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Themenwoche Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit ist unverzichtbar. Der Münchner Merkur und die tz haben in einer Themenwoche viele Aspekte beleuchtet, von grüner Geldanlage bis E-Bikes.

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MOBIL<br />

FÜRS<br />

KLIMA<br />

Leserthema: „Mobilität und nachhaltiges Reisen“ Nr. 124 | Wochenende, 1. / 2. Juni 2024<br />

Schöner Schrott<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> trifft auf Funktionalität: Wenn aus Auto-Abfällen trendige Accessoires werden<br />

Sicherheitsgurte als Trageriemen, Airbags<br />

als Einkaufstaschen oder Armbänder<br />

aus Altmetall: Findige Designer<br />

machen aus ausrangierten Autos neue<br />

Produkte und treiben so die Idee<br />

vom Upcycling voran. Glaubt<br />

man Frank Weber, steht das<br />

Auto schon wieder vor einer<br />

Revolution. Denn neben<br />

der Digitalisierung und der<br />

Elektrifizierung werde die<br />

Kreislauftauglichkeit zu einer<br />

immer bedeutenderen Eigenschaft<br />

künftiger Produkte, sagt der<br />

BMW-Entwicklungsvorstand. Der Industrie<br />

gehen, so die vorherrschende Meinung<br />

in den Vorstandsetagen verantwortungsbewusster<br />

Unternehmen, so langsam<br />

die Materialien aus, um immer neue Autos<br />

aus immer neuen Rohstoffen zu bauen.<br />

Vom Energieaufwand und dem CO 2<br />

-Fußabdruck<br />

ganz zu schweigen.<br />

Deshalb rückt die Wiederverwertbarkeit<br />

am Ende des Lebenszyklus schon vor<br />

dessen Beginn zunehmend in den Fokus.<br />

Etwa wenn Weber noch in diesem Jahr<br />

das Tuch vom ersten Serienmodell der sogenannten<br />

„Neuen Klasse“ zieht, mit der<br />

BMW sich neu erfinden will. So soll diese<br />

Fahrzeuggeneration deshalb auch beim<br />

Recycling-Anteil und bei der Recycling-<br />

Fähigkeit neue Maßstäbe setzen. Und<br />

damit sind die Bayern nicht alleine. Volvo<br />

EX30, Fisker Ocean oder der nächste<br />

Mercedes CLA – überall hört man ähnliche<br />

Ankündigungen.<br />

Alt-Autoteile werden<br />

zu modischen Accessoires<br />

An so einem großen Rad kann Adrian<br />

Goosses zwar nicht drehen. Doch auch der<br />

Kölner leistet seinen Beitrag, den Kreislauf zu<br />

schließen und dessen Umschlag zu beschleu-<br />

Nachhaltig<br />

und kreativ:<br />

Designer machen<br />

aus ausrangierten<br />

Autoteilen<br />

modische<br />

Accessoires.<br />

Die Re:Style-Kollektion von Hyundai – entworfen von Jeremy Scott aus alten Fahrzeugteilen.<br />

