleiter/-in<br />

vertretungsberechtigte<br />

Person<br />

(Andere)<br />

Angehörige<br />

Ärztin/Arzt<br />

des<br />

Vertrauens<br />

GVP-<br />

Gesprächsbegleiter/-in<br />

Abbildung 1. Relationale (beziehungsorientierte) Autonomie. Die Vorbereitung der GVP ermöglicht es,<br />

einen konsensorientierten Ansatz der Betreuung im Falle einer Urteilsunfähigkeit zu implementieren<br />

(links). Wenn der/die Patient/-in urteilsunfähig ist (rechts), bezeugen die Personen, die an der Vorbereitung<br />

der GVP beteiligt waren, und insbesondere die vertretungsberechtigte Person den mutmasslichen<br />

Willen der Person und stärken damit ihre Autonomie.<br />

Gesundheitliche<br />

Vorausplanung<br />

Überlegungen,<br />

Diskussionen<br />

Patientenverfügung<br />

Vorsorgeauftrag<br />

Andere<br />

Gesundheitsfachpersonen<br />

Patientenverfügung<br />

Behandlungsentscheid<br />

Behandlungsentscheid<br />

Andere Dokumente<br />

(Ort und Pflege am<br />

Lebensende)<br />

Abbildung 2. Zeitliche Autonomie. In der Gesundheitlichen Vorausplanung wird die Person ermutigt,<br />

regelmässig über ihre Behandlungspräferenzen nachzudenken, ihre Patientenverfügung zu aktualisieren<br />

und mit Dokumenten zu ergänzen, die es ermöglichen, andere Situationen, beispielsweise aufgrund des<br />

veränderten Gesundheitszustandes, zu bewältigen. Die betroffene Person, ihre Angehörigen oder der/die<br />

GVP-Gesprächsbegleiter/-in können die Aktualisierung einleiten.<br />

Die Patientenverfügung wurde<br />

in den 1960er-Jahren ins Leben<br />

gerufen. Damals mit dem<br />

Ziel, die Selbstbestimmung<br />

der Patientinnen und Patienten über den<br />

Verlust der Urteilsfähigkeit hinaus zu respektieren.<br />

Leider hat sich die Patientenverfügung<br />

in ihrer klassischen Form als<br />

ungenügend erwiesen, um dieses Ziel zu<br />

erreichen. Einerseits ist sie ein noch wenig<br />

bekanntes und genutztes Mittel [1], andererseits<br />

wird ihre Umsetzung von zahlreichen<br />

konzeptionellen und praktischen<br />

Schwierigkeiten behindert [2].<br />

Gegen diesen Missstand wurde die Gesundheitliche<br />

Vorausplanung (GVP [3], advance<br />

care planning) entwickelt, definiert<br />

als «ein strukturierter Kommunikationsprozess,<br />

der es urteilsfähigen Personen ermöglicht,<br />

in Antizipation des Verlustes<br />

der Urteilsfähigkeit über ihre Behandlungspräferenzen<br />

und -ziele nachzudenken,<br />

diese mit ihren Angehörigen, Ärzten<br />

und Pflegefachpersonen zu besprechen<br />

und sie zu dokumentieren und bei Bedarf<br />

anzupassen» [4, Seite e549]. Die GVP ersetzt<br />

damit nicht die Patientenverfügung,<br />

sondern integriert diese in einen weiter<br />

gefassten, strukturierten und langfristigen<br />

Prozess [5]. Die Autonomie des Patienten<br />

bzw. der Patientin, ein zentrales Element<br />

des Gesundheitssystems, wird damit im<br />

Sinne einer beziehungsorientierten und<br />

zeitlichen Autonomie verstanden (Abbildungen<br />

1 und 2).<br />

Die Wirksamkeit dieses Ansatzes ist in<br />

mehreren systematischen Reviews methodisch<br />

hochwertiger Studien belegt [6–9].<br />

Nach Implementierung der GVP berichten<br />

Betroffene über mehr Klarheit hinsichtlich<br />

der Information und Dokumentation und<br />

dass ihre Präferenzen besser berücksichtigt<br />

werden. Dies reduziert das Risiko, dass<br />

sie gegen ihren Willen behandelt werden<br />

oder unnötige Behandlungen über sich ergehen<br />

lassen müssen. Angehörige, Ärztinnen<br />

und Ärzte sowie das Pflegepersonal<br />

berichten auch über ein verstärktes Gefühl<br />

der Kontrolle und Handlungssicherheit.<br />

Die GVP ist in den 1990er-Jahren in<br />

den USA entstanden und hat allmählich<br />

an Anerkennung gewonnen. Seit den<br />

2000er-Jahren wird dieser Ansatz auch in<br />

der Schweiz auf verschiedenen Ebenen<br />

umgesetzt [3, 10, 11]. Im Jahr 2018 haben<br />

die Schweizerische Akademie der Medizinischen<br />

Wissenschaften (SAMW) [12] und<br />

das Bundesamt für Gesundheit (BAG) [13]<br />

die Weiterentwicklung der GVP empfohlen.<br />

Der Verein ACP Swiss, der das Modell<br />

auf nationaler Ebene fördert und koorfür<br />

die Dokumentation der GVP und Standards<br />

für die Gesprächsführung. Im Rahmen<br />

von zwei oder drei Gesprächen, die<br />

zwischen der Person, den Angehörigen<br />

(falls erwünscht) und einer ausgebildeten<br />

Fachperson (gesprächsbegleitenden Person)<br />

stattfinden, werden folgende drei<br />

Etappen angegangen:<br />

– Die Bestimmung einer vertretungsberechtigten<br />

Person<br />

– Das Gespräch über persönliche Werte<br />

– Therapieziele und Vorausentscheidungen<br />

Die Bestimmung einer<br />

vertretungsberechtigten Person<br />

Dies ist ein zentrales Element der GVP, die<br />

von einer beziehungsorientierten Autonomie<br />

ausgeht (Abbildung 1) [17]. Die Wahl<br />

einer vertretungsberechtigten Person ist<br />

nicht immer einfach zu treffen, da dabei<br />

folgende Aspekte berücksichtigt werden<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus: Plan<br />

müssen: Wer verfügt über gute Kenntnisse<br />

der Person, ihrer Lebensgeschichte und<br />

ihrer Werte? Wer geniesst ihr Vertrauen?<br />

Wer ist in der Lage, den Willen der Person<br />

gegenüber den Gesundheitsfachpersonen<br />

zu vertreten? Wer ist bereit, die Rolle stellvertretender<br />

Entscheidungsfindung zu<br />

übernehmen, und verfügt über die dafür<br />

notwendige Zeit? Wir empfehlen, dass die<br />

vertretungsberechtigte Person – und allenfalls<br />

auch andere Angehörige, die an Behandlungsentscheidungen<br />

beteiligt sind –<br />

an der GVP partizipiert, um sich bestmöglich<br />

auf diese komplexe Schlüssel aufgabe<br />

vorzubereiten [18].<br />

Das Gespräch über persönliche Werte<br />

(«Standortbestimmung»)<br />

In diesem Schritt unterstützt die Gesprächsbegleiterin<br />

oder der Gesprächsbegleiter<br />

die Person darin, die Werte, die ihren<br />

Pflegepräferenzen zugrunde liegen, zu<br />

identifizieren. Im Rahmen unseres<br />

GVP-Modells beinhaltet die sogenannte<br />

Standortbestimmung eine Reflexion darüber,<br />

was der Person im Leben am wichtigsten<br />

ist (Tabelle 1). Dabei geht es darum,<br />

mit allgemeinen Themen (Lebensentwurf,<br />

Werte) zu beginnen und schrittweise zu<br />

spezifischeren Themen (Krankheit, Behinderung,<br />

Tod, Medizin) überzugehen.<br />

Die gesprächsführende Person dokumentiert<br />

alles. Anschliessend wird die Dokumentation<br />

von der betroffenen Person gegengelesen<br />

und nötigenfalls korrigiert.<br />

Therapieziele und<br />

Vorausentscheidungen<br />

Mit dem Instrument können die Personen<br />

Therapieziele und Vorausentscheidungen<br />

in Zusammenhang mit der medizinischen<br />

Behandlung (Tabelle 2) für drei Situationen<br />

der Urteilsunfähigkeit (Tabelle 3) dokumentieren,<br />

u. a. in einer Patientenverfügung.<br />

Der situationsbezogene Ansatz<br />

ermöglicht es allen Beteiligten, sich in<br />

konkrete Situationen hineinzuversetzen.<br />

Darüber hinaus ermöglicht es der Fokus<br />

auf Therapieziele statt nur auf Therapiemassnahmen,<br />

sogar in nicht vorhergesehenen<br />

Situationen patientenzentrierte<br />

Entscheidungen zu treffen. Wenn die Person<br />

im Falle einer Verschlechterung des<br />

Gesundheitszustands nicht in ein Spital<br />

eingewiesen werden möchte, können medizinische<br />

Notfallanordnungen verfasst<br />

werden, die es besser ermöglichen, das Lebensende<br />

zu Hause zu verbringen. Auch<br />

die Haltung zu Forschung und Organspende<br />

kann in Zusatzdokumenten festgehalten<br />

werden.<br />

Tabelle 1. Beispielfragen zum Gespräch über persönliche Werte («Standortbestimmung»)<br />

Schritte<br />

Einleitung<br />

Lebensqualität / Lebenswille<br />

Beschränkung der Therapien<br />

Lebensende und Tod<br />

Lebensumstände, Schlussfolgerung<br />

Fragen<br />

Tabelle 2. Therapieziele und Patientenverfügung<br />

Ziel A<br />

Ziel B<br />

Ziel C<br />

Tabelle 3. Szenarien für den Verlust der Urteilsfähigkeit<br />

Szenarien<br />

Plötzlicher Verlust<br />

der Urteilsfähigkeit<br />

Verlust der Urteilsfähigkeit<br />

von unbestimmter Dauer<br />

Dauerhafter Verlust<br />

der Urteilsfähigkeit<br />

Was motiviert Sie heute, eine Patientenverfügung<br />

zu verfassen? Falls die Person an einer Krankheit leidet:<br />

Was wissen Sie über Ihre Krankheit?<br />

Was zählt für Sie im Leben am meisten?<br />

Wie gerne leben Sie?<br />

Was bedeutet für Sie eine gute Lebensqualität?<br />

Was ist für Sie ein guter Tag?<br />

Wie wichtig ist es für Sie, noch lange zu leben?<br />

Darf eine medizinische Behandlung dazu beitragen, Ihr<br />

Leben in einer Krise zu verlängern? Welche Belastungen<br />

und Risiken wären Sie bereit, dafür in Kauf zu nehmen?<br />

Welche Sorgen oder Ängste bewegen Sie, wenn Sie an<br />

zukünftige medizinische Behandlungen denken?<br />

Was soll auf keinen Fall geschehen?<br />

Gibt es Situationen, in denen Sie nicht mehr lebensverlängernd<br />

behandelt werden wollen?<br />

Welche Erfahrungen beeinflussen diese Präferenzen?<br />

Wenn Sie ans Sterben denken – was kommt Ihnen dann<br />

in den Sinn?<br />

Wenn ich Ihnen sagen könnte, dass Sie heute Nacht<br />

friedlich einschlafen und morgen nicht mehr aufwachen<br />

werden – was würde das in Ihnen auslösen?<br />

Sind für Sie religiöse, spirituelle oder persönliche Überzeugungen<br />

oder kulturelle Gründe wichtig, wenn Sie über<br />

Ihre Behandlung oder Ihr Lebensende nachdenken?<br />

Haben Sie weitere Bemerkungen zum Ort der Behandlung?<br />

Möchten Sie noch etwas in Bezug auf Ihre Einstellung<br />

zum Leben, zur Krankheit oder zum Tod hinzufügen?<br />

Lebensverlängerung, soweit medizinisch möglich<br />

und indiziert<br />

Lebensverlängerung mit gewissen Einschränkungen:<br />

Die Person gibt an, welchen Massnahmen sie mit dem<br />

Ziel der Lebensverlängerung nicht zustimmt.<br />

Keine lebensverlängernden Massnahmen, sondern ausschliesslich<br />

Massnahmen zur Linderung von Leiden und<br />

Förderung des Wohlbefindens (comfort care).<br />

Beispiele<br />

Die Person verliert akut ihre Urteilsfähigkeit, z. B. aufgrund<br />

eines Hirninfarkts, eines Herzstillstands oder<br />

eines anaphylaktischen Schocks. Es handelt sich um<br />

eine lebensbedrohliche Notsituation.<br />

Die Person hat ihre Urteilsfähigkeit aufgrund von Komplikationen<br />

ihrer Krankheit, eines Eingriffs oder einer<br />

Wiederbelebung vorläufig verloren. In der Regel befindet<br />

sie sich im Krankenhaus, oft auf der Intensivstation.<br />

Die Person hat ihre Urteilsfähigkeit unwiederbringlich<br />

verloren. Die Person kann sich in einem Zustand<br />

dauer hafter Bewusstlosigkeit befinden (z. B. vegetatives<br />

Syndrom/Syndrom reaktionsloser Wachheit) oder bei<br />

Bewusstsein sein (z. B. neurokognitive Störungen,<br />

geistige Behinderung) befinden. Das häufigste Beispiel<br />

ist die Demenz in einem fortgeschrittenen Stadium.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 33


