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Amt Viöl AKTUELL 04-2024

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02 30 | AUS AMT VIÖL<br />

DEM VIÖL<br />

AMT<br />

Schallplatten waren noch ganz neu und ziemlich teuer. Aber meine<br />

Freunde aus Viöl, Hans Hermann Carstensen und Thomas „Sodt“, also<br />

Albertsen, und ich, wir waren auch gerne mal bei Hansches. Die hatten<br />

so eine Musikbox. Da taten wir dann ein paar Groschen hinein und<br />

konnten unsere Musik hören. So oft wir wollten.“<br />

„Wir, das waren also meine Freunde Thomas „Sodt“, Hans Hermann Carstensen<br />

und noch einige andere Viöler, liebten alle die gleiche Musik,<br />

die Haare trugen wir lang, und wir litten unter der gleichen Verachtung.<br />

Wer lange Haare trug, der war Dorfgespräch. Der Friseur war der Feind.<br />

Der machte einen Fassonschnitt, das heißt, er schor die Haare hinten<br />

sehr hoch und auch an den Seiten und an den Schläfen bis oben hin.<br />

Zu der Zeit hatten wir schon etwas längere Haare, so dass wir ab und<br />

zu so Sätze zu hören bekamen, wie: „Go doch mol na de Friseur.“ Und:<br />

„wie siehst Du denn ut, dat geiht doch nicht“, wenn mal denn mal im<br />

Bus saß, um nach Husum<br />

zu fahren. Dort<br />

am ZOB gab es immer<br />

neue Musik bei Radio<br />

Schröder, die man<br />

schon einmal zur Probe<br />

anhören durfte.<br />

„Den Friseur in Viöl<br />

bekamen wir eigentlich<br />

nie zu sehen, wir<br />

Die Haare werden länger, die Röcke kürzer.<br />

Aber da ging noch was…<br />

haben meistens<br />

selbst so ein bisschen<br />

versucht, die Frisur zu<br />

halten. Haben gegenseitig versucht, mal was abzuschneiden. Beim Friseur<br />

war ich damals eher nicht so oft. Meine Eltern haben das aber die<br />

ganze Zeit über voll akzeptiert. Das war nicht überall im Dorf so.“<br />

Stimmt! (Anmerkung des Autors)<br />

Cooles Aussehen und entsprechende Haltung passten<br />

bereits gut in die Landschaft. Ob man auch die richtige<br />

Musik hörte, das gibt das Foto leider nicht her.<br />

Aber der Kult wurde<br />

größer, die Jugend<br />

liebte die neue Musik.<br />

Nur im Radio wurde in<br />

den frühen sechziger<br />

Jahren sehr wenig davon<br />

gespielt. Truels<br />

und seine Freunde<br />

wussten sich zu helfen,<br />

man fuhr ja schon<br />

die damals schnellsten<br />

Motorräder. „Meine<br />

Freunde und ich<br />

waren auch viel unterwegs,<br />

um unsere Musik zu hören, in Bohmstedt, Wittbeck, Groß Rheide<br />

und Bredtstedt. Da spielten dann auch schon verschiedene Bands,<br />

natürlich nicht die ganz großen Namen, aber unsere Musik konnten wir<br />

da bereits hören. Und meine Liebe zur Musik hat sich bis heute gehalten.“<br />

Doch wie immer, wenn eine Jugendkultur prächtig gedeiht und wächst<br />

und sich mit dem Mainstream vermischt, spalten sich erneut kleinere<br />

Teilgruppen ab: die Härteren, die statt der Beatles zukünftig lieber The<br />

Doors, the Who oder Jimi Hendrix hörten, und diejenigen, die ihre Musikleidenschaft<br />

sogar zum Lebensstil machten. Da gab es dann die Hippies.<br />

Obwohl es wirkliche Hippies nicht in unserem Dorf gab. Das hätte<br />

man bemerkt. Unsere Eltern nannten diese spezielle Gruppe Gammler<br />

oder sogar Läuseköpfe. Im Fernsehen wurde oft über junge Leute mit<br />

langen Haaren berichtet. Meistens mit negativem Unterton.<br />

Aus eigener Beobachtung kann ich berichten, dass es einige Jahre dauerte,<br />

bis wirklich die meisten Eltern im Dorf für neue Moden und einen<br />

neuen Musikstil offen waren. Der Neid auf die wenigen Jugendlichen,<br />

die keine Repressalien wegen zu langer Haare zu befürchten hatten,<br />

wuchs beinahe täglich. Plattenspieler und Musikanlagen wurden nicht<br />

in jeder Familie als wichtig für die jugendliche Entwicklung empfunden.<br />

So war der Musikstil der Beatmusik bereits komplett verebbt, der Beatclub<br />

im Fernsehen längst dem kommerziellen Musikladen gewichen,<br />

als Toleranz im Dorf spürbar wurde. Die Elterngeneration hatte irgendwann<br />

ganz andere Sorgen, die sie stark verunsicherten: Ölpreisschock<br />

und Wohlstandsverlust.<br />

Aber die Beatmusik und dessen berühmteste Vertreter, die Beatles, hatten<br />

Dämme gebrochen, die nicht mehr zu schließen waren. Die Jugendlichen<br />

wurden zu einem starken gesellschaftlichen Faktor, den man<br />

ernst nehmen musste. In Viöl waren zwei Welten kurz aufeinander gekracht,<br />

danach ließ man sich in Ruhe.

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