Foto: dpa / Hyundai<br />

nigen. Zusammen mit Michael Widmann aus<br />

Bozen hat er dafür vor rund sechs Jahren die<br />

Firma Airpaq gegründet und verwandelt den<br />

Abfall der Autoindustrie in modische Accessoires.<br />

Vor allem Sicherheitsgurte, Gurtschlösser<br />

und Airbag-Gewebe haben es den beiden<br />

angetan. Daraus lassen sie unter anderem<br />

Rücksäcke, Gürteltaschen oder Fliegen und<br />

Einstecktücher schneidern, die dann online,<br />

über den Fachhandel und teilweise auch<br />

über Autohäuser verkauft werden. Eine Fliege<br />

mit Einstecktuch etwa kostet 40 Euro, die<br />

Rucksäcke starten aktuell bei rund 100 Euro.<br />

Sie gehören zu der wachsenden Anzahl<br />

an Unternehmen und Kreativen, die das<br />

Recycling zum Trend ausrufen und alte<br />

Stoffe durch Veredlung aufwerten wollen.<br />

„Wir nennen das deshalb nicht Re-, sondern<br />

Upcycling“, sagt Goosses und kann über<br />

Nachschub nicht klagen: Jedes Jahr werden<br />

alleine in Deutschland laut Umweltbundesamt<br />

etwa 501 658 Tonnen Autoschrott zu<br />

Abfall, sagt der Firmengründer.<br />

„Wir verwenden Teile dieses Schrotts und<br />

kombinieren ihn mit ästhetischem Design<br />

und sinnvollen Funktionen.“ Heraus komme<br />

ein nachhaltiges Upcycling-Produkt, mit dem<br />

kostbare Ressourcen geschont würden und<br />

Müll reduziert werde. Ganz nach dem Motto:<br />

„Schrott sei Dank, die Reise geht weiter!“<br />

Autohersteller sind im<br />

Upcycling-Geschäft aktiv<br />

Während sich Airpaq vor allem auf Taschen<br />

und Beutel beschränkt, legt der koreanische<br />

Hersteller Hyundai zusammen mit Modemarken<br />

und -designern seit 2019 alljährlich<br />

eine ganze Kollektion an Upcycling-Artikeln<br />

auf. Die wurde zum Beispiel über den<br />

Online- Store des britischen Luxuskaufhauses<br />

Sefridges weltweit angeboten. Zur Auswahl<br />

gehörten nach Angaben des Herstellers bislang<br />

unter anderem ein Korsett aus recyceltem<br />

Airbag-Gewebe, Halsketten, Halsbändern<br />

und Armreifen, gefertigt mit Teilen von<br />

Sicherheitsgurten, Autoglas und Schaumstoffen<br />

oder eine Tragetasche aus Gurtgewebe<br />

und Schaumstoffresten.<br />

Und 2023 haben die Koreaner Jeremy<br />

Scott vom italienischen Modelabel Moschino<br />

als Partner für die Aktion Re:Style gewonnen:<br />

Mit Teilen von Rädern, Sicherheitsgurten,<br />

Rücklichtern und Scheibenwischern,<br />

die bei der Produktion von Elektrofahrzeugen<br />

wie den Kona entstanden sind, habe er<br />

Haute Couture entworfen und so die Aufmerksamkeit<br />

für das Thema gesteigert, lobt<br />

Hyundai-Designchef SangYup Lee.<br />

Direkt von der Quelle –<br />

hier kommen die Werkstoffe her<br />

Egal, ob Rucksack oder Rock, Halskette<br />

oder Gürteltasche – zwar sind das alles<br />

schöne Schrott-Ideen und alle folgen sie<br />

dem Ideal des Upcyclings. Doch aus ausgedienten<br />

Autos stammt das Material dabei<br />

nur zum kleinsten Teil. Stattdessen bezieht<br />

Airpaq-Chef Goosses seine Airbagstoffe zum<br />

Beispiel direkt vom Lieferanten der Autohersteller,<br />

die ihm alle jene Bahnen überlassen,<br />

die durch die bei Sicherheitsbauteilen besonders<br />

strenge Qualitätskontrolle fallen.<br />

„Die haben dann zwar keine ganz so schöne<br />

Geschichte zu erzählen“, räumt der Müllexperte<br />

und Modemacher ein, „sind aber in<br />

der Bilanz noch umweltfreundlicher, weil sie<br />

gar nicht erst verarbeitet wurden und direkt<br />

auf den Müll gekommen wären.“ Und so<br />

ganz ohne den Besuch auf dem Schrottplatz<br />

kommt er trotz zunehmender Bekanntheit,<br />

stabilerer Lieferantenbeziehungen und<br />

wachsendem Recycling-Bewusstsein noch<br />

nicht aus: „Die Gurtschlösser holen wir genau<br />

wie die Sicherheitsgurte tatsächlich aus<br />

alten Autos.“<br />

DPA / MB

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