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100 JAHRE GOLF - Golf.de

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AbSCHLAG Am AbGrUND<br />

<strong>Golf</strong> im Dritten Reich: ein sportlicher<br />

Nebenschauplatz <strong>de</strong>s groß<strong>de</strong>utschen Wahns<br />

Von Volker Mehnert und Dietrich R. Quanz *<br />

<strong>100</strong> <strong>JAHRE</strong> <strong>GOLF</strong><br />

IN DEUTSCHLAND<br />

Man spielte <strong>Golf</strong>. Genauso wie man zur Arbeit o<strong>de</strong>r am Sonntag zur Kirche ging. Auch<br />

am Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>r <strong>Golf</strong>plätze vernahm man die kämpferischen Töne und die Direktiven <strong>de</strong>r<br />

politischen und sportlichen Führer - mit Entsetzen, Gleichgültigkeit o<strong>de</strong>r Enthusiasmus. Man<br />

hörte in Clubhäusern und auf Versammlungen die nationalistischen Sportparolen, und<br />

während die einen sich passiv daran gewöhnten, sahen an<strong>de</strong>re darin die Chance, ihrer<br />

Randsportart mehr Ansehen zu verschaffen. Man ließ <strong>de</strong>n Rauswurf jüdischer Mitglie<strong>de</strong>r<br />

aus <strong>de</strong>n Clubs geschehen: manch einer mit Wi<strong>de</strong>rwillen, an<strong>de</strong>re mit Wohlwollen, und<br />

wie<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re kassierten hemmungslos zurückgelassene Schläger und Bälle ein. <strong>Golf</strong> im<br />

Dritten Reich - das war die Freizeitbeschäftigung einer winzigen Min<strong>de</strong>rheit in schrecklicher<br />

Zeit, ein harmlos erscheinen<strong>de</strong>s Rädchen im Getriebe <strong>de</strong>r Kriegsvorbereitung, ein<br />

sportlicher Nebenschauplatz <strong>de</strong>s groß<strong>de</strong>utschen Wahns.<br />

Die Wirtschaftskrise von 1929 hatte auch <strong>de</strong>n <strong>Golf</strong>sport hart getroffen. Nach Jahren eines<br />

rauschen<strong>de</strong>n Aufschwungs gerieten <strong>de</strong>r Deutsche <strong>Golf</strong> Verband und viele seiner führen<strong>de</strong>n<br />

Repräsentanten in finanzielle Schwierigkeiten. Clubs bangten um ihre Existenz, Hun<strong>de</strong>rte<br />

von Mitglie<strong>de</strong>rn traten aus. Sogar <strong>de</strong>r Berliner Para<strong>de</strong>club am Wannsee, in <strong>de</strong>m sich die<br />

High Society <strong>de</strong>r Hauptstadt ein Stelldichein gegeben hatte, verlor seinen gesellschaftlichen<br />

Glanz und hatte plötzlich Schul<strong>de</strong>n in Höhe von einer halben Million Reichsmark.<br />

In <strong>de</strong>n Vereinen stan<strong>de</strong>n <strong>de</strong>shalb „Eisenbartkuren“ an, und Alfred Merton, 1932 zum<br />

Verbandspräsi<strong>de</strong>nten gewählt, musste <strong>de</strong>m DGV ein schmerzliches Sparprogramm verordnen.<br />

Sogar die Feierlichkeiten zum fünfundzwanzigjährigen Verbandsjubiläum wur<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>m „Ernst <strong>de</strong>r Zeit“ geopfert.<br />

1933: ein merkwürdiges <strong>Golf</strong>jahr<br />

Merton, wie sein Vorgänger Herbert Gutmann jüdischer Herkunft, musste schon bei seiner<br />

Amtsübernahme die Drohungen in nationalsozialistischen Propagandare<strong>de</strong>n vernehmen.<br />

En<strong>de</strong> Januar 1933 leitete er seinen einzigen Verbandstag als DGV-Präsi<strong>de</strong>nt. Noch prognostizierte<br />

er gutgläubig „eine günstige Weiterentwicklung“. Zwei Tage später, Hin<strong>de</strong>nburg<br />

hatte <strong>de</strong>n Staat <strong>de</strong>m nationalsozialistischen Reichskanzler überantwortet, begann die<br />

