missio magazin Ausgabe 3/2024
Das missio magazin nimmt seine Leserinnen und Leser mit in die missio-Projektländer nach Afrika, Asien und Ozeanien, in entlegene und schwer zu bereisende Gegenden. Schwerpunkt in der Ausgabe 3/2024 ist die Lage im Südsudan und in Syrien. Dort, wie in vielen unserer Projektländer in Afrika und Asien, sind die Menschen mit dem (Über-)Leben nach dem Krieg beschäftigt.
Für die Reportage "Lasst die Zeit des Krieges hinter Euch" war missio-magazin-Redakteur Christian Selbherr gemeinsam mit dem Fotografen Jörg Böthling im Südsudan, wo sich überall im Land noch die Spuren von Krieg und Zerstörung finden. In "Erstarrtes Land" geht missio-magazin-Chefredakteurin der Frage nach, wie Menschen in Syrien nach langen Jahren des Krieges und einem verheerenden Erdbeben das aushalten, was eigentlich nicht mehr auszuhalten ist.
Außerdem: Ein Interview mit dem Menschenrechtsaktivisten Ajaya Singh aus Indien. Kurz vor der Parlamentswahl berichtet er von der schwierigen Lage in seiner Heimat: Der Menschenrechtler sieht die Demokratie in Indien in größter Gefahr.
Jetzt die Reportagen und Interviews online lesen oder auf unserer Homepage eine kostenlose und unverbindliche Probeausgabe bestellen.
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Für die Reportage "Lasst die Zeit des Krieges hinter Euch" war missio-magazin-Redakteur Christian Selbherr gemeinsam mit dem Fotografen Jörg Böthling im Südsudan, wo sich überall im Land noch die Spuren von Krieg und Zerstörung finden. In "Erstarrtes Land" geht missio-magazin-Chefredakteurin der Frage nach, wie Menschen in Syrien nach langen Jahren des Krieges und einem verheerenden Erdbeben das aushalten, was eigentlich nicht mehr auszuhalten ist.
Außerdem: Ein Interview mit dem Menschenrechtsaktivisten Ajaya Singh aus Indien. Kurz vor der Parlamentswahl berichtet er von der schwierigen Lage in seiner Heimat: Der Menschenrechtler sieht die Demokratie in Indien in größter Gefahr.
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NACHGEFRAGT BEI...„Die Verfassungwird zunehmend mitFüßen getreten“Ajaya Kumar SinghDer Menschenrechtsaktivist Ajaya Kumar Singhsieht die Demokratie in Indien in größter Gefahr.Angesichts der bevorstehenden Parlamentswahlenwarnt der katholische Priester vor einer „Hindutva“-Nation: der politischen Ausrichtung Indiens alleinnach hinduistischen Regeln. PremierministerNarendra Modi fährt seit seinem Amtsantritt Mitte2014 einen scharfen hindu-nationalistischen Kurs.Die Gewalt gegen Christen und andere Minderheitennimmt zu, Menschenrechte scheinen wertlos.INTERVIEW: ANTJE PÖHNERFather Ajaya, erst vor wenigenMonaten sorgte beim G20-Gipfelin Indien eine Einladung zu einemStaatsbankett für große Irritationen.Was hat es damit auf sich?Die Abendessen-Einladung von PräsidentinDraupadi Murmu hat eine intensiveDebatte ausgelöst: Sie bat dieStaatsgäste nicht wie üblich als „Presidentof India“ zum Bankett, sondern als„President of Bharat“. Bharat ist einealte Bezeichnung Indiens und kommtaus der altindischen Sprache Sanskrit.Obwohl die Bezeichnungen „Indien“und „Bharat“ beide zwei austauschbareNamen für die Nation sind, sieht dieOpposition im Gebrauch des Namen„Bharat“ eine ideologische Agenda desmehrheitlich religiösen Nationalismus.