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Magazin Juni 2024

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Nr. 2 | <strong>Juni</strong> <strong>2024</strong><br />

Auf geht's…<br />

Wohin die Reise<br />

führt, lesen Sie auf<br />

den Seiten 4–6<br />

EL SALVADOR<br />

Wendy Vanessa Otero Henríquez<br />

wird Unternehmerin: eine starke<br />

Erfolgsgeschichte<br />

SCHWEIZ<br />

Vorurteile gegen die<br />

Entwicklungszusammenarbeit:<br />

unsere Replik


Catherine Brunold<br />

Projekte Schweiz und<br />

Fachstelle Psycho Social Support PSS<br />

terre des hommes schweiz<br />

Liebe Leser*innen<br />

Jugendliche auf der ganzen Welt stehen vor der Herausforderung,<br />

trotz multipler Krisen ihre Zukunft aufzubauen.<br />

Aber statt den Kopf in den Sand zu stecken,<br />

zeigen junge Menschen in unseren Projekten eine beeindruckende<br />

Entschlossenheit, Lösungen zu finden.<br />

So auch in unserem Programm Schweiz, das von den<br />

Themen Diversität und Anti-Diskriminierung geprägt<br />

ist. Jugendliche mit Fluchthintergrund stärken wir<br />

psychosozial, damit sie ihr Leben möglichst selbstbestimmt<br />

gestalten können. Im Projekt imagine Basel<br />

wiederum engagieren sich junge Menschen selbstorganisiert<br />

für Vielfalt und gegen Diskriminierung.<br />

Wir sind überzeugt, dass Lösungen effektiver gefunden<br />

werden, wenn Menschen mit verschiedenen<br />

Perspektiven zusammenarbeiten. Die gleichberechtigte<br />

Zusammenarbeit mit jungen Menschen stellt beispielsweise<br />

sicher, dass sich unsere Projekte am Puls<br />

ihrer Lebensrealitäten ausrichten. Gemeinsam wollen<br />

wir Räume schaffen, in denen junge Menschen voneinander<br />

lernen und Lösungen entwickeln können.<br />

Ein Beispiel dafür sind die neuen Workshops im Rahmen<br />

des imagine Basel-Projekts – entwickelt von jungen<br />

Menschen für junge Menschen. Im Interview auf<br />

S. 7 erzählt Nina Hurni, Verantwortliche für das Ressort<br />

Workshops, wie sie durch kreative Methoden andere<br />

dazu ermutigt, sich in ihrem Umfeld für Diversität<br />

einzusetzen.<br />

Lassen Sie sich von der Entschlossenheit der jungen<br />

Generation inspirieren! Gelegenheit dazu haben Sie<br />

am imagine Basel-Festival, das am 7. und 8. <strong>Juni</strong> auf<br />

dem Barfüsserplatz in Basel stattfindet.<br />

Inhalt<br />

3 Aktuelles<br />

4 El Salvador Junge Frau wird Unternehmerin<br />

7 Schweiz imagine Basel – Mehr als ein Festival<br />

8 Entwicklungspolitik Vorurteile gekontert<br />

10 Rezept Sommersalat mit Melonen, Chili, Erdnüssen<br />

11 Nachlassplanung Lukas Bärfuss übers Erben<br />

12 Nachgefragt Zenzele Biyase, 25, Südafrika<br />

KALENDER<br />

7. und 8. <strong>Juni</strong> imagine Festival Basel<br />

12. August Tag der Jugend<br />

Impressum<br />

magazin terre des hommes schweiz<br />

Ausgabe Nr. 2, <strong>Juni</strong> <strong>2024</strong><br />

Kasernenhof 8, CH-4058 Basel<br />

IBAN CH18 0900 0000 4000 0260 2<br />

Auflage: 23 121 Ex.<br />

5 Franken für 4 Ausgaben im Jahr<br />

Redaktion: Jasmin Schraner<br />

Begleitbrief: Loredana Engler<br />

Visuelle Gestaltung und Bildredaktion: Michèle Minet<br />

Korrektorat: Loredana Engler, Sylvia Valentin<br />

Druck: Gremper AG, Basel/Pratteln<br />

Papier: Amber® Graphic, FSC für Öko-Waldwirtschaft<br />

Titelseite Foto: José Leonel Hernández Rivas<br />

magazin terre des hommes schweiz Nr. 2 <strong>2024</strong>


AKTUELLES<br />

Lesen Sie den<br />

