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E - des Förderkreises Thomanerchor Leipzig eV

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07 2011<br />

8 0 0 J a h r e T h o m a n a I n T e r v I e w m I T a n n e T T e h o f m e I s T e r<br />

Thomaner<br />

www.thomanerchor.de Schutzgebühr 2 Euro<br />

Jou r nal<br />

Johann sebasTIan bach – KanTaTe bwv 188 ThomasKanTor erhard mauersberger


Passauer Neue Presse 01.07.2011<br />

Straubinger Tagblatt 02.07.2011<br />

Sächsische Zeitung 04.07.2011<br />

Nordbayerischer Kurier 03.07.2011<br />

<strong>Leipzig</strong>er Volkszeitung 30.07.2011<br />

Rhein-Zeitung<br />

Rhein-Zeitung<br />

Liebe Freunde und Förderer <strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es,<br />

seit einiger Zeit dreht es sich bei allem, das etwas mit dem<br />

Namen »Thomas« zu tun hat, um das Jubiläum 2012. So ist<br />

auch diese siebte Ausgabe <strong>des</strong> Thomaner-Journals davon geprägt,<br />

was beim Begehen von Gedenktagen wesentlich ist:<br />

das Zurückschauen und das Vorausschauen.<br />

Die Programme <strong>des</strong> Chores in dem besonderen Jahr werden<br />

von diesen zwei Grundsätzen geprägt sein: Zum einen<br />

bin ich bestrebt, von jedem komponierenden Thomaskantor<br />

wenigstens ein Werk aufzuführen. Dass dabei Johann<br />

Sebastian Bach, der Kantor aller Kantoren, immer präsent<br />

sein wird, versteht sich von selbst. In diesem Heft ist auch<br />

von dem Thomaskantor die Rede, unter <strong>des</strong>sen Leitung ich<br />

die längste Zeit meines Thomasserlebens gesungen habe:<br />

Erhard Mauersberger.<br />

Andererseits ist von den großen Uraufführungen zu<br />

lesen, für die wir Komponisten aus verschiedenen Regionen<br />

der Welt beauftragt haben, sich in eine ähnliche Situation<br />

wie Bach zu begeben: Sie wurden gebeten, für einen<br />

bestimmten kirchlichen Festtag eine Musik zu schreiben,<br />

die im Gottesdienst der Thomaskirche uraufgeführt wird.<br />

Wie einst Bach sind sie natürlich in der Wahl der musikalischen<br />

Mittel frei, was den Aspekt <strong>des</strong> »Vorausschauens«<br />

unterstreichen soll – wir sind sehr gespannt.<br />

Vorausschauend ist für uns auch die Entwicklung <strong>des</strong><br />

Kindergartens und der Grundschule Forum Thomanum<br />

interessant. Ein Interview mit der Schulleiterin ist in diesem<br />

Heft zu fi nden, ebenso wie Berichte über die Aktivitäten der<br />

Nachwuchsgewinnung und <strong>des</strong> <strong>Förderkreises</strong> <strong>Thomanerchor</strong>,<br />

womit die Gestaltung der Zukunft unterstrichen wird.<br />

Ich möchte alle einladen, mit uns dieses besondere Jahr<br />

zu begehen und sich der einmaligen Bedeutung dieses Ereignisses<br />

bewusst zu sein. Die Einladung richtet sich nicht<br />

allein an Freunde der Chormusik; vielmehr sind Menschen<br />

angesprochen, die sich nicht nur »für guten Klang« interessieren.<br />

Der <strong>Thomanerchor</strong> ist mehr als ein berühmter<br />

Chor – er ist die lebendige Verbindung zwischen Geschichte<br />

und Zukunft.<br />

Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen<br />

Thomaskantor Georg Christoph Biller<br />

10 18<br />

inhalt / vor wor t<br />

Kurz berichtet 4<br />

thomaner-leben<br />

Sommerreise 2011 9<br />

Wie wird man Thomaner? 10<br />

Eigentlich würde ich lieber bleiben 14<br />

veranstaltungsKalender 16<br />

thomaner-leben<br />

800 Jahre Thomana 18<br />

cd-tipp<br />

Das Kirchenjahr mit Johann Sebastian Bach 21<br />

interview<br />

Annette Hofmeister: Schulleiterin der<br />

Grundschule Forum Thomanum 22<br />

motette/Kantate<br />

Max Pommer über die Kantate BWV 188 24<br />

thomasKantor<br />

Erhard Mauersberger 26<br />

abgänge <strong>des</strong> thomanerchores 28<br />

forum thomanum 29<br />

förderKreis thomanerchor 31<br />

zu guter letzt 32<br />

22<br />

26<br />

3


4 Kurz berichtet<br />

Der <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong> sang in der Rotkäppchen-Sektkellerei in Freyburg Werke von Bach, Bruckner, Mendelssohn, Liszt und Wagner.<br />