„tausendjährige Zeitrechnung“. Dennoch ließ sich oberflächlich offenbar eine gewohnte<br />

<strong>Golf</strong>saison spielen. Der Sportbetrieb auf Clubebene lief nach alten Regeln weiter, allerdings<br />

än<strong>de</strong>rten sich Dekor und Inszenierungen. Der Verband verharrte in staatsgläubigem<br />

Abwarten und übte sich in zeitgemäßen Verbeugungen; das Interesse blieb vorrangig auf<br />

<strong>de</strong>n eigenen Sport gerichtet.<br />

01


DGA Köln<br />

DGV-Präsi<strong>de</strong>nt Alfred Merton, Chef <strong>de</strong>r Frankfurter Metallgesellschaft,<br />

lädt zu seinem einzigen Verbandstag wenige Tage vor <strong>de</strong>r „Machtübernahme“ ein<br />

und wählt bald die Emigration<br />

Im Mai, <strong>de</strong>m Monat <strong>de</strong>r Bücherverbrennung, lief nicht nur die übliche <strong>Golf</strong>saison an. Geheime<br />

Protokolle <strong>de</strong>s Reichssportkommissariats vermerkten bereits einen „schwer verju<strong>de</strong>ten“<br />

<strong>Golf</strong>sport. Öffentlich kündigte <strong>de</strong>r von Hitler zum Reichssportführer berufene SA-Mann<br />

Hans von Tschammer und Osten die „Neuordnung Deutscher Leibesübungen“ an. Parallel<br />

zu Clubs und Verbän<strong>de</strong>n ermächtigte er auf allen Ebenen parteipolitische Beauftragte. Der<br />

Reichssportführer trat selbst als <strong>Golf</strong>er auf. Eine Son<strong>de</strong>rrolle für <strong>de</strong>n <strong>Golf</strong>sport schien <strong>de</strong>shalb<br />

möglich, zumal Hitlers Kalkül auf nützliche Wirtschaftspotenzen <strong>de</strong>r einflussreichen<br />

<strong>Golf</strong>klientel Rücken<strong>de</strong>ckung versprach.<br />

Dennoch schritten die neuen Machthaber auch auf <strong>de</strong>n Fairways zielstrebig voran. Der Frankfurter<br />

Unternehmer Paul Rott, später einer von zahlreichen „Wehrwirtschaftsführern“, machte<br />

im August 1933 im Schutz <strong>de</strong>r Gauleitung Südwest im Frankfurter <strong>Golf</strong>-Club kurzen Prozess.<br />

Angeblich legte <strong>de</strong>r Vorstand, <strong>de</strong>m auch Verbandspräsi<strong>de</strong>nt Merton angehörte, seine Ämter<br />

freiwillig nie<strong>de</strong>r, doch war es die parteipolitische Selbstermächtigung einer kleinen Clique,<br />

die drei Monate später von <strong>de</strong>r Clubversammlung einmütig abgesegnet wur<strong>de</strong>. Nach <strong>de</strong>n<br />

Frankfurter Manövern gegen angesehene Bürger jüdischer Herkunft war klar, was man <strong>de</strong>r<br />

<strong>Golf</strong>szene zumuten konnte.<br />

Dem Vorspiel am Main folgte im September auf Verbandsebene die Hauptaktion gegen <strong>de</strong>n<br />

schon in Frankfurt ausgegrenzten Merton. Beinahe stillschweigend wur<strong>de</strong> er abgelöst; rechtzeitig<br />

konnte er sich 1934 ins Exil absetzen. Scheinbar aus <strong>de</strong>m Nichts berief <strong>de</strong>r Reichssportführer<br />

<strong>de</strong>n Sektfabrikanten und Präsi<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>s Wiesba<strong>de</strong>ner <strong>Golf</strong>-Clubs, Karl Henkell,<br />

zum „Führer“ <strong>de</strong>s DGV. Vermutlich hatte man sich längst arrangiert, <strong>de</strong>r Zeitablauf spricht für<br />

eine langfristige Vorbereitung <strong>de</strong>s Coups: Im Juli schwärmte das Fachblatt „<strong>Golf</strong>“ vom Clubpräsi<strong>de</strong>nten<br />

Henkell, im August spielte Rott im Frankfurter Club die Verdrängung von Alfred<br />