Jahresbericht<br />

auch digital:<br />

Unser Jahresbericht gibt Einblicke in<br />

unsere Arbeitsweise und die erzielte<br />

Wirkung. Eins steht fest: Die Erfolge<br />

der jungen Menschen in unseren Projekten<br />

sind inspirierend und zeugen<br />

von neuen Ideen, die in unserer Zeit<br />

gefragt sind.<br />

Denn das vergangene Jahr war auch<br />

von Herausforderungen gezeichnet:<br />

zunehmende Repression gegenüber<br />

der Zivilgesellschaft, verheerende Folgen<br />

des Klimawandels, alarmierende<br />

Zahlen sexueller Gewalt im südlichen<br />

Afrika. Dies sind nur einige der Themen,<br />

die uns beschäftigten. Krisenzeiten<br />

erfordern das Engagement aller –<br />

trotzdem plant der Bundesrat, bei der<br />

Entwicklungszusammenarbeit zu sparen.<br />

Gemeinsam mit vielen anderen<br />

setzten wir uns deshalb für mehr Solidarität<br />

mit den Menschen im Globalen<br />

Süden ein und werden das auch<br />

weiterhin mit Vehemenz tun.<br />

Neue Ideen für andere Zeiten<br />

Friedenskultur, nachhaltige Lebensgrundlagen<br />

und Gesundheit – diese<br />

Schwerpunkte prägten die Arbeit von<br />

terre des hommes schweiz im Jahr 2023.<br />

Gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen<br />

in zehn Ländern konnten<br />

wir 373 000 Jugendliche unterstützen.<br />

Die grosse Unterstützung unserer<br />

Spender*innen ermutigt uns, auch<br />

kommende Herausforderungen anzupacken<br />

– herzlichen Dank! JSc<br />

Wünschen Sie den Jahresbericht per<br />

Post? Geben Sie uns hierfür Ihre<br />

Adresse an: info@terredeshommes.ch<br />

oder telefonisch unter: 061 338 91 38.<br />

Umwelt und Kosten im Auge<br />

terre des hommes schweiz hat sich<br />

zum Ziel gesetzt, den ökologischen<br />

Fussabdruck deutlich zu reduzieren.<br />

Zudem hat die Post Anfang Jahr die<br />

Brief- und Paketpreise erhöht. Aus ökologischen<br />

und finanziellen Gründen<br />

verschicken wir deshalb Verdankungen<br />

per Post neu erst ab einer Spende<br />

von CHF 200. Dies ermöglicht es uns,<br />

Ressourcen optimal zu nutzen und<br />

gleichzeitig einen Beitrag zum Umweltschutz<br />

zu leisten. Die jährliche<br />

Spendenbestätigung für Ihre Steuerunterlagen<br />

erhalten Sie weiterhin per<br />

Post jeweils im Januar. LEn<br />

Mitmachen<br />

und ein Kochbuch<br />

gewinnen!<br />

Nehmen Sie an der kurzen Online-Umfrage<br />

teil und helfen Sie uns dabei, unsere<br />

Leser*innen noch besser zu informieren.<br />

Unter allen Teilnehmer*innen verlosen wir<br />

drei handsignierte Kochbücher<br />

unserer Botschafterin, der<br />

Sterneköchin Tanja Grandits.<br />

Neuer Teilnahmeschluss<br />

ist der 31. Juli <strong>2024</strong>.<br />

magazin terre des hommes schweiz Nr. 2 <strong>2024</strong> 3


EL SALVADOR<br />

…zu neuen<br />

Horizonten.<br />

Wie aus einer jungen Frau eine<br />

Unternehmerin wurde<br />

Mit Einkommensinitiativen bauen sich junge Menschen wie Wendy Vanessa<br />

Otero Henríquez im ländlichen El Salvador eine eigene Existenz auf.<br />

Unsere lokale Partnerorganisation CORDES bildet sie aus und steht ihnen<br />

mit Rat und Tat zur Seite.<br />

«Es lohnt sich, an die eigenen Träume zu glauben<br />

und nicht aufzugeben.» Diese Aussage der 21-jährigen<br />

Wendy Vanessa Otero Henríquez spiegelt ihre<br />

ganze Entschlossenheit wider. Lange Zeit wusste<br />

sie nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte.<br />

Meistens kümmerte sie sich zu Hause um ihren<br />

