matthäuspassion 1112 - Gürzenich Orchester
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Lange Zeit hat man angenommen, die MatthäusPassion sei am<br />
Karfreitag des Jahres 1729 erstmals aufgeführt worden, ein<br />
Datum, das im 19. Jahrhundert ins Spiel gekommen war. Als Felix<br />
MendelssohnBartholdy 1829 die MatthäusPassion erstmals in<br />
neuerer Zeit wieder aufführte, wurde behauptet, dies habe exakt<br />
hundert Jahre nach der Erstaufführung stattgefunden. Angeblich<br />
sei dieses Datum durch einen alten Kirchentext (wahrscheinlich<br />
ein heute verlorenes Textheft zu einer Aufführung) belegt. Dass<br />
die von Bach in der MatthäusPassion vertonten poetischen Texte<br />
der Rezitative, Arien und Chöre von Christian Friedrich Henrici zu<br />
Ostern 1729 in einem Sammelband veröffentlicht wurden, schien<br />
diese Datierung zu untermauern. Doch hat die Bachforschung<br />
des letzten halben Jahrhunderts Indizien zu Tage gefördert, die<br />
Zweifel an dieser Jahreszahl aufkommen lassen. Inzwischen<br />
tendiert man dazu, den Karfreitag des Jahres 1727 als das Datum<br />
der ersten Aufführung anzunehmen.<br />
Die heute bekannte Gestalt der MatthäusPassion ist allerdings<br />
das Ergebnis einer Wiederaufführung in der Thomaskirche neun<br />
Jahre später. Bach ersetzte dabei den einfachen Choralsatz<br />
»Jesum laß ich nicht von mir«, der ursprünglich den ersten Teil<br />
abschloss, durch die große Choralbearbeitung »O Mensch, bewein<br />
dein Sünde groß«, die einmal in der zweiten Fassung der Johannes<br />
Passion als Einleitungschor gedient hatte, und er unterstrich<br />
die doppelchörige Struktur des Werks dadurch, dass er jedem Chor<br />
seine eigene GeneralbassGruppe zuordnete. Außerdem übertrug<br />
er die Choralzeilen der Rahmenchöre des ersten Teils (»Kommt ihr<br />
Töchter«, »O Mensch, bewein«) einem dritten, nur aus Sopranstimmen<br />
und Orgel bestehenden Chor, der räumlich getrennt von<br />
den übrigen aufgestellt war. Gesamtanlage und Libretto wurden<br />
1736 jedoch nicht angetastet und gehen somit auf das Jahr der<br />
ersten Aufführung zurück.<br />
Am Libretto des Leipziger Postbediensteten Christian Friedrich<br />
Henrici genannt Picander (1700–1764) dürfte Bach mitgewirkt<br />
haben, zumindest was den musikalischen Ablauf betraf. Beide<br />
Männer standen auf vertrautem Fuß miteinander und hatten<br />
schon vor der MatthäusPassion zusammengearbeitet, beispielsweise<br />
bei der Geburtstagskantate für den Herzog Christian von<br />
SachsenWeißenfels, »Entfliehet, verschwindet, entweichet, ihr<br />
Sorgen« BWV 249a aus dem Jahr 1725. Im selben Jahr noch<br />
veröffentlichte Henrici auch einen Passionstext unter dem Titel<br />
»Erbauliche Gedancken Auf den Grünen Donnerstag und Charfrey