Die islamrechtliche Beurteilung der Mädchenbeschneidung
Die islamrechtliche Beurteilung der Mädchenbeschneidung
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schwach alphabetisierten Gebieten entwickelnden Schriftgläubigkeit begründbar sein. Zu-<br />
dem ist davon auszugehen, dass lokale Imame die Menschen von einer Notwendigkeit <strong>der</strong><br />
Beschneidung überzeugen. Badry führt in ihren Überlegungen jedoch an, dass die Beschnei-<br />
dung vornehmlich in spät o<strong>der</strong> unzulänglich islamisierten Gebieten anzutreffen sei. Sie ver-<br />
mutet hier eine Symbiose zwischen vorislamischen Gewohnheiten und dem islamischen<br />
Recht. <strong>Die</strong> Religionszugehörigkeit manifestiere sich in den zentralafrikanischen Län<strong>der</strong>n we-<br />
niger in strikter Schriftgläubigkeit als in gemeinsamen Ritualen, Sitten, Gebräuchen und Fes-<br />
ten. Sie seien zugleich Ausdruck <strong>der</strong> eigenen Identität als auch <strong>der</strong> Gruppensolidarität. 96 Auch<br />
wenn diese These für einige Regionen Afrikas durchaus schlüssig erscheint, deckt sie sich doch<br />
nur teilweise mit den Ergebnissen <strong>der</strong> Feldstudien. Ägypten beispielsweise lässt sich wohl<br />
kaum als schwach islamisiert bezeichnen. Weiterhin bleibt zu diskutieren, inwiefern <strong>der</strong> Islam<br />
für die Verbreitung <strong>der</strong> <strong>Mädchenbeschneidung</strong> in Asien verantwortlich ist. Auch in Indo-<br />
nesien und Malaysia wird sie als islamischer Brauch betrachtet und durch islamische Begriffe<br />
wie sunna bezeichnet. 97 Roald betrachtet dieses Phänomen als Folge <strong>der</strong> Forcierung <strong>der</strong><br />
<strong>Mädchenbeschneidung</strong> insbeson<strong>der</strong>e durch die schafiitische Rechtsschule, die die strengste<br />
Sicht bezüglich dieses Themas vertritt. 98 <strong>Die</strong> Tatsache, dass <strong>der</strong> überwiegende Teil aller be-<br />
schnittenen Frauen sich nominell zum Islam zählt, die Mehrheit aller muslimischen Frauen<br />
jedoch nicht beschnitten ist, muss somit bedauerlicherweise allein als Tatsache bestehen blei-<br />
ben. Über eine endgültige Erklärung kann aufgrund des sehr facettenreichen Phänomens le-<br />
diglich spekuliert werden.<br />
<strong>Die</strong> monotheistischen Religionen und ihr die Sexualität <strong>der</strong> Frau kontrollieren<strong>der</strong> Moralkodex<br />
sind in <strong>der</strong> Forschung jedoch vielfach als allgemein die Beschneidung begünstigendes<br />
statt hemmendes Phänomen bezeichnet worden. 99 Rispler-Chaim, <strong>der</strong> die Verbreitung <strong>der</strong><br />
<strong>Mädchenbeschneidung</strong> als kohärent mit dem Islam begreift, hält fest: „The ethics of khafÃ<br />
when it is practised are in agreement with the general spirit of Islamic law.“ 100 Auch nach<br />
Toubia und Aldeeb spielt die Sicherung <strong>der</strong> Jungfräulichkeit junger Mädchen und die sexuelle<br />
Zurückhaltung <strong>der</strong> Frau in den meisten islamischen Gesellschaften nach wie vor eine<br />
große Rolle, so dass die religiösen Moralvorschriften als Haupthin<strong>der</strong>nis für die Abschaf-<br />
96<br />
Badry. Zur ‚<strong>Mädchenbeschneidung</strong>’ in islamischen Län<strong>der</strong>n. S. 212-213.<br />
97<br />
Schädeli, Sibyl: Frauenbeschneidung im Islam. In: Arbeitsblätter des Instituts für Ethnologie <strong>der</strong> Universität<br />
Bern. Bern 1992. S. 52; 66.<br />
98<br />
Roald, Anne Sofie: Women in Islam. New York 2001. S. 244. Vgl. hierzu auch Kapitel 4 dieser Arbeit.<br />
99<br />
So beispielsweise Lightfoot-Klein. Der Beschneidungsskandal. S. 15: „Das Verlangen, die weibliche Sexualität<br />
zu kontrollieren, ist die primäre Begründung für die Fortführung dieser alten Praktiken, die auf dem afrikanischen<br />
Kontinent weiterhin einen starken Einfluss haben.“<br />
100<br />
Rispler-Chaim. Islamic Medical Ethics. S. 92.<br />
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