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INDUSTRIE P&G: Herr Aydin, in dem neuen Buch, zu dem Sie einen Artikel beigetragen haben, bewerten Sie KI als einen Meilenstein der menschlichen Evolution. Bewerten Sie die Thematik generell eher positiv oder eher skeptisch? Ulvi Aydin: Mit positiver Skepsis. Alle Erfindungen, alle Neuerungen tragen immer beides in sich: Die Vorteile und die Nachteile, die Chancen und die Risiken. Ein Feuer kann retten oder zerstören. Eine Pistole kann Gefahren abwehren und auch eine Gefahr sein. Ein Auto kann als Krankenwagen Leben retten und Raser können Leben nehmen. Diese Differenzierungen gehören immer zum Leben dazu. Immer. Es kommt darauf an, nicht alles Neue zu verteufeln und gleichzeitig auch nicht unkritisch wie die Lemminge hinter allem Neuen hinterherzulaufen. Ich habe dazu eine Allegorie: Das Fernsehen war ein Segen. Nur – heute finden viele Menschen den Ausschaltknopf nicht mehr. Wie gesagt, für den einen ist es ein Segen, für den anderen kann es ein Fluch sein. Ich glaube an die positive Kraft der Erneuerung und der Veränderung. Ulvi Aydin über KI Der Agent des technologischen Wandels Die Geschichte der Menschheit zeigt: Fortschritt lässt sich nicht aufhalten. Anhand von Beispielen erklärt der Berater und Interim-Manager Ulvi Aydin, warum es das richtige Mindset braucht, um Künstliche Intelligenz für das Geschäft zu nutzen. Für Unternehmen, die jetzt die Weichen stellen, kann KI als Business-Booster wirken. P&G: Selbst auf der SXSW in Austin, Texas, der weltweit führenden Tech-Economy-Konferenz überwogen im letzten Monat kritische Stimmen, die zu Vorsicht im Umgang mit KI mahnten. Wie ist das zu bewerten? Ulvi Aydin: Wie schon gesagt – eine positive Skepsis ist immer gut. Technik-offen sein und gleichzeitig die Risiken evaluieren, das ist die große Kunst. Diese Balance ist wichtig. Beispiel Militärtechnik: Hier ist es ratsam, eher vorsichtig und umsichtig an das Thema zu gehen. Aber sich in der Krankheitsprognostik und -diagnostik von KI unterstützen zu lassen, da kann jede Gesellschaft progressiv herangehen. Wird KI einige Arbeitsabläufe überflüssig machen und Arbeitsplätze ersetzen? Ja, klar wird es das. So wie schon vor über 70 Jahren die Verkehrsampel den Verkehrspolizisten an der Kreuzung ersetzt hat. Dafür werden aber neue Arbeitsplätze entstehen, z.B. in der Medizin und in den F&E-Abteilungen ebenso. P&G: Sie sind in vielen Ländern unterwegs – wie unterscheiden sich die Haltungen in Bezug auf den Einsatz von KI im internationalen Vergleich? Ulvi Aydin: Deutschland hat keine wirklich ausgeprägte Technik-Affinität. Deutschland hat das Faxgerät erfunden, aber groß gemacht haben es die Japaner. Amerikaner, Japaner und vor allem Chinesen haben oft eine viel offenere Haltung zum Einsatz der KI, das reicht 38 P&G 3 | Juni 2024
In Unternehmen gibt es auch immer noch die Tendenz, neuen Aufgaben und Themenfeldern mit mehr Personal zu begegnen und nicht mit Automatisierung, verbesserten Workflows unter Einsatz von KI. Ulvi Aydin von Gesichtserkennung über Wetterprognosen bis hin zum Einsatz in den Unternehmen. Deutschland hat noch die Handbremse angezogen, während andere Länder schon (längst) aufs Gaspedal drücken. In Unternehmen gibt es auch immer noch die Tendenz, neuen Aufgaben und Themenfeldern mit mehr Personal zu begegnen und nicht mit Automatisierung, verbesserten Workflows unter Einsatz von KI. Es gibt aber natürlich auch Ausnahmen vor der Regel: Die Automobilbranche in Deutschland ist bereits sehr weit vorn. P&G: Der deutsche Mittelstand hat aktuell mit multiplen Krisen zu kämpfen – Fachkräftemangel, Konsumflaute, digitale