„Indien“ ist ein geografisches Konstrukt,während Bharat ein mythisches,ideologisches, religiös-kulturelles Konstruktist. Viele fürchten, die hindunationaleRegierungspartei BharatiyaJanata Party will den Namen des Landeskomplett in „Bharat“ ändern.Wie steht es grundsätzlich gerade umFreiheit und Toleranz in Indien?Was religiöse Intoleranz und Feindseligkeitangeht, stuft die Meinungsforschungsgruppedes Pew Research Centresmeine Heimat als viertschlechtestesLand der Welt ein. Eine Umfrage vonThomson Reuters aus dem Jahr 2018 erklärteIndien zur gefährlichsten Nationfür Frauen. Für die schwächsten Mitgliederunserer gesellschaftlichen Hierarchie,die Dalit und Adivasi, bleibt Indiendie unsicherste Nation der Welt.Unsere Gründungsväter stellten sich eindemokratisches Indien vor, das auf denverfassungsmäßigen Werten Gerechtigkeit,Freiheit, Gleichheit und Brüder-Fotos: Fritz Stark, missio8| missio 3/2024
„GEWALT GEGEN RELIGIÖSE MINDERHEITEN WIRD BELOHNT – DAS IST EIN .EINDEUTIGER SCHRITT IN RICHTUNG POLITISCH-RELIGIÖSEN NATIONALISMUS.“ .lichkeit basiert. Heute steht meiner Meinungnach die demokratische VerfassungIndiens – wie sie mit ihren ethnischenund religiösen Minderheiten umgeht –auf dem Prüfstand.Sie haben die Dalit und indigenen Adivasibereits erwähnt. Zwar hat die indischeVerfassung von 1950 das Kastensystemin Indien abgeschafft, aber esist bis heute in der indischen Gesellschafttief verankert. Von den Dalit,den sogenannten Unberührbaren, sindrund 70 Prozent Christen. Wie geht esreligiösen Minderheiten gerade in Indien?Ihre Lage verschlimmert sich zusehends.Adivasi oder Dalit werden immer irgendwoangegriffen. Ist jemand dannauch noch Christ oder Muslim, ist dasmancherorts eine tödliche Kombination.Die größte und längste antichristliche Gewaltin meiner Heimat Kandhamal imBundesstaat Odisha ist jetzt mehr als 15Jahre her. 100 Menschen wurden in denJahren 2007 und 2008 bei Übergriffen getötetund 6 500 Häuser zerstört. Opferund Überlebende warten noch immer aufGerechtigkeit.Und die Zahl der Gewalttaten steigtweiter?Leider ja: Die christliche Koalition in Indien,das United Christian Forum (UCF),verzeichnete im Jahr 2014 insgesamt 147Fälle von Gewalt gegen Christen, 240 imJahr 2017, 328 im Jahr 2019, 599 im Jahr2022 und 687 bis November 2023. Erstim vergangenen Jahr erlebte Manipur dieschlimmste Gewalt aller Zeiten, bei der175 Menschen starben und mehr als 1000Menschen schwer verletzt wurden. Es gabüber 5 000 Fälle von Brandstiftung und254 Kirchen wurden niedergebrannt undzerstört.Dabei ist Indien doch laut Gesetz einesäkulare Demokratie. Den Bürgerinnenund Bürgern sind durch die VerfassungGrundrechte wie Glaubens-, Presse undReligionsfreiheit garantiert!Die Verfassung wird zunehmend mit Füßengetreten. Es sind nicht nur staatliche,sondern auch nichtstaatliche Akteure, dieversuchen, die Glaubens- und Religionsfreiheitgewaltsam zu kontrollieren undzu verbieten. Zum Beispiel wurden dieBüroräume der BBC in Neu-Delhi undMumbai nach der Ausstrahlung von zweiDokumentarfilmen, bei denen über dieRolle von Premierminister Modi bei einerAusschreitung vor rund 20 Jahren beleuchtetwird, durchsucht. Der zunächstals unabhängig geltende FernsehsenderNDTV wurde wegen offenbar unerwünschterBerichte schikaniert und eingeschüchtert.Inzwischen ist ein regierungstreuerindischer Milliardär dergrößte Anteilseigner des Senders.Welche Rolle spielen die