Johannissingen<br />

Die Tradition <strong>des</strong> Johannissingens<br />

wurde auf Anregung<br />

von Thomaskantor<br />

Georg Christoph Biller am<br />

Johannistag, 24. Juni 2011,<br />

wiederbelebt: Vor der<br />

Freitagsmotette trafen die<br />

Thomaner mit dem Knabenchor<br />

<strong>des</strong> Nidarosdoms<br />

zu Trondheim/Norwegen<br />

am Bachdenkmal zusammen,<br />

um dort gemeinsam zu<br />

singen. Das Wetter jedoch<br />

begrüßte die Chöre mit<br />

einem Platzregen, so dass<br />

das Johannissingen spontan<br />

in den Altarraum der<br />

Thomaskirche verlegt<br />

wurde. Nach dem Umzug<br />

intonierten beide Ensembles<br />

Choräle aus »Jesu, meine<br />

Freude« und den feierlichen<br />

Hymnus »Alta Trinita<br />

Beata«. Am Abend war<br />

Nidarosdomens Guttekor,<br />

der führende Knabenchor<br />

Norwegens mit 900-jähriger<br />

Tradition, beim Konzert in<br />

der Nikolaikirche zu<br />

erleben.<br />

S ommergastspiele<br />

Der <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong> konzertierte im<br />

September 2011 in Rötha, Merseburg und<br />

Freyburg. In der Röthaer Georgenkirche<br />

sangen sie ein Programm mit Werken von<br />

Antonio Scarlatti, Giovanni Pierluigi da<br />

Palestrina, Johann Sebastian Bach, Felix<br />

Mendelssohn Bartholdy, Anton Bruckner,<br />

Franz Liszt und Georg Christoph Biller.<br />

Der Erlös kam der Marienkirche und<br />

ihrer Silbermann-Orgel zugute. An dem<br />

wunderbaren Instrument, das einst<br />

Mendelssohn spielte, war Thomasorganist<br />

Ullrich Böhme mit Werken Johann<br />

Sebastian Bachs und <strong>des</strong>sen Lehrers<br />

Georg Böhm zu hören. Im Rahmen der<br />

Merseburger Orgeltage dirigierte Thomaskantor<br />

Georg Christoph Biller darüber<br />

hinaus Werke von Richard Wagner.<br />

Anlässlich von Liszts 200. Geburtstag<br />

erklangen <strong>des</strong>sen »Seligpreisungen« für<br />

Bariton (Stephan Heinemann), Chor und<br />

Orgel. Thomasorganist Ullrich Böhme<br />

spielte beim Konzert im Merseburger Dom<br />

Orgelwerke von Johann Sebastian Bach<br />

und Franz Liszt an der Ladegast-Orgel.<br />

Des Weiteren gastierten die Thomaner im<br />

stimmungsvollen Lichthof der Rotkäppchen-Sektkellerei<br />

in Freyburg/Unstrut und<br />

brachten Stücke von Bach, Mendelssohn,<br />

Bruckner, Liszt und Wagner zur Aufführung.<br />

Alexandra Oehler spielte den<br />

Klavierzyklus »Consolations« von Franz<br />

Liszt. Zudem erklangen beliebte Volksliedsätze<br />

wie »Sah ein Knab’ ein Röslein<br />

steh’n«, »Der Mond ist aufgegangen« oder<br />

»Wenn alle Brünnlein fließen«.<br />

P<br />

Claudia Brötzmann und Kirsten Hanson<br />

gehören seit dem Frühjahr 2011 zum<br />

Mitarbeiterteam <strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es.<br />