Merton durch, und im September präsentierte von Tschammer <strong>de</strong>m Verband Karl Henkell.<br />

Wie er freilich auf ihn stieß, lässt sich nur spekulieren. Im Ersten Weltkrieg hatte sich Henkell<br />

als Rittmeister bei einem Gar<strong>de</strong>-Dragoner-Regiment mit E.K. I und II einige <strong>de</strong>r Sporen geholt,<br />

02


DGA Köln<br />

Karl Henkell, Chef <strong>de</strong>r Wiesba<strong>de</strong>ner Kellerei, lässt sich zum Führer <strong>de</strong>s <strong>Golf</strong>verban<strong>de</strong>s<br />

machen und verdrängt Alfred Merton<br />

03


DGA Köln<br />

<strong>Golf</strong>zeitung und Herrenjournal präsentieren einen<br />

modischen Verbandsführer mit <strong>Golf</strong>accessoire<br />

die im Dritten Reich zur Führerschaft prä<strong>de</strong>stinierten - abgesehen vom Parteieintritt im April<br />

1933. Außer<strong>de</strong>m gehörte Joachim Ribbentrop, <strong>de</strong>r außenpolitische Berater Hitlers, durch<br />

Einheirat zur Henkell-Familie und teilte <strong>de</strong>ren <strong>Golf</strong>lei<strong>de</strong>nschaft.<br />

„<strong>Golf</strong> Heil!“<br />

„Aufwärts!“ geht es, freute sich das Fachblatt „<strong>Golf</strong>“ unter <strong>de</strong>r Leitung von Bernhard von<br />

Limburger, weil <strong>de</strong>r <strong>Golf</strong>sport beim Umbau <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Sports nicht vergessen wür<strong>de</strong>.<br />

04


Henkell galt <strong>de</strong>r Redaktion als Garant für „Neues und Wertvolles.“ Der Verbandsführer<br />

<strong>de</strong>monstrierte seinerseits Kontinuität und berief Teile <strong>de</strong>s alten Präsidiums in seinen, allerdings<br />

nur mehr beraten<strong>de</strong>n, „Führerkreis“. En<strong>de</strong> 1933 machte <strong>de</strong>r DGV auch <strong>de</strong>n Clubs<br />

die Umstellung auf das Führerprinzip zur Pflicht. Einvernehmlich ließ <strong>de</strong>r Verbandstag<br />

1934 eine „Son<strong>de</strong>rermächtigung“ für <strong>de</strong>n Verbandsführer verlesen. Die Gewohnheit in<br />

Sportclubs und Sportverbän<strong>de</strong>n, einigen Bereitwilligen die Geschicke rund ums eigene<br />

Sporttreiben zu überlassen, mochte <strong>de</strong>n grundsätzlichen Umschwung <strong>de</strong>r Organisation in<br />

<strong>de</strong>n Kopfstand nur als unpolitische gymnastische Übung erscheinen lassen. Die Mehrheit<br />

hielt es wohl, gewollt naiv, mit <strong>de</strong>n Worten ihres Verbandsführers: „Was kann es Schöneres<br />

geben, als im Kreise von <strong>Golf</strong>ern nur über <strong>Golf</strong> zu re<strong>de</strong>n.“<br />

Im Einvernehmen mit <strong>de</strong>m Reichssportführer verkün<strong>de</strong>te Henkell hochtraben<strong>de</strong> Pläne:<br />

Deutschland sollte sich zu einer weltweit ebenbürtigen <strong>Golf</strong>nation mausern. Wie im ganzen<br />

NS-Staat sollte die Jugend vorangehen, eine Popularisierung <strong>de</strong>s <strong>Golf</strong>sports sollte folgen.<br />

Im Februar 1934 mel<strong>de</strong>te sogar die New York Times auf ihrer Titelseite: „<strong>Golf</strong> Decreed a<br />

National Sport by Nazis“. Das amtliche <strong>Golf</strong>organ in Deutschland verbreitete einen Aufruf<br />

an „die Führer unserer <strong>de</strong>utschen Städte: Baut <strong>Golf</strong>plätze!“ Die Zeitschrift konnte sich<br />

auch sonst kaum bremsen: „Ein gesun<strong>de</strong>r Geist weht im <strong>de</strong>utschen <strong>Golf</strong>. Das Ziel lautet:<br />