kleinen Bruder und spielte Fussball mit ein<br />

paar Freundinnen. «Nach der obligatorischen Schulzeit<br />

hätte ich in eine grössere Stadt ziehen müssen,<br />

um weiter in die Schule zu gehen. Ich hänge<br />

aber sehr an meiner Familie und habe mich dagegen<br />

entschieden.»<br />

In Nombre de Jesús, einem kleinen Dorf im Depar-<br />

tement Chalatenango, gibt es für junge Menschen<br />

nur wenige Möglichkeiten. Aufgrund der abgelegenen<br />

Lage müssen die Jugendlichen weite Strecken<br />

zurücklegen, um die Sekundarschule zu besuchen.<br />

Da die meisten Familien dafür keine finanziellen<br />

Mittel haben, bleibt vielen Jugendlichen<br />

die weiterführende Schulbildung verwehrt. Den<br />

meisten bleibt nicht viel anderes übrig, als ihren<br />

Eltern im Haushalt oder auf dem Feld zu helfen.<br />

Andere wiederum versuchen, der Armut und Perspektivlosigkeit<br />

zu entkommen, und migrieren<br />

in die USA. Doch Abschiebungen zurück in die<br />

Heimat bringen sie oft in noch grössere Gefahr<br />

und Not.<br />

4 magazin terre des hommes schweiz Nr. 2 <strong>2024</strong>


Familiensache:<br />

Wendy Vanessa<br />

Otero Henríquez<br />

mit ihrem Bruder<br />

und ihrer<br />

Mutter.<br />

Fotos José Leonel<br />

Hernández Rivas<br />

Ein Schritt Richtung Zukunft<br />

Wendy Vanessa Otero Henríquez ist davon überzeugt,<br />

dass es in ihrer Region mehr Bildungsmöglichkeiten<br />

für Jugendliche braucht. «Junge Menschen<br />

in El Salvador können mit Anstrengung und<br />

Arbeit alles erreichen. Aber es muss mehr Chancen<br />

für Jugendliche geben, damit sie ihre Initiativen<br />

und kleinen Geschäfte eröffnen und so einen<br />

Schritt Richtung Zukunft gehen können. Wenn<br />

sie etwas verdienen, können sie unabhängig werden.<br />

Das ist der Traum von vielen Jugendlichen<br />

hier.» Umso dankbarer ist sie für die Chance, die<br />

sie erhalten hat: «Für mich änderte sich vieles, als<br />

eine Mitarbeiterin von CORDES nach Nombre de<br />

Jesús kam und von ihrem Jugendprojekt erzählte.»<br />

Unsere Partnerorganisation bietet Jugendlichen<br />

aus 16 Gemeinden in der Region Chalatenango,<br />

einen Ausweg aus Armut und Perspektivlosigkeit<br />

durch Unterstützung beim Aufbau von einkommensschaffenden<br />

Initiativen. Sie werden darin<br />

gestärkt, eine Geschäftsidee zu entwickeln und<br />

ihre Machbarkeit sowie die Erfolgsaussichten zu<br />

prüfen. Ausserdem erhalten die jungen Menschen<br />

eine finanzielle Starthilfe in Form eines Kleinkredits.<br />

Darüber hinaus werden sie psychosozial be-<br />

gleitet und darin gestärkt, sich in ihren Gemeinden<br />

eine Zukunft aufzubauen. Von unserem Projekt<br />

profitieren 450 Jugendliche und junge Erwachsene.<br />

Armut und Perspektivlosigkeit überwinden<br />

Die Kurse, die CORDES anbietet, sind vielfältig: Die<br />

jungen Unternehmer*innen eignen sich Knowhow<br />

zu landwirtschaftlichen und handwerklichen<br />

Themen an, lernen betriebswirtschaftliche<br />

und unternehmerische Grundlagen kennen und<br />

setzen sich mit Themen wie Persönlichkeitsentwicklung,<br />

Gender, Friedensarbeit, Teamwork und<br />

Jugendpartizipation auseinander. Im Marketingkurs<br />

lernen sie auch, wie sie ihre Produkte über<br />

Social Media bewerben können. Ausserdem besuchen<br />

sie bestehende Initiativen von anderen jungen<br />

Unternehmer*innen und lernen aus deren<br />

Erfahrungen.<br />

Wendy Vanessa Otero Henríquez entwickelte daraufhin<br />