Claudia Brötzmann (rechts im Bild)<br />

arbeitet als Buchhalterin in der Verwaltung<br />

<strong>des</strong> Chores. Kirsten Hanson (links im Bild)<br />

verstärkt das künstlerische Betriebsbüro<br />

und organisiert und koordiniert Reisen<br />

und Veranstaltungen.<br />

ersonalia<br />

Konzer t zum 261. to<strong>des</strong>tag<br />

Der To<strong>des</strong>tag <strong>des</strong> Thomaskantors Johann<br />

Sebastian Bach jährte sich am 28. Juli 2011<br />

zum 261. Mal. Dieser Tag gibt je<strong>des</strong> Jahr<br />

erneut Anlass, <strong>des</strong> großen Komponisten zu<br />

gedenken. Thomaskantor Georg Christoph<br />

Biller lädt traditionell zu diesem Konzert in<br />

die Thomaskirche zu <strong>Leipzig</strong> ein. In dem<br />

Kooperationsprojekt zwischen dem Mitteldeutschen<br />

Rundfunk (MDR) – der das<br />

Konzert live im MDR-Hörfunk ausstrahlte<br />

–, dem Bach-Archiv <strong>Leipzig</strong>, der Thomaskirche<br />

und der Rotkäppchen Sektkellerei<br />

war jedoch, anders als in den Vorjahren,<br />

keine große, sondern eine kammermusikalische<br />

Besetzung zu erleben, die an<br />

Bachsche Verhältnisse denken ließ. Nur<br />

zwölf Sängerinnen und Sänger, darunter<br />

die beiden Sopranistinnen Gesine Adler und<br />

Reglint Bühler, die Ensembles de Morales<br />

und Nobiles, sowie das siebenköpfige<br />

Instrumentalensemble Noema unter<br />

Leitung von Biller interpretierten das<br />

anspruchsvolle Programm. Dem Anlass<br />

angemessen sorgten die Choralbearbeitung<br />

»Vor deinen Thron tret’ ich« BWV 668<br />

und die Kantate »Gottes Zeit ist die aller-<br />

beste Zeit« BWV 106 für eine besinnliche<br />

Stimmung. Im Zentrum <strong>des</strong> Programms<br />

standen ausgewählte Contrapunkte aus der<br />

»Kunst der Fuge« BWV 1080, Bachs letztem<br />

Werk. Dabei verzichtete Biller auf eine ver-<br />

vollständigte Version der letzten Fuge und<br />

ließ die Stimmen abbrechen, wo dem<br />

großen Meister einst die Kraft fehlte.<br />

Nach kurzem Eingedenken stimmten die<br />

Sänger die Choralbearbeitung an, die zu<br />

Beginn <strong>des</strong> Konzertes von der Orgel kam.<br />

Symbolischer kann ein Gedenkkonzert<br />

nicht sein. Die Konzertbesucherin<br />

Hildegard Tiggemann schreibt nach diesem<br />

Konzert in einem Brief an Thomaskantor<br />

Biller: »Mein Anliegen ist es, Ihnen zu<br />

sagen, dass ich noch nie ein Konzert erlebt<br />

habe, das bereits im Vornhinein mich so<br />

bewegt hat. Die Zusammenstellung –<br />

Einfassen <strong>des</strong> Ganzen mit dem Orgelchoral<br />

– allein das ist einmalig schön, ausdrucksvoll,<br />

ja bei mir Herz treffend. Die Ausführung<br />

(wie gut der Sopran!) ist gelungen.<br />

Jedoch die ganze Zusammenstellung war<br />

aus einem herzanregenden Anliegen heraus<br />

gestaltet, die gesungenen Kontrapunkte<br />

einzigartig schön. Dafür möchte ich Ihnen<br />

sehr danken.«<br />

thomanerchor-zelt<br />

Der <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong> hat seit diesem Jahr ein eigenes Informations- und Verkaufszelt.<br />

Zu den Motetten in der Thomaskirche und bei zahlreichen Konzerten außerhalb<br />

<strong>Leipzig</strong>s stellte der Chor seine umfangreichen CD-Einspielungen und Neuheiten vor.<br />

Darüber hinaus konnten sich die Besucher über das Leben der Thomaner und den<br />

Förderkreis <strong>Thomanerchor</strong> informieren. Die CDs sowie das aktuelle Thomaner-Journal<br />

wurden zum Verkauf angeboten. Bereits während der großen Sommerreise präsentierten<br />

sich die Thomaner mit ihrem neuen Stand, der, bereits von Weitem sichtbar, Anlaufpunkt<br />

für zahlreiche Besucher war. Der Förderkreis <strong>Thomanerchor</strong> und Rondeau Production<br />

haben das Zelt realisiert.<br />

Kurz berichtet<br />

Straube-legat<br />

für paul bernewitz<br />

Thomaner Paul Bernewitz<br />

erhielt im Mai 2011 das<br />

Straube-Legat. Paul tritt<br />

unter anderem als herausragender<br />

Sopransolist in<br />

Erscheinung und ist bereits<br />

auf zahlreichen CD-Aufnahmen<br />

<strong>des</strong> Chores<br />

solistisch zu hören. Die<br />

Verleihung <strong>des</strong> Legats fand<br />

im Rahmen der Jahreshauptversammlung<br />

<strong>des</strong><br />

<strong>Förderkreises</strong> statt. Das<br />

Straube-Legat zeichnet<br />

die Thomaner aus, die<br />

besondere Leistungen auf<br />

musikalischem Gebiet<br />

zeigen sowie die Traditionen<br />

<strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es<br />

pflegen und fördern.<br />

Ehemalige Thomaner,<br />

die zu Karl Straubes<br />

Zeiten als Thomaskantor<br />

(1918–1939) Chormitglieder<br />

waren, stifteten<br />

1995 gemeinsam mit dem<br />

Förderkreis <strong>Thomanerchor</strong><br />

dieses Legat.<br />

5


6 Kurz berichtet<br />

literatur-hinweis<br />

Claus-Jürgen Wizisla,<br />

Alumne von 1942 bis 1949<br />

und Gastsänger im Chor<br />

bis 1952, hat 2011 seine<br />

Biographie unter dem Titel<br />

»Wer stellt eigentlich die<br />

Weichen? Mein spannen<strong>des</strong><br />

Leben als Pfarrer in<br />

der DDR« veröffentlicht.<br />

Er schildert darin unter<br />

anderem, wie der Chor<br />

die Kriegszeit mit<br />

der Bombennacht vom<br />

4. Dezember 1943, der<br />

Evakuierung in Grimma<br />

und die Hungerjahre nach<br />

dem Krieg bestanden hat.<br />

In seinem Abiturjahr<br />

hat er miterlebt, dass der<br />

Rat der Stadt die Andachten<br />

und Tischgebete verbieten<br />

wollte, aber Thomaskantor<br />

Günther Ramin sich für<br />

ihre Beibehaltung einge-<br />

setzt hat. Wizisla hat als<br />

junger Pfarrer in <strong>Leipzig</strong><br />

die Schikanen <strong>des</strong><br />

DDR-Regimes zu spüren<br />

bekommen, als er in der<br />

offenen Jugendarbeit<br />

tätig war. Er war später<br />

Leiter einer kirchlichen<br />

Aus- und Weiterbildungsstätte<br />

und der evangelischen<br />

Beratungsarbeit in der<br />

DDR. Das Buch kann beim<br />

Autor telefonisch unter<br />

03322–3838 (Anruf -<br />

be antworter) bestellt<br />

und auf Spendenbasis<br />

bezogen werden.<br />

Thomaner feiern Kastenfest<br />

Die Thomanern feiern ihr sommerliches Kastenfest wie eh und je, auch wenn sie derzeit<br />

nicht in ihrem angestammten »Kasten«, dem Alumnat in der Hillerstraße, wohnen,<br />

sondern übergangsweise im Containerdorf an der Sebastian-Bach-Straße. In der ersten<br />