Weltgeltung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen <strong>Golf</strong>sports.“ Der DGV galt nun als zeitgemäße „Schmie<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

<strong>de</strong>utschen <strong>Golf</strong>sports“, und das Magazin hämmerte „<strong>Golf</strong>-Heil!“<br />

Die allgemeine Gau-Einteilung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Sports galt „bei <strong>de</strong>m kleinen und verstreuten<br />

Kreis unserer <strong>Golf</strong>gemein<strong>de</strong>“ allerdings nicht. Karl Henkell hatte offenbar <strong>de</strong>m Reichssportführer<br />

die Eigenart <strong>de</strong>r <strong>Golf</strong>strukturen und das darin vorhan<strong>de</strong>ne persönliche Netzwerk<br />

nahe gebracht. Auch die Regeln <strong>de</strong>s schottischen Royal and Ancient Club in St. Andrews<br />

durften weiterhin in Deutschland gelten, und die verbliebenen zwölf britischen <strong>Golf</strong>lehrer<br />

stan<strong>de</strong>n als spezielle Fachschaft im Schutz <strong>de</strong>s DGV. Auch das schon in <strong>de</strong>r Weimarer<br />

Zeit sprichwörtliche „Bä<strong>de</strong>rgolf“ in <strong>de</strong>n Kurorten sah sich unterstützt und einverleibt. Der<br />

Reichssportführer selbst ordnete <strong>de</strong>n <strong>Golf</strong>sport einem <strong>de</strong>r „wichtigsten Grundfeiler <strong>de</strong>s<br />

<strong>de</strong>utschen Wirtschaftsaufbaues - <strong>de</strong>r Frem<strong>de</strong>nindustrie“ zu. Der „Reichsausschuss für Frem<strong>de</strong>nverkehr“<br />

nahm <strong>de</strong>n <strong>Golf</strong>tourismus in seine Obhut und ermunterte ausländische und<br />

<strong>de</strong>utsche Gäste zum Reisen in <strong>de</strong>utschen Lan<strong>de</strong>n.<br />

Olympische <strong>Golf</strong>kulissen<br />

In Berlin 1936 sollte nach Paris 1900 und St. Louis 1904 <strong>Golf</strong> wie<strong>de</strong>r olympisch auftreten.<br />

So je<strong>de</strong>nfalls wollten es von Tschammer und Henkell. Doch selbst ein Reichssportführer<br />

konnte nicht einfach eine neue Sportart ins olympische Programm drücken, das IOC blieb<br />

bei seinem Nein. Der Reichssportführer schenkte <strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>n nichtolympischen Sportarten<br />

als Ersatz eine „Nacholympia<strong>de</strong>“, die unmittelbar nach <strong>de</strong>r Berliner Schlussfeier das Original<br />

imitieren sollte. Die traditionelle „Große Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>ner Sportwoche“ wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb<br />

olympisch aufgela<strong>de</strong>n, ein „Großer <strong>Golf</strong>preis“ ausgeschrieben. Die amerikanische Mannschaft<br />

blieb zuhause, Zu- und Absagen wechselten, einen Tag vor <strong>de</strong>r Eröffnung kam <strong>de</strong>r<br />

Verzicht <strong>de</strong>r Schweizer und Schwe<strong>de</strong>n. Teilnehmer waren schließlich Mannschaften aus<br />

England, Frankreich, Holland, Italien, <strong>de</strong>r Tschechoslowakei, Ungarn und Deutschland.<br />

Das Magazin „<strong>Golf</strong> Illustrated“ bezweifelte das Wehen <strong>de</strong>s olympischen Geistes und kritisierte<br />

die Teilnahme <strong>de</strong>r Englän<strong>de</strong>r an dieser Veranstaltung „zum Scha<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s <strong>Golf</strong>sports“.<br />

Zu <strong>de</strong>utlich waren die braunen „Ehrenpreise von <strong>de</strong>n höchsten Stellen <strong>de</strong>s Reiches“: von<br />

Hitler persönlich, vom Reichssportführer und vom Reichsstatthalter von Ba<strong>de</strong>n. Auf Zuschauer<br />

und Akteure wartete im Großen Preis ein Zählspiel über 72 Löcher für Zweierteams. Die<br />