die Idee, «Enchiladas» (belegte Tortillas)<br />

und «Platanos Fritos» (frittierte Kochbananen) zu<br />

verkaufen. Ihre Eltern ermutigten sie, als sie davon<br />

erfuhren: «Sie freuten sich mit mir, als ich<br />

den Startfonds von CORDES erhielt.»<br />

In ihrer Freizeit<br />

spielt die junge<br />

Frau (Mitte)<br />

am liebsten<br />

Fussball.<br />

magazin terre des hommes schweiz Nr. 2 <strong>2024</strong><br />

5


EL SALVADOR<br />

Wendy Vanessa<br />

Otero Henríquez<br />

bei der Herstellung<br />

der «Platanos<br />

Fritos».<br />

Lassen Sie sich<br />

von unserem<br />

«Enchiladas»-<br />

Rezept inspirieren:<br />

Ein gutes Gefühl<br />

Wendy ist zufrieden mit ihrem Leben. «Es ist<br />

fast ein Familienprojekt. Meine Mutter hilft mir<br />

beim Verkauf, mein Vater und mein Bruder packen<br />

auch ab und zu mit an. Die meisten Kund*-<br />

innen sind aus Nombre de Jesús. Viele kaufen bei<br />

mir ein, wenn sie nach der Arbeit nach Hause<br />

kommen und keine Lust haben zu kochen. Die<br />

«Enchiladas» laufen richtig gut, weil sie reich<br />

gefüllt sind. Mein Geheimtipp ist, dass die Tortillas<br />

sehr knusprig sein müssen. Ich glaube,<br />

das ist mein Erfolgsgeheimnis», sagt sie augenzwinkernd.<br />

«Der Jugendberater von CORDES besucht mich regelmässig<br />

und berät mich, wenn ich Fragen habe.<br />

Mit meinem Verdienst kann ich einen Beitrag an<br />

das Familieneinkommen leisten. Das macht mich<br />

sehr stolz.» In ihrer Freizeit spielt sie immer noch<br />

am liebsten Fussball. «Viele Mädchen aus meinem<br />

Dorf spielen mit und es macht uns Spass.»<br />

Durch CORDES hat Wendy nicht nur Unterstützung<br />

erfahren, sondern auch die Möglichkeit,<br />

ihre Ideen umzusetzen und ihre Lebensumstände<br />

zu verbessern. Ihre Initiative, «Enchiladas» und<br />

«Platanos Fritos» zu verkaufen, hat ihr nicht nur<br />

ein Einkommen verschafft, sondern auch ein gutes<br />

Gefühl der Unabhängigkeit und Selbstständigkeit.<br />

Loredana Engler, Fundraising und Kommunikation<br />

Mit Ihrer Spende stärken<br />

Sie noch viele weitere junge<br />

Menschen.<br />

Vielen Dank!<br />

6<br />

magazin terre des hommes schweiz Nr. 2 <strong>2024</strong>


SCHWEIZ<br />

«Wir vermitteln Jugendlichen Handlungsmacht»<br />

imagine Basel ist mehr als ein Festival:<br />

In Workshops vermitteln junge Menschen<br />

anderen Jugendlichen, wie sie<br />

Diskriminierung erkennen und ihr entgegenwirken.<br />

Nina Hurni, Verantwortliche<br />

für die Workshops, hat das Angebot<br />

neu überarbeitet. Im Interview<br />

erzählt sie, wie Jugendliche mit kreativen<br />

Methoden sichere Räume für Diversität<br />

in ihrem Umfeld schaffen.<br />

Nina, um was geht es in den neuen Workshops,<br />

die du entwickelt hast?<br />

Ein Workshop dreht sich um das Thema<br />

Flucht: Anhand von persönlichen Fluchtgeschichten<br />

können die Jugendlichen<br />

nachempfinden, was es bedeutet, fliehen<br />

zu müssen. In einem anderen Workshop<br />

zeigen wir den Teilnehmer*innen, wie<br />

sie auf alltägliche Diskriminierungssituationen<br />

reagieren können. Und im letzten<br />

Workshop entwickeln Jugendliche<br />

mit der Methode «Design Thinking» Projekte,<br />

um Diskriminierungsformen in ihrem<br />

Schulumfeld zu thematisieren. Mir<br />

ist es wichtig, nicht in erster Linie Wissen<br />

zu vermitteln, sondern jungen Menschen<br />

Handlungsmacht zu übertragen.<br />

Im Workshop «Design Thinking» entwickeln<br />

die Jugendlichen konkrete Lösungen,<br />