Septemberwoche war es so weit: Aus Platzgründen wurde dieses Fest vor allem auf der<br />

Bach-Straße gefeiert, die an diesem Tag für den öffentlichen Verkehr gesperrt war.<br />

Thomaner, die Posaunen und Trompeten aufspielten, eröffneten die traditionelle Feier<br />

mit festlicher Bläsermusik. Nach Kaffee und Kuchen fand das Fußballspiel der zwölften<br />

Klasse <strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es gegen die erweiterte Mitarbeitermannschaft <strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es<br />

statt. Es siegten die Mitarbeiter mit 2:1 Toren. Besonders der Einsatz zweier<br />

Bauleiter von der Alumnatsbaustelle zahlte sich aus. Neben Hüpfburg und Kletterwand<br />

herrschte vor allem am Stand der »Wilden Kräuterey« großer Andrang. Die Thomasser<br />

mischten Kräutertees, stellten pflanzliche Zahnpasta und andere Dinge her.<br />

Die Kastenküche lieferte zahllose Bleche Pizza und kühle Getränke. Nach einem<br />

gemeinsamen Auftritt mit zwei afrikanischen Trommlern klang das Fest mit einem<br />

gewaltigen Höhenfeuerwerk aus.<br />

Erst klettern, dann freier Fall – die Kletterwand war beim Kastenfest eine große Attraktion.<br />

leserbrief<br />

Zum Heft 04/2010 und dem Artikel<br />

»Ausnahmemusiker in der Nachfolge<br />

Bachs – Thomaskantor Günther Ramin«<br />

(1898–1956, Thomaskantor 1940–1956)<br />

erreichte die Redaktion ein Leserbrief<br />

von Gerhard Passolt, Mitglied <strong>des</strong> Chores<br />

von 1940 bis 1948:<br />

»Günther Ramin, der ›Ausnahmemusiker‹,<br />

war auch als Thomaskantor ein außergewöhnlicher<br />

Organist. In der Motette<br />

hastete er oft zwischen Orgelbank und<br />

Dirigentenpult hin und her. Am Schluss<br />

lauschte man gebannt seiner freien<br />

Improvisation. Orgelkonzerte gab er<br />

weiterhin im gesamten deutschsprachigen<br />

Raum. Auch nach 1940 fanden Chorkonzerte<br />

in nichtkirchlichen Räumen statt,<br />

meist mit gemischtem Programm, ein<br />

Teil geistlich, der andere weltlich,<br />

dazwischen spielte Ramin auf einem Flügel<br />

oder einem Cembalo. Anders als das<br />

Foto mit dem Chor in HJ-Uniform vor<br />

dem Bach-Denkmal aus dem Jahre 1938<br />

(also vor Ramins Zeit als Thomaskantor<br />

fotografiert) und höchst unprofessionell<br />

zurechtgeschnitten, als charakterisierend<br />

die Zeit unter Ramin, habe ich in<br />

bleibender Erinnerung das Bild <strong>des</strong><br />

Kantors mit seinen Thomanern vor der<br />

Thomaskirche, und wir selbstverständlich<br />

in traditioneller Konzertkleidung mit<br />

»Kieler Bluse«. Und da bin ich sicher<br />

nicht der Einzige, der Günther Ramin<br />

selber erlebt hat.« (Gerhard Passolt)<br />

Die Thomaner sangen unter Riccardo Chailly<br />

Mahlers achte Sinfonie.<br />

Der Kammersänger Martin Petzold war Gast der<br />

Reihe Bachfest spontan.<br />

internationales mahler-festival Konzer t zum evangelischen<br />

Das Internationale Mahler-Festival in<br />

Kirchentag<br />

<strong>Leipzig</strong> endete am 29. Mai 2011 nach Der <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong> gastierte am<br />

zwei Wochen mit der Aufführung von Himmelfahrtstag während <strong>des</strong> Evange-<br />

Mahlers achter Sinfonie. Das Festival bot lischen Kirchentages bei den Dresdner<br />

in 14 Konzerten zehn internationale<br />

Musikfestspielen in der Kreuzkirche. Auf<br />

Orchester, ein reichhaltiges Rahmen- dem anspruchsvollen Programm standen<br />

programm, ein wissenschaftliches<br />

die Bachkantate »Herz und Mund und Tat<br />

Symposium sowie die Veröffentlichung und Leben« BWV 147, Felix Mendelssohn<br />

der Monographie »Mahler in <strong>Leipzig</strong>«. Bartholdys Christus-Fragment sowie der<br />

Die Thomaner wirkten bei mehreren dritte Teil aus dem Oratorium Christus<br />

Aufführungen von Mahlers achter Sinfonie von Franz Liszt. Kreuzkantor Roderich<br />

(»Sinfonie der Tausend«) im Rahmen Kreile leitete ein herausragen<strong>des</strong> Solisten-<br />

<strong>des</strong> vielbeachteten Festivals unter der ensemble, den <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

