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Die islamrechtliche Beurteilung der Mädchenbeschneidung

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1959 schließlich verordnete das Dekret Nr. 72 des Gesundheitsministers ein Verbot von<br />

schweren Beschneidungsformen sowie <strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong> Operation von Ärzten in Kran-<br />

kenhäusern. 179 <strong>Die</strong> stark umstrittene Verordnung führte zu einer Verschlimmerung <strong>der</strong> Situa-<br />

tion, da nun vermehrt ungebildete Frauen unter unzureichen<strong>der</strong> medizinischer Versorgung<br />

die Mädchen beschnitten. Das anschließende gesetzliche Verbot <strong>der</strong> Beschneidung wurde in<br />

den folgenden Jahrzehnten immer wie<strong>der</strong> aufgehoben o<strong>der</strong> modifiziert.<br />

In den 1960er Jahren wurde ein legislativer Versuch unternommen, die Beschneidung zu<br />

reduzieren, indem die Prozedur nur noch an bestimmten Wochentagen in staatlichen Kran-<br />

kenhäusern durch medizinisches Personal durchgeführt werden durfte. 180 Eine an<strong>der</strong>e Reso-<br />

lution verbot im Jahre 1978 den Hebammen (dÁya, Pl. dÁyÁt) die Operationen. 181 Anlässlich<br />

des „Internationalen Jahres des Kindes“ veranstaltete die „Kairoer Assoziation für Familien-<br />

planung“ ein Jahr später zusammen mit Wissenschaftlern eine Konferenz zur Mädchenbe-<br />

schneidung, auf <strong>der</strong> Maßnahmen zu <strong>der</strong>en Bekämpfung entwickelt wurden. 182 Nur kurz be-<br />

vor <strong>der</strong> Gesundheitsminister, Dr. MÁhir MahrÁn, sich erneut für ein Verbot einsetzte, hatte<br />

<strong>der</strong> Präsident, MuÎammad ÍusnÐ MubÁrak, am 6. August 1994 erklärt, die Beschneidung sei<br />

in Ägypten nicht mehr existent. Am nächsten Tag sendete CNN anlässlich einer Konferenz<br />

des UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA) eine Dokumentation über das Schicksal eines kleinen<br />

beschnittenen Mädchens in Kairo, die einen Schock in religiösen wie politischen Kreisen<br />

auslöste und zu einer Flut von Auseinan<strong>der</strong>setzungen führte. 183<br />

Das Engagement des Gesundheitsministers erhielt die Unterstützung des Großmuftis, Sayy-<br />

id MuÎammad ÓanÔÁwÐ (geb. 1928), <strong>der</strong> am 9. Oktober eine mit dem Gesundheitsministeri-<br />

um gemeinsame Erklärung unterschrieben hatte, in <strong>der</strong> er die Beschneidung zwar aufgrund<br />

<strong>der</strong> schwachen Überlieferungen über die Taten und Aussprüche des Propheten (ÎadÐ×, Pl.<br />

aÎÁdÐ×) als schwer mit dem Islam begründbar erklärte, die endgültige Entscheidung über die<br />

Fortführung des Brauchs jedoch den Ärzten überließ. Atighetchi kritisiert, dass ÓanÔÁwÐ auf<br />

diese Weise einer direkten Auseinan<strong>der</strong>setzung mit den Befürwortern <strong>der</strong> Mädchenbe-<br />

schneidung zu entgehen versuchte. 184 <strong>Die</strong> Initiative von Dr. MahrÁn wurde aufgrund starker<br />

Opposition, nicht zuletzt durch eine 1981 erneut veröffentlichte Fatwa des ägyptischen<br />

179<br />

Das Dekret ist in englischer bzw. französischer Übersetzung nachzulesen bei Atighetchi. Islamic Bioethics.<br />

S. 316-317. Aldeeb. Verstümmeln im Namen Yahwes o<strong>der</strong> Allahs. S. 91. Aldeeb. Les Musulmans face aux droits<br />

de l’homme. S. 78.<br />

180<br />

Aldeeb. Male and Female Circumcision. S. 263.<br />

181<br />

Lightfoot-Klein. Das grausame Ritual. S. 61-62.<br />

182<br />

Aldeeb. Male and Female Circumcision. S. 263.<br />

183<br />

Ibid. S. 6; 14; 263.<br />

184<br />

Atighetchi. Islamic Bioethics. S. 316-317. Vgl. auch Koszinowski, Thomas: Muhammad Saiyid Tantawi. In:<br />

Orient 37, 3 (1996). S. 386.<br />

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