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Seefeld: Geheimniskrämerei im Gemeinderat<br />
Landesrechnungshof-Bericht wurde nicht diskutiert, von der Jahresrechnung gerade einmal sechs Zahlen verlesen<br />
Im Seefelder Gemeinderat wird fleißig gearbeitet und nicht mehr<br />
gestritten. Ein löbliches Resümee nach drei Monaten Zusammenarbeit<br />
unter Bürgermeisterin Andrea Neuner. Trotzdem schwindet das<br />
Interesse der Zuhörerschaft und der Presse. Zur jüngsten Sitzung kamen<br />
gerade einmal acht Interessierte und ein Journalist. Und auch<br />
sie erfuhren bei der knapp einstündigen Zusammenkunft nur wenig:<br />
Es wurde kaum etwas erörtert oder diskutiert. Teilweise wurden nur<br />
die sperrig formulierten Tagesordnungspunkte verlesen und abgestimmt.<br />
Dorfchefin Neuner betonte mehrfach, dass die Gemeinderäte<br />
in ausführlichen Informationssitzungen alle Auskünfte erhalten haben<br />
und man deshalb sofort abstimmen könne.<br />
Von Bernhard Rangger<br />
Eine erste Überraschung gab es zu<br />
Beginn der Sitzung: GR Frank Ritzinger<br />
trat nach nur zwei Monaten<br />
im Amt, als neuer Obmann des Sozial-,<br />
Bildungs- und Jugendausschusses<br />
zurück. Bgm. Andrea Neuner erklärte,<br />
Ritzinger werde sich künftig ausschließlich<br />
der Bildung einer Gemeindeeinsatzleitung<br />
für den Krisenfall<br />
widmen. Seine persönliche Stellungnahme:<br />
„Alles gesagt!“ Bauamtsleiter<br />
Klaus Nigg erklärte die Bauansuchen<br />
– mehr oder weniger holprig. Diskussionen<br />
blieben aus. Zur Abstimmung<br />
wurden Texte wie folgt verlesen: „Beratung<br />
und Beschlussfassung über<br />
GLANZLICH<strong>TE</strong>R<br />
glanzlichter@rundschau.at<br />
Herz und Hirn<br />
Liebe Freunde wichtiger Weichenstellungen<br />
für die Zukunft! Wir haben<br />
demnächst gleich zwei Mal die Qual<br />
der Wahl. Im Juni vergeben wir unsere<br />
Stimmen für das nächste Europaparlament.<br />
Im Herbst entscheiden<br />
wir über die künftige Zusammenstellung<br />
unseres Nationalrates. Die<br />
meisten von uns werden sich schon<br />
entschieden haben, welcher Partei<br />
und welchen Personen sie dabei ihr<br />
Vertrauen schenken. Das ist, denke<br />
ich, gut so. Dadurch sind der laufende<br />
und der anstehende Wahlkampf<br />
einmal mehr bloß ein Wettbewerb<br />
um die Gunst der Unentschlossenen.<br />
Diesen kann und will ich neutrale<br />
Empfehlungen geben. 1.) Bitte unbedingt<br />
vom Wahlrecht Gebrauch<br />
machen. Die Demokratie ist eine<br />
Errungenschaft, die unsere Vorgängergenerationen<br />
hart erkämpft haben!<br />
2.) Die Programme der Parteien<br />
lesen und auf ihre Glaubwürdigkeit<br />
vergleichen. Nur so kann man im<br />
Vorhinein böse Überraschungen<br />
nach den Wahlen vermeiden. 3.) Die<br />
die öffentliche Auflage des Entwurfes<br />
der Änderung des Flächenwidmungsplanes<br />
im Bereich Grundstück 452/5<br />
KG 81131 Seefeld rund fünf Quadratmeter<br />
von Freiland § 41 in Tourismusgebiet<br />
§ 40 (4) sowie rund 21<br />
Quadratmeter von Tourismusgebiet §<br />
40 (4) in Freiland § 41...“ Wer von den<br />
Zuhörern bis hierher wirklich etwas<br />
verstanden hat, war vermutlich bestens<br />
mit der Materie vertraut.<br />
SPÄRLICHE INFOS. Dann kam es<br />
zu Abstimmung. Beinahe alle Punkte<br />
wurden einstimmig angenommen. Bei<br />
20 Tagesordnungspunkten gab es insgesamt<br />
nur zwei Gegenstimmen und<br />
fünf Enthaltungen. Dabei waren doch<br />
Kandidat:innen einem Charaktertest<br />
unterziehen. Die Frage dabei ist klar:<br />
Wer hält glaubwürdig auch im Nachhinein,<br />
was er/sie jetzt verspricht?<br />
Achtung! Die Texter von Kampagnen<br />
setzen einmal mehr auf Altbewährtes.<br />
Stark strapaziert werden dabei die Begriffe<br />
HERZ und HIRN. Für mich ist<br />
das, aus dem BAUCH herausgefühlt<br />
und von der LEBER weggeschrieben<br />
doch ein wenig mager. Und so<br />
möchte ich, um Wähler:innen nach<br />
dem Urnengang einen langen HALS<br />
zu ersparen, den Gebrauch weiterer<br />
Organe des menschlichen Körpers<br />
empfehlen. Bitte die AUGEN offen<br />
halten und die OHREN spitzen.<br />