Leitung von Gewandhauskapellmeister und den Dresdner Kreuzchor sowie die<br />

Riccardo Chailly mit.<br />

Staatskapelle Weimar.<br />

Thomasser treffen<br />

Einmal jährlich treffen sich die ehemaligen Thomaner in <strong>Leipzig</strong> und informieren sich über<br />

die aktuellen Planungen und Vorhaben rund um den <strong>Thomanerchor</strong>. In diesem Jahr<br />

be richtete Rolf Ahrendt, Geschäftsführer <strong>des</strong> Forum Thomanum e. V., über die Entwicklung<br />

<strong>des</strong> entstehenden Bildungscampus durch den Betrieb der 2010 gegründeten Grundschule.<br />

Interessant war außerdem der Blick in das Interim <strong>des</strong> Chores, einen Container-Komplex,<br />

kennen doch die Ehemaligen nur den »alten« Kasten als Heimstätte <strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es.<br />

Nach der Motette am 1. Oktober 2011 in der Thomaskirche leitete Thomaskantor Georg<br />

Christoph Biller die Alumni im Gesang an. Es kamen zwei seiner eigenen Kompo sitionen<br />

zur Aufführung. Am Abend gab es Gelegenheit bei Speis und Trank über das Jubiläumsjahr<br />

zu sinnieren und zwei Projekte der ehemaligen Thomaner vorzustellen: Zum einen die<br />

Finanzierung einer Stelle für den Campus Forum Thomanum und zum anderen die<br />

Mit wirkung beim Eröffnungskonzert <strong>des</strong> Bachfestes 2012, bei dem unter anderem Max<br />

Regers 100. Psalm auf dem Programm steht. Hierzu sind alle ehemaligen Thomasser<br />

eingeladen, die nach wie vor sängerisch tätig sind. Interessenten wenden sich bitte an<br />

Sascha Hille, alumni@foerderkreis-thomanerchor.de.<br />

mendelssohn-festtage<br />

Der <strong>Thomanerchor</strong> stellte Anfang September 2011 vier seiner Motetten in den Rahmen<br />

der jährlich um diese Zeit stattfindenden Mendelssohn-Festtage. Insgesamt 4800 Besucher<br />

hörten den <strong>Thomanerchor</strong> allein zu diesen vier Veranstaltungen. Auch die Motette am<br />

Samstag, 10. September 2011, in der <strong>des</strong> im Januar 2011 verstorbenen Komponisten Hans<br />

Ulrich Engelmann gedacht wurde, trug das Signum Mendelssohn-Festtage. Engelmann, <strong>des</strong>sen<br />

»Missa popularis« in Auszügen zu hören war, wäre zwei Tage zuvor 80 Jahre alt geworden.<br />

Kurz berichtet<br />

Bachfest leipzig<br />

Passend zum Motto<br />

»… nach italienischem<br />

Gusto« eröffnete der<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong> das<br />