Fokus: Plan<br />

Was ist gute Lebensqualität für mich? Und wann<br />

möchte ich auf lebenserhaltende Massnahmen<br />

verzichten? Wer sich im Rahmen einer Gesundheitlichen<br />

Vorausplanung solche Fragen stellt,<br />

stärkt nicht nur die eigene Autonomie, sondern<br />

entlastet auch die Angehörigen.<br />

Wichtig ist, zu betonen, dass die Person<br />

frei entscheiden kann, was sie zu einem<br />

bestimmten Zeitpunkt dokumentieren<br />

will. Der Prozess kann jederzeit unterbrochen<br />

und fortgesetzt werden. Die nach<br />

Abschluss der GVP erstellten Dokumente<br />

werden datiert und unterzeichnet von der<br />

Verfasserin oder dem Verfasser, aber idealerweise<br />

auch von der vertretungsberechtigten<br />

Person, der Ärztin bzw. dem Arzt<br />

sowie der Fachperson, die den Prozess begleitet<br />

hat. Zudem ist alles darauf ausgerichtet,<br />

den Betroffenen die Möglichkeit<br />

zu geben, ihre GVP bei Bedarf zu aktualisieren<br />

(zeitliche Autonomie, Abbildung 2).<br />

Schulung und Implementierung<br />

der GVP im Kanton Waadt<br />

Die Schulung der Fachpersonen für den<br />

Einsatz dieses Instruments ist in zwei Module<br />

gegliedert. Im Rahmen des ersten Moduls<br />

(Grundkurs) erhalten die Teilnehmenden<br />

Informationen über den Aufbau und<br />

den Ablauf der GVP und lernen, wie sie das<br />

Gespräch zu den persönlichen Werten führen.<br />

Im zweiten Modul (Beraterkurs) lernen<br />

die Fachpersonen, die Behandlungsziele zu<br />

dokumentieren und die Vorsorgedokumente<br />

(Patientenverfügung, Notfallanordnung)<br />

zu verfassen. Die Fachpersonen handeln als<br />

Prozessbegleitende und nicht als Experten.<br />

Ausblick: Entwicklung des Kursangebots<br />

und der Tools für Fachpersonen<br />

Die Gemeinschaft von Personen und Institutionen<br />

in der Schweiz, die GVP durchführen<br />

bzw. fördern, wächst kontinuier-<br />

lich. Wir verfolgen unter anderem folgende<br />

Ziele für die Zukunft:<br />

– Entwicklung von Kursen für Ärztinnen<br />

und Ärzte<br />

– Entwicklung von Instrumenten und<br />

Schulungen für Fachpersonen, die Menschen<br />

mit eingeschränkter Urteilsfähigkeit<br />

betreuen (sog. advance care planning<br />

by proxy)<br />

– Umsetzung der GVP auf kantonaler und<br />

nationaler Ebene<br />

– Stärkung der Zusammenarbeit mit dem<br />

kantonalen Notfallplan, um ungewollte<br />

und potenziell vermeidbare Spitaleinweisungen<br />

zu verhindern<br />

Fazit: Die GVP entspricht einem<br />

Bedürfnis<br />

Die Covid-19-Pandemie hat uns vor Augen<br />

geführt, wie wichtig es ist, die Selbstbestimmung<br />

der Menschen, die mit dem<br />

Verlust ihrer Urteilsfähigkeit rechnen, zu<br />

stärken. Die internationale Literatur und<br />

die Erfahrungen aus der Praxis im Kanton<br />

Waadt und andernorts in der Schweiz zeigen<br />

vielversprechende Ergebnisse für Betroffene,<br />

ihre Angehörigen und das Gesundheitssystem.<br />

Literatur<br />

[1] Vilpert S, Borrat-Besson<br />

C, Maurer J, Borasio GD. Awareness,<br />

approval and completion of<br />

advance directives in older adults in<br />

Switzerland. Swiss Med Wkly<br />

[Internet]. 2018 Jul 30 [cited 2019<br />

Jun 11];148(2930). Available from:<br />

https://smw.ch/en/article/doi/<br />

smw.2018.14642/<br />

[2] Fagerlin A, Schneider<br />

CE. Enough: The Failure of the<br />

Living Will. Hastings Cent Rep.<br />

2004;34(2):30–42.<br />

[3] Bosisio F, Fassier T,<br />

Rubli Truchard E, Pautex S, Jox R.<br />

Projet de soins anticipé ou advance<br />

care planning. Proposition d’une<br />

terminologie commune pour la<br />

Suisse romande. Rev Médicale<br />

Suisse. Sept 2019:1634–6.<br />

[4] Rietjens JAC, Sudore RL,<br />

Connolly M, van Delden JJ,<br />

Drickamer MA, Droger M, et al.<br />

Definition and recommendations<br />

for advance care planning: an<br />

international consensus supported<br />

by the European Association for<br />

Palliative Care. Lancet Oncol.<br />

2017;18(9):e543–51.<br />

[5] Jox R. Preparing<br />

existential decisions in later life.<br />

Advance care planning. In:<br />

Schweda M, Pfaller L, Brauer K,<br />

Adloff F, Schicktanz S, editors. Planning<br />

Later Life Bioethics and Public<br />

Health in Ageing Societies. London,<br />

UK: Routledge; 2017. p. 164–80.<br />

[6] Brinkman-Stoppelenburg<br />

A, Rietjens JAC, van der Heide<br />

A. The effects of advance care<br />

planning on end-of-life care: a<br />

systematic review. Palliat Med. 2014<br />

Sep;28(8):1000–25.<br />

[7] Khandelwal N, Kross EK,<br />

Engelberg RA, Coe NB, Long AC,<br />

Curtis JR. Estimating the effect of<br />

palliative care interventions and<br />

advance care planning on ICU<br />

utilization: a systematic review. Crit<br />

Care Med. 2015 May;43(5):1102–11.<br />

[8] Austin CA, Mohottige D,<br />

Sudore RL, Smith AK, Hanson LC.<br />

Tools to Promote Shared Decision<br />

Making in Serious Illness: A<br />

Systematic Review. JAMA Intern<br />

Med. 2015 Jul;175(7):1213–21.<br />

[9] Houben CHM, Spruit<br />

MA, Groenen MTJ, Wouters EFM,<br />

Janssen DJA. Efficacy of advance<br />

care planning: a systematic review<br />

and meta-analysis. J Am Med Dir<br />

Assoc. 2014 Jul;15(7):477–89.<br />

[10] Séchaud L, Goulet C,<br />

Morin D, Mazzocato C. Advance care<br />

planning for institutionalised older<br />

people: an integrative review of the<br />

literature. Int J Older People Nurs.<br />

2014 Jun;9(2):159–68.<br />

[11] Krones T, Budilivschi A,<br />

Karzig I, Otto T, Valeri F, Biller-Andorno<br />

N, et al. Advance care<br />

planning for the severely ill in the<br />

hospital: a randomized trial. BMJ<br />

Support Palliat Care. 2019 Jan 21;<br />

[12] ASSM. Attitude face à la<br />

fin de vie et à la mort. Directives<br />

médico-éthiques de l’Académie<br />

Suisse des Sciences Médicales.<br />

[Internet]. Berne: ASSM; 2018 p. 38.<br />

Available from: https://www.samw.<br />

ch/fr/Publications/Directives.html<br />

[13] Imhof W, Office fédéral<br />

de la santé publique. L’anticipation<br />

en lien avec la santé, en particulier<br />

en cas d’incapacité de discernement<br />

(« Advance Care Planning »). 2018;32.<br />

[14] in der Schmitten J, Lex<br />

K, Mellert C, Rothärmel S,<br />

Wegscheider K, Marckmann G.<br />

Implementing an Advance Care<br />

Planning Program in German<br />

Nursing Homes. Dtsch Ärztebl Int.<br />

2014 Jan;111(4):50–7.<br />

[15] Hickman S, Hammes B,<br />

Moss A, Tolle S. Hope for the Future:<br />

Achieving the Original Intent of<br />

Advance Directives. Hastings Cent<br />

Rep. 2005;35(6):S26–30.<br />

[16] Detering KM, Hancock<br />

AD, Reade MC, Silvester W. The<br />

impact of advance care planning on<br />

end of life care in elderly patients:<br />

randomised controlled trial. BMJ.<br />

2010 Mar 24;340:c1345.<br />

[17] Bosisio F, Barazzetti G.<br />

Advanced Care Planning: Promoting<br />

Autonomy in Caring for People with<br />

Dementia. Am J Bioeth. 2020 Aug<br />

2;20(8):93–5.<br />

[18] Bosisio F, Jox R, Jones L,<br />

Rubli Truchard E. Planning ahead<br />

with dementia: what role can<br />

advance care planning play? A<br />

review on opportunities and<br />

challenges. Swiss Med Wkly.<br />

2018;148(w14706).<br />

Bild: Adobe Stock<br />

34<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


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Fokus: Plan<br />

Stadtpläne<br />

im Wandel der<br />

Zeit<br />

Die Entwicklung der Stadtpläne spiegelt nicht nur<br />

den Fortschritt der Kartografie wider, sondern auch die sich<br />

ändernden gesellschaftlichen Bedürfnisse. Ein Blick auf<br />

einige Zeitzeugnisse und die Triebkräfte dahinter.<br />

Dr. phil. nat. Thomas Klöti, Geograf, ehemaliger Leiter der Kartensammlung des Bundesamts für<br />

Landestopografie swisstopo in Wabern und der Sammlung Ryhiner der Universitätsbibliothek Bern<br />

Der Begriff «Plan» im Sinne von<br />

Grundriss, Entwurf, Vorhaben<br />

oder Absicht wurde Anfang<br />

des 18. Jahrhunderts vom französischen<br />

Wort «plan», das auf Deutsch<br />

Entwurf, Grundfläche oder Grundriss bedeutete,<br />

entlehnt und wird bis heute unter<br />

anderem für die kartografische Darstellung<br />

einer Stadt verwendet [1]. Der Beginn der<br />

Stadtpläne reicht jedoch viel weiter zurück.<br />

Von kunstvoll zu nüchtern<br />

Stadtpläne entwickelten sich von einfachen<br />

Schemata über Aufrisszeichnungen<br />

mit Seitenansichten von Städten sowie per-<br />

Sickingerplan: die Stadt Bern im Jahr 1607<br />

Gregor Sickinger (1558–1631) war ein vielseitiger Künstler, von dessen Arbeiten vor allem seine<br />

grossen, auf Vermessung beruhenden Stadtansichten, sogenannte Planveduten, bekannt sind.<br />

Ein gängiges Instrument zur Vermessung von Städten oder Landschaften waren damals<br />

Messketten oder -schnüre, deren Glieder bzw. Knoten eine bestimmte Länge aufwiesen.<br />

Basierend auf den erhobenen Daten konstruierte Sickinger seine Stadtansichten perspektivisch<br />

aus der Vogelschau: Sein Ziel war eine Zentralperspektive von einem recht hoch gelegenen<br />

Punkt aus. Er schuf seine Planveduten als monumentale Gemälde auf Leinwand, bestimmt<br />

zum Schmuck öffentlicher Räume, nicht zur Reproduktion. Das Original der nordorientierten<br />

Planvedute von Bern, gemalt 1603 bis 1607, ist seit 1755 verschollen. Das Bild zeigt die Kopie des<br />

Plans (1753) durch Johann Ludwig Aberli (1723–1786) in der Umzeichnung von Eduard von Rodt<br />

(1849–1926) (1915) [6]. Trotz dem Verlust des Originals ist die Stadtvedute ein unschätzbares<br />

Dokument zur Stadtbaugeschichte Berns [7].<br />

Bild: Burgerbibliothek Bern, https://katalog.burgerbib.ch/detail.aspx?ID=283066<br />

36<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus: Plan<br />

Tontafel der Stadt Nippur<br />

Der Stadtplan von Nippur ist die älteste kartografische Darstellung einer Stadt. Die aus mittelbabylonischer<br />

Zeit stammende Tontafel ist etwa 3500 Jahre alt. Auf ihr sind der Umriss der Stadt<br />

mit Mauerverlauf, wichtige Wasserverläufe und der Tempel bezirk zu sehen. Das Fundstück wird<br />

in der Hilprecht-Sammlung in Jena aufbewahrt [5].<br />

Bild oben: Alfred Löhr, aus Wikimedia Commons: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Stadtplan_Nippur_Jena.jpg<br />

Bilder unten: Universitätsbibliothek Bern, https://doi.org/10.3931/e-rara-43944 und Meyers Grosses Konversations-Lexikon, www.zeno.org/Meyers-1905/A/Kippregel<br />

Grundriss der Stadt Basel<br />

= Plan de la ville de Basle<br />

Der von Samuel Ryhiner (1751–1787)<br />

aufgenommene, südorientierte Stadtplan<br />

von Basel entstand im Zuge der Arbeiten<br />

zur Verbesserung der Schanzen und<br />

anderer Verteidigungsanlagen. Es handelt<br />

sich dabei um den ersten genaueren Plan<br />

von Basel, der die Stadt rein grundrisslich,<br />

also senkrecht von oben, darstellt.<br />

Die Vermessung der Stadt hat Ryhiner<br />

vermutlich im Messtischverfahren<br />

durchgeführt. Dieses Feldmessinstrument<br />

für topografische Geländeaufnahmen<br />

besteht aus einem Stativ mit einem<br />

horizontal aufgestellten und mit Zeichenpapier<br />

bespannten Reissbrett. Auf dessen<br />

Fläche können durch ein mit Visiervorrichtung<br />

versehenes Lineal Richtungslinien<br />

aufgezeichnet werden, aus denen<br />

sich ein geometrisch richtiges Bild des<br />

Geländes in beliebiger Verkleinerung<br />

ergibt [8]. Der Plan wurde 1786 vom Basler<br />

Kupferstecher Christian von Mechel<br />

(1737–1817) herausgegeben [9, 10].<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 37


Fokus: Plan<br />

spektivischen Plänen, sogenannten Vogelschaudarstellungen,<br />

zu echten Grundrissdarstellungen,<br />

wie die nachfolgenden Ab -<br />

bildungen zeigen. Während Stadtpläne<br />

im Mittelalter oft repräsentative oder narrative<br />

Zwecke erfüllten, wurde ihr Erscheinungsbild<br />

im Laufe des 18. Jahrhunderts<br />

immer nüchterner. Um 1800 war die<br />

grundrissliche Darstellung, die sich seit<br />

dem 16. Jahrhundert herausgebildet hatte,<br />

führend [2] (siehe auch Grundriss der Stadt<br />

Basel). Heute ist ein Stadtplan eine grossmassstäbige<br />

thematische Karte einer<br />

Stadt, die der allgemeinen Orientierung in<br />

einem urbanen Raum dient. Der Massstab<br />

liegt meist im Bereich zwischen 1 : 5000<br />

und 1 : 10 000 [3].<br />

Triebkräfte der Kartierung<br />

Insbesondere drei Beweggründe führten zu<br />

Kartierungen:<br />

– der Wunsch, die Städte repräsentativ<br />

und für die Öffentlichkeit bildlich darzustellen<br />

– vermutlich wurden bereits<br />

römische Katasterpläne öffentlich ausgestellt;<br />

– das Bestreben, Basisinformationen für<br />

den Bau von Festungsanlagen zu bekommen;<br />

– die Absicht, Besitzverhältnisse festzuhalten.<br />

Pläne bildeten aber auch die Grundlage für<br />

thematische Darstellungen mit einem spezifischen<br />

Fokus, zum Beispiel die Seuchenbekämpfung.<br />

So musste sich der bernische<br />

Sanitätsrat im 18. Jahrhundert rechtzeitig<br />

über die Lage der Seuchenherde ins Bild<br />

setzen können. Johann Friedrich Ryhiner<br />

(1732–1803) wurde deshalb 1777 ersucht,<br />

Landkarten der Schweiz sowie der angrenzenden<br />

Staaten in einem Atlas zusammenzustellen.<br />

Der so zustande gekommene<br />

Sammelatlas umfasste sechs Bände mit<br />

Karten [4].<br />

Die Geburtsstunde der<br />

Epidemiologie: der Plan<br />

von John Snow<br />

Der britische Arzt John Snow (1813–1858)<br />

vertrat die Ansicht, dass die Cholera nicht<br />

durch Dünste (Miasmen) verbreitet wurde,<br />

wie damals weithin angenommen wurde,<br />

sondern dass Mikroorganismen im Trinkwasser<br />

die Seuche verursachten. Sein Plan<br />

zeigt Cholerafälle bei der Epidemie in<br />

London 1854, die sich bei einer Wasserpumpe<br />

an der Broad Street häufen [11].<br />

Bild: Wellcome Collection, www.wellcomecollection.org/works/dx4prdbj<br />

38<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus: Plan<br />

Literatur<br />

[1] «Plan». In: Digitales Wörterbuch der<br />

deutschen Sprache. www.dwds.de/wb/Plan<br />

(1.3.<strong>2024</strong>).<br />

[2] Lexikon zur Geschichte der<br />

Kartographie. Bd. 2. Wien, 1986.<br />

[3] «Stadtplan». In: Lexikon der<br />

Kartographie und Geomatik. Spektrum<br />

Akademischer Verlag, Heidelberg. https://www.<br />

spektrum.de/lexikon/kartographie-geomatik/<br />

stadtplan/4647 (11.4.<strong>2024</strong>).<br />

[4] Thomas Klöti: Johann Friedrich von<br />

Ryhiner, 1994, S. 38. https://boris.unibe.<br />

ch/59384/1/tom-kloeti_johann_friedrich_von_<br />

ryhiner.pdf (1.3.<strong>2024</strong>).<br />

[5] «Stadtplan von Nippur». In: Lexikon<br />

der Kartographie und Geomatik. Spektrum<br />

Akademischer Verlag, Heidelberg. https://www.<br />

spektrum.de/lexikon/kartographie-geomatik/<br />

stadtplan-von-nippur/4648 (11.4.<strong>2024</strong>).<br />

[6] «Bern: Stadtplan (1607), 1915».<br />

Burgerbibliothek Bern. https://katalog.<br />

burgerbib.ch/detail.aspx?ID=283066 (1.3.<strong>2024</strong>).<br />

[8] «Meßtisch». In: Brockhaus' Kleines<br />

Konversations-Lexikon, 5. Aufl., Bd. 2. Leipzig,<br />

1911, S. 172. http://www.zeno.org/Brockhaus -<br />

1911/A/Meßtisch (11.4.<strong>2024</strong>).<br />

[9] «Ryhiner Plan». Basler Bauten.<br />

www.basler-bauten.ch/index.php?option=com_<br />

content&view=article&id=46&Itemid=116<br />

(1.3.<strong>2024</strong>).<br />

[10] Grundriss der Stadt Basel = Plan de<br />

la ville de Basle. In Basel herausgegeben von<br />

Christian von Mechel, Kupferstecher und<br />

Kunstverleger, 1786. Universitätsbibliothek<br />

Bern, MUE Kart 413:11. https://doi.<br />

org/10.3931/e-rara-43944 / Public Domain<br />

Mark.<br />

[11] Theodore H. Tulchinsky, Chapter 5<br />

– John Snow, Cholera, the Broad Street Pump;<br />

Waterborne Diseases Then and Now. In:<br />

Theodore H. Tulchinsky (Hrsg.): Case Studies<br />

in Public Health, Academic Press, 2018.<br />

S. 77–99, https://doi.org/10.1016/B978-0-12-<br />

804571-8.00017-2.<br />

[7] Grosjean, Georges, Geschichte<br />

der Kartographie. Bern, 1996. S. 97. https://boris.<br />

unibe.ch/47914/14/U8_Grosjean_2013.pdf<br />

(1.3.<strong>2024</strong>).<br />

Weiterführende Literatur<br />

Björn und Sören Christensen: Die<br />

Geburtsstunde der Epidemiologie. In: SH-<strong>Journal</strong>,<br />

Wochenendbeilage im s-hz, 5.12.2020.<br />

www.achtung-statistik.de/wp-content/<br />

uploads/2020/12/Die-Geburtsstunde-der-<br />

Epidemiologie-2020_12_5.pdf (1.3.<strong>2024</strong>).<br />

Georges Grosjean: Stadtplanveduten.<br />

In: Geschichte der Kartographie. Bern, 1996.<br />

S. 94–99. https://boris.unibe.ch/47914/14/U8_<br />

Grosjean_2013.pdf (1.3.<strong>2024</strong>).<br />

Hans-Peter Höhener: Urban Mapping in<br />

Switzerland. In: Cartography in the European<br />

Enlightenment. 2 Bände. Chicago, 2019.<br />

S. 1616–1618. https://press.uchicago.edu/books/<br />

HOC/HOC_V4/HOC_VOLUME4_U.pdf (1.3.<strong>2024</strong>).<br />

Thomas Klöti: Johann Friedrich von<br />

Ryhiner, 1732–1803: Berner Staatsmann,<br />

Geograph, Kartenbibliograph und Verkehrspolitiker.<br />

Bern, 1994. S. 38, 233–238. https://boris.<br />

unibe.ch/59384/1/tom-kloeti_johann_friedrich_<br />

von_ryhiner.pdf (1.3.<strong>2024</strong>).<br />

Tom Koch: Disease maps – Epidemics<br />

on the ground. 2011. S. 144–163.<br />

Lexikon zur Geschichte der Kartographie.<br />

2 Bände. Wien, 1986.<br />

Ryhiner – Die Familie Ryhiner 500 Jahre<br />

im Basler Bürgerrecht 1518–2018. Basel, 2018.<br />

S. 92–94. http://chronik.ryhiner.ch/assets/<br />

buch-ryhiner.pdf (1.3.<strong>2024</strong>).<br />

Holger Scharlach: Den Seuchen auf der<br />

Spur. 200 Jahre Infektionskrankheiten im<br />

Kartenbild. (Begleitbroschüre zur Ausstellung).<br />

Hannover, 2012. https://kartdok.staatsbibliothekberlin.de/receive/kartdok_mods_00000309<br />

(1.3.<strong>2024</strong>).<br />

Holger Scharlach und Wolfgang Crom:<br />

Entwicklung und Einsatzgebiete thematischer<br />

Karten im frühen 19. Jahrhundert am Beispiel<br />

der Cholera. In: Kartographische Nachrichten 63,<br />

2013, 1. S. 19–26.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 39


Fokus: Plan<br />

«So furchtbar<br />

es klingt: Ich bin<br />

dankbar für<br />

meine Krankheit»<br />

So hatte Amaya Muñoz Pérez ihr Leben nicht geplant:<br />

Mitten im Nachdiplomstudium erhielt sie die Diagnose Multiple Sklerose (MS).<br />

Doch die Krankheit hat sie auch etwas Wichtiges gelehrt.<br />

Regula Grünwald, Chefredaktorin <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong>. Bilder: Severin Nowacki<br />