Medien inIndien?Medieneigentümer haben oft Angst vorRepressalien. Aber was wir in den indischenMedien sehen, ist tatsächlich vielmehr als nur der Gehorsam gegenüberdem Staat. Tatsächlich schaffen und verbreitenMedien Strukturen des Hasses. Siewerden vollständig von den mächtigstenEbenen des indischen Kapitals finanziert.Der Säkularismus wird so durch einenmehrheitlich religiösen Staat ersetzt. DasZiel einer rechtsstaatlichen Demokratieist die Brüderlichkeit, die die Würde allihrer Bürger gewährleistet. Indien hat sichseit seiner Gründung als Nation dafüreingesetzt. Jetzt gibt es jedoch einen Anstiegvon Hassreden und Hasskampagnenin vielfältiger Weise.Was glauben Sie steckt hinter denAngriffen und Kampagnen?Die Absicht hinter der Gewalt gegenChristen - sei es in Odisha oder jetzt inManipur - besteht darin, religiöse Minderheitenzu entfremden und einen Nationalstaatauf der Grundlage eines mehrheitlichreligiösen Nationalismus aufzubauen.Es ist Teil einer Strategie. Ichmöchte hier den indischen PolitikwissenschaftlerBhanu Pratap Mehta zitieren,Premierminister Modider kritisiert, dass es gefördert wird,durch Beteiligung an Hass oder Gewaltim indischen politischen System aufzusteigen.Gewalt gegen religiöse Minderheitenwird belohnt – das ist ein eindeutigerSchritt in Richtung politischreligiösenNationalismus. Dies ist keinehinduistische Nation, sondern eine Hindutva-Nation.Diese wird den Weg füreine Wahldiktatur ebnen. Die Gefahr istgrößer denn je. AAJAYA KUMAR SINGHAjaya Kumar Singh ist katholischer Priester und Menschenrechtsaktivistaus der Kandhamal-Region imostindischen Bundesstaat Odisha (bis 2011 Orissa).Aktuell ist Father Ajaya Direktor des bischöflichenOdisha Resource Facilitation Institute (ORFI), dasBerufsberatung für Schülerinnen und Schüler anbietetund Jugendliche und Studenten auf bessereBerufschancen vorbereitet. Im Jahr 2013 erhielt ervon der Nationalen Kommission für Minderheitenden „Minority Rights Award“. Bis heute setzt sichSingh für die Opfer der Kandhamal-Unruhen(2007/2008) ein und kämpft für die Rechte allerMinderheiten in Indien.missio 3/2024 |9
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„GEWALT GEGEN RELIGIÖSE MINDERHEITEN WIRD BELOHNT – DAS IST EIN .
EINDEUTIGER SCHRITT IN RICHTUNG POLITISCH-RELIGIÖSEN NATIONALISMUS.“ .
lichkeit basiert. Heute steht meiner Meinung
nach die demokratische Verfassung
Indiens – wie sie mit ihren ethnischen
und religiösen Minderheiten umgeht –
auf dem Prüfstand.
Sie haben die Dalit und indigenen Adivasi
bereits erwähnt. Zwar hat die indische
Verfassung von 1950 das Kastensystem
in Indien abgeschafft, aber es
ist bis heute in der indischen Gesellschaft
tief verankert. Von den Dalit,
den sogenannten Unberührbaren, sind
rund 70 Prozent Christen. Wie geht es
religiösen Minderheiten gerade in Indien?
Ihre Lage verschlimmert sich zusehends.
Adivasi oder Dalit werden immer irgendwo
angegriffen. Ist jemand dann
auch noch Christ oder Muslim, ist das
mancherorts eine tödliche Kombination.
Die größte und längste antichristliche Gewalt
in meiner Heimat Kandhamal im
Bundesstaat Odisha ist jetzt mehr als 15
Jahre her. 100 Menschen wurden in den
Jahren 2007 und 2008 bei Übergriffen getötet
und 6 500 Häuser zerstört. Opfer
und Überlebende warten noch immer auf
Gerechtigkeit.
Und die Zahl der Gewalttaten steigt
weiter?