um mehr sichere Räume zu schaffen.<br />

Weshalb ist das wichtig?<br />

Sicherer Raum (engl. «Safe Space») steht<br />

für einen Idealzustand, in dem sich Menschen<br />

sicher fühlen können. Ein Raum<br />

kann sicher sein für eine Menschengruppe,<br />

für eine andere aber nicht, weil es beispielsweise<br />

viele rassistische Kommentare<br />

gibt. In einer Schulklasse geht es darum,<br />

die Sensibilität zu vermitteln, nicht diskriminierend<br />

miteinander umzugehen. Damit<br />

sich möglichst verschiedene Jugendliche<br />

wohl fühlen können.<br />

Wie ist dieser Workshop aufgebaut?<br />

Zuerst machen wir eine Simulationsübung<br />

mit den Teilnehmer*innen, in der sie einen<br />

willkürlichen Vorteil oder Nachteil haben.<br />

Dies zeigt ihnen, wie Diskriminierung<br />

funktioniert: Anhand von Kategorien, auf<br />

die wir keinen Einfluss haben, haben wir<br />

Privilegien oder werden diskriminiert.<br />

Dann geht es darum, die Schule als Umfeld<br />

zu analysieren: Wo werden Menschen<br />

hier diskriminiert? Davon ausgehend wählen<br />

sich die Jugendlichen einen Brenn-<br />

Kurz erklärt: «Design Thinking»<br />

Dieser Ansatz dient dazu, Herausforderungen zu<br />

lösen und neue Ideen zu entwickeln. Er basiert auf<br />

der Überzeugung, dass das Lösen von Herausforderungen<br />

effektiver ist, wenn Menschen mit<br />

verschiedenen Perspektiven zusammenarbeiten<br />

und die betroffenen Menschen aktiv ins Finden<br />

und Umsetzen der Lösung eingebunden sind.<br />

punkt aus, den sie angehen wollen und<br />

entwerfen Projekte, um eine Lösung zu<br />

finden. Das kann zum Beispiel ein Brief an<br />

die Schulleitung, eine Unterrichtseinheit<br />

oder ein Thementag sein.<br />

Kannst du uns von einem Projekt erzählen,<br />

das Jugendliche so bereits entwickelt<br />

haben?<br />

Beim letzten Workshop bemerkte eine<br />

Gruppe, dass es kaum geoutete queere<br />

Personen, also beispielsweise homo- oder<br />

transsexuelle Personen, in ihrer Schule<br />

gibt. Zuerst musste es deshalb darum gehen,<br />

ein Klima zu schaffen, in dem sich<br />

Menschen für ein Outing sicher fühlen.<br />

Sie schlugen vor, einen Thementag zu machen,<br />

an dem sie zu Queerness aufklären.<br />

Die Ausarbeitung der Workshops ist zwar<br />

abgeschlossen, doch die Diskurse über<br />

Diskriminierung verändern sich ständig.<br />

Wie gehst du damit um?<br />

Nina Hurni<br />

leitet seit 2022<br />

das Ressort<br />

Workshops bei<br />

imagine Basel.<br />

Foto zVg<br />

Es ist mir wichtig, auf dem aktuellen Stand<br />

der Diskriminierungsdiskurse zu bleiben.<br />

Die Sprache ist ein gutes Beispiel: Sie ist<br />

bis in ihre Grundstrukturen durchsetzt mit<br />

Diskriminierungsformen. Neue Bezeichnungen<br />

zu finden ist ein Prozess, weshalb<br />

sich Begrifflichkeiten im Moment ständig<br />

verändern. Für uns in der Vermittlung ist<br />

das wichtig zu beachten, schliesslich legen<br />

wir Wert darauf, möglichst ohne diskriminierende<br />

Begriffe über Diskriminierung<br />

zu reden. Die Ausarbeitung der Workshops<br />

ist somit ein nie abgeschlossener<br />

Prozess.<br />

Das Interview führte Luciano Gagliardi, Projektkoordination<br />

imagine und Internationales Jugendnetzwerk, Fachstelle<br />

Jugendpartizipation<br />

Feiern Sie mit uns die Vielfalt!<br />

Das imagine Festival findet am Freitag und Samstag,<br />

7. und 8. <strong>Juni</strong> <strong>2024</strong>, auf dem Barfüsserplatz<br />