Bachfest <strong>Leipzig</strong> 2011<br />

mit Werken von Johann<br />

Sebastian Bach und Antonio<br />

Vivaldi. Einen Gottesdienst<br />

in der Liturgie der Bachzeit<br />

gestaltete der <strong>Thomanerchor</strong><br />

am letzten Sonntag <strong>des</strong><br />

Bachfestes, unter anderem<br />

mit der Kantate »Es ist ein<br />

trotzig und verzagt’ Ding«<br />

BWV 176. Darüber hinaus<br />

musizierte, wie zuvor in<br />

Dresden, der <strong>Thomanerchor</strong><br />

gemeinsam mit dem<br />

Dresdner Kreuzchor Werke<br />

von Johann Sebastian Bach,<br />

Felix Mendelssohn Bartholdy<br />

und Franz Liszt unter der<br />

Leitung von Thomaskantor<br />

Georg Christoph Biller. In<br />

der kleinen Reihe Bachfest<br />

spontan erfreute Thomaskantor<br />

Biller viele Gäste<br />

mit der Aufforderung<br />

zum ge meinsamen Singen.<br />

Prominente Gäste der<br />

kleinen Reihe Bachfest<br />

spontan waren Ingeborg<br />

Danz, Andreas Scholl und<br />

Martin Petzold.<br />

Gubaidulina<br />

erKranKt<br />

Fünf Festmusiken sollten das<br />

Jubiläumsjahr <strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es<br />

schmücken. Den<br />

Kompositionsauftrag für<br />

die Erste Festmusik am<br />

6. Januar 2012 erhielt Sofia<br />

Gubaidulina, die aus<br />

gesundheitlichen Gründen<br />

ihre Zusage widerrufen<br />

musste. Statt<strong>des</strong>sen erklingt<br />

zum 6. Januar die sechste<br />

Kantate <strong>des</strong> Weihnachtsoratoriums<br />

von Johann<br />

Sebastian Bach. Die Fest -<br />

musik von Thomaskantor<br />

Biller findet wie angekündigt<br />

am 8. April 2012 statt.<br />

7


8 Kurz berichtet<br />

ramin-legat für<br />

stefan Kahle<br />

Thomaner Stefan Kahle<br />

bekam während der<br />

traditionellen Ecce-Feier<br />

<strong>des</strong> Thomanerbun<strong>des</strong> im<br />

Mai 2011 für besondere<br />

musikalische Leistungen<br />

das Günther-Ramin-Legat<br />

verliehen. Es ist, wie es<br />

auf der Stiftungsurkunde<br />

heißt, dem »ehrenden Andenken<br />

an Thomaskantor<br />

Prof. Dr. h.c. Günther<br />

Ramin« gewidmet. Mit<br />

dieser Ehrung werden<br />

Thomaner ausgezeichnet,<br />

die in besonderer Weise<br />

zum musikalischen Erfolg<br />

<strong>des</strong> Chores beitragen.<br />

Stefan Kahle, der nach<br />

bestandenem Abitur im<br />

Juli den Chor verließ, trat<br />

mehrfach als Altus in<br />

Erscheinung. Er studiert<br />

derzeit an der renommierten<br />

Schola Cantorum<br />

Basiliensis (Basel/Schweiz)<br />

Gesang.<br />

Spor t im alumnat<br />

Die Lieblingssportart der Thomaner ist zweifelsohne Fußball: So hört man rund um das<br />

Interim bereits von Weitem die energischen Rufe der Fußballer. Jede freie Minute nutzen<br />

die Thomaner, um diesem Hobby nachzugehen. An der Rückseite <strong>des</strong> Interims findet täglich<br />

ein weiteres sportliches Highlight das Interesse der Knaben. Hier wird unter gegenseitigem<br />

Anfeuern und mit enormer Ausdauer Tischtennis gespielt. Einmal wöchentlich trifft man<br />

in der Turnhalle die Dispensierten (Knaben, die sich im Stimmbruch befinden) an, welche<br />

ihre überschüssige Energie beim Sport abbauen, insbesondere beim Hockey. Für das<br />

internationale Flair im Bewegungsbereich sorgt das wöchentliche Taekwondo, wozu eigens<br />

eine Trainerin anreist um die Jungen an diese Kampfsportart heranzuführen. Für die<br />

ruhigeren Gemüter unter den Jungen wird zweimal wöchentlich Yoga angeboten, welches<br />

sich großer Beliebtheit erfreut.<br />

Kuratorium <strong>des</strong> forum thomanum leipzig e.v.<br />

Das erste Treffen der Kuratoren <strong>des</strong> Forum Gesprächen wurden von den anwesenden<br />

Thomanum <strong>Leipzig</strong> e.V. und <strong>des</strong>sen Vor- Kuratoren Prof. Dr. Barbara Ischinger<br />

standsmitglieder fand am 19. Juni 2011 in (Director for Education, OECD),<br />

der Villa Thomana statt. In konstruktiven Prof. Georg Christoph Biller (Thomaskantor),<br />

Rüdiger Frohn (Staatssekretär a. D.),<br />

Dr. Georg Girardet (Kulturbürgermeister<br />

der Stadt <strong>Leipzig</strong> a. D.) und Thomas<br />

Rietschel (Präsident der Hochschule für<br />

Musik und Darstellende Kunst Frankfurt<br />

am Main) viele Anregungen zum<br />

weiteren Aufbau <strong>des</strong> Campus Forum<br />

Thomanum sowie zum Jubiläumsjahr 2012<br />

gegeben. Beim nächsten Treffen<br />

am 10. Dezember 2011 anlässlich <strong>des</strong><br />

Weihnachtsoratoriums mit dem<br />

<strong>Thomanerchor</strong> werden diese Anregungen<br />

weiter verfolgt und konkrete Maßnahmen<br />

geprüft und beschlossen. Das Hotel<br />

Michaelis trat bei diesem Treffen als<br />

Sponsor auf.<br />

thomaner-leben<br />

Vom mdr-musiksommer zum rheingau-musikfestival<br />

Die Sommerreise 2011<br />

Anstimmprobe im Berliner Dom: Die Thomaner singen ein<br />

herausragen<strong>des</strong> Konzert in Anwesenheit der Komponisten<br />

Schlenker, Neubert und Wangenheim.<br />

Der <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong> begibt sich traditionell am Ende<br />

eines jeden Schuljahres auf eine Konzertreise durch Deutschland,<br />

im Sprachgebrauch der Thomaner Sommerreise genannt.<br />

Die erste Station 2011 war die Dreiflüssestadt Passau.<br />

In der Studienkirche St. Michael führte der <strong>Thomanerchor</strong><br />

ein umfangreiches A-cappella-Programm auf, in <strong>des</strong>sen<br />

Zentrum die Bach-Motette »Jesu meine Freude« stand. Eingerahmt<br />

wurde die Motette im ersten Teil von Werken<br />

Alessandro Scarlattis, Giovanni Pierluigi da Palestrinas und<br />

Anton Bruckners. Im zweiten Teil <strong>des</strong> Konzerts waren Werke<br />

zeitgenössischer Komponisten wie Volker Wangenheim,<br />

Manfred Schlenker und Günter Neubert zu hören. Zum Abschluss<br />

erklang »Der apostolische Segen« aus der Feder von<br />

Thomaskantor Georg Christoph Biller. Das anspruchsvolle<br />

Programm wurde mit großem Beifall aufgenommen. Auf das<br />

hochsommerliche Passau folgte das regnerisch-kühle<br />

Bayreuth. In der kleinen Spitalkirche in der Stadtmitte gaben<br />

die Thomaner ein Konzert zugunsten der Restaurierung der<br />

großen Stadtkirche. Die Thomaner waren bei freundlichen<br />

Gastfamilien untergebracht und erkundeten mit ihren Gastgebern<br />

den Grünen Hügel mit Festspielhaus, die Grabstätte<br />

<strong>des</strong> ehemaligen Thomasschülers Richard Wagner sowie den<br />

städtischen Friedhof, auf welchem Franz Liszt beigesetzt ist.<br />

Im Rahmen <strong>des</strong> MDR-Musiksommers trat der <strong>Thomanerchor</strong><br />

