Die islamrechtliche Beurteilung der Mädchenbeschneidung
Die islamrechtliche Beurteilung der Mädchenbeschneidung
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teilweise o<strong>der</strong> komplette Amputation des Penis, die man auch nicht mit dem „euphemistischen“<br />
Ausdruck „Beschneidung“ bezeichnen würde. Das weibliche Geschlecht werde mit<br />
diesem Ausdruck herabgesetzt, und allein das Wort „Verstümmelung“ verdeutliche, worum<br />
es bei dieser Praktik gehe, nämlich einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Rechte <strong>der</strong><br />
Frauen. 220<br />
Nur wenige wi<strong>der</strong>setzen sich heute dem begrifflichen Diktat. Zumeist liegt die gängigste Begründung<br />
für die Rückkehr zum Begriff <strong>der</strong> Beschneidung in <strong>der</strong> Sensibilität gegenüber den<br />
betroffenen Frauen, die sich selbst nicht als „verstümmelt“ begriffen und mit diesem Wort<br />
auch nicht herabgewürdigt werden sollten. 221 Letztendlich ist keiner <strong>der</strong> genannten Begriffe<br />
als unangebracht zu bezeichnen. Während „Beschneidung“ das wie<strong>der</strong>gibt, was tatsächlich<br />
aus dem Blickwinkel <strong>der</strong> jeweiligen Akteure passiert, enthält „Genitalverstümmelung“ verstanden<br />
als Menschenrechtsverletzung eine Wertung, <strong>der</strong> sich angesichts <strong>der</strong> schrecklichen<br />
Berichte und Bil<strong>der</strong> in Medien wie wissenschaftlichen Studien kaum jemand wi<strong>der</strong>setzen<br />
würde – denn zweifelsohne stellt dieser vollzogene Brauch einen schwerwiegenden Eingriff<br />
in das Recht auf Gesundheit und Selbstbestimmung über das Leben von Frauen dar.<br />
3.3 Universelle, islamische und afrikanische Menschenrechtserklärungen<br />
Über die Anfänge des mo<strong>der</strong>nen (westlichen) Menschenrechtsdenkens als politischrechtliche<br />
Leitidee herrschen in <strong>der</strong> Wissenschaft einige Kontroversen vor. Je nachdem wird<br />
es als protestantisches Kulturerbe, Produkt großer gesellschaftlicher Umstürze wie <strong>der</strong> französischen<br />
Revolution o<strong>der</strong> aufklärerischen Denkens verstanden und bewertet. 222 Insbeson<strong>der</strong>e<br />
die politisch-philosophischen Gedanken von Thomas Hobbes (1588-1679), John Locke<br />
(1632-1704), Charles de Montesquieu (1698-1755), Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) und Im-<br />
220 Vgl. zu <strong>der</strong> Debatte um die Begrifflichkeiten Terre des Femmes. Schnitt in die Seele. S. 16. An <strong>der</strong> Diskussion<br />
spiegelt sich die Brisanz des gesamten Themas wi<strong>der</strong>. Der Schweizer Politikwissenschaftler Aldeeb verweigert<br />
sich zwar „dem politischen Diktat <strong>der</strong> WHO“, von „Verstümmelung“ zu sprechen, betont jedoch in all seinen<br />
Publikationen stets, dass er die Beschneidung bei<strong>der</strong> Geschlechter als Menschenrechtsverletzung verstehe, und<br />
plädiert für die komplette Abschaffung jeglicher Eingriffe in die menschlichen Sexualorgane. <strong>Die</strong> Fokussierung<br />
dieser Magisterarbeit allein auf die <strong>Mädchenbeschneidung</strong> veranlasste Herrn Aldeeb, mich nach einer Anfrage<br />
um Quellenmaterial mehrfach per Email zu kontaktieren und mir folgende Auffassung mitzuteilen: „This<br />
position disturbs me as I consi<strong>der</strong> it discriminatory and I am not able to help in this situation because it is<br />
against my conscience.” (Email vom 21.4.2007). Vgl. auch Aldeeb. Male and Female Circumcision. S. 9. Aldeeb.<br />
Verstümmeln im Namen Yahwes o<strong>der</strong> Allahs. S. 90.<br />
221 Peller versteht mit dem Begriff „Verstümmelung“ „eine unangemessene negative Bewertung eines Brauchs<br />
traditioneller Gesellschaften aus unserem eigenen kulturellen Kontext heraus“ und bevorzugt beispielsweise das<br />
Wort „Exzision“. Vgl. Peller. Chiffrierte Körper – Disziplinierte Körper. S. 1.<br />
222 Vgl. zu <strong>der</strong> Forschungskontroverse um die Entstehung <strong>der</strong> Menschenrechte Bielefeldt, Heiner: Philosophie<br />
<strong>der</strong> Menschenrechte. Grundlagen eines weltweiten Freiheitsethos. Darmstadt 1998. S. 11-12.<br />
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