in Basel statt. Neben einem abwechslungsreichen<br />

Musikprogramm laden viele weitere Programmpunkte<br />

dazu ein, sich mit dem Jahresthema<br />

«Sicherheit» auseinanderzusetzen.<br />

Der Eintritt ist frei.<br />

Alle Infos zum<br />

Festivalprogramm<br />

finden Sie hier:<br />

magazin terre des hommes schweiz Nr. 2 <strong>2024</strong><br />

7


ENTWICKLUNGSPOLITIK<br />

Auf dem Prüfstand:<br />

Vorurteile gegen die<br />

Entwicklungszusammenarbeit<br />

Die Wirkung von Entwicklungszusammenarbeit (EZA) wird immer wieder<br />

in Frage gestellt. So auch beispielsweise in der laufenden Debatte rund<br />

um die Budget-Kürzungen zugunsten des Ukraine-Wiederaufbaus. Was ist<br />

dran an der Kritik? Wir ordnen drei Vorurteile gegen die EZA ein.<br />

«Wenn Entwicklungszusammenarbeit<br />

etwas<br />

nützen würde, gäbe es<br />

nicht noch immer so viel<br />

Armut.»<br />

?!<br />

!<br />

Fakt ist, dass die Armut weltweit abgenommen<br />

hat. Als die Weltbank 1990<br />

angefangen hat, statistisch zu erfassen,<br />

wie viele Menschen weltweit in extremer<br />

Armut leben, waren es 30 Prozent.<br />

Heute sind es weniger als zehn Prozent.<br />

Entwicklungszusammenarbeit allein<br />

kann die globale Armut nicht beseitigen.<br />

Sie kann aber dazu beitragen, die<br />

schlimmsten Auswüchse von Armut<br />

zu lindern, wirtschaftliche Perspektiven<br />

zu schaffen und die Zivilgesellschaft<br />

zu stärken. Unbestritten ist zum<br />

Beispiel, dass der Zugang zu Bildung<br />

und Gesundheit grossen Einfluss auf<br />

Armut hat. Das sind beides Felder, in<br />

denen die EZA viel leistet. Wesentliche<br />

Faktoren zur Armutsreduktion sind<br />

auch die politischen und wirtschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen. Die Unterstützung<br />

