matthäuspassion 1112 - Gürzenich Orchester
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Wiederentdeckung wurde zu Recht als »Markstein im Konzertleben<br />
Deutschlands, ja der ganzen Welt« bezeichnet. An ihr lässt sich<br />
sicherlich auch die BachRenaissance der letzten zwei Jahrhunderte<br />
festmachen, wenngleich durch diese Tat nicht Bach und seine<br />
Musik als Ganzes wiederentdeckt wurden. Denn Bach war vor der<br />
Wiederaufführung der MatthäusPassion 1829 keineswegs völlig<br />
vergessen, wie man oft liest. Natürlich spielten seine Werke in<br />
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Musikleben keine<br />
wichtige Rolle, dafür waren sie in den Ohren vieler Musikfreunde<br />
zu verzopft und unmodern. Natürlich wurden seine Kantaten und<br />
anderen Chorwerke selbst in Leipzig immer seltener aufgeführt<br />
und mehr und mehr für »unspielbar« gehalten. Aber in den Kreisen<br />
der Kenner und Spezialisten lebte seine Musik fort, ganz besonders<br />
seine Klavier und Orgelmusik. In diesen Kreisen wurde<br />
Bachs Musik gegen Ende des 18. Jahrhunderts mehr und mehr<br />
als repräsentatives, nationales Kulturgut verstanden, das es zu<br />
tradieren galt.<br />
Die legendäre Wiederaufführung der MatthäusPassion fand am<br />
11. März 1829 unter der Leitung des damals gerade zwanzigjährigen<br />
Felix Mendelssohn in der Berliner Singakademie statt. Der<br />
Chor der Singakademie hatte zu diesem Zeitpunkt schon eine<br />
gewisse BachErfahrung. Ihr Leiter, Carl Friedrich Zelter, war bald<br />
nach seiner Amtsübernahme im Jahr 1800 daran gegangen, Vokalmusik<br />
Bachs einzustudieren, wenngleich in bearbeiteter, d.h. dem<br />
Zeitgeschmack angepasster Form. So lernte der junge Mendelssohn,<br />
der schon als Jugendlicher dem Chor der Singakademie<br />
beitrat, Bachs Musik (zumindest in Auszügen) kennen und schätzen.<br />
Besonders begeisterte er sich für die MatthäusPassion und<br />
erhielt prompt von seiner Großmutter 1823 eine Abschrift davon<br />
zum Geschenk. Mendelssohns Begeisterung ist nur symptomatisch<br />
für das damals in Berlin unter »Kennern« grassierende Bach<br />
Fieber. Als er 1829 daran ging, dieses »grösste und heiligste Werk<br />
des grössten Tondichters«, wie es in einem Pressebericht hieß,<br />
aufzuführen, konnte er also auf Zustimmung von Seiten der Fachleute<br />
rechnen. In der Presse war diese Aufführung mit Superlativen<br />
gebührend vorbereitet worden, nicht zuletzt auch, weil das breite<br />
Publikum erst noch für den damals immer noch als trocken und<br />
unverständlich geltenden Stil des Thomaskantors gewonnen<br />
werden musste.