Briten trugen <strong>de</strong>n Sieg davon. Karl Henkell schritt nach quasiolympischer Flaggenzeremonie<br />

zur Preisverteilung und überreichte <strong>de</strong>n Gewinnern <strong>de</strong>n „Führerteller“. Die bei<strong>de</strong>n britischen<br />

<strong>Golf</strong>spieler stiegen daraufhin zu Nationalhel<strong>de</strong>n auf, die es Hitler gezeigt hätten.<br />

Die „Daily Mail“ von Hull berichtete triumphierend: “The Fuhrer not amused.”<br />

05


Auch auf an<strong>de</strong>ren Ebenen wollten die Machthaber<br />

ihre zunehmen<strong>de</strong> internationale Isolierung<br />

mit Hilfe <strong>de</strong>s Sports überwin<strong>de</strong>n.<br />

In allen Sportarten fan<strong>de</strong>n <strong>de</strong>shalb<br />

<strong>de</strong>utlich mehr Län<strong>de</strong>rkämpfe statt. Der<br />

DGV-Führer vermeinte im <strong>Golf</strong>sport<br />

ein „kleines Teilchen zu <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong>nspolitik<br />

unseres Führers“ zu erblicken<br />

und forcierte „in nationaler<br />

Wür<strong>de</strong> freundschaftliche Verbindungen<br />

mit <strong>de</strong>n Nachbarstaaten“.<br />

Bei <strong>de</strong>utschen Verbands- und Clubwettspielen<br />

gab es bis 1939 zahlreiche<br />

ausländische Teilnehmer und<br />

Sieger. Noch nach <strong>de</strong>m Überfall auf<br />

Polen präsentierte die „Deutsche <strong>Golf</strong>zeitung“<br />

Henry Cotton, <strong>de</strong>n dreifachen<br />

Gewinner <strong>de</strong>r „Deutschen Offenen“, auf<br />

<strong>de</strong>m Titel. Hinter <strong>de</strong>m sportlichen Austausch<br />

aber hatte die Staatsmacht <strong>de</strong>n Aufmarsch<br />

längst vorbereitet.<br />

Noch während die olympischen und nacholympischen<br />

Sportkulissen abgeräumt<br />

wur<strong>de</strong>n, bereiteten die Nationalsozialisten<br />

die gna<strong>de</strong>nlose „Lösung <strong>de</strong>r Ju<strong>de</strong>nfrage“ im<br />

gesamten <strong>de</strong>utschen Sport vor - auch beim<br />

<strong>Golf</strong>verband. Bis 1936 galt prinzipiell die Regelung, „wonach <strong>Golf</strong>er nicht-arischer Abstammung,<br />

solange sie in moralischer, gesellschaftlicher und stadthistorischer Beziehung<br />

als einwandfrei gelten, selbstverständlich in <strong>de</strong>n Clubs verbleiben bzw. aufgenommen<br />

wer<strong>de</strong>n können. Laut Verordnung sind sie jedoch aus <strong>de</strong>n Vorstän<strong>de</strong>n und verantwortlichen<br />

Stellen zu entfernen.“ Nun aber, zum 1. Januar 1937, for<strong>de</strong>rten <strong>de</strong>r Reichssportführer<br />

und <strong>de</strong>r Führerkreis <strong>Golf</strong> die Vereine auf, <strong>de</strong>n „Reichsbürgerbrief“ als Bedingung für eine<br />

Mitgliedschaft in <strong>de</strong>n <strong>Golf</strong>clubs zu verlangen. Im Rahmen einer Mitglie<strong>de</strong>rerhebung musste<br />

Vollzug gemel<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Vereine folgten gehorsam und for<strong>de</strong>rten alle Mitglie<strong>de</strong>r ohne Reichsbürgerbrief auf,<br />

ihr Ausschei<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>n Clubs anzuzeigen. Die betroffenen jüdischen <strong>Golf</strong>er sollten sich<br />

also noch selbst abmel<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>n Erinnerungen <strong>de</strong>s <strong>Golf</strong>spielers Konrad Katzenellenbogen<br />

liest sich sein Club-Ausschluss in Berlin-Wannsee folgen<strong>de</strong>rmaßen: „Lei<strong>de</strong>r war es<br />

so, dass die Eliminierung <strong>de</strong>r jüdischen Leute nicht schweigend hingenommen wur<strong>de</strong>,<br />

son<strong>de</strong>rn von vielen freudig begrüßt wur<strong>de</strong>.“ Schon <strong>de</strong>r Jubiläumsartikel zum zehnjährigen<br />

