Die islamrechtliche Beurteilung der Mädchenbeschneidung

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iftÁÞ al-miÒrÐya), das in der von mir besuchten saudischen Bibliothek in Casablanca/Marokko jedoch auch nur für einige Jahrgänge aufzufinden war. Ich bedauere, dass in dem zeitlich begrenzten Rahmen einer Magisterarbeit sowie eigener finanzieller Voraussetzungen eine Reise nach Ägypten zum Zwecke einer intensiveren Literaturrecherche an der Azhar-Universität selbst nicht möglich war. Die Auswahl der Fatwas auf der Basis von Internetrecherchen, zugänglichen Fatwa- Sammlungen und Materialien von Rüdiger Nehberg unterlag dem Zufallsprinzip und ist damit nicht immer repräsentativ für eine bestimmte Position im islamischen Rechtsdiskurs. Fatwas, die in der Sekundärliteratur häufiger erwähnt werden, aber nicht im Original auffindbar waren, werden mit Verweis auf die Herkunftsquelle bei besonderer Bedeutung dennoch im Text angeführt. Die Auffassungen lokaler Imame aus Zentralafrika finden in der Sekundärliteratur kaum Beachtung. Der Zugang zu ihren Positionen ist ausgesprochen schwierig und war mir nur in Auszügen möglich. 30 Die mir vorliegenden Quellen schlagen allesamt der Mädchenbeschneidung gegenüber einen kritischen Ton ein und sind sicherlich nicht als Durchschnitt des Meinungsbildes afrikanischer ÝulamÁÞ zu bewerten. Es kann und soll in dieser Arbeit folglich nicht versucht werden, die eine authentische islamische Sichtweise zum Thema Mädchenbeschneidung abzubilden. Weiter wird auch nicht der Anspruch erhoben, allen sehr facettenreichen Darstellungen sämtlicher Strömungen im islamischen Recht in Geschichte und Gegenwart ausreichend Rechnung zu tragen. Es wird lediglich ein Einblick in die Pluralität der Debatten innerhalb der islamisch geprägten Welt gewährt werden können, der bezüglich der im ersten Teil dieser Arbeit dargestellten Herausforderungen einer sich politisch, sozial, ökonomisch und technisch rasant verändernden Welt kontextualisiert werden soll. Im Zentrum steht dabei der Beschlusstext der Gelehrtenkonferenz, der in einer ausführlichen Analyse auf seine Neuartigkeit innerhalb der Rechtswissenschaft untersucht wird. Der formalen und inhaltlichen Gestaltung des Beschlusstextes wird im 6. bis 8. Kapitel Aufmerksamkeit geschenkt, nachdem im 5. Kapitel die Menschenrechtsarbeit von Rüdiger Nehberg und seiner Organisation „Target“ sowie die Rahmenbedingungen der Konferenz dargestellt wurden. Bei der formalen Betrachtung des Beschlusses wird zunächst der Frage nachgegangen, ob es sich bei der Textgattung um eine Fatwa in klassischer Form handelt und inwiefern sie sich möglicherweise von anderen Rechtsgutachten abhebt und damit an Autorität gewinnt oder verliert. In der inhaltlichen Untersuchung werden die zwei zentralen Aussagen des Textes herausgegriffen und einigen früheren Rechtsgutachten gegenübergestellt. Die Analyse und Deutung verfolgt jeweils die von den Muftis 30 Dank der freundlichen Hilfe durch Rüdiger Nehberg war es mir möglich, einige Kopien von Handschriften einzusehen. 13

eingeschlagenen Argumentationswege und orientiert sich vor allem am wörtlichen Text. Auf andere Quellen wird nur eingegangen, soweit auf diese durch die Fatwas selbst Bezug genommen wird oder der Präsentation von Meinungsbildern dienlich ist. Im 7. Kapitel wird zunächst zu problematisieren sein, inwiefern die Mädchenbeschneidung überhaupt aufgrund der beiden Hauptrechtsquellen der Muslime, Koran und Sunna, als „islamisch“ zu bezeichnen ist. Da es hier an eindeutigen Hinweisen zur Verbindlichkeitsstufe der Beschneidung stark mangelt, etliche ÝulamÁÞ sie aber dennoch als für die Frau verpflichtendes Ritual betrachten, zeigt sich an dieser Stelle, dass das Thema geradezu prädestiniert für eine Analyse der Positionen von Gelehrten zur Sexualmoral im Islam dieser Zeit ist. Weiter wird hier auf die Rolle der Naturwissenschaften wie insbesondere der Medizin einzugehen sein, was zudem verdeutlicht, dass die Mädchenbeschneidung eines der kontroversesten Themen der Medizinethik ist. Von großer Besonderheit sind die in dem Konferenzbeschluss aufgeführten Forderungen der Gelehrten an die staatlichen Führungen, internationalen Organisationen, Gerichte, Bildungseinrichtungen und Medien. Sie finden sich mit einer Bewertung ihrer Wirkungskraft in Bezug auf ein Ende der Mädchenbeschneidung im 8. Kapitel wieder und schließen thematisch den Kreis zu dem eingangs aufgezeigten Spannungsfeld zwischen Tradition, Islam und Menschenrechtsdenken. Schließlich soll zudem auf den Vorwurf eingegangen werden, dem Rüdiger Nehberg sich nach eigener Darstellung häufig in der westlichen Öffentlichkeit ausgesetzt sieht, nämlich das der Islam und die Muslime sowie Afrikaner nicht fähig seien, sich den westlichen Wertevorstellungen anzupassen, da die Kultur des Morgenlandes der des Abendlandes konträr gegenüber stünde. Dass diese Argumentation eurozentrisch gedacht und rassistisch anklingt, muss hier nicht weiter betont werden. Dennoch soll nicht dem Vorwurf Vorschub geleistet werden, die westliche Islamwissenschaft untersuche lediglich in der islamisch geprägten Welt streitbare Phänomene und beziehe selbst nie Stellung. Im Schlussteil wird daher durchaus klare Kritik an den islamrechtlichen Positionen zur Mädchenbeschneidung geübt werden. Auch im Rahmen der Frage, welche Konsequenzen aus der Konferenz für den Kampf gegen diesen Brauch folgen, wird zu untersuchen sein, ob es sich hier um einen tatsächlichen Ausdruck einer Veränderung in der islamischen Rechtswissenschaft handelt. 14

