100 JAHRE GOLF - Golf.de

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29.12.2012 Aufrufe

Auch auf anderen Ebenen wollten die Machthaber ihre zunehmende internationale Isolierung mit Hilfe des Sports überwinden. In allen Sportarten fanden deshalb deutlich mehr Länderkämpfe statt. Der DGV-Führer vermeinte im Golfsport ein „kleines Teilchen zu der Friedenspolitik unseres Führers“ zu erblicken und forcierte „in nationaler Würde freundschaftliche Verbindungen mit den Nachbarstaaten“. Bei deutschen Verbands- und Clubwettspielen gab es bis 1939 zahlreiche ausländische Teilnehmer und Sieger. Noch nach dem Überfall auf Polen präsentierte die „Deutsche Golfzeitung“ Henry Cotton, den dreifachen Gewinner der „Deutschen Offenen“, auf dem Titel. Hinter dem sportlichen Austausch aber hatte die Staatsmacht den Aufmarsch längst vorbereitet. Noch während die olympischen und nacholympischen Sportkulissen abgeräumt wurden, bereiteten die Nationalsozialisten die gnadenlose „Lösung der Judenfrage“ im gesamten deutschen Sport vor - auch beim Golfverband. Bis 1936 galt prinzipiell die Regelung, „wonach Golfer nicht-arischer Abstammung, solange sie in moralischer, gesellschaftlicher und stadthistorischer Beziehung als einwandfrei gelten, selbstverständlich in den Clubs verbleiben bzw. aufgenommen werden können. Laut Verordnung sind sie jedoch aus den Vorständen und verantwortlichen Stellen zu entfernen.“ Nun aber, zum 1. Januar 1937, forderten der Reichssportführer und der Führerkreis Golf die Vereine auf, den „Reichsbürgerbrief“ als Bedingung für eine Mitgliedschaft in den Golfclubs zu verlangen. Im Rahmen einer Mitgliedererhebung musste Vollzug gemeldet werden. Die Vereine folgten gehorsam und forderten alle Mitglieder ohne Reichsbürgerbrief auf, ihr Ausscheiden aus den Clubs anzuzeigen. Die betroffenen jüdischen Golfer sollten sich also noch selbst abmelden. In den Erinnerungen des Golfspielers Konrad Katzenellenbogen liest sich sein Club-Ausschluss in Berlin-Wannsee folgendermaßen: „Leider war es so, dass die Eliminierung der jüdischen Leute nicht schweigend hingenommen wurde, sondern von vielen freudig begrüßt wurde.“ Schon der Jubiläumsartikel zum zehnjährigen Bestehen des Berliner Wannsee-Clubs kannte 1936 nicht einmal mehr den Gründer und langjährigen Präsidenten Herbert Gutmann. Eine Schonfrist gab es zunächst noch für so genannte „Mischlinge“, deren Vorfahren nicht den rassistischen Konstruktionen der Nazis zugeordnet werden konnten - natürlich nicht um ihrer selbst willen: Ihr Ausschluss hätte „den völligen Zusammenbruch einer Reihe unserer größten und wichtigsten Golfclubs zur Folge“ gehabt. Das Ende großdeutscher Golf-Euphorie Von 1934 bis 1944 wartet der DGV mit Jahresplaketten auf, die größte erscheint 1936 mit Olympischen Ringen Entgegen dem damaligen Aufschwunggerede spiegeln die Bestandszahlen des Deutschen Golf Verbandes im Jahrbuch 1939 einen kräftigen Rückgang der Clubmitglieder wider. Bis 1936 gingen fast dreihundert von 4.900 Golfern verloren. Von 1936 auf 1937 verringerte sich ihre Zahl nochmals um 450. Allein die Listen des Berliner Wannsee-Clubs zeigen 06 DGA Köln (Foto: Stefan Heigl)