Es begann mit Nackenschmerzen<br />

und einem Kribbeln im<br />

Arm. «Da ist wohl ein Nerv eingeklemmt»,<br />

dachte sich Amaya<br />

Muñoz Pérez. Die gelernte Krankenpflegerin<br />

hatte ein Jahr zuvor ihr Nachdiplomstudium<br />

in der Intensivpflege begonnen,<br />

das ihr sehr gefiel. Mit wärmenden<br />

Kompressen versuchte sie, die Symptome<br />

zum Verschwinden zu bringen. Aber das<br />

Kribbeln hörte nicht auf.<br />

Wer Amaya Muñoz Pérez beim Sprechen<br />

zuhört, ihre Mimik und Gestik beobachtet,<br />

könnte den Eindruck erhalten,<br />

dass sie von einer leichten Erkrankung,<br />

vielleicht einer Grippe, erzählt. Ihre Stimme<br />

klingt heiter, die blauen Augen blitzen<br />

vor Lebensfreude, und ihr Lachen ist ansteckend.<br />

Einzig die Ärmel ihres grauen<br />

Strickpullovers zieht sie immer wieder<br />

über ihre Hände, als ob sie sie aufwärmen<br />

möchte, nur um sie bei der nächsten Geste<br />

gleich wieder hervorzustrecken.<br />

Trotz ihrer Erkrankung an Multipler Sklerose<br />

arbeitet Amaya Muñoz Pérez Vollzeit, jedoch<br />

nicht mehr auf der Intensivstation, sondern als<br />

medizinische Kodiererin und Data Steward.<br />

tätsspital Zürich (USZ), den sie nach einigen<br />

Tagen aufsuchte. «In deinem Alter<br />

muss man auch immer an Multiple Sklerose<br />

denken, Amaya», sagte er der damals<br />

27-Jährigen, die diesen Gedanken rasch<br />

wieder von sich schob. «Dies mochte ja<br />

anderen passieren, aber bestimmt nicht<br />

mir, dachte ich», erzählt die heute 36-Jäh-<br />

Amaya Muñoz Pérez mag die Arbeit mit Zahlen,<br />

auch wenn ihr der Kontakt mit Patientinnen<br />

und Patienten manchmal fehlt.<br />

Ein unerwarteter Verdacht<br />

Obwohl Amaya Muñoz Pérez zwei Jahre<br />

auf einer Überwachungsstation mit<br />

Schwer punkt Neurologie gearbeitet hatte,<br />

machte sie sich zu diesem Zeitpunkt keine<br />

Gedanken darüber, dass das Kribbeln<br />

auch eine andere Ursache als einen eingeklemmten<br />

Nerv haben könnte. Anders der<br />

Neurologe, ein Bekannter vom Universirige.<br />

Doch die weiteren Untersuchungen<br />

sollten den Verdacht des Arztes bestätigen.<br />

«Warum ich?»<br />

Seit der Diagnose hat Amaya Muñoz Pérez<br />

verschiedene Phasen durchlaufen. «Ganz<br />

am Anfang war ich recht optimistisch und<br />

40<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus: Plan<br />

empfand die Diagnose nicht als besonders<br />

schlimm», erzählt sie. Doch mit dem Besuch<br />

der Pflegeberatung und der eigenen<br />

Recherche im Internet habe sich dies geändert.<br />

«Ich sah plötzlich ein Leben voller<br />

Einschränkungen und Hindernisse vor<br />

mir: Meine Weiterbildung, Reisen, Kinder<br />

und meine weiteren Pläne und Träume<br />

schienen plötzlich nur noch schwer umsetzbar.»<br />

Gleichzeitig musste sich Amaya<br />

Muñoz Pérez unmittelbar nach der Diagnose<br />

einer hochdosierten Kortisontherapie<br />

unterziehen, um die Symptome zum<br />

Verschwinden zu bringen und bleibende<br />

Läsionen möglichst zu verhindern. «Das<br />

war Himmel und Hölle zugleich.» Himmel,<br />

weil die Therapie wirkte und Nackenschmerzen<br />

und das Kribbeln verschwanden.<br />

Hölle, weil die Nebenwirkungen es in<br />

sich hatten: «Ich wurde innerlich extrem<br />

nervös, konnte nicht schlafen, quoll auf.»<br />

Amaya Muñoz Pérez geriet in eine depressive<br />

Verstimmung. «Ich habe viel geweint,<br />

und ich habe mir oft die Frage gestellt: Warum<br />

ich?»<br />

Alles in Massen<br />

Eine Antwort auf diese Frage hat die gebürtige<br />

Berlinerin bis heute nicht gefunden.<br />

Doch sie hat aufgehört, sie zu stellen.<br />

Auf dem Weg dahin geholfen haben ihr<br />

ein gutes Umfeld, eine mehrmonatige<br />

Behandlung mit Antidepressiva sowie eine<br />

innere Entwicklung. Sie habe gelernt,<br />

zu akzeptieren, dass sie manche Dinge<br />

nicht beeinflussen oder ändern könne.<br />

«Aber ich lasse mich von der Krankheit<br />

nicht mehr einschüchtern: Ich erlaube<br />

mir alles, was mich glücklich macht –<br />

auch wenn es streng genommen vielleicht<br />

nicht das Beste für meinen Körper ist.<br />

Alles in Massen, ist heute meine Devise.»<br />

So ist Amaya Muñoz Pérez auch ab und zu<br />

im Ausgang anzutreffen, manchmal sogar<br />

mit einem Cocktail oder einer Zigarette in<br />

der Hand. Sie unternimmt weiterhin Reisen,<br />

jedoch wählt sie Destinationen, Zeitpunkt<br />

und Dauer sorgfältig aus. Und auch<br />

beruflich hat sie einen guten Kompromiss<br />

gefunden. So arbeitet sie zwar weiterhin<br />

Vollzeit, hat sich aber zur medizinischen<br />

Kodiererin weitergebildet, um die Zeit auf<br />

der Intensivstation zu reduzieren. «Ich<br />

mag die Arbeit am Bett sehr, aber nur dort<br />

zu arbeiten, wäre zu stressig, und das Infektionsrisiko<br />

wäre zu hoch.» Während<br />

Jahren habe sie am USZ auf ein tolles<br />

Team zählen können: «Ich war zwar für<br />

drei Schichten angestellt, aber mein Team<br />

übernahm immer meine Nächte und<br />

schaute darauf, dass ich nicht die hochinfektiösen<br />

Patientinnen und Patienten<br />

betreuen musste.» Seit ihr das USZ zusätzlich<br />

eine Teilzeitstelle im Institut für<br />

Intensivmedizin als Data Steward angeboten<br />

hat, arbeitet sie nicht mehr auf der<br />

Intensivstation. Eine Rückkehr will sie<br />

aber nicht ausschliessen. «Von den Kolleginnen<br />

und Kollegen wollte sich jedenfalls<br />

niemand so richtig von mir verabschieden.»<br />

Schwangerschaft muss geplant<br />

werden<br />

Amaya Muñoz Pérez spricht sehr offen<br />

über ihre Krankheit und über das, was sie<br />

beschäftigt. Vor ihrer Krankheit sei für sie<br />

immer klar gewesen, dass sie mal Kinder<br />

möchte, erzählt sie. Der Wunsch sei noch<br />

immer da. Aber falls sie sich für ein Kind<br />

entscheide, müsse das gut geplant sein.<br />

«Um schwanger zu werden, müsste ich die<br />

Therapie absetzen.» Ohnehin habe sie momentan<br />

keinen Partner. Und auch da stelle<br />

sie sich heute mehr Fragen als vor der Diagnose.<br />

«Wann würde ich einem potenziellen<br />

Partner von der Krankheit erzählen?<br />

Und wie würde er es aufnehmen?» Zwar<br />

habe sie diesbezüglich bislang keine negativen<br />

Erfahrungen gemacht. «Aber die<br />

meisten Leute, die nicht vom Fach sind,<br />

setzen MS mit dem Rollstuhl gleich – auch<br />

wenn dies längst nicht mehr bei allen Betroffenen<br />

der Fall ist.»<br />

Stärker und lebenslustiger<br />

Neben der medikamentösen Therapie<br />

muss sich Amaya Muñoz Pérez regel mässig<br />

bildgebenden Untersuchungen des Kopfes<br />

sowie dreimonatlichen Kontrollen des<br />

Blutbildes unterziehen. Seit vier Jahren<br />

hat sie nun keine Schübe mehr gehabt und<br />

ist sehr stabil. Von früheren Schüben geblieben<br />

sind wenige Symptome, mit denen<br />

sie gelernt hat, umzugehen. «Ich sehe beispielsweise<br />

Doppelbilder, wenn ich nach<br />

links gucke. Nun drehe ich halt einfach<br />

den Kopf – Problem gelöst.» Doch noch<br />

etwas anderes hat die Erkrankung nachhaltig<br />

verändert: «Ich habe gelernt, mehr<br />

auf mich und meine Bedürfnisse zu achten<br />

und nicht so sehr darauf, was die anderen<br />

von mir erwarten», sagt Amaya Muñoz<br />

Pérez. Früher sei sie sehr schüchtern gewesen<br />

und habe zu allem Ja gesagt. Durch<br />

die MS und die Auseinandersetzung mit<br />

sich selbst sei sie stärker und durchsetzungsfähiger<br />

sowie offener und lebenslustiger<br />

geworden. «Ohne die MS wäre ich<br />

nicht der Mensch, der ich jetzt bin. Und so<br />

furchtbar es klingt: In gewisser Weise bin<br />

ich dankbar für meine Krankheit.»<br />

Multiple Sklerose (MS):<br />

Entstehung, Symptome,<br />

Verlauf<br />

MS ist eine autoimmune, chronischentzündliche<br />

Erkrankung des zentralen<br />

Nervensystems (Gehirn und Rückenmark).<br />

Dabei greift das Immunsystem<br />

irrtümlicherweise die Myelinschicht,<br />

welche die Nervenzellen isoliert, an.<br />

Die dadurch ausgelöste Demyelinisierung<br />

sowie die mögliche Schädigung<br />

der Nervenzellen und -fasern verlangsamt<br />

die Nervenleitgeschwindigkeit. Je<br />

nach Region, die betroffen ist, variieren<br />

die Symptome. Häufige Symptome sind<br />

unter anderem Sehstörungen, Muskelschwäche<br />

oder -spastiken, Schwindel,<br />

Empfindungsstörungen wie Kribbeln,<br />

Schmerzen oder Temperaturempfindlichkeit,<br />

Fatigue, kognitive Leistungseinbussen,<br />

Depressionen, Sprechund<br />

Schluckstörungen sowie Blasenund<br />

Darmstörungen. Es wird zwischen<br />

mehreren Verlaufsformen unterschieden.<br />

Zumindest bei Krankheitsbeginn<br />

ist die schubförmig remittierende MS<br />

die häufigste Form. Diese beginnt meist<br />

zwischen 20 und 45 Jahren und kann<br />

nach etwa zehn Jahren auch in eine<br />

sekundär chronisch progrediente MS<br />

übergehen. Auch Verläufe ohne sichtbare<br />

Schübe sind möglich: Bei der<br />

primär chronisch progredienten MS<br />

zeigt sich von Beginn an eine langsame<br />

progrediente Verschlechterung der<br />

Symptomatik. Die genaue Ursache von<br />

MS ist nach wie vor nicht bekannt.<br />

Mehr Informationen:<br />

www.multiplesklerose.ch<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 41


Fokus: Plan<br />

Spektakuläre Stunts und Feuerwerke<br />

gehören zu jedem KKG-Stück.<br />

Ist Kreativität<br />

planbar?<br />

Die unbändige Lust, Grenzen zu sprengen und Unterhaltung<br />

mit Innovation zu verbinden, ist die treibende Kraft der<br />

Theatertruppe Karl’s kühne Gassenschau. Welchen Platz nimmt<br />

die Planung in diesem kreativen Umfeld ein? Paul Weilenmann,<br />

Mitgründer und künstlerischer Leiter, weiss Bescheid.<br />

Christoph Bohn, freier Autor<br />

Bilder: © Karl’s kühne Gassenschau<br />

42<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus: Plan<br />

mich im Alltag? Welche Geschichten berühren<br />

mich? Was möchte ich selbst auf<br />

der Bühne sehen? Was hat es in der Theaterszene<br />

noch nicht gegeben? Aus diesen<br />

Diskussionen ergibt sich ein Thema, das<br />

uns fasziniert. Und aus dieser Faszination<br />

entsteht die künstlerische Kraft, eine Theatershow<br />

zu kreieren.<br />

Wir organisieren aber auch vor jedem<br />

neuen Stück kreative Retraiten, wo wir<br />

Leute von ausserhalb einladen, um auf andere<br />

Ideen zu kommen. Dasselbe machen<br />

wir auch mit unseren eigenen Leuten, die<br />

oftmals einen anderen Blick auf ein Stück<br />

haben als wir von der Leitung.<br />

Zur Person<br />

Paul Weilenmann, was löst der Begriff<br />

«Planung» bei Ihnen aus?<br />

Als wir vor 40 Jahren zu sechst mit Karl’s<br />

kühner Gassenschau, kurz KKG, starteten,<br />

haben wir gar nichts geplant. Alles geschah<br />

spontan aus dem Lustprinzip. Heute ist<br />

das natürlich anders. Planung gibt uns Sicherheit,<br />

auch wenn die Realität dann<br />

ganz anders aussieht, als ich sie mir vorgestellt<br />

habe.<br />

KKG ist berühmt für kreative, unkonventionelle<br />

und spektakuläre Auftritte.<br />

Das bringt uns zur Frage: Lässt sich<br />

Kreativität überhaupt planen?<br />

Man kann vieles so einrichten, dass Kreativität<br />

entstehen kann. Zuerst tauschen<br />

wir uns im engen Kreis aus. Was bewegt<br />

Zuerst war KKG eine kleine Strassentheater-Truppe,<br />

heute haben Sie pro<br />

Abend bis zu 1400 Zuschauerinnen<br />

und Zuschauer. Da muss eine riesige<br />

Planung dahinterstecken.<br />

Allerdings. Wir begannen auf der Strasse<br />

mit einer Hutkollekte nach der Show, heute<br />

haben wir ein ausgeklügeltes, gut funktionierendes<br />

Ticketing-System via Internet.<br />

Damals wollten wir ja nur während<br />

der Sommerferien Strassenzirkus machen<br />

und unsere Skills anwenden, die wir an<br />

der Mimenschule Ilg gelernt hatten. Planung<br />

kam niemandem in den Sinn. Wir<br />

stürzten uns freudvoll ins Gauklerleben<br />

und waren jederzeit bereit, falls nötig auch<br />

wieder in unsere Berufe zurückzugehen.<br />

Je professioneller wir wurden, desto<br />

wichtiger wurde auch die Planung. Heute<br />

ist eine weise Voraussicht enorm wichtig<br />

für das Gelingen unserer Arbeit. Schliesslich<br />

haben wir Verpflichtungen gegenüber<br />

mehr als 100 Mitarbeitenden, die mehr<br />

oder weniger davon abhängig sind, ob<br />

unsere Shows erfolgreich sind oder nicht.<br />

Dafür braucht es eine monatelange Vorbereitung.<br />

Künstlerische Konzepte müssen<br />

erfunden, Bühnenbilder entworfen, Pläne<br />

gezeichnet und unzählige Bewilligungen<br />

eingeholt werden. Die administrative Arbeit<br />

unterscheidet sich kaum von anderen<br />

Betrieben, die ein Produkt herstellen und<br />

verkaufen müssen. Viel schwieriger ist die<br />

Planung für die kreativen Prozesse.<br />

Eigentlich wollte Paul Weilenmann<br />

immer Clown werden. An der Mimenschule<br />

Ilg in Zürich lernte er Brigitt<br />

Maag, Ernesto Graf und Markus Heller<br />

kennen. Gemeinsam mit zwei weiteren<br />

Personen gründeten sie 1984 den<br />

Strassenzirkus Karl’s kühne Gassenschau<br />

– mit einem Apostroph im<br />

Namen, um die Deutschlehrerinnen<br />

und -lehrer zu ärgern. Zu Beginn<br />

interessierten Paul Weilenmann<br />

insbesondere die klassischen Zirkusdisziplinen<br />

wie Akrobatik und<br />

Jonglage, mit der Zeit entwickelte er<br />

auch ein Flair für witzig inszenierte<br />

Szenen und bewegte sich etwas vom<br />

Rampenlicht weg hin zur Regiearbeit.<br />

Heute ist er in der Geschäftsleitung<br />

von KKG und hat die künstlerische<br />

Leitung inne. Seit der Gründung vor<br />

40 Jahren hat KKG 22 verschiedene<br />

Produktionen in über 3500 Vorstellungen<br />

vor über drei Millionen Zuschauenden<br />

gezeigt – eine stolze Bilanz.<br />

Was gab es für das neueste KKG-Spektakel<br />

«Reception» speziell zu planen,<br />

und wann haben Sie damit begonnen?<br />

Tatsächlich begann die Planung für<br />

«Reception» schon vor sieben Jahren.<br />

Wegen Corona mussten wir die Vorbereitungsarbeiten<br />

stoppen. Wir wussten<br />

damals nicht, wie die Welt danach aussehen<br />

würde. Darum lösten wir alle Verträge<br />

auf, das Risiko war schlicht zu gross. Üblicherweise<br />

dauern die Vorbereitungsarbeiten<br />

jeweils etwa zwei bis drei Jahre. Aber<br />

je älter wir werden, desto früher beginnen<br />

wir damit. Wir haben schon so viele Ideen<br />

umgesetzt und unter anderem Felsen<br />

erklommen, Autos umgebaut, Seen hergestellt<br />

und rostige Containertürme konstruiert.<br />

Vor allem bei den Bühnenkonstruktionen<br />

wird es nicht einfacher, noch<br />

unbekanntes Terrain zu bearbeiten. Die<br />

Grenzen des Machbaren zu sprengen, reizt<br />

uns aber immer wieder.<br />

Im neuen Stück standen wir vor grossen<br />

Herausforderungen, weil alles auf,<br />

unter und mit dem Wasser spielt. Die<br />

Schauspielerinnen, Showtechniker und<br />

Musikerinnen absolvierten als Vorbereitung<br />

einen Tauchkurs. Die Sicherheit für<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 43


Fokus: Plan<br />

Ideenskizze des schwimmenden Hotels für das neue Stück «Reception» von KKG.<br />