Bestehen <strong>de</strong>s Berliner Wannsee-Clubs kannte 1936 nicht einmal mehr <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>r und<br />

langjährigen Präsi<strong>de</strong>nten Herbert Gutmann. Eine Schonfrist gab es zunächst noch für so<br />

genannte „Mischlinge“, <strong>de</strong>ren Vorfahren nicht <strong>de</strong>n rassistischen Konstruktionen <strong>de</strong>r Nazis<br />

zugeordnet wer<strong>de</strong>n konnten - natürlich nicht um ihrer selbst willen: Ihr Ausschluss hätte<br />

„<strong>de</strong>n völligen Zusammenbruch einer Reihe unserer größten und wichtigsten <strong>Golf</strong>clubs zur<br />

Folge“ gehabt.<br />

Das En<strong>de</strong> groß<strong>de</strong>utscher <strong>Golf</strong>-Euphorie<br />

Von 1934 bis 1944 wartet <strong>de</strong>r DGV mit<br />

Jahresplaketten auf, die größte<br />

erscheint 1936 mit Olympischen Ringen<br />

Entgegen <strong>de</strong>m damaligen Aufschwunggere<strong>de</strong> spiegeln die Bestandszahlen <strong>de</strong>s Deutschen<br />

<strong>Golf</strong> Verban<strong>de</strong>s im Jahrbuch 1939 einen kräftigen Rückgang <strong>de</strong>r Clubmitglie<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>r. Bis<br />

1936 gingen fast dreihun<strong>de</strong>rt von 4.900 <strong>Golf</strong>ern verloren. Von 1936 auf 1937 verringerte<br />

sich ihre Zahl nochmals um 450. Allein die Listen <strong>de</strong>s Berliner Wannsee-Clubs zeigen<br />

06<br />

DGA Köln (Foto: Stefan Heigl)


DGA Köln<br />

in <strong>de</strong>r Deka<strong>de</strong> bis zum Krieg einen Schwund von 1.350 auf nur noch 577 Mitglie<strong>de</strong>r. Die<br />

Differenz dürfte einen erheblichen Anteil an Verfolgten jüdischer Abstammung bergen.<br />

Ab 1938 wur<strong>de</strong> auf Führerbefehl <strong>de</strong>r gesamte Sport von <strong>de</strong>r Partei „betreut“, <strong>de</strong>r neue<br />

Briefkopf <strong>de</strong>s DGV lautete entsprechend: „Deutscher <strong>Golf</strong>verband im Nationalsozialistischen<br />

Reichsbund für Leibesübungen“. Im November 1938, kurz nach <strong>de</strong>r Pogromnacht,<br />

trat erstmals ein groß<strong>de</strong>utscher DGV auf, <strong>de</strong>r auch für Vereine in Österreich und <strong>de</strong>r Tschechoslowakei<br />

sprach und „in tiefer Freu<strong>de</strong> und mit beson<strong>de</strong>rem Stolz <strong>de</strong>n Zuwachs erstklassiger<br />

Meisterschaftsplätze“ begrüßte. Nach Kriegsbeginn for<strong>de</strong>rten <strong>de</strong>r DGV-Führerkreis<br />

und von Tschammer die Erhaltung <strong>de</strong>r Plätze und <strong>de</strong>s Clubbetriebs trotz personellen A<strong>de</strong>rlasses<br />

in Richtung Front. Meisterschaften fielen jedoch aus, <strong>Golf</strong>enthusiasten spielten nur<br />

noch Privatrun<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>n halbwegs hergerichteten Teilen <strong>de</strong>r Plätze. Militär und Kriegs-<br />

Beim Großen <strong>Golf</strong>preis in Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n gibt es nicht nur die DGV-Plakette 1936, son<strong>de</strong>rn<br />

für die bei<strong>de</strong>n Englän<strong>de</strong>r (Mitte) auch <strong>de</strong>n Hauptpreis <strong>de</strong>s „Führers und Reichskanzlers“<br />

versehrte hielten ihrerseits einen eingeschränkten <strong>Golf</strong>betrieb in Gang.<br />

