Restauro 4/2024
Präventive Konservierung
Präventive Konservierung
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8 PRÄVENTIVE KONSERVIERUNG<br />
Licht, Staub und Insekten sind ihr Feind: In der Königlichen Wandteppichmanufaktur<br />
De Wit in Mechelen werden antike Tapisserien restauriert, dank eines selbst entwickelten<br />
und patentierten Reinigungssystems.<br />
Bereits im frühen Mittelalter wurden mit ihnen meist kirchliche<br />
Bauwerke dekoriert. Die Motive der in Klöstern angefertigten<br />
Tapisserien waren religiös, änderten sich aber im höfischen<br />
Kontext, als die Wandteppiche auch für die adelige Schicht<br />
hergestellt wurden. Bei Staatsbesuchen und zeremoniellen<br />
Feierlichkeiten hingen die kunstvollen Wandbehänge in Innenräumen<br />
und auch an den Außenfassaden. Darüber hinaus<br />
dienten sie als Raumteiler, um eine verbesserte Akustik zu gewähren<br />
und Burgmauern vor Kälte und Windzug zu isolieren.<br />
Als Auftragsarbeiten orientierten sie sich an den Maßen der<br />
jeweiligen Räume, großformatige Tapisserien konnten gar ganze<br />
Raumfolgen ausschmücken. Lange Zeit waren sie nur den<br />
Reichen und Mächtigen vorbehalten, denn ihre Herstellung<br />
konnte schon mal mehrere Jahre veranschlagen. Immerhin ließen<br />
sich Tapisserien zusammengerollt gut transportieren und<br />
an beliebigen Orten zu Repräsentationszwecken aufhängen.<br />
Ein Vertrag zwischen Auftraggeber und Tapisseriehändler, der<br />
für die Werkstatt die Konditionen festlegte, beinhaltete Angaben<br />
über die Funktion, das Material und die Größe der Tapisserie.<br />
Der Auftraggeber wählte den Maler und legte mit diesem<br />
die Bildmotive fest. Sollten Fäden aus Seide, Gold oder Silber<br />
verwendet werden, erhöhte das den Preis. Zuerst wurde ein<br />
kleiner Entwurf auf Papier angefertigt. Dieser wurde zu einer<br />
Zeichnung vergrößert. Die Werkstätten setzten danach die Vorlage<br />
ins textile Bild um. Zu den bedeutendsten Zentren der Wirkerei<br />
gehörten im späten Mittelalter die Städte Konstanz, Basel<br />
und Straßburg. Von Brüssel bis Tournai wurden die südlichen<br />
Niederlande, die aufgrund ihrer Nähe zu England den Wollhandel<br />
kontrollierten, danach zum Hauptproduktionsgebiet. Als<br />
„Gobelins“ gelten übrigens nur Wandteppiche aus der Pariser<br />
Manufacture des Gobelins.<br />
Heute bewahrt Mechelen nördlich von Brüssel die Tradition<br />
der flämischen Tapisseriekunst. In dem Backsteinbau der Abtei<br />
Tongerlo von 1484 befindet sich die Königliche Tapisseriemanufaktur<br />
De Wit. Geleitet wird sie seit 1889 in fünfter Generation<br />
von der Familie De Wit. Der Gründer Theophiel De Wit<br />
lernte als Lehrling bei der französischen Firma Braquenié in<br />
Mechelen die Kniffe des Handwerks. Seine ersten Erfolge erlangte<br />
er durch die Anpassung an den lokalen Geschmack, der<br />
lediglich Reproduktionen oder Variationen der berühmtesten<br />
Wandteppiche der Vergangenheit verlangte. Innerhalb weniger<br />
Jahre nach der Übergabe der Verantwortung an seinen Sohn<br />
Gaspard hatte sich die Zahl der Webstühle und Mitarbeiter<br />
verdreifacht. Man beauftragte zeitgenössische Künstler mit<br />
den Motiven und überstand mit staatlicher Unterstützung die<br />
Wirtschaftskrise von 1929. Anfang der 1980er-Jahre stellte man<br />
das Konzept schließlich wegen mangelnder Nachfrage um und<br />
verlegte den Fokus auf den Handel, das Sammeln und vor allem<br />
die Techniken der Konservierung und Restaurierung historischer<br />
Stücke. Die Firma erwarb zu dieser Zeit auch die Abtei<br />
Tongerlo in der Altstadt, um dort die Werkstätten einzurichten.<br />
Inzwischen ist die Manufaktur durch die einzigartige Infrastruktur,<br />
die alle Aspekte der Behandlung antiker Wandteppiche<br />
innerhalb desselben Labors konzentriert, weltführend darin,<br />
die in die Jahre gekommenen Bilder aus Wolle und Seide zu