«Reception»:<br />

ein Wasserspektakel<br />

von Karl’s kühner<br />

Gassenschau<br />

Wasser überall – mittendrin ein<br />

Grandhotel und ein launischer Rezeptionist.<br />

Hier strandet eine Hochzeitsgesellschaft<br />

und will den schönsten<br />

Tag des Lebens feiern. Doch plötzlich<br />

ist nichts mehr, wie es scheint,<br />

die Grenze zwischen Traum und<br />

Wirklichkeit verwischt – und der<br />

Rezeptionist bittet zum Tanz.<br />

Magische Bilder, poetische Musik,<br />

furchtlose Stunts und Feuerspiele:<br />

Dies alles bietet das Open-Air-Spektakel<br />

«Reception», das die Theatertruppe<br />

Karl’s kühne Gassenschau ab <strong>Juni</strong> <strong>2024</strong><br />

in Dietikon (ZH) spielt.<br />

Weitere Informationen und Tickets:<br />

www.reception.ch<br />

www.karlskuehnegassenschau.ch<br />

Bis zu 1400 Zuschauende pro Abend besuchen die spektakulären Shows.<br />

Für «Akua» wurde ein künstlicher See<br />

voller Unterwassertechnik gebaut.<br />

das Team ist uns extrem wichtig. Es braucht<br />

Trocknungsräume für Kostüme und Requisiten.<br />

Das Tauchequipment wird professionell<br />

gewartet und die Wasserqualität regelmässig<br />

überprüft.<br />

Auch bauliche Projekte forderten unser<br />

technisches Team aufs Äusserste. Wie<br />

kann ein ganzes Hotel im Wasser versinken<br />

und am nächsten Tag wieder bereit<br />

sein für die nächste Vorstellung? Für all<br />

das gibt es keine Standardlösungen. Sie<br />

müssen erfunden und mit den beschränkten<br />

Mitteln gebaut werden.<br />

44<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus: Plan<br />

Im Stück «Sektor 1» fiel die riesige,<br />

im Universum entsorgte Abfallmenge<br />

wieder zurück auf die Erde.<br />

Ihre Bauarbeiten sind gewaltig und<br />

kosten teilweise siebenstellige Beträge.<br />

Dafür braucht es doch Profis, die<br />

extrem viel planen müssen – auch<br />

finanziell?<br />

Ja, wir sind stolz darauf, dass wir das meiste<br />

mit eigenen, sehr engagierten Leuten<br />

umsetzen können. Bei uns landen gut ausgebildete<br />

Handwerkerinnen und Techniker,<br />

die es lieben, in unkonventionellem<br />

Rahmen zu arbeiten. Sie sind bereit, sich<br />

auf das Abenteuer Gassenschau einzulassen,<br />

obwohl sie in Zeiten von Fachkräftemangel<br />

finanziell weit bessere Angebote<br />

annehmen könnten. Wir können die Kosten<br />

auch tief halten, weil wir alte Bühnenelemente<br />

recyceln. Und pyrotechnische<br />

Effekte sowie pneumatische und hydraulische<br />

Apparaturen kommen in mehreren<br />

Produktionen zum Einsatz.<br />

Kommen wir nochmals zum kreativen<br />

Teil: Wie definieren Sie das Thema<br />

eines neuen Stücks? Wie planen Sie es<br />

dann? Wie gehen Sie da genau vor?<br />

Vieles kommt erst durch Improvisation<br />

zustande. Wir wählen die Schauspielerinnen<br />

und Schauspieler schon aus, wenn<br />

wir noch gar nicht genau wissen, wie das<br />

Stück ablaufen wird. Da ist längst nicht<br />

alles planbar. Das macht einerseits auch<br />

den Reiz aus, weil auf diese Weise sehr<br />

authentische und unkonventionelle Momente<br />

geschaffen werden können. An dererseits<br />

steckt ein nicht geringes Risiko<br />

darin, weil immer Absturzgefahr mitschwingt.<br />

Wir sind aber überzeugt, dass<br />

sich Wagnisse auszahlen.<br />

Planung hat fast immer etwas Genaues,<br />

manchmal sogar etwas Akribisches an<br />

sich. Kann Planung auch kreativ sein?<br />

Bei uns geht Planung nur mit Kreativität.<br />

Planung ist ja an sich ein rationaler Prozess<br />

mit zielgerichtetem Denken und methodischem<br />

Vorgehen. Wir gehen aber bei<br />

vielem mit einer grossen Portion Inspiration<br />

und Intuition vor.<br />

Irgendwo habe ich mal gelesen, dass<br />

Pläne zwar wichtig sind, aber nie zum<br />

Selbstzweck werden dürfen, sodass immer<br />

die Umsetzung entscheidend bleibt. Genau<br />

so arbeiten wir: Geplant wird nur die<br />

Umsetzung. Überraschende Szenen, unkonventionelle<br />

Bilder oder witzige Dialoge<br />

kommen nicht durch Planung und<br />

rationale Prozesse zustande; dafür braucht<br />

es im Gegenteil viel unplanbare, ungefilterte<br />

Kreativität.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 45


Fokus: Plan<br />

Wie wir den<br />

Zufall auf unsere<br />

Seite bringen<br />

Zufall und Planung scheinen Gegensätze zu sein –<br />

aber ist das wirklich so? Neueste Forschung zeigt, dass wir den Zufall<br />

in unsere Planung mit aufnehmen können.<br />

Christian Busch, Autor von «Erfolgsfaktor Zufall» und Professor an der University of Southern California<br />

Neue Ideen entstehen oft durch Zufälle. Deshalb lohnt es sich, offen zu sein für Unerwartetes.<br />

Wir streben oftmals nach<br />

Präzision, Genauigkeit<br />

und Kontrolle. Planung<br />

ist essenziell. Doch wie<br />

viel Kontrolle haben wir wirklich über unser<br />

Leben, unseren Alltag – und unseren<br />

beruflichen Erfolg? Um zu vermeiden,<br />

uns einer Kontrollillusion hinzugeben –<br />

nämlich dass immer alles nach Plan laufen<br />

wird –, müssen wir den Zufall in unsere<br />

Planung mit aufnehmen.<br />

Eine zufällige Entdeckung?<br />

Als Forschende eines führenden Pharmaunternehmens<br />

klinische Studien zu einem<br />

neuen Medikament zur Behandlung<br />

von Angina Pectoris ausführten, entdeckten<br />

sie bei männlichen Testpersonen eine<br />

überraschende Nebenwirkung: Erektionen.<br />

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />

erkannten das enorme Potenzial<br />

dieser Entdeckung für die Behandlung<br />

von erektiler Dysfunktion (ED). Sie änderten<br />

ihren Fokus und begannen, das Medikament<br />

gezielt für die Behandlung von ED<br />

zu entwickeln. Das Medikament – Viagra –<br />

wurde nach seiner Zulassung schnell zu<br />

einem der bekanntesten und am häufigsten<br />

verschriebenen Medikamente weltweit.<br />

War all das reiner Zufall? Keineswegs.<br />

Zufall als Erfolgsfaktor<br />

Unsere Forschung an der University of<br />

Southern California und der New York Uni-<br />

Bild: Adobe Stock<br />

46<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus: Plan<br />

versity (NYU) zeigt, dass Serendipität («aktives<br />

Glück»), die aus dem Zusammenspiel<br />

von Zufall und menschlichem Handeln<br />

resultiert, oft entscheidend für den Erfolg<br />

ist. Sei es in der Forschung, in der Karriere<br />

oder generell im Leben: Viele der erfolgreichsten<br />

Menschen verstehen es, den<br />

Zufall aktiv für ihre Ziele zu nutzen, ob<br />

bewusst oder unbewusst. Was unterscheidet<br />

diese Menschen von anderen? Und wie<br />

können wir selbst Serendipität in unserer<br />

Karriere nutzen?<br />

Einen Teil der Antwort auf diese<br />

Fragen lieferte bereits der französische<br />

Wissenschaftler Louis Pasteur im 19. Jahrhundert:<br />

«Der Zufall begünstigt nur den<br />

vorbereiteten Geist.» Aber wie können wir<br />

uns auf den Zufall vorbereiten – und ihn<br />

für uns gewinnen?<br />

Balance zwischen Planung und<br />

Unerwartetem<br />

Wer hat nicht schon seinen Lebenslauf so<br />

dargestellt, als wäre das Leben ein durchgeplanter,<br />

rational organisierter Weg? Unsere<br />

Umgebung vermittelt uns oft das Gefühl,<br />

dass wir stets alles unter Kontrolle<br />

haben müssen, obwohl das in der Realität<br />

kaum möglich ist. Erst wenn wir diese Illusion<br />

loslassen, wird Serendipität möglich.<br />

Inspirierende Führungskräfte finden oft<br />

ein Gleichgewicht zwischen Orientierungssinn<br />

und der Fähigkeit, das Unerwartete zu<br />

schätzen.<br />

Überschneidungen finden<br />

Eine Methode, um den glücklichen Zufall<br />

zu fördern, ist es, «Serendipitätshaken» zu<br />

setzen. Diese Haken helfen dabei, zufällige<br />

Begegnungen und Überschneidungen mit<br />

anderen Menschen und Themen zu ermöglichen.<br />

Wenn beispielsweise Oli Barrett, ein<br />

Bildungsunternehmer in London, gefragt<br />

wird, was er beruflich macht, antwortet er<br />

etwas wie: «Ich liebe es, Menschen zu vernetzen,<br />

arbeite im Bildungssektor und beschäftige<br />

mich neuerdings intensiv mit<br />

Philosophie. Aber mein grösstes Hobby ist<br />

das Klavierspielen.» Diese Antwort bietet<br />

vier potenzielle Anknüpfungspunkte: eine<br />

Leidenschaft (Menschen vernetzen), eine<br />

Tätigkeit (Arbeit im Bildungswesen), ein<br />

Interesse (Philosophie) und ein Hobby<br />

(Klavierspielen). Durch das Angebot mehrerer<br />

Gesprächsthemen erhöht sich die<br />

Wahrscheinlichkeit für zufällige Überschneidungen.<br />

Würde er nur sagen: «Ich<br />

arbeite im Bildungswesen», wäre die Chance<br />

für solche Begegnungen geringer. Indem<br />

er mehrere potenzielle Haken nennt, steigert<br />

er die Wahrscheinlichkeit für Reaktionen<br />

wie: «Was für ein Zufall! Ich habe gerade<br />

überlegt, eine Plattform für den Austausch<br />

von Bildungsideen zu organisieren.<br />

Lass uns darüber sprechen!» Diese Methode<br />

funktioniert fast überall – bei Meetings,<br />

Veranstaltungen, Konferenzen und im persönlichen<br />

Umfeld.<br />

Anderen Menschen die Möglichkeit<br />

zu geben, solche Haken zu setzen, ist eine<br />

wei tere Strategie, die es wahrscheinlicher<br />

macht, (zufällige) Überschneidungen zu<br />

finden. Offene Fragen wie «Wofür interessierst<br />

du dich im Moment?» oder «Was<br />

hast du an der Präsentation gerade am<br />

interessantesten gefunden?» machen es<br />

wahrscheinlicher, dass wir «zufällige»<br />

spannende Überschneidungen finden.<br />

Verknüpfungen erkennen<br />

Wir können unser Gehirn trainieren, Verknüpfungen<br />

wahrzunehmen – beispielsweise,<br />

indem wir in Gesprächen zeitgleich<br />

reflektieren, an welcher Stelle wir eine<br />

Assoziation herstellen oder eine Idee beitragen<br />

können. Ganz im Sinne der Neuroplastizität<br />

sehen wir dann nach und nach<br />

automatisch mehr Verknüpfungen – wir<br />

können diesen «mentalen Muskel» trainieren.<br />

Bei der Serendipitätsmentalität geht<br />

es darum, offen für neue Erfahrungen und<br />

Möglichkeiten zu sein und das Potenzial in<br />

unerwarteten Ereignissen zu erkennen.<br />

«Projektbeerdigungen» sind dafür ein effektives<br />

Mittel: Projekte oder Ideen, die<br />

nicht funktioniert haben, werden zu Grabe<br />

getragen, und es wird reflektiert, was man<br />

aus dem Scheitern lernen kann. Oft öffnet<br />

das den Raum für unerwartete Verknüpfungen.<br />

Zum Beispiel, als ein Projektmanager<br />

eine Glasscheibentechnologie zu Grabe<br />

trug, aber jemand im Publikum realisierte,<br />

dass die gleiche Technologie Energie absorbieren<br />

könnte – und «zufälligerweise»<br />

ein Teil der Solarsparte des Unternehmens<br />

daraus entstand.<br />

Reframing kann Blockaden lösen<br />

Möglichkeiten für Serendipität gibt es<br />

viele – wir ergreifen oft aber nur einen<br />

Bruchteil davon. Gründe dafür sind unter<br />

anderem Angst vor Zurückweisung oder<br />

das sogenannte Imposter-(Hochstapler-)<br />

Syndrom. Die gute Nachricht: Sobald wir<br />

uns selbst besser verstehen, können wir<br />

erkennen, wann und wo wir uns selbst<br />

blockieren: Wenn man beispielsweise eine<br />

zündende Idee hat, sie aber im Meeting<br />

nicht äussert, weil man Angst hat, dass sie<br />

noch nicht «ausgereift» ist; oder wenn<br />

man auf einer Konferenz auf einen inspirierenden<br />

möglichen Kontakt stosst, ihn<br />

aber dann doch nicht anspricht – «Warum<br />

sollte diese spannende Person mich interessant<br />

finden?». Ein effektiver Weg,<br />

diese Hürde zu nehmen, ist einfaches<br />

Re framing. Anstatt sich zu fragen: «Was<br />

ist das Schlimmste, was passieren kann,<br />

wenn ich es mache?» (z. B. die Zurückweisung),<br />

fragt man sich dann: «Was ist das<br />

Schlimmste, was passieren kann, wenn<br />

ich es nicht mache?» (z. B. tagelang zu<br />

bereuen, die Situation nicht genutzt zu<br />

haben). Solch ein Reframing macht es<br />

wahrscheinlicher, dass wir Serendipität<br />

materialisieren.<br />

Überall warten Chancen<br />

Es geht also nicht um «blindes Glück» (wie<br />

beispielsweise in eine gute Familie hineingeboren<br />

zu werden – darauf basiert sehr<br />

viel soziale Ungerechtigkeit). Es geht um<br />

das «aktive Glück», den Erfolgsfaktor Zufall,<br />

der das Leben sinnstiftend machen<br />

und das Unerwartete von einer potenziellen<br />

Bedrohung in eine Quelle von Möglichkeiten<br />

verwandeln kann. Jeder verpasste<br />

Flug oder Spaziergang im Park wird zu<br />

einer Chance – für eine Freundschaft, ein<br />

neues Interesse oder sogar einen neuen<br />

Job. Sobald wir das realisieren, könnte die<br />

Antwort auf die Frage «Was mache ich<br />

mit meinem Leben und meiner Karriere?»<br />

in etwa lauten: «Ich richte mich auf den<br />

Zufall ein!»<br />

Literatur<br />

Busch, C. 2023. Erfolgsfaktor Zufall:<br />

Wie wir Unsicherheit und unerwartete<br />

Ereignisse für uns nutzen können.<br />

Hamburg: Murmann Verlag.<br />

Busch, C. 2022. Towards a theory<br />

of serendipity. <strong>Journal</strong> of Management<br />

Studies, in press.<br />

Busch, C. 2020. How to create your<br />

own career luck. Harvard Business Review.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 47


Fokus: Plan<br />

Können<br />

Tiere<br />

planen?<br />

Die Bischof-Köhler-Hypothese besagt,<br />

dass nur Menschen aus der Perspektive der Gegenwart<br />

mit Absicht für zukünftige Bedürfnisse vorsorgen<br />

können. Eine Reihe von Versuchen legt jedoch nahe,<br />

dass auch einige Tiere dazu in der Lage sind.<br />

Markus Wild, Professor für Theoretische Philosophie, Universität Basel<br />

Stellen Sie sich vor, Sie beobachten<br />

ein Rudel Wölfe, das mit Stöckchen<br />

eine Skizze in die harte<br />

Schneedecke zeichnet, um zu veranschaulichen,<br />

wie es ein Hirschrudel zu<br />

überfallen gedenkt. So etwas können wir<br />

uns ausserhalb von Fabeln oder Fantasyromanen<br />

kaum vorstellen. Aber vielleicht<br />

können wir von Tieren prospek tives, d. h.<br />

vorausschauendes Verhalten erwarten, ein<br />

Verhalten in der Gegenwart, das auf die<br />

Zukunft ausgerichtet ist. Präziser gesagt:<br />

ein Verhalten in der Gegenwart, das durch<br />

Gedanken an die Zukunft gelenkt wird.<br />

Warum vergraben Eichhörnchen<br />

Vorräte?<br />

Wie das folgende Beispiel zeigt, ist die Präzisierung<br />

der Formulierung wichtig. Eurasische<br />

Eichhörnchen vergraben Samen<br />

und Nüsse, um in der kalten Jahreszeit<br />

etwas zu essen zu haben. Dies ist Verhalten,<br />

das auf die Zukunft ausgerichtet ist.<br />

Aber wird es durch Gedanken an die Zukunft<br />

gelenkt? Viele Menschen – oft auch<br />

Studierende in meinen Vorlesungen – antworten<br />

spontan mit «Ja» und begründen<br />

dies so: Das Eichhörnchen vergräbt einen<br />

Teil des sommerlichen Futters, um den eigenen<br />

Hunger stillen zu können, wenn<br />

keine Samen und Nüsse zur Verfügung<br />

stehen, was im Winter der Fall sein wird.<br />

Allerdings gibt es eine einfachere Erklärung:<br />

Eichhörnchen haben eine angeborene<br />

Disposition, in der warmen Jahreszeit<br />

Futter zu vergraben. Wenn alle dies<br />

tun, wird im Winter ausreichend Futter<br />

vorhanden sein, sodass die Tiere an irgendwelchen<br />

Orten graben können, um<br />

auf Nüsse zu stossen. Eichhörnchen müssen<br />

gar nicht vorausplanen, das hat die<br />

Evolution für sie übernommen. Meine<br />

Studierenden sind in der Regel enttäuscht<br />

über diese Antwort. Ich bezeichne solche<br />

Antworten deshalb als «Spielverderber-<br />

Hypothesen».<br />

Die Bischof-Köhler-Hypothese<br />

Die spontane Antwort mutet den Eichhörnchen<br />

viel zu: Sie merken sich die Verstecke,<br />

wissen über Nahrungsmangel im<br />

Winter Bescheid und planen für zukünftige<br />

Bedürfnisse. Dieser letzte Punkt ist<br />

wichtig. Zu einem Verhalten in der Gegenwart,<br />

das durch den Gedanken an die<br />

Zukunft gelenkt wird, gehört, dass ein<br />

gegenwärtiges Bedürfnis (mein aktueller<br />

Hunger) zugunsten eines zukünftigen<br />

Bedürfnisses (mein zukünftiger Hunger)<br />

ignoriert wird. Gemäss der Bischof-Köhler-<br />

Hypothese können Tiere das nicht. In der<br />

Forschung wird diese These etwa durch<br />

den Psychologen Thomas Suddendorf vertreten<br />

[1]. Gemäss dieser These ist der<br />

Mensch das einzige Lebewesen, das seine<br />

zukünftigen Bedürfnisse antizipieren<br />

kann und deshalb in der Gegenwart so<br />

handelt, dass er ihre Befriedigung zu sichern<br />

versucht.<br />

Durstige Totenkopfäffchen<br />

Ist diese Hypothese richtig? Ich glaube<br />

nicht. In den letzten 20 Jahren sind eine<br />

Reihe von Versuchen gemacht worden, die<br />

in eine andere Richtung zeigen. Ein früher<br />

Versuch wurde mit Totenkopfäffchen<br />

durchgeführt [2]. Der Versuch überliess<br />

den Affen die Entscheidung, entweder<br />

eine Dattel oder vier Datteln zu essen.<br />

Dazu muss man wissen, dass Datteln diese<br />

Tiere enorm durstig machen. Wenn die<br />

Affen nur eine Dattel nahmen, erhielten<br />

sie kurz danach Wasser. Nahmen sie aber<br />

vier, so gab es erst nach längerer Zeit etwas<br />

zu trinken. Die Tiere lernten schnell, nur<br />

eine Dattel zu nehmen. Allerdings wirft<br />

diese Versuchsanordnung ein Problem<br />

auf, denn die Tiere haben vielleicht nur<br />

gelernt, dass auf eine Dattel rasch Wasser<br />

folgt, auf vier Datteln jedoch nicht. Das<br />

bedeutet aber nicht, dass sie eine Dattel<br />

gegenüber den vieren bevorzugten, weil<br />

sie antizipierten, dass sie bald grossen<br />

Durst haben würden. Die Spielverderber-Hypothese<br />

weckt Zweifel. Wir brauchen<br />

bessere Versuche.<br />

48<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus: Plan<br />

Literatur<br />

[1] Suddendorf, Th (2014).<br />

Der Unterschied. Was den Menschen<br />

zum Menschen macht. Berlin.<br />

Bild: Adobe Stock<br />

Frei lebende männliche Orang-Utans signalisieren durch laute abendliche Rufe, in welche Richtung sie<br />

am nächsten Tag gehen wollen. So können Artgenossen ihre eigenen Reisepläne entsprechend anpassen.<br />