Das verhindert zu Berge stehende<br />
HAARE und knirschende ZÄHNE.<br />
Wer sich also nicht selbst ins KNIE<br />
schießen möchte, sollte schauen,<br />
welche Kandidat:innen mit beiden<br />
BEINEN im Leben stehen. Das Gefühl<br />
in meinen FINGERSPITZEN<br />
sagt mir: Lieber die HAND reichen<br />
als die FAUST ballen!<br />
Meinhard Eiter<br />
Einig, fleißig, aber wortkarg: Bürgermeisterin Andrea Neuner mit ihren Stellvertretern<br />
Alexander Schmid (l.) und Anton Hiltpolt.<br />
Foto: Hiltpolt<br />
einige für Seefeld sehr wesentliche<br />
Punkte auf der Tagesordnung: Unter<br />
anderem auch der Bericht des Landesrechnungshofes.<br />
Dazu Bürgermeisterin<br />
Neuner: „Will jemand, dass ich<br />
den Bericht vorlese? Der Gemeinderat<br />
hat schon mehrfach darüber debattiert<br />
und ich halte mich bei allen Beschlussfassungen<br />
strikt an die Vorgaben<br />
dieses Schreibens. Der 150 Seiten<br />
lange Bericht kann von der Homepage<br />
des Landes heruntergeladen oder im<br />
Gemeindeamt eingesehen werden!“<br />
Vizebürgermeister Alexander Schmid<br />
ergänzte noch: „Die Anregungen<br />
können wir ohnehin nicht alle sofort<br />
umsetzen und müssen dies als Strategiepapier<br />
verstehen, wie wir die Finanzen<br />
in den kommenden vier Jahren<br />
wieder in Ordnung bringen!“ Zwei<br />
Monate lang zusätzliche Zeit hatte der<br />
neue Seefelder Gemeinderat nach den<br />
Neuwahlen vom Land für die Jahresrechnung<br />
20<strong>23</strong> erhalten. Nunmehr<br />
sind zumindest einige Zahlen auf dem<br />
Tisch: Zum Leidwesen der Zuhörer<br />
wurden aber nur sechs Summen auf<br />
die im Sitzungssaal angebrachten Bildschirme<br />
projiziert, die zumindest für<br />
einen Großteil des Publikums zu klein<br />
und daher unleserlich waren. Die Bürgermeisterin<br />
verlas ebenfalls nur diese<br />
Zahlen: 1,7 Millionen Euro Abgang im<br />
Finanzierungshaushalt und 1,6 Millionen<br />
im Ergebnishaushalt, Schuldenstand:<br />
7,9 Millionen Euro, Gemeindehaftungen:<br />
31 Millionen Euro.<br />
HOHE KOS<strong>TE</strong>N. Überprüfungsausschussobmann<br />
Hannes Norz ergänzte,<br />
dass die Personalkosten auf<br />
3,86 Millionen Euro und die Stromkosten<br />
auf eine Million Euro angestiegen<br />
seien und dass man jährlich fünf Millionen<br />
Euro Zuschüsse an die Gemeindebetriebe<br />
leiste. Die Belastung durch<br />
die Kinderbetreuung sei innerhalb von<br />
nur vier Jahren auf das Doppelte angestiegen.<br />
Dass LR Cornelia Hagele eine<br />
Kostenübernahme der Kindergarten-<br />
Gehälter bis 2026 versprochen hatte,<br />
beruhigte GR Norz nur wenig: „Ende<br />
dieses Jahres ist es für Seefeld fünf<br />
nach zwölf!“ Auf Nachfrage bei der<br />
Bürgermeisterin, warum man über die<br />
Jahresrechnung nicht ausführlicher<br />
debattiert habe, meinte sie: „Diese betrifft<br />
nicht unseren Gemeinderat und<br />
sie wurde von Amtsverwalter Thomas<br />
Hauser erstellt und fasst die Zeit von<br />
Ex-BürgermeisterWackerle, Vizebürgermeister<br />
Steiner und jene des Amtsverwalters<br />
zusammen. Für uns gilt es<br />
den Blick nach vorne zu richten. Ich<br />
war nur verpflichtet, diesen Punkt auf<br />
die Tagesordnung zu stellen!“<br />
POSITIV. Positiv erledigt wurden<br />
alle nötigen Umwidmungen für die<br />
Siedlungserweiterung hinter dem<br />
Camping-Areal und das Projekt „Hexenhäusl“.<br />
Einstimmig genehmigt<br />
wurden die vorliegenden Subventionsansuchen<br />
der Seefelder Vereine.<br />
Für die Seefelder Plattler und den<br />
Jugendtreff hat man neue Räumlichkeiten<br />
im Schützenheim gefunden.<br />
Last but not least gab es einen fünf<br />
Minuten langen, fast in Stichworten<br />
gehaltenen Tätigkeitsbericht der Bürgermeisterin,<br />
aus dem hervorging,<br />
dass sie und ihre beiden Vizebürgermeister<br />
im abgelaufenen Monat wieder<br />
unglaublich viel geleistet hatten.<br />
Doch auch die durchaus interessanten<br />
Details, was man bei all den Sitzungen<br />
und Terminen erreicht hatte, blieben<br />
der Öffentlichkeit verborgen. Öffentliche<br />
Gemeinderatssitzungen sehen<br />
eigentlich anders aus!<br />
RUNDSCHAU Seite 6 5./6. Juni 2024