Transformation, Bürokratie, Energiewende etc. – und nun auch noch KI. Ist das nicht alles ein bisschen viel? Ulvi Aydin: KI ist nicht ein weiteres Problem. Es ist eine große Chance zur Lösung vielfältiger Herausforderungen. Es liegt immer in der Herangehensweise. Etwas als Chance zu sehen, als wesentlichen Teil der Lösung. DAS ist kluges Management in Unternehmen wie auch in der Gesellschaft. KI kann eben (und wird es auch) die Lösung für viele der derzeitigen Probleme sein. Stellen wir uns doch nur mal vor, wenn die riesige und erdrückende Bürokratie mittels KI drastisch reduziert werden könnte. Die Bürokratie heute ist wie ein Tsunami, eine Flut, sie wächst von Jahr zu Jahr. Allein auf diesem überbordenden Feld kann KI ein Segen sein. P&G: Braucht es in mittelständischen Unternehmen einen KI-Beauftragten oder wäre genau das der falsche Weg? Ulvi Aydin: Jedes Unternehmen muss zwingend ein Innovations-Management haben. Denn KI ist kein Instrument, es ist ein System. Es ist bereits genauso elementar für die Management-Exzellenz wie Faktoren wie Teamfähigkeit, Resilienz, Internationalisierung etc. KI braucht keinen Beauftragten, sie braucht einen vorderen Platz in jeder Unternehmensstrategie. KI-Kenntnisse werden ebenso selbstverständlich zum Jobprofil dazu gehören wie Fremdsprachenkenntnisse. P&G: Wie nutzen Sie KI im Alltag? Ulvi Aydin: Mein Team nutzt bereits KI-Tools für die Erstellung von Posts, bei dem Design von Workflows für Mandant:innen und auch schon für die Erstellung von Präsentationen. Ich brauche in meinem Unternehmen die KI-Trinität von Kreativität, Effektivität und Effizienz. Kreativität ist selbsterklärend – da wird in vielen Branchen bereits KI eingesetzt, z.B. für Grafiken, Fotos, Texte und Präsentationen. Effektivität bedeutet, die richtigen Sachen anzupacken. Da muss ich derzeit (noch) die Prioritäten selbst setzen. Hier steht aber der Einsatz von KI unmittelbar schon vor der Realisierung, z.B. bei der Übernahme von Terminabstimmungen, oder beim Management von To-Do-Listen etc. Und Effizienz bedeutet, diese Sachen dann auch richtig zu machen. In puncto Effizienz nutze ich mit meinem Team KI als Produktivitäts-Booster: Ich kann in gleicher Zeit mehr leisten. P&G: Welche konkreten Anwendungsmöglichkeiten von KI sehen Sie für unsere GPK-Branche? Ulvi Aydin: Ganz klar: Vorhersagen über das Kundenverhalten. Damit meine ich nicht nur das Kaufverhalten, sondern vor allem das Konsumverhalten. Das Konsument:innenund deren Konsumverhalten vorherzusagen, wird DER Gamechanger für Handel, im Online-Handel sowieso, aber auch im klassischen GPK-Fachhandel. Ich erlebe leider immer noch zu oft, dass nicht ausreichend differenziert wird zwischen Kauf- und Konsumverhalten. KI wird die Umsätze und – vor allem durch Vorhersagemodelle zum Kundenverhalten – die Deckungsbeiträge maßgeblich verbessern. Das gilt für all diejenigen, die dieses Werkzeug klug einsetzen. Erinnern wir uns daran, wie alt mittlerweile Database-Marketing im Handel ist. Bereits vor 40 Jahren sagte Prof. Bruno Tietz: „Information schlägt Ware!“ Dieses Diktum hat nichts an Aktualität eingebüßt. Da im Handel eine Differenzierung über Produkte kaum möglich ist, muss die Differenzierung über klare Prozesse, eine gezielte Kundenansprache und eine ideale Sortimentszusammenstellung erfolgen. Und es gilt nun umso mehr der Satz: „Information schlägt Ware und Systeme schlagen Informationen!“ P&G 3 | Juni 2024 39
Seite 1 und 2: ZKZ 77125 Juni 2024 | No.3 Exklusiv
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Seite 5: Wie viel Geld gibst du im Jahr für
Seite 9 und 10: Modernes Dreamteam Der Sessel „Yu
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