Rabenvögel planen für die Zukunft<br />

Häher mögen bestimmtes Futter lieber als<br />

anderes. Gibt man ihnen von beiden Sorten,<br />

fressen sie zuerst vom Futter, das sie<br />

bevorzugen, und verstecken davon, um es<br />

später auszugraben. Nun leiden Häher<br />

ebenso wie wir unter dem Effekt der relativen<br />

Sättigung. Haben sie sich am Lieblingsfutter<br />

überfressen, wollen sie lieber<br />

etwas anderes. Und ist ihnen das klar geworden,<br />

nehmen sie zuerst vom Futter,<br />

das sie lieber mögen, und verstecken das<br />

weniger beliebte Futter. Vermutlich wollen<br />

sie später nicht dem Effekt der relativen<br />

Sättigung zum Opfer fallen. Das sieht<br />

ganz so aus, als würden diese Tiere für ihre<br />

zukünftigen Bedürfnisse planen [3].<br />

Häher verstecken ihr Frühstück<br />

In einem anderen Versuch übernachten die<br />

Häher drei Tage in einem «Frühstücksraum»,<br />

in dem sie ein Frühstück erhalten,<br />

und dann weitere drei Tage in einem «Hungerraum»,<br />

in dem sie morgens nichts bekommen.<br />

An allen sechs Tagen haben sie ab<br />

elf Uhr Zugang zu Futter in einem dritten<br />

Raum, während die anderen beiden Räume<br />

geöffnet bleiben. Nun bringen die Vögel am<br />

sechsten oder siebten Tag Futter in den<br />

Hungerraum und verstecken es dort. So<br />

stellen sie sicher, dass sie in Zukunft ein<br />

Frühstück vorfinden werden. Diese Versuchsanordnung<br />

erfüllt zwei Bedingungen<br />

für echtes Planen in die Zukunft. Erstens ist<br />

das Verhalten neu oder zumindest eine<br />

neue Kombination aus alten Verhaltensweisen;<br />

damit kann assoziatives Lernen,<br />

also eine Erklärung wie bei den Totenkopfäffchen,<br />

ausgeschlossen werden. Und zweitens<br />

dient das Verhalten einem zukünftigen<br />

Bedürfnis, das sich vom aktuellen Bedürfnis<br />

unterscheidet [4].<br />

Orang-Utans planen Reiserouten<br />

Um nicht den Eindruck zu erwecken, dass es<br />

Tieren nur ums Fressen geht, will ich abschliessend<br />

auf Daten über frei lebende<br />

Orang-Utans verweisen. Die lauten abendlichen<br />

Rufe der Männchen signalisieren anderen<br />

Orang-Utans, in welche Richtung sie<br />

am kommenden Tag gehen werden. Rufe<br />

während des Tages zeigen hingegen Richtungsänderungen<br />

an. Die Artgenossen passen<br />

sich an diese Informationen an. Da diese<br />

Menschenaffen Einzelgänger sind, heisst<br />

das: Sie bleiben entweder in sicherer Nähe<br />

des Männchens oder weichen ihm aus. Sowohl<br />

die rufenden Männchen als auch ihre<br />

Artgenossen können so ihre Reiserouten für<br />

den kommenden Tag vorausplanen [5].<br />

[2] Naqshbandi, M., & Roberts,<br />

WA (2006). Anticipation of future events<br />

in squirrel monkeys (Saimiri sciureus)<br />

and rats (Rattus norvegicus): Tests of the<br />

Bischof-Kohler hypothesis. <strong>Journal</strong> of<br />

Comparative Psychology, 120(4), 345–357.<br />

[3] Correia SP, Dickinson A, Clayton<br />

NS (2007). Western scrub-jays anticipate<br />

future needs independently of their current<br />

motivational state. Curr Biol. 15;17(10),<br />

856–861. doi: 10.1016/j.cub.2007.03.063.<br />

[4] Raby CR, Clayton NS (2009).<br />

Prospective cognition in animals.<br />

Behav Processes 80(3):314-24.<br />

doi: 10.1016/j.beproc.2008.12.005.<br />

[5] van Schaik CP, Damerius L, Isler<br />

K (2013). Wild orangutan males plan and<br />

communicate their travel direction one day<br />

in advance. PLoS ONE 8(9), e74896.<br />

Eine Grundlage für neue Gesetze?<br />

Manche Tiere können also durchaus planen.<br />

Zu unseren menschlichen Plänen hingegen<br />

sollte es meines Erachtens gehören,<br />

dass die Orang-Utans weiterhin ihre Waldreisepläne<br />

schmieden können. Vielleicht<br />

sollten wir sogar überlegen, ob diese Fähigkeit,<br />

in die Zukunft zu planen, nicht eine<br />

gute Grundlage darstellt, um Menschenaffen<br />

und Rabenvögeln ein Recht auf Leben<br />

zu geben. Juristisch ist das möglich und<br />

ethisch ist es plausibel, wir müssen es politisch<br />

nur noch wollen.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 49


Perspektiven<br />

Transmenschen haben<br />

heute einen einfacheren<br />

Zugang zu geschlechtsangleichenden<br />

medizinischen<br />

Massnahmen als<br />

noch vor zehn Jahren.<br />

Aktuelles zur Geschlechtsdysphorie: chirurgische Behandlungsoptionen<br />

Geschlechtsangleichende<br />

Operationen – was<br />

ist möglich?<br />

Chirurgische Eingriffe bei Transmenschen haben in den letzten Jahren<br />

zugenommen. Sie können die Lebensqualität der Betroffenen verbessern, sind<br />

jedoch aufgrund möglicher Komplikationen nicht zu unterschätzen.<br />

Barbara Mijuskovic, Innovationsfokus Geschlechtervarianz Universitätsspital Basel und Klinik für<br />

Plastische, Rekonstruktive, Ästhetische und Handchirurgie Universitätsspital Basel<br />

Antje Feicke, Innovationsfokus Geschlechtervarianz Universitätsspital Basel und Klinik für Urologie,<br />

Universitätsspital Basel<br />

Bild: Adobe Stock<br />

50<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Perspektiven<br />

Grafiken: Bundesamt für Statistik<br />

Die gesellschaftliche Akzeptanz<br />

der Geschlechtsdysphorie<br />

(GD) bzw. der Geschlechtsinkongruenz<br />

(GI) ist in den<br />

letzten Jahren stark gestiegen. Obwohl<br />

Transmenschen noch immer diskriminierenden<br />

Erlebnissen ausgesetzt sind,<br />

verlaufen die Transitionen heutzutage<br />

einfacher als noch vor zehn Jahren. Der<br />

Zugang zu medizinischen Massnahmen<br />

hat sich in den letzten Jahren in der<br />

Schweiz massiv verbessert. Dies bedeutet<br />

allerdings nicht, dass Behandlungen<br />

leichtsinnig indiziert werden. Eine sorgfältige<br />

Abklärung und Begleitung durch<br />

Fachpersonen aus Psychologie und Psychiatrie<br />

sind weiterhin nötig, bevor insbesondere<br />

irreversible Behandlungen möglich<br />

sind. In der Schweiz gibt es professionelle<br />

Fachgruppen aus verschiedenen<br />

Disziplinen wie Psychiatrie, Psychologie,<br />

Endokrinologie, Chirurgie, Dermatologie,<br />

Pflege, Physiotherapie und Logopädie,<br />

die in engem Austausch stehen, um die<br />

Behandlung der Betroffenen stetig zu verbessern<br />

(www.fachgruppetrans.ch). Zudem<br />

gibt es professionelle internationale Vereinigungen<br />

wie die World Professional Association<br />

of Transgender Health (WPATH),<br />

die Guidelines zur Behandlung von Transmenschen<br />

herausgibt und regelmässig<br />

Weiterbildungen und Kongresse organisiert<br />

[1].<br />

Aufwärtstrend bei Operationen<br />

Geschlechtsangleichende chirurgische<br />

Interventionen haben in den letzten Jahren<br />

in der Schweiz deutlich zugenommen.<br />

Im September 2023 veröffentlichte das<br />

Bundesamt für Statistik (BFS) Zahlen über<br />

solche Eingriffe in der Schweiz. Gemäss<br />

Grafik 1 haben sich die Hospitalisierungen<br />

aufgrund von geschlechtsangleichenden<br />

Operationen zwischen 2019 und 2022 auf<br />

rund 500 Fälle verdoppelt.<br />

Tabelle 1 zeigt einen Überblick über<br />

mögliche chirurgische Interventionen, die<br />

zu einer Feminisierung bzw. einer Maskulinisierung<br />

beitragen. Bevor solche Interventionen<br />

indiziert werden, müssen die<br />

Betroffenen eine psychologische und/oder<br />

psychiatrische Beurteilung über ihre GD/<br />

GI vorweisen. Zudem sollte eine gegengeschlechtliche<br />

Hormontherapie bereits eingeleitet<br />

sein. Die Art und die Reihenfolge<br />

der Eingriffe werden individuell nach Bedürfnissen<br />

bzw. Ausprägung der GD durchgeführt.<br />

Chirurgische Behandlungen werden<br />

frühestens ab Volljährigkeit indiziert.<br />

Als einzige Ausnahme kann eine Mastektomie<br />

vor Erreichen der Volljährigkeit<br />

Tabelle 1. Überblick über mögliche chirurgische Interventionen, die zu einer Feminisierung<br />

bzw. Maskulinisierung beitragen.<br />

Maskulinisierend<br />

durchgeführt werden. Die meisten angleichenden<br />

Massnahmen werden durch die<br />

Grundversicherungen übernommen.<br />

Feminisierende chirurgische<br />

Interventionen<br />

Feminisierend<br />

Brust Mastektomie Brustaufbau<br />

Genital<br />

Gesicht<br />

Hysterektomie, Adnexektomie,<br />

Kolpektomie<br />

Phalloplastik<br />

Orchiektomie<br />

Vulvovaginoplastik<br />

Vulvaplastik<br />

Gesichtsfeminisierung<br />

Reduktion Adamsapfel<br />

Operation Stimmanband<br />

Hospitalisierungen aufgrund geschlechtsangleichender Operation<br />

Anzahl Fälle und hospitalisierte Personen<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

2019 2020 2021 2022<br />

Fälle<br />

hospitalisierte Personen<br />

Quelle: BFS – Medizinische Statistik der Krankenhäuser © BFS 2023<br />

Grafik 1. Hospitalisierungen aufgrund geschlechtsangleichender Operationen sind seit 2019<br />

stark angestiegen.<br />

Vulvovaginoplastik<br />

Gemäss BFS zeigen sich beim Brustaufbau<br />

relativ konstante Zahlen, während die<br />

pro Jahr durchgeführten Vulvovaginoplastiken<br />

(VVP) deutlich zugenommen<br />

haben (Grafik 2). Bei der VVP wird eine<br />

beid seitige Orchiektomie mit vollständiger<br />

Entfernung der Corpora cavernosa<br />

durch geführt. Es erfolgt die Bildung einer<br />

sensiblen Klitoris aus dem neurovaskulären<br />

Bündel und Anteilen der Glans, die<br />

Bildung eines Neomeatus urethrae externus<br />

sowie der Labia minora et majora und<br />

einer Neovagina. Es gibt verschiedene<br />

Techniken mit Verwendung von ausschliesslich<br />

lokalem Gewebe, Urethralschleimhaut,<br />

Darmanteilen oder Peritoneum<br />

[2, 3, 4]. Nach einer VVP ist eine Vaginaldilatation<br />

nötig, bis sich die Dimensionen<br />

der Neovagina stabilisiert haben.<br />

Vaginalverengungen, Neourethra-Stenosen<br />

oder schmerzhafte Narben können Revisionseingriffe<br />

nötig machen. Die Komplikationsrate<br />

und damit verbundene Revisionseingriffe<br />

liegt bei unter 10 Prozent.<br />

Seit Jahrzehnten zeigen Studien, dass diese<br />

Eingriffe die Lebensqualität der betroffenen<br />

Frauen verbessern [5], was wir auch<br />

in einer neuen Publikation über Patientenzufriedenheit<br />

bestätigen können [6].<br />

Operationen für weibliche<br />

Gesichtszüge<br />

Ein zunehmendes Feld in der Behandlung<br />

der GI/GD ist die Gesichtsfeminisierung,<br />

facial feminization surgery (FFS). Maskulin<br />

gelesene Gesichtszüge oder -merkmale<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 51


Perspektiven<br />

führen bei transfemininen Personen häufig<br />

zu GD-Symptomen und zu einem Misgendering.<br />

Chirurgisch werden durch<br />

Veränderungen der ossären Strukturen,<br />

ins besondere des Brauenwulstes, Kinns<br />

und Kieferwinkels, die Gesichtszüge an<br />

das feminine Geschlecht angepasst. Zusätzlich<br />

können Anpassungen der Weichteile<br />

wie ein Brauenlift, Heruntersetzen<br />

der Haar linie, Wangenaugmentation mit<br />

Eigenfett oder Implantaten und Philtrumverkürzungen<br />

erfolgen. Die Wirksamkeit<br />

dieser Operationen kann durch erste Studien<br />

belegt werden [7]. Die Kostenübernahme<br />

der FFS wird individuell durch<br />

Krankenkassen-Vertrauensärztinnen und<br />

-ärzte überprüft.<br />

Hospitalisierungen aufgrund geschlechtsangleichender Operation von<br />

männlich zu weiblich<br />

Anzahl Fälle nach Art der Operation<br />

Vaginoplastik<br />

(Konstruktion einer Vagina)<br />

Mammoplastik zur<br />

Brustvergrösserung<br />

Orchidektomie<br />

(Entfernung der Hoden)<br />

Penektomie<br />

(Entfernung des Penis)<br />

Maskulinisierende chirurgische<br />

Interventionen<br />

Rekonstruktion der Klitoris<br />

Mastektomie<br />

Die laut BFS am häufigsten durchgeführte<br />

Operation unter den geschlechtsangleichenden<br />

chirurgischen Interventionen ist<br />

die Mastektomie. Sie zeigte in den Jahren<br />

2019 bis 2022 den stärksten Anstieg (Grafik<br />

3). Zu berücksichtigen ist, dass die Mastektomie<br />

nicht nur für binäre Transmänner,<br />

sondern auch für non-binäre Personen eine<br />

Behandlungsoption darstellt. Wie bereits<br />

erwähnt, ist dieser Eingriff der Einzige, der<br />

vor Erreichen der Volljährigkeit unter bestimmten<br />

Umständen indiziert werden<br />

kann [1]. Der Grund dafür ist eine oft sehr<br />

ausgeprägte Belastung der jungen Transmänner,<br />

wenn das Brustwachstum einsetzt.<br />

In solchen Situationen sind sorgfältige psychologische<br />

bzw. psychiatrische Evaluationen<br />

und der Einbezug der Eltern entscheidender<br />

Bestandteil der Behandlung.<br />

Phalloplastik<br />

Die genitale Angleichung bei Transmännern<br />

stellt den komplexesten Eingriff unter<br />

den geschlechtsangleichenden Operationen<br />

dar. Die Zahlen halten sich gemäss<br />

nationaler Statistik konstant (Grafik 3).<br />

Ziel ist es, einen Phallus zu bilden, der Geschlechtsverkehr<br />

und stehende Miktion<br />

ermöglicht und ästhetisch möglichst ansprechend<br />

ist. Am häufigsten wird die sogenannte<br />

«Tube-in-Tube-Radialis-Phalloplastik»<br />

durchgeführt [8]. Haut- und Subkutangewebe<br />

werden vom Unterarm mit<br />

Nerven und Gefässen entnommen. Für<br />

die Urethra wird ein Teil der Lappenplastik<br />

mit der Haut nach innen tubularisiert,<br />

das restliche Gewebe wird mit der Haut<br />

nach aussen zur Bildung des Peniskörpers<br />

2019 2020 2021 2022<br />

0 10 20 30 40 50 60 70 80<br />

Quelle: BFS – Medizinische Statistik der Krankenhäuser © BFS 2023<br />

Grafik 2. Die pro Jahr durchgeführten Vulvovaginoplastiken haben zwischen 2019 und 2022<br />

deutlich zugenommen, während die Zahlen beim Brustaufbau relativ konstant sind.<br />