Doch die nationale Euphorie ging weiter. Der einzige Kriegs-Verbandstag in Berlin feierte<br />

1942 eine neue Höchstzahl von 65 Clubs, in<strong>de</strong>m man <strong>de</strong>n Eroberungen <strong>de</strong>r Wehrmacht<br />

folgte und Clubaufnahmen von Straßburg und Luxemburg bis Kattowitz und Bled absegnete.<br />

Die <strong>Golf</strong>zeitung <strong>de</strong>s Bernhard von Limburger, in ihren Verlautbarungen immer einen<br />

Ton forscher als <strong>de</strong>r DGV selbst, schwärmte von <strong>Golf</strong>plätzen, die „unsere Truppen bei<br />

ihrem herrlichen Vormarsch“ erobert hätten. Die imperialistische Maxime vom „Volk ohne<br />

Raum“ korrespondierte mit <strong>de</strong>r Erwartung, „dass nach siegreichem Frie<strong>de</strong>nsschluss überall<br />

<strong>Golf</strong>plätze entstehen wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn sobald mehr Raum in Deutschland vorhan<strong>de</strong>n ist, wird<br />

damit die Hauptschwierigkeit für unseren Sport behoben sein“.<br />

Anfang 1943 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r „totale Krieg“ ausgerufen. Um <strong>de</strong>n <strong>Golf</strong>sport notdürftig aufrecht<br />

07


DGA Köln<br />

DGA Köln<br />

Das Meisterschaftsprogramm von 1938 schwelgt in Bild und Text im Zeitkolorit<br />

Das in Gaue eingeteilte Reich spiegelt sich im Wettspielprogramm


DGA Köln<br />

Das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r <strong>Golf</strong>zeitung Bernhard von Limburgers im März 1943 (Ausschnitt)<br />

DGA Köln<br />

Das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r <strong>Golf</strong>zeitung Bernhard von Limburgers im März 1943<br />

(kleinerer Ausschnitt)


DGA Köln<br />

DGV-Liste: Platz- und<br />

Clubhaussituation 1944


zu erhalten, kämpfte man für das Prädikat „kriegswichtig“. Deshalb bot <strong>de</strong>r DGV seinen<br />

Clubs Kurse für „<strong>Golf</strong> als Versehrtensport“ an. Doch die Bemühungen waren zum Scheitern<br />

verurteilt. Angesichts landwirtschaftlicher o<strong>de</strong>r militärischer Nutzung versuchte man<br />

an Plätzen zu erhalten, was zunehmend nicht mehr zu halten war. Eine Tagesparole <strong>de</strong>s<br />

Führerhauptquartiers vom 12. Februar 1943 unterband schließlich die Berichterstattung<br />

über die Sportarten Pfer<strong>de</strong>rennen, Tennis und <strong>Golf</strong>. Dem folgte das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r „Deutschen<br />

<strong>Golf</strong>zeitung“. Der Verbandstag 1944 wur<strong>de</strong> nicht mehr zugelassen.<br />

<strong>Golf</strong> stand mit <strong>de</strong>m Rücken zur Wand, da verlor <strong>de</strong>r DGV auch seinen Führer: Das Betriebsgelän<strong>de</strong><br />

in Wiesba<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> von Streubomben getroffen und Karl Henkell so verletzt,<br />

dass er am 10. Februar 1944 starb. Sein kommissarisch aufgerückter Vize Burchard-<br />

Motz aus Hamburg stand vor <strong>de</strong>n Scherben eines Verban<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r passiv und aktiv <strong>de</strong>m<br />

„schönen Schein“ <strong>de</strong>r Machthaber im In- und Ausland gedient hatte und zusammen mit <strong>de</strong>r<br />

Nation an <strong>de</strong>n Abgrund geraten war.<br />

* Der vorliegen<strong>de</strong> Text entstand auf Grundlage <strong>de</strong>r vierbändigen Chronik „<strong>100</strong> Jahre <strong>Golf</strong> in Deutschland“,<br />

die 2007 anlässlich <strong>de</strong>s hun<strong>de</strong>rtjährigen Jubiläums <strong>de</strong>s Deutschen <strong>Golf</strong> Verban<strong>de</strong>s erscheint.

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