der Zivilgesellschaft, sodass<br />

diese sich selbst für ihre Interessen einsetzen<br />

kann, trägt deshalb mittelfristig<br />

auch zur Reduktion von Armut bei.<br />

Doch auch die beste EZA stösst an ihre<br />

Grenzen, wenn beispielsweise wie im<br />

Norden Mosambiks ein Kampf um Rohstoffe<br />

entbrennt oder Länder aufgrund<br />

der geopolitischen Interessen Chinas<br />

unter einer Schuldenlast ächzen. Deshalb<br />

gehört auch die Beschäftigung mit<br />

solchen globalen Zusammenhängen<br />

zur Aufgabe der EZA.<br />

8 magazin terre des hommes schweiz Nr. 2 <strong>2024</strong>


? !<br />

«Da fliessen doch nur<br />

Gelder an korrupte,<br />

autoritäre Regierungen.»<br />

Die Anfänge der «Entwicklungshilfe»<br />

waren oftmals tatsächlich geprägt<br />

vom Kalten Krieg und dem Ende<br />

der Kolonialherrschaft. Geberländer<br />

versuchten, ihre Interessen in<br />

den Ländern des Globalen Südens zu<br />

wahren. In den 1990er-Jahren kam es<br />

aber zu einem Paradigmenwechsel<br />

in der internationalen Zusammenarbeit<br />

– aus Entwicklungshilfe wurde<br />

Entwicklungszusammenarbeit.<br />

In den 2000er-Jahren haben verschiedene<br />

Geberländer angefangen, gezielt<br />

in Rechtsstaatlichkeit, Demokratieförderung<br />

und «gute Regierungsführung»<br />

zu investieren, wobei sie vermehrt<br />

auch mit zivilgesellschaftlichen<br />

Organisationen vor Ort zusammenarbeiteten.<br />

Demokratieförderung in der EZA geschieht<br />

zum Beispiel durch die Unterstützung<br />

von Menschenrechtsorganisationen<br />

oder der Förderung institutioneller<br />

Reformen. Aber auch Entwicklungsprojekte<br />

im Bildungs- und Gesundheitsbereich,<br />

in der Landwirtschaft oder<br />

in der Wirtschaftsentwicklung können<br />

positive Auswirkungen auf die Demokratisierung<br />

entfalten. Denn eine<br />

gebildete, gesunde und wohlhabende<br />

Bevölkerung engagiert sich eher für<br />

die Demokratie als eine Bevölkerung,<br />

die in Armut und Elend lebt.<br />

!<br />

«Entwicklungszusammenarbeit<br />

ist kolonialistisch<br />

und verfestigt<br />

!<br />

? Abhängigkeiten.»<br />

Die Zeit der «weissen Helfer» ist vorbei.<br />

Im heutigen Fokus der EZA stehen<br />

Themen wie Unterstützung der lokalen<br />

Zivilgesellschaft, politische Partizipation,<br />

Rechtsstaatlichkeit und die<br />

Stärkung der lokalen Wirtschaft. Das<br />

heisst aber nicht, dass die EZA ganz<br />

frei von überholten kolonialen Denkund<br />

Verhaltensmustern ist.<br />

Dies zu korrigieren, steht im Zentrum<br />

der Debatte rund um die Dekolonisierung<br />

der EZA, die in den letzten<br />

Jahren stark an Fahrt aufgenommen<br />

hat. Kurz gesagt geht es darum, lokales<br />

Wissen zu respektieren und Entscheide<br />

vom Norden in den Süden zu<br />

verschieben. Noch ist die Zusammenarbeit<br />

auf Augenhöhe nicht überall<br />

erreicht. Die Verschiebung der Machtverhältnisse<br />

in der EZA wird aber von<br />

vielen Organisationen – unter anderem<br />

auch von terre des hommes<br />

schweiz – ernsthaft vorangetrieben.<br />

Sylvia Valentin, Entwicklungspolitische Kampagnen,<br />

in Zusammenarbeit mit Alliance Sud<br />

…<br />

Mehr Solidarität jetzt!<br />

Stehen Sie mit einem<br />

Statement für eine<br />

starke Entwicklungszusammenarbeit<br />

ein.<br />

magazin terre des hommes schweiz Nr. 2 <strong>2024</strong><br />

9


REZEPT<br />

SOMMERSALAT MIT MELONEN, CHILI UND ERDNÜSSEN<br />

«Dies ist ein ideales Hochsommergericht. Die Minze hat einen natürlichen<br />

Kühleffekt, und der Verzicht auf Öl macht das Dressing erfrischend<br />

leicht. Für Energie sorgen die gerösteten Erdnüsse.» Tanja Grandits<br />

Foto Lukas Lienhard, AT Verlag<br />

Dressing<br />

100 ml weisser Balsamicoessig<br />

1 TL Salz<br />

Minzstiele (der Minze vom Salat, s. u.),<br />

klein geschnitten<br />

3 EL getrocknete Minze<br />

2 Kardamomkapseln<br />

4 EL Ahornsirup<br />

1 grosse Prise Chiliflocken<br />

2 unbehandelte Limetten, abgeriebene Schale und Saft<br />

Salat<br />

1 Cavaillon-Melone<br />

600 g kleine Snackgurken<br />

2 Avocados<br />

1 grüne Chilischote<br />

2 Handvoll Minzblättchen<br />

100 g Erdnüsse, geröstet und grob gehackt<br />

Das neue Kochbuch von<br />

Tanja Grandits kaufen<br />

und gleichzeitig spenden<br />

Tanja Grandits ist Botschafterin<br />

von terre des hommes schweiz.<br />

Das Rezept stammt aus ihrem<br />

brandneu erschienenen<br />

Kochbuch «Einfach Tanja». Für<br />

90 Franken inklusive Spende<br />

erhalten Sie das neue Kochbuch<br />

mit persönlicher Signatur<br />

von Tanja Grandits:<br />

www.geschenkspende.ch<br />

1. Für das Dressing den Balsamico mit Salz, klein geschnittenen<br />

Minzstielen, getrockneter Minze sowie den<br />