Hospitalisierungen aufgrund geschlechtsangleichender Operation von<br />

weiblich zu männlich<br />

Anzahl Fälle nach Art der Operation<br />

Mastektomie<br />

(Entfernung der Brüste)<br />

Hysterektomie<br />

(Entfernung der Gebärmutter)<br />

Salpingoovarektomie<br />

(Entfernung der Eierstöcke und Eileiter)<br />

Phalloplastik<br />

(Konstruktion eines Penis)<br />

2019 2020 2021 2022<br />

0 50 100 150 200 250<br />

Quelle: BFS – Medizinische Statistik der Krankenhäuser © BFS 2023<br />

Grafik 3. Die häufigste maskulinisierende Operation ist die Mastektomie.<br />

Die Zahl der Fälle hat sich zwischen 2019 und 2022 fast verdreifacht.<br />

52<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Perspektiven<br />

gelegt. Der Neophallus wird frei transferiert<br />

und die Gefässe und Nerven in der<br />

Leiste mikrochirurgisch anastomosiert.<br />

Alternativ kann das Gewebe für den Neophallus<br />

vom Oberschenkel (sog. anterolateral<br />

thigh flap, ALT-Phalloplastik) entnommen<br />

werden [9]. Aufgrund der Komplexität<br />

der Operation und möglicher<br />

Komplikationen wie Fisteln und Stenosen<br />

der Harnröhre, die in 20 bis 30 Prozent der<br />

Fälle auftreten [10, 11], ist eine sorgfältige<br />

präoperative Aufklärung sehr wichtig. Die<br />

Metaidoioplastik («Klitpen»/«Minipenis»)<br />

stellt eine Alternative zur Phalloplastik<br />

dar. Durch die Testosterongabe kommt es<br />

zu einer Hypertrophie der Klitoris. Mittels<br />

gestielter Lappenplastiken aus den Labia<br />

minora wird eine Urethra bis in die Klitorisspitze<br />

gebildet. Hierdurch wird den<br />

transmaskulinen Personen eine Miktion<br />

im Stehen ermöglicht. Urethrale Komplikationen<br />

führen auch hier zu Revisionsoperationen<br />

in 20 bis 30 Prozent der Fälle<br />

[10, 12]. Glansplastik und die Implantation<br />

von Hodenprothesen und einer Erektionsprothese<br />

stellen abschliessende Schritte<br />

nach vollständig eingeheiltem Neophallus<br />

und voll funktionstüchtiger Neourethra<br />

dar [12].<br />

Ausblick: weitere Zufriedenheitsanalysen<br />

nötig<br />

Geschlechtsangleichende Operationen<br />

sind im Aufwärtstrend. Weitere patientenbasierte<br />

Zufriedenheitsanalysen werden<br />

zusätzliche Informationen zur Notwendigkeit<br />

und Wirksamkeit dieser Behandlungen<br />

liefern.<br />

Literatur<br />

[1] Coleman E, Bockting W, Botzer M,<br />

Cohen-Kettenis P, DeCuypere G, Feldman J<br />

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affirmation female to male-metaidoioplasty.<br />

Die Urologie 59(11):1331–1339.<br />

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<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 53


Perspektiven<br />

Aus der «Therapeutischen Umschau»* – Übersichtsarbeit<br />

Klinik-Update<br />

Achalasie <strong>2024</strong><br />

Ulrich Klaus Fetzner 1, 2, 3 , Ioannis Dimopoulos 1 , Felix Berlth 2, 4 , Peter Grimminger 2 und Berthold Gerdes 1<br />

Definition und Klassifikation<br />

Dysmotilitäten der Speiseröhre können<br />

sowohl den tubulären Ösophagus als auch<br />

den unteren Ösophagussphinkter betreffen,<br />

meist liegt eine Kombination von beidem<br />

vor. Bei der klassischen Achalasie als<br />

häufigste Form dieser Dysmotilitäten<br />

handelt es sich um eine primäre Funktionsstörung<br />

des unteren Ösophagussphinkters<br />

(UÖS) mit sekundärer Störung<br />

des tubulären Ösophagus. Die Relaxa tion<br />

des UÖS ist dabei vermindert oder fehlt<br />

komplett (erhöhter integrierter Relaxationsdruck).<br />

Die Peristaltik des tubulären<br />

Ösophagus ist vermindert oder fehlt ebenso<br />

gänzlich. Drei Subtypen werden unterschieden<br />

(Tabelle 1).<br />

Abzugrenzen von der Achalasie (Chicago-Kategorie<br />

I) sind die weitaus selteneren<br />

Krankheitsbilder diffuser Ösophagospasmus<br />

und Nussknackerösophagus<br />

als primär tubuläre Funktionsstörungen,<br />

der hypertensive untere Ösophagussphinkter<br />

und weitere Ösophagusmotilitätsstörungen<br />

(Chicago Kategorie II bis<br />

IV) [1 – 4].<br />

1 <br />

Klinik für Allgemeinchirurgie, Viszeral-,<br />

Thorax-, Kinder- und Endokrine Chirurgie,<br />

Johannes Wesling Klinikum, Universitätsklinikum<br />

der Ruhr Universität Bochum,<br />

Minden, Deutschland<br />

2 <br />

Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie,<br />

Universitätsmedizin<br />

der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz,<br />

Deutschland<br />

3<br />

EUFH, <br />

Hochschule für Gesundheit, Soziales<br />

und Pädagogik, Köln<br />

4 <br />

Klinik für Allgemeine-, Viszeral- und Transplantationschirurgie<br />

des Universitätsklinikums<br />

Tübingen<br />

* Der Artikel wurde erstmalig in der «Therapeutischen<br />

Umschau» (2022), 79(3), 1–8, publiziert und<br />

erscheint hier in einer aktualisierten Fassung.<br />

54<br />

Tabelle 1. Drei Subkategorien der Achalasie nach Pandolfino. Typ II und III wurden früher<br />

auch als «Vigorous Achalasie» bezeichnet und sind vermutlich Frühstadien der Typ-I-Achalasie<br />

mit noch erhaltenen tubulären Kontraktionen [4]<br />

Einteilung nach Pandolfino<br />

Typ I<br />

klassische Achalasie<br />

Typ II<br />

panösophageale Kompression<br />

Typ III<br />

spastische Form<br />

Kriterien<br />

Wenig / keine Kontraktionen in der tubulären<br />

Speiseröhre<br />

Druckbildung zwischen oberem und unterem<br />

Ösophagussphinkter<br />

Spastische Kontraktionen der tubulären<br />

Speiseröhre<br />

Pathogenese /Ätiologie<br />

Der Ruhetonus des unteren Ösophagussphinkters<br />

wird durch neurale, humorale<br />

und muskuläre Faktoren bestimmt. Bei<br />

der Achalasie ist dieses komplexe Zusammenspiel<br />

multifaktoriell gestört. Auf Boden<br />

einer genetischen Disposition kommt<br />

es vermutlich durch eine autoimmune<br />

Reaktion nach externem – möglicherweise<br />

infektiologischem – Stimulus zu einer<br />

Neurodegeneration des Plexus myentericus<br />

(Auerbach).<br />

Im fortgeschrittenen Stadium zeigt<br />

sich eine Hypertrophie des unteren Ösophagussphinkters,<br />

im Spätstadium kann<br />

er hochgradig bindegewebig durchsetzt<br />

sein. Der tubuläre Ösophagus erweitert<br />

sich zunehmend bis hin zum Megaösophagus.<br />

Die Achalasie geht einher mit einem<br />

deutlich erhöhten Karzinomrisiko sowohl<br />

für das Adenokarzinom (AC) als auch das<br />

Plattenepithelkarzinom (PEC). Dies wird<br />

erklärt durch die «Malclearance» mit prolongiertem<br />

Noxen-Kontakt (PEC) und vermehrten<br />

Reflux und Barrett-Entwicklung<br />

nach Achalasiebehandlung (AC).<br />

Die Physiologie der schluckinduzierten<br />

Relaxation ist teilweise noch unverstanden,<br />

sie scheint jedoch vagusassoziiert<br />

vermittelt mit vasoaktivem Polypeptid<br />

und Stickstoffmonoxid als Transmitter<br />

(VIP / NO). Warum es zu einer Störung an<br />

dieser Schnittstelle kommt, bleibt unklar.<br />

Auch ob der beobachtete Neurotransmittermangel<br />

Ursache oder Folge der Störung<br />

ist. Infektiologische (Trypanosoma cruzi,<br />

Chagas-Krankheit), genetische, autoimmune<br />

und neurodegenerative Aspekte<br />

werden ätiologisch diskutiert. Morphologisch<br />

finden sich mikroskopisch vermehrt<br />

zytotoxische T-Zell-Lymphozyten,<br />

Eosinophile und Mastzellen im Auerbachplexus<br />

dieser Region mit Zeichen des<br />

Ganglienzelluntergangs der hemmenden<br />

Neurone und mit konsekutiven makroskopischen<br />

Zeichen der Fibrose und Muskelhypertrophie.<br />

Die sekundäre tubuläre<br />

Störung scheint vagus-cholinerg assoziiert<br />

durch Verlust der stimulierenden<br />

Neurone [5 – 16].<br />

Epidemiologie<br />

Die Achalasie kann grundsätzlich in jedem<br />

Lebensalter auftreten, bei Kindern<br />

wird sie sehr selten beobachtet. Der Altersgipfel<br />

liegt bei 30 bis 60 Jahren, eine<br />

Geschlechterprä ferenz gibt es nicht. Die<br />

Inzidenz beträgt etwa 0,5 bis 2 / 100 000<br />

Einwohnern pro Jahr. Die Prävalenz liegt<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Patient:<br />

Pollok, Susanne<br />

6269598<br />

Gender: Weiblich Physician: Dr. Berlth<br />

DOB / Age: 17.09.1979 Operator: Allzeit<br />

Height: 157 cm Referring Physician:<br />

Procedure: Esophageal Manometry<br />

with Impedance<br />

Examination Date: 07.06.2021<br />

Perspektiven<br />

Swallow Composite (mean of 10 swallows)<br />

Resting Pressure Profile & Anatomy<br />

Basal Pressures*<br />

LES, respiratory min(mmHg) 25.9 (4.8-32.0)<br />

LES, respiratory mean(mmHg) 37.4 (13-43)<br />

UES mean(mmHg) 42.9 (34-104)<br />

Anatomy*<br />

LES proximal(cm) 40.5<br />

LES intraabdominal(cm) 1.4<br />

PIP(cm) 42.5<br />

Esophageal length(cm) 23.9<br />

Hiatal hernia<br />

No<br />

Motility*<br />

Dist. wave amplitude(mmHg) 145.9 (43-152)<br />

Wave dur. @ LES -3.0 & 7.0(s) 3.9 (2.7-5.4)<br />

Onset vel. (LES -11.0 to -3.0)(cm/s) 4.5 (2.8-6.3)<br />

Percent peristaltic(%) 100<br />

Percent simultaneous(%)<br />

0 (≤10%)<br />

Percent failed(%) 0 (0%)<br />

Distal contr. integral(mmHg-cm-s) 2728.7 (500-5000)<br />

Incomplete bolus clearance(%) 0<br />

Residual Pressures*<br />

LES (mean)(mmHg) 11.8 ( 10 Kilo 5 – 10 Kilo < 5 kg keiner<br />

3 2 1 0<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 55


Patient:<br />

Kunz, Hans-Jürgen<br />

6273053<br />

Perspektiven<br />

Gender: Male Physician: Dr. Berlth<br />

DOB / Age: Operator: Sommerfeld<br />

Height: 178 cm Referring Physician:<br />

Procedure: Esophageal Manometry<br />

with Impedance<br />

Examination Date: 28.04.2021<br />

Swallow Composite (mean of 10 swallows)<br />

Resting Pressure Profile & Anatomy<br />

Basal Pressures*<br />

LES, respiratory min(mmHg) 51.9 (4.8-32.0)<br />

LES, respiratory mean(mmHg) 65.0 (13-43)<br />

UES mean(mmHg) 62.5 (34-104)<br />

Anatomy*<br />

LES proximal(cm) 47.0<br />

LES intraabdominal(cm) 1.5<br />

PIP(cm) 48.3<br />

Esophageal length(cm) 28.1<br />

Hiatal hernia<br />

No<br />

Motility*<br />

Dist. wave amplitude(mmHg) N/A (43-152)<br />

Wave dur. @ LES -3.0 & 7.0(s) N/A (2.7-5.4)<br />

Onset vel. (LES -11.0 to -3.0)(cm/s) N/A (2.8-6.3)<br />

Percent peristaltic(%) 0<br />

Percent simultaneous(%)<br />

0 (≤10%)<br />

Percent failed(%) 100 (0%)<br />

Distal contr. integral(mmHg-cm-s) N/A (500-5000)<br />

Incomplete bolus clearance(%) 0<br />

Residual Pressures*<br />

LES (mean)(mmHg) 31.0 (


Perspektiven<br />

Therapie<br />

Zur Behandlung der Achalasie empfiehlt<br />

sich dringend ein auf die Behandlung von<br />

Speiseröhrenerkrankung spezialisiertes<br />

Zentrum, da hier die personellen und apparativen<br />

Voraussetzungen interdisziplinär<br />

sowohl diagnostisch als auch therapeutisch<br />

vorgehalten werden und insbesondere<br />

beim Auftreten von Komplikationen<br />

adäquat reagiert werden kann.<br />

Eine kurative, kausale Therapie der<br />

Achalasie ist nicht möglich, die Behandlung<br />

ist immer rein symptomatisch.<br />

Therapieziel ist die Beseitigung des Passagehindernisses<br />

im unteren Ösophagussphinkter.<br />

Dadurch kann sich die<br />

Speiseröhre entleeren und es werden die<br />

Symptome von Regurgitationen mit allen<br />

Folgen gelindert.<br />

Die Peristaltik der tubulären Speiseröhre<br />

kann therapeutisch nicht «imitiert»<br />

werden, dies ist jedoch auch<br />

bedeutend weniger relevant, da sich die<br />

Speiseröhre mit etwas Latenz auch durch<br />

die Schwerkraft entleert.<br />

Eine deutsche Leitlinie zur Behandlung<br />

der Achalasie liegt bis dato nicht vor.<br />

International legt die Society of American<br />

Gastrointestinal and Endoscopic Surgeons<br />

(SAGES) eine Leitlinie vor, welche jedoch<br />

seit über zehn Jahren nicht überarbeitet<br />

wurde [25].<br />

Medikamentöse Behandlung<br />

Die pharmakologische Behandlung der<br />

Achalasie wird hier eher aus didaktischen<br />

und Gründen der Vollständigkeit aufgeführt.<br />

Bei schlechter Wirksamkeit und hohem<br />

Nebenwirkungsprofil (Kopfschmerz,<br />

Blutdruckabfall) hat sie praktisch keinen<br />

bedeutenden Stellenwert mehr. Medikamentöse<br />

Therapieversuche umfassen<br />

die Gabe von Calciumantagonisten (zum<br />

Beispiel Nifedipin sublingual 30 min vor<br />

dem Essen), Nitraten (NO-Freisetzung),<br />

Phosphodiesterase­ 5-Inhibitoren, Atropin,<br />

Terbutalin oder Theophyllin.<br />

Die medikamentöse Behandlung bietet<br />

eine Option für sehr alte und komorbide<br />

Patienten, die sich nicht für eine<br />

Operation qualifizieren und von der endoskopischen<br />

Behandlung nicht zufriedenstellend<br />

profitieren.<br />

In anderen Fällen lässt sich gelegentlich<br />

bei akzeptabler Verträglichkeit der<br />

medikamentösen Behandlung die chirurgische<br />

Therapie etwas hinauszögern.<br />

Der Zeitpunkt der Operation sollte jedoch<br />

nicht zu spät gewählt werden, um strukturelle<br />

Veränderungen (zum Beispiel Dilatation)<br />

der Speiseröhre zu begrenzen.<br />

Abbildung 3. Breischluck-Ösophagogramm bei Achalasie. Dilatierter tubulärer Ösophagus<br />

mit insuffizienter Entleerung und filiformem KM-Durchtritt durch den unteren Ösophagusspinkter.<br />

Pneumatische Dilatation<br />

Die endoskopisch pneumatische Ballondilatation<br />

des un teren Sphinkters, zum<br />

Beispiel unter Durchleuchtungs kontrolle<br />

auf 30 mm, hingegen bringt unter Umständen<br />

hervorragende, jedoch meist nur<br />

temporäre Symptom linderung. Sie kann<br />

einmalig durchgeführt werden oder mehrfach<br />

wiederholt werden.<br />

Bei älteren Patienten kann die Dilatation<br />

durchaus längerfristigen Erfolg<br />

zeigen und auch primär die Behandlung<br />

der Wahl darstellen. Insbesondere bei<br />

Vorliegen von operativen Kontraindikationen<br />

ist die pneumatische Di latation eine<br />

gute Behandlungsalternative zur Operation.<br />

Das Risiko einer Perforation liegt bei<br />

2 – 15 % [27].<br />

Botulinumtoxin<br />

Die endoskopische Injektion von Botulinumtoxin<br />

in den unteren Ösophagussphinkter<br />

erbringt eine gute Linderung<br />

der Symptome für ein bis drei Monate. Die<br />

Wirkung ist Acetylcholin-getriggert und<br />

bewirkt eine Reduktion des Ruhetonus<br />

des unteren Ösophagussphinkters um<br />

bis zu 50 %. So wird in Kombination mit<br />

der Schwerkraft die Entleerung des Ösophagus<br />

begünstigt. Für die Botulinumtoxin-Behandlung<br />

sprechen die einfache<br />

Durchführbarkeit und zunächst auch geringe<br />

Komplikationsrate.<br />

Von Nachteil ist die begrenzte Wirkungsdauer,<br />

vor allem aber die in unterschiedlichem<br />

Masse auftretenden Entzündungen,<br />

welche durch resultierende<br />

Vernarbungen von Muskularis und Mukosa<br />

die spätere Standardopera tion (Myotomie,<br />

siehe unten) erschweren, komplikativer<br />

oder gar unmöglich machen können.<br />

In der Literatur wird von um 30 % erhöhten<br />

intraoperativen Perforations raten<br />

unter Heller-Myotomie (siehe unten) nach<br />

voraus gehender Botulinumtoxin-Behandlung<br />

berichtet.<br />

Für ältere Menschen, insbesondere bei<br />

Vorliegen von operativen Kontraindikationen<br />

kann die Botulinumtoxin­ Injektion<br />

ebenso eine gute Behandlungsalternative<br />

zur Operation darstellen, insbesondere bei<br />

wiederholter Anwendung [28].<br />

Operation<br />

Eine Operation kann bei erfolglosen konservativen<br />

beziehungsweise endoskopisch-interventionellen<br />

Massnahmen in Betracht<br />

gezogen werden. Nach aktueller Studienlage<br />

ist aber auch – bei fehlenden Kontraindikationen<br />

für eine Operation und bei<br />

nur mässig dilatierten tubulären Ösophagi<br />

unter 10 cm – insbesondere bei jungen Patienten<br />

die primäre, transabdominelle laparoskopische<br />

Heller-Myotomie (LHM) das<br />

Verfahren der Wahl in der Behandlung der<br />

Achalasie, insbesondere bei Typ I.<br />

Die Myotomie umfasst dabei eine<br />

Strecke meist über 8 – 10 cm, davon mindestens<br />

6 cm ösophageal und min destens<br />

2 – 3 cm im Bereich unterhalb der Kardia.<br />

Das viszerale Peritoneum wird eröffnet,<br />

die äussere Öso phagus-Längsmuskulatur<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 57