iftÁÞ al-miÒrÐya), das in <strong>der</strong> von mir besuchten saudischen Bibliothek in Casablanca/Marokko<br />

jedoch auch nur für einige Jahrgänge aufzufinden war. Ich bedauere, dass in<br />

dem zeitlich begrenzten Rahmen einer Magisterarbeit sowie eigener finanzieller Voraussetzungen<br />

eine Reise nach Ägypten zum Zwecke einer intensiveren Literaturrecherche an <strong>der</strong><br />

Azhar-Universität selbst nicht möglich war.<br />

<strong>Die</strong> Auswahl <strong>der</strong> Fatwas auf <strong>der</strong> Basis von Internetrecherchen, zugänglichen Fatwa-<br />

Sammlungen und Materialien von Rüdiger Nehberg unterlag dem Zufallsprinzip und ist<br />

damit nicht immer repräsentativ für eine bestimmte Position im islamischen Rechtsdiskurs.<br />

Fatwas, die in <strong>der</strong> Sekundärliteratur häufiger erwähnt werden, aber nicht im Original auffindbar<br />

waren, werden mit Verweis auf die Herkunftsquelle bei beson<strong>der</strong>er Bedeutung dennoch<br />

im Text angeführt. <strong>Die</strong> Auffassungen lokaler Imame aus Zentralafrika finden in <strong>der</strong><br />

Sekundärliteratur kaum Beachtung. Der Zugang zu ihren Positionen ist ausgesprochen<br />

schwierig und war mir nur in Auszügen möglich. 30 <strong>Die</strong> mir vorliegenden Quellen schlagen<br />

allesamt <strong>der</strong> <strong>Mädchenbeschneidung</strong> gegenüber einen kritischen Ton ein und sind sicherlich<br />

nicht als Durchschnitt des Meinungsbildes afrikanischer ÝulamÁÞ zu bewerten.<br />

Es kann und soll in dieser Arbeit folglich nicht versucht werden, die eine authentische islamische<br />

Sichtweise zum Thema <strong>Mädchenbeschneidung</strong> abzubilden. Weiter wird auch nicht<br />

<strong>der</strong> Anspruch erhoben, allen sehr facettenreichen Darstellungen sämtlicher Strömungen im<br />

islamischen Recht in Geschichte und Gegenwart ausreichend Rechnung zu tragen. Es wird<br />

lediglich ein Einblick in die Pluralität <strong>der</strong> Debatten innerhalb <strong>der</strong> islamisch geprägten Welt<br />

gewährt werden können, <strong>der</strong> bezüglich <strong>der</strong> im ersten Teil dieser Arbeit dargestellten Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

einer sich politisch, sozial, ökonomisch und technisch rasant verän<strong>der</strong>nden<br />

Welt kontextualisiert werden soll. Im Zentrum steht dabei <strong>der</strong> Beschlusstext <strong>der</strong> Gelehrtenkonferenz,<br />

<strong>der</strong> in einer ausführlichen Analyse auf seine Neuartigkeit innerhalb <strong>der</strong> Rechtswissenschaft<br />

untersucht wird. Der formalen und inhaltlichen Gestaltung des Beschlusstextes<br />

wird im 6. bis 8. Kapitel Aufmerksamkeit geschenkt, nachdem im 5. Kapitel die Menschenrechtsarbeit<br />

von Rüdiger Nehberg und seiner Organisation „Target“ sowie die Rahmenbedingungen<br />

<strong>der</strong> Konferenz dargestellt wurden. Bei <strong>der</strong> formalen Betrachtung des Beschlusses<br />

wird zunächst <strong>der</strong> Frage nachgegangen, ob es sich bei <strong>der</strong> Textgattung um eine Fatwa in klassischer<br />

Form handelt und inwiefern sie sich möglicherweise von an<strong>der</strong>en Rechtsgutachten<br />

abhebt und damit an Autorität gewinnt o<strong>der</strong> verliert. In <strong>der</strong> inhaltlichen Untersuchung<br />

werden die zwei zentralen Aussagen des Textes herausgegriffen und einigen früheren Rechtsgutachten<br />

gegenübergestellt. <strong>Die</strong> Analyse und Deutung verfolgt jeweils die von den Muftis<br />

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Dank <strong>der</strong> freundlichen Hilfe durch Rüdiger Nehberg war es mir möglich, einige Kopien von Handschriften<br />

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