Kardamomkapseln erhitzen und zugedeckt 15 Minuten<br />

ziehen lassen.<br />

2. Durch ein Sieb abgiessen und den Ahornsirup, die Chiliflocken<br />

sowie Limettenschale und -saft dazugeben<br />

und alles gut verrühren.<br />

3. Für den Salat die Melone schälen, halbieren, mit einem<br />

Löffel die Kerne herausschaben, dann in feine Scheiben<br />

schneiden.<br />

4. Die kleinen Gurken der Länge nach vierteln. Die<br />

Avocados halbieren, vom Kern befreien und in Scheiben<br />

schneiden. Die Chili entkernen und in feine Streifen<br />

schneiden. Die Minzblättchen fein schneiden. Alles<br />

zusammen mit den Erdnüssen in eine grosse flache<br />

Schüssel geben. Vorsichtig mit dem Dressing marinieren.<br />

Umfrage Genderneutrale Sprache<br />

terre des hommes schweiz engagiert sich für eine gerechte,<br />

nachhaltige und inklusive Welt. Dazu gehört auch die<br />

Verwendung der genderneutralen Sprache. Wie stehen Sie zu<br />

diesem Thema? Herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit<br />

nehmen, um an dieser Umfrage per QR-Code teilzunehmen.<br />

10 magazin terre des hommes schweiz Nr. 2 <strong>2024</strong>


NACHLASSPLANUNG<br />

Foto Maximilian Lederer<br />

«Es ist sehr bereichernd,<br />

sich mit dem eigenen Ende<br />

auseinanderzusetzen.<br />

Denn eines Tages erwischt<br />

es uns alle.» Lukas Bärfuss, Schriftsteller<br />

Gedanken von<br />

Lukas Bärfuss<br />

über das Erben –<br />

ein Video.<br />

Lukas Bärfuss denkt übers<br />

Sterben und Erben nach<br />

In seinem neuen Buch «Vaters Kiste»<br />

setzt sich der Schriftsteller Lukas<br />

Bärfuss mit dem Sterben und dem<br />

Erben auseinander. Seine Gedanken<br />

zum Erben hat er auch in einem Video<br />

zum Tag des Testaments geteilt:<br />

«Die Fragen, die uns in der Auseinandersetzung<br />

mit dem Erben gestellt<br />

werden, sind existenziell. Sie betreffen<br />

die ersten und letzten Dinge, sie<br />

betreffen die Frage, was uns wichtig<br />

ist, was wir lieben. Und man kann<br />

diesen Fragen nicht ausweichen: Es<br />

kommt der Moment, wo sie uns gestellt<br />

werden. Dann sollte man die<br />

Chance ergreifen. Es ist sehr bereichernd,<br />

sich mit dem eigenen Ende<br />

auseinanderzusetzen. Denn eines Tages<br />

erwischt es uns alle.»<br />

In der Schweiz werden pro Jahr<br />

rund 95 Milliarden Franken vererbt.<br />

Eine unvorstellbar grosse Summe.<br />

Davon gehen lediglich drei Promille,<br />

bzw. 0.3 %, in Form von Legaten/Vermächtnissen<br />

oder Erbschaften an<br />

gemeinnützige Organisationen. Bereits<br />

ein weiteres Promille brächte<br />

dem Gemeinwohl zusätzliche 95 000<br />

Millionen pro Jahr für kommende<br />

Generationen.<br />

Wichtig ist Lukas Bärfuss, dass künftig<br />

ein grösserer Teil des vererbten<br />

Vermögens dem Gemeinwohl zukommt.<br />

«Teilen ist das Schlüsselwort.<br />

To share is to care. Und alle sollen<br />

ihren gerechten Anteil bekommen.<br />

Wir kommen nicht in eine<br />

leere Welt. Es gibt Generationen vor<br />

uns, die diese Welt gebaut haben,<br />

von der wir profitieren, von ihren<br />

Leistungen. Und wir könnten etwas<br />

weitergeben – etwas hineingeben –<br />

in diese Gemeinschaft, in der wir<br />

leben.»<br />

Susanne Buri<br />

Verantwortliche<br />

Erbschaften<br />

Haben Sie Fragen?<br />

Gerne berate ich Sie: 061 338 91 36,<br />

susanne.buri@terredeshommes.ch<br />

Testament<br />

erstellen und<br />

Gemeinwohl<br />

stärken.<br />

Teilen ist wichtig, für kommende<br />

Generationen – für die Welt. Wir<br />

haben es in der Hand: Wenn wir alle<br />

einen kleinen Prozentsatz unseres<br />

Nachlasses dem Gemeinwohl<br />

weitergeben, macht dies einen riesigen<br />

Unterschied. Susanne Buri<br />

magazin terre des hommes schweiz Nr. 2 <strong>2024</strong><br />

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Unsere Partnerorganisation Dlalanathi in Pietermaritzburg<br />

stärkt die Resilienz von Jugendlichen.<br />

Die Organisation leistet einen Beitrag zur Reduktion<br />

von HIV-Infektionen bei jungen Menschen<br />

und Frühschwangerschaften. Zudem wird auch<br />

ihr Umfeld unterstützt, um zu einer langfristigen<br />

Verbesserung der Lebenssituation der jungen<br />

Menschen beizutragen.<br />

Mehr zu unseren Projekten in Südafrika<br />

«Wenn du den ganzen Tag nichts zu tun hast, kommst du<br />

auf dumme Gedanken und lässt dich dazu verleiten, schlechte<br />

Dinge zu tun. Im Jugendzentrum können wir unsere Freizeit<br />

verbringen und Computerkurse belegen, um beispielsweise<br />

Bewerbungen zu schreiben.»<br />

Zenzele Biyase (Name von der Redaktion geändert ), 25 Jahre, Südafrika<br />

Foto und Aufzeichnung Hafid Derbal

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