in der Johanniskirche im sächsischen Zittau auf. Spektakulär<br />

waren die modernen Orgelstücke, die der Komponist<br />

Neidhard Bethke zu Gehör brachte. Mit einer Gulaschkanone,<br />

deftigem Eintopf und strömendem Regen empfing <strong>des</strong> weiteren<br />

der Ort Mittenwalde, südlich von Berlin gelegen, den<br />

<strong>Thomanerchor</strong>. Hier war der Liederdichter Paul Gerhardt<br />

von 1651 bis 1657 Pfarrer und dichtete einige seiner<br />

berühmten Liedtexte. Sein Denkmal steht vor der schönen<br />

Kirche St. Moritz. Da der Erste Chorpräfekt, Sebastian<br />

Borleis, unmittelbar aus dieser Gegend stammt, dirigierte er<br />

in diesem Konzert einige Stücke. Das Publikum belohnte ihn<br />

bei seinem Heimspiel mit langanhaltendem Beifall. Aus den<br />

brandenburgischen Privatquartieren ging es am nächsten<br />

Morgen bei immer stärker werdendem Regen ins nahe Berlin,<br />

wo am Abend im großen Berliner Dom das nächste Konzert<br />

stattfand. Eine besondere Ehre, die auch das Publikum mit<br />

viel Beifall würdigte, war die Anwesenheit der Komponisten<br />

Schlenker, Neubert und Wangenheim.<br />

Auf die Stationen Bad Salzuflen und Waldbreitbach<br />

folgte ein Konzert im Rahmen <strong>des</strong> Rheingau-Musikfestivals<br />

in der Basilika <strong>des</strong> Kloster Eberbach. Untergebracht waren<br />

die Thomaner in einem schönen Hotel in Wiesbaden, wo noch<br />

lange nach dem Konzert die Billardtische traktiert wurden.<br />

Den spektakulären Abschluss der Sommerreise 2011 bildete<br />

ein Doppelkonzert in der Kölner Philharmonie und im Kölner<br />

Dom. Den ersten Konzertteil erlebten die Besucher in der<br />

wunderschönen Philharmonie, tief unter der Erde am Ufer<br />

<strong>des</strong> Rheins gelegen. In der Konzertpause begaben sich Chor<br />

und Besucher in den benachbarten Dom, der sich schnell<br />

bis auf den letzten Platz füllte. Den zweiten Teil eröffnete der<br />

Knabenchor der Kölner Domsingschule unter der Leitung <strong>des</strong><br />

Domkapellmeisters Prof. Eberhard Metternich. Im Anschluss<br />

führten die Thomaner den zweiten Teil ihres Programms auf.<br />

Mit diesem großartigen Erlebnis reiste der <strong>Thomanerchor</strong> am<br />

8. Juli 2011 zurück nach <strong>Leipzig</strong>, um am folgenden Tag die<br />

Abschlussmotette in der Thomaskirche zu gestalten und die<br />

Abiturienten aus dem Chor zu verabschieden.<br />

Roland Weise<br />

Hochsommer in Passau: Die Thomaner gönnen sich eine kurze<br />

Pause, bevor sie die Sommerreise nach Bayreuth führt.<br />

9


10 thomaner-leben<br />

Die Musikpädagogin Angelika Mees entlockt den Kindern spielerisch ihr musikalisches Talent.<br />

Wie wird man ein thomaner?<br />

Alte und neue Wege der Talentsuche<br />

Ein Freitagvormittag im September. In einem hellen Altbauraum mit Pflanzen auf den Fensterbrettern und<br />

einem Blick in die Bäume <strong>des</strong> Innenhofs sitzen 16 Kinder, in ruhiger Konzentration mit Pinsel und Wasserfarben<br />

beschäftigt. An der Tafel stehen einige Daten zu Friedensreich Hundertwasser. Im Hintergrund laufen<br />

Vivaldis Jahreszeiten. Soweit eine normale Grundschulklasse – wäre da nicht der große Konzertflügel im<br />

Klassenzimmer.<br />

In der Tat ist hier etwas ungewöhnlich: Wir sind in der<br />

Klasse 4 TM der Edouard-Manet-Grundschule, allerdings<br />

im Gebäude der Thomaschule in der Hillerstraße. Die<br />

Erklärung dieser merkwürdigen Konstellation ist jedoch<br />

ganz einfach: In die so genannten TM-Klassen der<br />

Thomasschule gehen die Mitglieder <strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es –<br />

und in der 3 und 4 TM werden die kleinen »Thomaner« auf<br />

diese Aufgabe vorbereitet.<br />

»Die wunderbarsten Künstler sehe ich hier sitzen«, lobt<br />

Lehrerin Gabriele Findeisen in<strong>des</strong>sen ihre Schar und mahnt,<br />