Leider ja: Die christliche Koalition in Indien,
das United Christian Forum (UCF),
verzeichnete im Jahr 2014 insgesamt 147
Fälle von Gewalt gegen Christen, 240 im
Jahr 2017, 328 im Jahr 2019, 599 im Jahr
2022 und 687 bis November 2023. Erst
im vergangenen Jahr erlebte Manipur die
schlimmste Gewalt aller Zeiten, bei der
175 Menschen starben und mehr als 1000
Menschen schwer verletzt wurden. Es gab
über 5 000 Fälle von Brandstiftung und
254 Kirchen wurden niedergebrannt und
zerstört.
Dabei ist Indien doch laut Gesetz eine
säkulare Demokratie. Den Bürgerinnen
und Bürgern sind durch die Verfassung
Grundrechte wie Glaubens-, Presse und
Religionsfreiheit garantiert!
Die Verfassung wird zunehmend mit Füßen
getreten. Es sind nicht nur staatliche,
sondern auch nichtstaatliche Akteure, die
versuchen, die Glaubens- und Religionsfreiheit
gewaltsam zu kontrollieren und
zu verbieten. Zum Beispiel wurden die
Büroräume der BBC in Neu-Delhi und
Mumbai nach der Ausstrahlung von zwei
Dokumentarfilmen, bei denen über die
Rolle von Premierminister Modi bei einer
Ausschreitung vor rund 20 Jahren beleuchtet
wird, durchsucht. Der zunächst
als unabhängig geltende Fernsehsender
NDTV wurde wegen offenbar unerwünschter
Berichte schikaniert und eingeschüchtert.
Inzwischen ist ein regierungstreuer
indischer Milliardär der
größte Anteilseigner des Senders.
Welche Rolle spielen die Medien in
Indien?
Medieneigentümer haben oft Angst vor
Repressalien. Aber was wir in den indischen
Medien sehen, ist tatsächlich viel
mehr als nur der Gehorsam gegenüber
dem Staat. Tatsächlich schaffen und verbreiten
Medien Strukturen des Hasses. Sie
werden vollständig von den mächtigsten
Ebenen des indischen Kapitals finanziert.
Der Säkularismus wird so durch einen
mehrheitlich religiösen Staat ersetzt. Das
Ziel einer rechtsstaatlichen Demokratie
ist die Brüderlichkeit, die die Würde all
ihrer Bürger gewährleistet. Indien hat sich
seit seiner Gründung als Nation dafür
eingesetzt. Jetzt gibt es jedoch einen Anstieg
von Hassreden und Hasskampagnen
in vielfältiger Weise.
Was glauben Sie steckt hinter den
Angriffen und Kampagnen?
Die Absicht hinter der Gewalt gegen
Christen - sei es in Odisha oder jetzt in
Manipur - besteht darin, religiöse Minderheiten
zu entfremden und einen Nationalstaat
auf der Grundlage eines mehrheitlich
religiösen Nationalismus aufzubauen.
Es ist Teil einer Strategie. Ich
möchte hier den indischen Politikwissenschaftler
Bhanu Pratap Mehta zitieren,
Premierminister Modi
der kritisiert, dass es gefördert wird,
durch Beteiligung an Hass oder Gewalt
im indischen politischen System aufzusteigen.
Gewalt gegen religiöse Minderheiten
wird belohnt – das ist ein eindeutiger
Schritt in Richtung politischreligiösen
Nationalismus. Dies ist keine
hinduistische Nation, sondern eine Hindutva-Nation.
Diese wird den Weg für
eine Wahldiktatur ebnen. Die Gefahr ist
größer denn je. A
AJAYA KUMAR SINGH
Ajaya Kumar Singh ist katholischer Priester und Menschenrechtsaktivist
aus der Kandhamal-Region im
ostindischen Bundesstaat Odisha (bis 2011 Orissa).
Aktuell ist Father Ajaya Direktor des bischöflichen
Odisha Resource Facilitation Institute (ORFI), das
Berufsberatung für Schülerinnen und Schüler anbietet
und Jugendliche und Studenten auf bessere
Berufschancen vorbereitet. Im Jahr 2013 erhielt er
von der Nationalen Kommission für Minderheiten
den „Minority Rights Award“. Bis heute setzt sich
Singh für die Opfer der Kandhamal-Unruhen
(2007/2008) ein und kämpft für die Rechte aller
Minderheiten in Indien.
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