DGA Köln in der Dekade bis zum Krieg einen Schwund von 1.350 auf nur noch 577 Mitglieder. Die Differenz dürfte einen erheblichen Anteil an Verfolgten jüdischer Abstammung bergen. Ab 1938 wurde auf Führerbefehl der gesamte Sport von der Partei „betreut“, der neue Briefkopf des DGV lautete entsprechend: „Deutscher Golfverband im Nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen“. Im November 1938, kurz nach der Pogromnacht, trat erstmals ein großdeutscher DGV auf, der auch für Vereine in Österreich und der Tschechoslowakei sprach und „in tiefer Freude und mit besonderem Stolz den Zuwachs erstklassiger Meisterschaftsplätze“ begrüßte. Nach Kriegsbeginn forderten der DGV-Führerkreis und von Tschammer die Erhaltung der Plätze und des Clubbetriebs trotz personellen Aderlasses in Richtung Front. Meisterschaften fielen jedoch aus, Golfenthusiasten spielten nur noch Privatrunden auf den halbwegs hergerichteten Teilen der Plätze. Militär und Kriegs- Beim Großen Golfpreis in Baden-Baden gibt es nicht nur die DGV-Plakette 1936, sondern für die beiden Engländer (Mitte) auch den Hauptpreis des „Führers und Reichskanzlers“ versehrte hielten ihrerseits einen eingeschränkten Golfbetrieb in Gang. Doch die nationale Euphorie ging weiter. Der einzige Kriegs-Verbandstag in Berlin feierte 1942 eine neue Höchstzahl von 65 Clubs, indem man den Eroberungen der Wehrmacht folgte und Clubaufnahmen von Straßburg und Luxemburg bis Kattowitz und Bled absegnete. Die Golfzeitung des Bernhard von Limburger, in ihren Verlautbarungen immer einen Ton forscher als der DGV selbst, schwärmte von Golfplätzen, die „unsere Truppen bei ihrem herrlichen Vormarsch“ erobert hätten. Die imperialistische Maxime vom „Volk ohne Raum“ korrespondierte mit der Erwartung, „dass nach siegreichem Friedensschluss überall Golfplätze entstehen werden, denn sobald mehr Raum in Deutschland vorhanden ist, wird damit die Hauptschwierigkeit für unseren Sport behoben sein“. Anfang 1943 wurde der „totale Krieg“ ausgerufen. Um den Golfsport notdürftig aufrecht 07

DGA Köln<br />

in <strong>de</strong>r Deka<strong>de</strong> bis zum Krieg einen Schwund von 1.350 auf nur noch 577 Mitglie<strong>de</strong>r. Die<br />

Differenz dürfte einen erheblichen Anteil an Verfolgten jüdischer Abstammung bergen.<br />

Ab 1938 wur<strong>de</strong> auf Führerbefehl <strong>de</strong>r gesamte Sport von <strong>de</strong>r Partei „betreut“, <strong>de</strong>r neue<br />

Briefkopf <strong>de</strong>s DGV lautete entsprechend: „Deutscher <strong>Golf</strong>verband im Nationalsozialistischen<br />

Reichsbund für Leibesübungen“. Im November 1938, kurz nach <strong>de</strong>r Pogromnacht,<br />

trat erstmals ein groß<strong>de</strong>utscher DGV auf, <strong>de</strong>r auch für Vereine in Österreich und <strong>de</strong>r Tschechoslowakei<br />

sprach und „in tiefer Freu<strong>de</strong> und mit beson<strong>de</strong>rem Stolz <strong>de</strong>n Zuwachs erstklassiger<br />

Meisterschaftsplätze“ begrüßte. Nach Kriegsbeginn for<strong>de</strong>rten <strong>de</strong>r DGV-Führerkreis<br />

und von Tschammer die Erhaltung <strong>de</strong>r Plätze und <strong>de</strong>s Clubbetriebs trotz personellen A<strong>de</strong>rlasses<br />

in Richtung Front. Meisterschaften fielen jedoch aus, <strong>Golf</strong>enthusiasten spielten nur<br />

noch Privatrun<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>n halbwegs hergerichteten Teilen <strong>de</strong>r Plätze. Militär und Kriegs-<br />

Beim Großen <strong>Golf</strong>preis in Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n gibt es nicht nur die DGV-Plakette 1936, son<strong>de</strong>rn<br />

für die bei<strong>de</strong>n Englän<strong>de</strong>r (Mitte) auch <strong>de</strong>n Hauptpreis <strong>de</strong>s „Führers und Reichskanzlers“<br />

versehrte hielten ihrerseits einen eingeschränkten <strong>Golf</strong>betrieb in Gang.<br />

Doch die nationale Euphorie ging weiter. Der einzige Kriegs-Verbandstag in Berlin feierte<br />

1942 eine neue Höchstzahl von 65 Clubs, in<strong>de</strong>m man <strong>de</strong>n Eroberungen <strong>de</strong>r Wehrmacht<br />

folgte und Clubaufnahmen von Straßburg und Luxemburg bis Kattowitz und Bled absegnete.<br />

Die <strong>Golf</strong>zeitung <strong>de</strong>s Bernhard von Limburger, in ihren Verlautbarungen immer einen<br />

Ton forscher als <strong>de</strong>r DGV selbst, schwärmte von <strong>Golf</strong>plätzen, die „unsere Truppen bei<br />

ihrem herrlichen Vormarsch“ erobert hätten. Die imperialistische Maxime vom „Volk ohne<br />

Raum“ korrespondierte mit <strong>de</strong>r Erwartung, „dass nach siegreichem Frie<strong>de</strong>nsschluss überall<br />

<strong>Golf</strong>plätze entstehen wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn sobald mehr Raum in Deutschland vorhan<strong>de</strong>n ist, wird<br />

damit die Hauptschwierigkeit für unseren Sport behoben sein“.<br />

Anfang 1943 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r „totale Krieg“ ausgerufen. Um <strong>de</strong>n <strong>Golf</strong>sport notdürftig aufrecht<br />

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