Perspektiven<br />

Abbildung 4. Operationsresektat eines Megaösophagus nach wiederholten<br />

konservativen und operativen Behandlungen über Jahre. Aspekt nach<br />

Resektion.<br />

Abbildung 5. Operationsresektat eines Megaösophagus nach wiederholten<br />

konservativen und operativen Behandlungen über Jahre. Aspekt nach<br />

longitudinaler Eröffnung des Präparates.<br />

wird auseinandergedrängt, die innere<br />

Ösophagus-Ringmuskulatur wird im Bereich<br />

der manometrischen Veränderungen<br />

bis auf die Mukosa gespalten. Dieses Operationsprinzip<br />

wird seit 1913 nach seinem<br />

Erstbeschreiber – dem deutschen Chirurgen<br />

Ernst Heller (Leipzig, 1877 – 1964) Kardio-Myotomie<br />

– genannt und stellt heute<br />

noch den Standard dar. Seit den 90er-Jahren<br />

in der minimalinvasiven Form der<br />

laparoskopischen Hellermyotomie (LHM).<br />

Das Verfahren ist effektiv, allerdings kreiert<br />

es methodenbedingt oft einen relevanten<br />

Reflux. Zur Refluxprophylaxe und zur<br />

Deckung der vulnerablen Ösophagusmukosa<br />

in den ersten postoperativen Tagen<br />

wird daher im zweiten Teil der Operation<br />

die operativ angelegte Spaltung anterior<br />

mit Fundus gedeckt zum Beispiel nach<br />

Dor. Nach LHM mit anteriorer Fundoplikatio<br />

nach Dor benötigen nur wenige Patienten<br />

Protonenpumpen- Inhibitoren (PPI)<br />

postoperativ.<br />

Die Lagerung des Patienten und die<br />

Zugänge erfolgen im Standard-Setting bei<br />

Oberbaucheingriffen wie zum Beispiel in<br />

der Refluxchirurgie, bariatrischen Chirurgie<br />

oder Hybridösophaguschirurgie.<br />

Die Speiseröhre wird am Hiatus freigelegt<br />

unter strenger Schonung der Vagusnerven<br />

und -äste. Unterhalb der Kardia erfolgt<br />

am Magen der Einstieg in die Myotomie<br />

unter simultaner endoskopischer und<br />

idealerweise auch manometrischer Kontrolle<br />

(Rendezvous-Verfahren). So findet<br />

man den richtigen Einstieg, kann die Vollständigkeit<br />

der Myotomie kontrollieren<br />

und eine eventuelle Perforation unmittelbar<br />

detektieren. Ist diese der Fall, kann sie<br />

unmittelbar mit resorbierbarem Nahtmaterial<br />

verschliessen. Die Mukosa sollte auf<br />

etwa ⅓ der Zirkumferenz frei liegen. Nach<br />

ausreichender Spaltung auch nach kranial<br />

erfolgt die anteriore Deckung der Mukosa<br />

mit Magenfundus. Dieser wird beidseits<br />

an die Ösophagus- und Magenlefzen mit<br />

etwa vier bis fünf resorbierbaren Einzelknöpfen<br />

fixiert.<br />

1958 wurde das gleiche Verfahren<br />

modifiziert mit transthorakalem, später<br />

thorakoskopischem Zugang beschrieben.<br />

Dies bleibt jedoch Ausnahmen wie zum<br />

Beispiel bei Re-Eingriffen oder bei schweren<br />

intraabdominalen Adhäsionen vorenthalten.<br />

Über erste robotisch-assistierte Erfahrungen<br />

in der chirurgischen Achalasiebehandlung<br />

wird berichtet. Hier gefällt<br />

zunächst die sehr geringe Rate an<br />

Schleimhautperforationen, was der exzellenten<br />

und vergrösserten Sicht und der<br />

ruhigen Kameraposition geschuldet sein<br />

dürfte. Langfristig vergleichende Studien<br />

existieren selbstredend noch nicht.<br />

Die kardinalen Komplikationen der<br />

LHM stellen die Perforation von Ösophagus<br />

und Magen dar, die Verletzung des<br />

Nervus vagus mit nachfolgend hartnäckiger<br />

Gastroparese sowie intra- und postoperative<br />

Blutungen dar. Durch zu ausgedehnte<br />

Präparation am Hiatus oesophagei kann<br />

es zur Ausbildung einer für Achalasie ­<br />

patienten eher untypischen Hiatushernie<br />

kommen. Diese kann zusätzlich refluxbegünstigende<br />

Auswirkungen haben [29 – 31].<br />

Bilder: Prof. Dr. U. Fetzner<br />

58<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Perspektiven<br />

POEM<br />

Die perorale endoskopische Myotomie<br />

(POEM) basiert auf dem grundsätzlichen<br />

Operationsprinzip der Heller-Myotomie.<br />

Es handelt sich um ein von einem japanischen<br />

Thoraxchirurgen entwickeltes<br />

NOTES ­Verfahren (Natural Orifice Transluminal<br />

Endoscopic Surgery). Sie eignet<br />

sich ins besondere bei Typ-II- und -III-­<br />

Achalasie ohne zu starke Dilatation oder<br />

sigmoidale Konfiguration des tubu lären<br />

Ösophagus.<br />

Endoskopisch wird die Schleimhaut<br />

oberhalb der kra nialen Begrenzung der<br />

angestrebten Myotomie eröffnet («Mucosaler<br />

Entry»). Es wird dann submukosal<br />

gefärbte NaCl-Lösung eingespritzt. In<br />

dieser Blase lässt sich leicht die Submucosadissektion<br />

und nachfolgend die Myotomie<br />

durchführen. Diese erfolgt antegrad<br />

nach aboral. Am Ende wird der «Mucosale<br />

Entry» mittels Clip verschlossen.<br />

Gilt die POEM als äusserst effektiv<br />

bezüglich der Behandlung des hypertrophen<br />

unteren Ösophagussphinkters, so<br />

bietet das Verfahren keinen Schutz gegen<br />

eine konse kutiv auftretendes Refluxleiden,<br />

was den entscheidenden Nachteil<br />

des Verfahrens im Gegensatz zum chirurgischen<br />

Ansatz (LHM mit Fundopexie)<br />

darstellt. Auf der anderen Seite kann<br />

durch das endoskopische Verfahren eine<br />

Operation umgangen werden. Die Perforationsrate<br />

beträgt in der POEM-Technik<br />

3 – 16 % [31].<br />

Rezidivsituation<br />

Sowohl POEM als auch LHM können als<br />

Re-Do-Eingriff bei Achalasie-Rezidiv eingesetzt<br />

werden. So kann erneut ein organerhaltender<br />

Therapieversuch unternommen<br />

werden [29].<br />

Perioperatives Management<br />

Aufgrund der insuffizienten Ösophagusentleerung<br />

hat sich bei Patienten zur LHM<br />

oder POEM eine präoperative prolongierte<br />

Nüchternheit über 48 Stunden und eine<br />

Ileus-Einleitung bewährt. Der blinde Vorschub<br />

einer Magensonde verbietet sich<br />

aufgrund der Perforationsgefahr bei jedem<br />

Achalasiepatienten.<br />

Postoperativ wird standardisiert ein<br />

Ösophagogramm mit wasserlöslichem<br />

Kontrastmittel und ein Röntgenthorax<br />

zum Ausschluss einer Perforation und vor<br />

Kostaufbau durchgeführt. Die Entlassung<br />

von POEM und LHM Patienten erfolgt in<br />

der Regel am dritten oder vierten postoperativen<br />

Tag [29].<br />

Zusammenfassung<br />

Die neurodegenerative Erkrankung Achalasie (veraltet: «Kardiaspasmus») stellt nach der<br />

Refluxerkrankung die zweithäufigste funktionelle Erkrankung des Ösophagus dar. Sie ist<br />

mit einem extrem hohen Leidensdruck für die Patienten verbunden. Pathophysiologisch<br />

handelt es sich um eine Kombination aus fehlender schluckreflektorischer Relaxation am<br />

Mageneingang und gestörter Peristaltik der tubulären Speiseröhre. Goldstandard in der<br />

Diagnostik ist die hochauflösende Manometrie. Die Erkrankung ist nicht heilbar, das<br />

therapeutische Spektrum umfasst medikamentöse, endoskopisch-interventionelle und<br />

operative Verfahren.<br />

Abstract: Achalasia Update<br />

The neurodegenerative disease achalasia (obsolete: “cardiac spasm”) is the second most<br />

common functional disease of the esophagus after reflux disease. It is associated with an<br />

extremely high level of suffering for the patient. Pathophysiologically, it is a combination<br />

of a lack of swallowing-reflex relaxation at the gastric entrance and disturbed peristalsis<br />

of the tubular esophagus. The gold standard in diagnostics is high-resolution manometry.<br />

The disease cannot be cured, the therapeutic spectrum that alleviates the disease<br />

includes pharmaceutical, endoscopic-interventional and surgical procedures.<br />

Ösophagektomie<br />

Den Endpunkt des operativen Behandlungsspektrums<br />

stellt die Ösophagektomie<br />

und die Rekonstruktion, zum Beispiel per<br />

Magenhochzug, als ultima ratio dar. Erforderlich<br />

kann sie selten werden bei schweren<br />

Komplikationen aller oben genannten Verfahren,<br />

bei höchstgradig dilatierter Speiseröhre<br />

(> 10 cm, siehe Abbildungen 4 und<br />

5), simultanem Karzinomnachweis oder bei<br />

Zustand nach wiederholtem Achalasie-Rezidiv<br />

nach LHM oder POEM.<br />

Prognose<br />

LHM und POEM bieten kurzfristig und<br />

mittelfristig exzellente Ergebnisse und bieten<br />

auch langfristig in 85 – 95 % der Fälle<br />

eine gute Symptomkontrolle. Bezüglich der<br />

POEM liegen noch keine vergleichbaren<br />

Langzeit-Erfahrungen wie mit der LHM vor.<br />

Ein weiterer verfahrensbedingter Nachteil<br />

der POEM liegt – wie erwähnt – im Fehlen<br />

der Antirefluxkomponente. Tatsächlich treten<br />

nach POEM postoperativ in bis zu ⅓ der<br />

Fälle ein saurer Reflux auf, der allerdings<br />

meist aber durch PPI-Einnahme gut kontrollierbar<br />

ist.<br />

Mass des Erfolges der Therapie ist die<br />

Schluckfunktion, die Abwesenheit von<br />

Reflux-Symptomen und insgesamt die Lebensqualität<br />

des Patienten. Zur standardisierten<br />

Erfassung der gastrointestinalen Lebensqualität<br />

empfiehlt sich der Score nach<br />

Eypasch. Auch eine Verbesserung des Eckardt<br />

Scores im prä- und postoperativen Vergleich<br />

kann als Messinstrument des Erfolges<br />

der Behandlung herangezogen werden [32].<br />

Prof. Dr. scient. med. Ulrich Klaus Fetzner<br />

Zentrum für Speiseröhrenkrebs<br />

(Deutsche Krebsgesellschaft e. V., Berlin)<br />

Klinik für Allgemeinchirurgie, Viszeral-,<br />

Thorax-, Kinder und Endokrine Chirurgie<br />

Johannes Wesling Klinikum Minden,<br />

Universitätsklinikum der Ruhr-Universität<br />

Bochum<br />

Hans-Nolte-Strasse 1<br />

32429 Minden<br />

Deutschland<br />

ulrichklaus.fetzner@muehlenkreiskliniken.de<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 59


Perspektiven<br />

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10.1056/NEJM199503233321203<br />

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org/10.1016/j.gie.2019.04.231<br />

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JI, Wood-Dauphinee S, Ure BM,<br />

Schmülling C, Neugebauer E, et al.<br />

Gastrointestinal Quality of Life Index:<br />

development, validation and<br />

application of a new instrument.<br />

Br J Surg. 1995;82(2):216 – 22.<br />

60<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Perspektiven<br />

My Way<br />

Sunny California<br />

Bilder: zvg<br />

Wo waren wir in der<br />

letzten Ausgabe stehen<br />

geblieben? Genau, beim<br />

Brief aus Kalifornien,<br />

der tatsächlich eine Zusage enthielt.<br />

Mit grosser Freude und hohen Erwartungen<br />

nahm ich die unbezahlte Stelle als<br />

Clinical Fellow in Neuro-Ophthalmologie<br />

an der Augenklinik des University of<br />

California San Francisco Medical Center<br />

an. Mein Mann erhielt ein Stipendium<br />

als Postdoc in Chemie an der UC Berkeley,<br />

und so konnten wir Ende 1988 mit<br />

einem stattlichen Jahresbudget von<br />

USD 27 000 als vierköpfige Familie in<br />

unser kalifornisches Abenteuer starten.<br />

Wir wohnten in der Nähe von Berkeley,<br />

sodass ich jeden Tag mit dem Zug –<br />

genannt BART – auf die andere Seite<br />

der Bucht nach San Francisco pendelte.<br />

Um 7.30 Uhr stand ich – mit wenigen<br />

anderen Fellows aus der ganzen Welt –<br />

im Büro unseres Mentors Prof.<br />

William F. Hoyt, um die Fälle des<br />

Vortages anhand der über Nacht<br />

zusammengesuchten Fachliteratur<br />

zu diskutieren. Während es mir in<br />

meiner vorherigen Weiterbildung vor<br />

allem darum gegangen war, eine<br />

gute Klinikerin zu werden, begeisterte<br />

mich nun die neue akademische<br />

Atmosphäre, denn ich entdeckte die<br />

Freude an der klinischen Forschung.<br />

Klara Landau<br />

ist emeritierte Professorin<br />

für Ophthalmologie<br />

und war<br />

die erste Frau an der<br />

Spitze einer Klinik<br />

des Universitäts spitals<br />

Zürich. Sie erzählt<br />

ihren Werdegang in<br />

sechs Stationen.<br />

Einen Vorteil hatte es, dass mein<br />

berühmter Mentor keinen Lohn zahlte:<br />

Ich konnte mit gutem Gewissen um<br />

punkt 16 Uhr meine Sachen packen.<br />

Es ging so weit, dass er mich selbst mit<br />

den Worten «Cinderella, it is 4 p.m.»<br />

nach Hause schickte. Während mein<br />

Mann morgens dafür verantwortlich war,<br />

die Kinder in die Krippe und in den<br />

Kindergarten zu bringen, war es abends<br />

meine Aufgabe, sie abzuholen. Am<br />

17. Oktober 1989 um 17.04 Uhr war ich<br />

also noch im Zug, schon auf der Seite<br />

von Berkeley, als sich das grosse Erdbeben<br />

– The Big One – ereignete. Ich<br />

konnte die Kinder erst mit grosser<br />

Verspätung abholen, aber wir hatten<br />

wirklich Glück, dass unsere Familie<br />

mit dem Schrecken davonkam.<br />

Ein «Erdbeben» anderer Art ereignete<br />

sich im selben Zeitraum in Zentraleuropa:<br />

Der Fall der Berliner Mauer am<br />

9. November und die samtene Revolution<br />

in Prag Ende November führten dazu,<br />

dass ich nach über 20 Jahren endlich<br />

meine Heimatstadt wieder einmal besuchen<br />

konnte – ein sehr emotionales<br />

und schönes Erlebnis.<br />

Das zweite Jahr in Kalifornien<br />

war schon etwas leichter: Ich erhielt<br />

für meine Forschungstätigkeit an der<br />

UC Berkeley School of Optometry einen<br />

bescheidenen Lohn als Zugabe zu<br />

unserem knappen Jahresbudget, die<br />

Kinder waren bestens integriert, und<br />

wir unternahmen Reisen in die nähere<br />

Umgebung, meist mit einem Zelt.<br />

Die Zeit verging wie im Flug, und<br />

langsam mussten wir uns darum kümmern,<br />

nach Israel zurückzukehren.<br />

Es kam aber alles anders, denn einmal<br />

mehr beeinflusste die Weltpolitik unsere<br />

Zukunft nachhaltig. Diesmal war es der<br />

Golfkrieg, der uns dazu veranlasste,<br />

Anfang 1991 nicht direkt nach Israel zu<br />

ziehen, wo man wegen der Drohungen<br />

Arbeit und Freizeit in Kalifornien: Unter der<br />

Woche arbeiteten Fellows aus der ganzen Welt<br />

beim berühmten Neuro-Ophthalmologen<br />

Prof. William F. Hoyt (3. v. r.), am Wochenende<br />

war für Klara Landau und ihre Familie oft<br />

Camping angesagt.<br />

vonseiten Saddam Husseins allen<br />

Bürgerinnen und Bürgern Gasmasken<br />

anpasste.<br />

Wir beschlossen also, für ein Jahr in<br />

die Schweiz zu gehen, bis sich die Lage im<br />

Nahen Osten beruhigt hatte. Dieses Jahr<br />

dauert bis heute an, und der Nahe Osten<br />

brennt wie nie zuvor …<br />

Unsere beiden Kinder, damals achtund<br />

fünfjährig, kamen also im Frühling<br />

1991 nach Zürich, ohne ein Wort Deutsch<br />

zu sprechen. Wir Eltern konnten problemlos<br />

sehr gute Stellen bekommen,<br />

mein Mann an der ETH und ich an<br />

der Augenklinik des Universitätsspitals<br />

Zürich. Ein neuer Lebensabschnitt<br />

begann – Fortsetzung folgt!<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 61


mediservice<br />

Briefkasten<br />

Kann ich mich gegen<br />

eine Wohnungskündigung<br />

wehren?<br />

Meine Partnerin und ich<br />

erwarten ein Kind.<br />

Nun hat unser Vermieter<br />

uns deshalb die Wohnung<br />

mit einer Frist von drei Monaten<br />

gekündigt. Welche Regeln gelten<br />

bei einer Wohnungskündigung?<br />

Und können wir diese anfechten?<br />

Üblicherweise regelt der Mietvertrag<br />

die Kündigungsfristen und Termine.<br />

Die gesetzliche Mindestkündigungsfrist<br />

darf dabei jedoch nicht unterschritten<br />

werden. Diese beträgt bei Wohnräumen<br />

drei Monate.<br />

Eine ausserordentliche Kündigung<br />

ist möglich, wenn wichtige Gründe die<br />

Vertragserfüllung unzumutbar machen.<br />

In diesem Fall ist eine Kündigung unter<br />

Einhaltung der gesetzlichen Frist – bei<br />

Wohnungen mindestens drei Monate,<br />

der genaue Zeitrahmen ist im Mietvertrag<br />

einsehbar – auf einen beliebigen Zeitpunkt<br />

hin möglich. Gründe für eine<br />

ausserordentliche Kündigung können<br />

beispielsweise der Konkurs der Mieterin<br />

oder des Mieters oder der Verkauf der<br />

Mietsache sein.<br />

Eine Wohnungskündigung können<br />

Sie innerhalb von 30 Tagen ab Empfang<br />

der Kündigung bei der zuständigen<br />

Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht<br />

anfechten. Zeitgleich können Sie eine<br />

Erstreckung des Mietverhältnisses<br />

verlangen, wenn die Beendigung der<br />

Miete für Sie eine Härte zur Folge hätte,<br />

die durch die Interessen der Vermieterin<br />

oder des Vermieters nicht zu rechtfertigen<br />

wäre. Sie können die Erstreckung<br />

innerhalb von 30 Tagen ab Erhalt der<br />

Kündigung bei der Schlichtungsbehörde<br />

für Miete und Pacht einfordern.<br />

Bei Wohnräumen beträgt die gesetzliche Mindestfrist für eine Kündigung drei Monate.<br />

Eine Kündigung ist anfechtbar,<br />

wenn sie gegen den Grundsatz von Treu<br />

und Glauben verstösst. Das bedeutet,<br />

dass sie ausgesprochen wird, weil Sie<br />

Ansprüche aus dem Mietverhältnis<br />

geltend machen, weil Ihre Vermieterin<br />

oder Ihr Vermieter eine einseitige<br />

Vertragsänderung zu Ihren Lasten oder<br />

eine Mietzinsanpassung durchsetzen<br />

will oder weil es eine Änderung in Ihrer<br />

familiären Situation gibt, die für Ihre<br />

Vermieterin oder Ihren Vermieter keine<br />

grossen Nachteile mit sich bringt.<br />

Ihre Vermieterin oder Ihr Vermieter<br />

kann Ihnen hingegen fristlos kündigen,<br />

wenn Sie der Mietwohnung vorsätzlich<br />

schweren Schaden zufügen. Grundsätzlich<br />

gilt: Bei Wohn- und Geschäftsräumen<br />

ist eine Kündigung mit einer Frist von<br />

AXA-ARAG<br />

AXA-ARAG bietet Mitgliedern von<br />

mediservice <strong>vsao</strong>-asmac eine Rechtsschutzversicherung<br />

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bei mediservice: Tel. 031 350 44 22,<br />

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30 Tagen auf ein Monatsende hin<br />

möglich, wenn Sie trotz Abmahnung<br />

weiterhin Ihre Pflicht zur Sorgfalt und<br />

Rücksichtnahme verletzen. Auch bei<br />

Zahlungsverzug kann die Vermieterin<br />

oder der Vermieter Ihnen mit einer<br />

Frist von 30 Tagen aufs Monatsende hin<br />

kündigen, wenn Sie Ihre Miete bei<br />

Androhung der Kündigung innerhalb<br />

dieser Frist nicht bezahlen.<br />

Alexandra Pestalozzi,<br />

Anwältin bei der AXA-ARAG,<br />

Expertin Immobilienrecht<br />

Bilder: Adobe Stock; zvg<br />

62<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Das <strong>Journal</strong> des Verbandes Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />

<strong>Nr</strong>. 3, <strong>Juni</strong> 2021<br />

Seite 27<br />

Kardiologie<br />

Neue Therapien für die<br />

kardiale Amyloidose<br />

Seite 36<br />

Hämatologie<br />

Neoplasien ohne<br />

Chemotherapie behandeln?<br />

Seite 39<br />

Politik<br />

Arbeitszeiten müssen sinken<br />

Seite 6<br />

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mediservice<br />

Zusatzversicherungen<br />

kündigen?<br />

Bei der Zusatzversicherung gelten oft längere Kündigungsfristen<br />

als bei der Grundversicherung. Es lohnt sich, einen möglichen Wechsel<br />

frühzeitig abzuklären.<br />

Iris Pignone, Leiterin Account Management, mediservice <strong>vsao</strong>-asmac<br />

Eine Zusatzversicherung sollte nur dann gekündigt werden, wenn eine Aufnahmebestätigung eines anderen Versicherers vorliegt.<br />

Falls Sie über eine Zusatzversicherung<br />

zu Ihrer Krankenkasse<br />

verfügen (Krankenpflegeversicherung<br />

/ Spital halbprivat bzw.<br />

privat) und mit einem Wechsel liebäugeln,<br />

müssen Sie die Kündigungsfristen<br />

beachten. Im Gegensatz zur Grundversicherung<br />

gelten andere, längere Fristen. In<br />

der Regel betragen diese Fristen drei bis<br />

sechs Monate. Zunehmend werden jedoch<br />

längere Vertragsdauern (mehrjährig)<br />

vereinbart. Daher sollte man rechtzei-<br />

tig eine Überprüfung seiner Zusatzversicherung<br />

vornehmen. Eine Kündigung ist<br />

unter Einhaltung der vertraglich vereinbarten<br />

Frist jederzeit möglich.<br />

Im Gegensatz zur Grundversicherung<br />

sind die Leistungen in der Zusatzversicherung<br />

von Krankenkasse zu Krankenkasse<br />

verschieden. In der Zusatzversicherung<br />

können die Krankenkassen die Prämie risikogerecht,<br />

d. h. abgestuft nach Alter und<br />

Geschlecht, gestalten. Entsprechend dürfen<br />

Vorbehalte angebracht werden, oder<br />

es kann eine Ablehnung erfolgen. Daher<br />

sollte man auf keinen Fall die bestehende<br />

Zusatzversicherung kündigen, ohne dass<br />

eine Aufnahmebestätigung des künftigen<br />

Versicherers vorliegt.<br />

Wir arbeiten mit zahlreichen Krankenversicherern<br />

zusammen und können<br />

Ihnen dank unseren Kollektivverträgen<br />

vorteilhafte Angebote unterbreiten. Für<br />

Auskünfte wenden Sie sich bitte an mediservice<br />

<strong>vsao</strong>-asmac: Tel. 031 350 44 22,<br />

info@mediservice-<strong>vsao</strong>.ch.<br />

Bild: Adobe Stock<br />

64<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Medpension<br />

Wir setzen den<br />

Wachstumskurs<br />

erfolgreich fort<br />

Medpension <strong>vsao</strong> blickt auf ein erfreuliches Geschäftsjahr 2023 zurück<br />

und durfte über 700 Neukundinnen und Neukunden gewinnen.<br />

Heinz Wullschläger, Geschäftsführer Medpension<br />

Bild: iStock; Tabelle: zvg<br />

Wie bereits in den Vorjahren<br />

hat Medpension ihren<br />

Wachstumskurs erfolgreich<br />

fortgesetzt. Die im<br />

Jahr 2017 getroffenen Massnahmen zur<br />

professionellen Marktbearbeitung zahlen<br />

sich weiter aus.<br />

Bester Beweis dafür ist der stetige Zuwachs:<br />

Medpension legt über 4,6 Milliarden<br />

Franken für die berufliche Vorsorge<br />

ihrer Kundinnen und Kunden an, und<br />

mehr als 11 000 Versicherte schenken der<br />

Stiftung dabei ihr Vertrauen. Das Verhältnis<br />

von Aktivversicherten zu Rentenbeziehenden<br />

ist mit 9:1 unverändert attraktiv<br />

geblieben, was sich vorteilhaft auf die<br />

künftigen Risikoprämien auswirkt.<br />

Die Kennzahlen – auch im Langzeitvergleich<br />

– sind sehr erfreulich. Medpension<br />

erwirtschaftete im Jahr 2023 eine Gesamtperformance<br />

von 4,00 Prozent. Entsprechend<br />

dem Anlageerfolg hat sich der<br />

Deckungsgrad per 31.12.2023 aufgebaut<br />

und beträgt neu 110,8 Prozent gegenüber<br />

108,2 Prozent im Vorjahr. Dank dem positiven<br />

Ergebnis profitieren unsere Versicherten<br />

– im zehnten Jahr in Folge – von<br />

einer überdurchschnittlichen Verzinsung<br />

von 2,50 Prozent (BVG-Mindestzinssatz<br />

1,00 Prozent).<br />

Nicht nur bei unseren Bestandeskundinnen<br />

und -kunden findet die neue Vorsorgeplangeneration<br />

grossen Anklang.<br />

Auch Neukundinnen und Neukunden dürfen<br />

sich über die noch grössere Individualität<br />

und Flexibilität freuen, um für sich und<br />

ihre Mitarbeitenden eine massgeschneiderte<br />

Vorsorgelösung abzuschliessen.<br />

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seit über 35 Jahren.<br />

Überdurchschnittliche Verzinsung für Ihr Vermögen<br />

2023<br />

Attraktive Performance für Ihre Vorsorge<br />

2023<br />

5-Jahres-<br />

Schnitt<br />

5-Jahres-<br />

Schnitt<br />

10-Jahres-<br />

Schnitt<br />

Medpension 2,50% 3,60% 3,10%<br />

BVG-Mindestzins 1,00% 1,00% 1,20%<br />

Ausgezeichneter Deckungsgrad für Ihre Sicherheit<br />

2023<br />

5-Jahres-<br />

Schnitt<br />

10-Jahres-<br />

Schnitt<br />

Medpension 110,8% 115,1% 114,2%<br />

Swisscanto-PK-Monitor 113,5% 115,1% 113,3%<br />

10-Jahres-<br />

Schnitt<br />

Medpension 4,00% 3,71% 4,03%<br />

UBS PK-Performance 4,95% 3,57% 3,39%<br />

Den soeben erschienenen<br />

Geschäftsbericht 2023 von<br />

Medpension finden Sie unter:<br />

www.medpension.ch/portrait<br />

Für weiterführende<br />

Informationen<br />

Medpension <strong>vsao</strong> asmac<br />

Brunnhofweg 37, Postfach 319<br />

3000 Bern 14, Tel. 031 560 77 77<br />

info@medpension.ch<br />

www.medpension.ch<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/24 65


Impressum<br />

Kontaktadressen der Sektionen<br />

<strong>Nr</strong>. 3 • 43. Jahrgang • <strong>Juni</strong> <strong>2024</strong><br />

Herausgeber/Verlag<br />

AG<br />

VSAO Sektion Aargau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

mediservice <strong>vsao</strong>-asmac<br />

Bollwerk 10, Postfach, 3001 Bern<br />

Telefon 031 350 44 88<br />

journal@<strong>vsao</strong>.ch, journal@asmac.ch<br />

www.<strong>vsao</strong>.ch, www.asmac.ch<br />

Im Auftrag des <strong>vsao</strong><br />

Redaktion<br />

Regula Grünwald (Chefredaktorin),<br />

Patrick Cernoch, Maya Cosentino,<br />

Fabian Kraxner, Bianca Molnar, Patricia<br />

Palten, Léo Pavlopoulos, Lukas Staub,<br />

Tharshika Thavayogarajah, Corina Tomaschett,<br />

Anna Wang, Marc Schällebaum (Vertreter<br />

mediservice <strong>vsao</strong>-asmac), Philipp Thüler<br />

(Vertreter <strong>vsao</strong>)<br />

Druck, Herstellung und Versand<br />

Stämpfli Kommunikation,<br />

Wölflistrasse 1, 3001 Bern<br />

Tel. 031 300 66 66<br />

info@staempfli.com, www.staempfli.com<br />

Layout<br />

Oliver Graf<br />

Übersetzungen<br />

Translation Management, François Egli,<br />

3073 Gümligen<br />

Titelillustration<br />

Stephan Schmitz<br />

Inserate<br />

Zürichsee Werbe AG, Fachmedien,<br />

Markus Haas, Tiefenaustrasse 2,<br />

8640 Rapperswil, Tel. 044 928 56 53<br />

<strong>vsao</strong>@fachmedien.ch<br />

Auflagen<br />

Druckauflage: 22 950 Expl.<br />

WEMF/KS-Beglaubigung 2023: 21 648 Expl.<br />

Erscheinungshäufigkeit: 6 Ausgaben pro Jahr.<br />

Für <strong>vsao</strong>-Mitglieder im Jahresbeitrag<br />

inbegriffen.<br />

ISSN 1422-2086<br />

Ausgabe <strong>Nr</strong>. 4/<strong>2024</strong> erscheint im<br />

August <strong>2024</strong>. Thema: Blickwinkel<br />

© <strong>2024</strong> by <strong>vsao</strong>, 3001 Bern<br />

Printed in Switzerland<br />

BL/BS<br />

VSAO Sektion beider Basel, Geschäftsleiterin und Sekretariat:<br />

lic. iur. Claudia von Wartburg, Advokatin, Hauptstrasse 104,<br />

4102 Binningen, Tel. 061 421 05 95, Fax 061 421 25 60,<br />

sekretariat@<strong>vsao</strong>-basel.ch, www.<strong>vsao</strong>-basel.ch<br />

BE VSAO Sektion Bern, Schwarztorstrasse 7, 3007 Bern, Tel. 031 381 39 39,<br />

info@<strong>vsao</strong>-bern.ch, www.<strong>vsao</strong>-bern.ch<br />

FR<br />

ASMAC Sektion Freiburg, Rue du Marché 36, 1630 Bulle,<br />

presidence@asmaf.ch<br />

GE Associations des Médecins d’Institutions de Genève, Postfach 23,<br />

Rue Gabrielle-Perret-Gentil 4, 1211 Genf 14, info@amig.ch, www.amig.ch<br />

GR<br />

JU<br />

NE<br />

VSAO Sektion Graubünden, 7000 Chur, Samuel B. Nadig,<br />

lic. iur. HSG, RA Geschäftsführer/Sektionsjurist, Tel. 081 256 55 55,<br />

info@<strong>vsao</strong>-gr.ch, www.<strong>vsao</strong>-gr.ch<br />

ASMAC Sektion Jura, Bollwerk 10, 3001 Bern, sekretariat@<strong>vsao</strong>.ch<br />

Tel. 031 350 44 88<br />

ASMAC Sektion Neuenburg, Joël Vuilleumier, Jurist,<br />

Rue du Musée 6, Postfach 2247, 2001 Neuenburg,<br />

Tel. 032 725 10 11, vuilleumier@valegal.ch<br />

SG/AI/AR VSAO Sektion St. Gallen-Appenzell, Bettina Surber, Oberer Graben 44,<br />

9000 St. Gallen, Tel. 071 228 41 11, Fax 071 228 41 12,<br />

surber@anwaelte44.ch<br />

SO<br />

TI<br />

TG<br />

VD<br />

VS<br />

VSAO Sektion Solothurn, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

ASMAC Ticino, Via Cantonale 8-Stabile Qi, 6805 Mezzovico-Vira,<br />

segretariato@asmact.ch<br />

VSAO Sektion Thurgau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

ASMAV, case postale 9, 1011 Lausanne-CHUV,<br />

asmav@asmav.ch, www.asmav.ch<br />

ASMAVal, p.a. Maître Valentine Gétaz Kunz,<br />

Ruelle du Temple 4, CP 20, 1096 Cully, contact@asmaval.ch<br />

Zentralschweiz (LU, ZG, SZ, GL, OW, NW, UR)<br />

VSAO Sektion Zentralschweiz, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Schwanenplatz 7, 6004 Luzern, sekretariat@<strong>vsao</strong>-zentralschweiz.ch,<br />

vultier@schai-vultier.ch, Tel. 044 250 43 23<br />

ZH/SH<br />

VSAO ZH/SH, RA lic. iur. Susanne Hasse,<br />

Geschäftsführerin, Nordstrasse 15, 8006 Zürich, Tel. 044 941 46 78,<br />

susanne.hasse@<strong>vsao</strong>-zh.ch, www.<strong>vsao</strong>-zh.ch<br />

Publikation<strong>2024</strong><br />

FOKUSSIERT<br />

KOMPETENT<br />

TRANSPARENT<br />

Gütesiegel Q-Publikation<br />

des Verbandes Schweizer Medien<br />

66<br />

3/24 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


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D: Erwachsene und Kinder ab 12 Jahren: 1x täglich 1 Brausetablette oral. KI: Niereninsuffizienz, AV-Block, Exsikkose. IA: Tetracycline, Eisensalze, Cholecalciferol.<br />

UW: Gelegentlich Durchfall. P: 20 und 60 Brausetabletten. VK: Liste D. 04/2020. Kassenpflichtig. Ausführliche Informationen unter www.swissmedicinfo.ch.<br />

Andreabal AG, Binningerstrasse 95, 4123 Allschwil, Tel. 061 271 95 87, Fax 061 271 95 88 www.andreabal.ch


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