in den nächsten Minuten das Kunstwerk abzuschließen. Ein<br />

blon<strong>des</strong> Mädchen gibt seine Arbeit ab. »Danke, Sophie! Es<br />

lohnt nicht, etwas Neues zu beginnen«, meint Frau Findeisen,<br />

»lies lieber noch etwas über den Lebenslauf Hundertwassers<br />

nach.« Sophie verlässt die Stuhlreihen und begibt sich nicht<br />

etwa zum Bücherregal, sondern zum Bildschirm und recherchiert<br />

online. Während<strong>des</strong>sen wird es lebhafter im bisher so<br />

ruhigen Zimmer: Das vielfarbige Malwasser wird entsorgt,<br />

die Bänke abgewischt, die Bilder zum Trocknen ausgelegt.<br />

Alles geschieht in einer geordneten Selbstverständlichkeit,<br />

ohne dass die Lehrerin viel sagen müsste. Die letzten fünf<br />

Minuten dienen der Reflexion: »Unsere erste Arbeitsphase zu<br />

Hundertwasser haben wir nun abgeschlossen. Wer erklärt<br />

nochmals, welche Vorgabe wir hatten?« Einige Kinder melden<br />

sich; niemand platzt einfach mit der Antwort heraus. »Wir<br />

wollten keine geraden Linien verwenden, denn die machen<br />

den Menschen krank – sagt Hundertwasser«, erklärt der aufgerufene<br />

Junge. »Und wie ist es euch dabei ergangen, als ihr<br />

die Arbeit Hundertwassers frei nachempfunden habt?« »Es<br />

war toll, dass man seiner Phantasie freien Lauf lassen,<br />

so zusagen seine Gefühle freilassen durfte«, kommt die verblüffende<br />

Antwort einer Neunjährigen…<br />

Seit 1992 betreut Gabriele Findeisen die 3 und 4 TM; für<br />

diese Aufgabe hat sie sich bewusst beworben: »Die Arbeit<br />

macht so viel Freude, weil Kultur und Musik eine große Rolle<br />

spielen. Trotzdem gilt natürlich der übliche Lehrplan. Die<br />

zukünftigen Thomaner müssen allerdings mit einer gewissen<br />

Strenge – ich würde es eine gütige Strenge nennen – behandelt<br />

werden, weil sie eine große Aufgabe vor sich haben. Sie<br />

müssen sich in der Welt darstellen und zeigen, dass sie etwas<br />

Besonderes können.«<br />

Diese besonders Begabten müssen zunächst aber einmal<br />

gefunden werden. Seit 2007 ist die Musikpädagogin Angelika<br />

Mees mit dieser Aufgabe betraut: »Ich gehe in die Kindergärten<br />

der Stadt; pro Jahr schaffe ich etwa 60 bis 70;<br />

ins gesamt gibt es 180 in <strong>Leipzig</strong>. Die Jungs <strong>des</strong> Vorschuljahrgangs<br />

teste ich dann in kleineren Gruppen, aber auf eine<br />

ganz ungezwungene, spielerische Art. Ich erzähle ihnen eine<br />

›Singegeschichte‹: Da werden Tiere nachgeahmt, Echos geru-<br />

thomaner-leben<br />

fen und dergleichen. Dann singe ich mein ›Lieblingslied‹ vor;<br />

die Kinder singen meist unaufgefordert mit. So kommen wir<br />

zum Singen, ohne dass es als Prüfung bewusst wird.« Wer<br />

positiv auffällt, erhält eine Einladung an die Eltern zur<br />

»Schnuppersingestunde«. Von den Angesprochenen melden<br />

sich etwa zwei Drittel zurück; eine »schöne Zahl«, findet<br />

Angelika Mees und bedauert zugleich, dass kaum jemand<br />

von sich aus den Weg zum <strong>Thomanerchor</strong> suche. Nachdem<br />

Stimme, Rhythmusgefühl und die Auffassungsgabe der<br />

Bewerber getestet wurden, werden pro Jahr etwa 40 bis 50<br />

zur ersten Aufnahmeprüfung eingeladen. Davon bleiben<br />

circa 15 bis 20 »Thomaneranwärter« übrig, die dann die<br />

Manet-Grundschule besuchen.<br />

Im ersten und zweiten Schuljahr werden die Kinder auf<br />

mehrere Klassen verteilt. Nach einer Prüfung wird aus den<br />

Geeigneten eine dritte Klasse gebildet, die dann mit musisch<br />

interessierten Mädchen, die sich darum bewerben, auf Klassenstärke<br />

aufgefüllt wird und an die Thomasschule geht.<br />

Während morgens normaler Schulunterricht stattfindet, haben<br />

die Anwärter auf den Chor montags bis donnerstags nach<br />

dem Mittagessen jeweils 45 Minuten »Singestunde«: »Wir<br />

11


12<br />

thomaner-leben<br />

Das sprachlich-musische Profil der Kindertagesstätte <strong>des</strong> Forum Thomanum wird in der Grundschule fortgeführt.<br />

Das Ganztagesangebot der Schule richtet sich nicht nur an Thomaneranwärter.<br />

lernen Lieder und befassen uns mit Musiktheorie. Einmal<br />

wöchentlich hat je<strong>des</strong> Kind Instrumentalunterricht. Ab der<br />

zweiten Klasse kommt noch Einzelstimmbildung hinzu.<br />

Nach dem Wechsel an die Thomasschule findet die Singestunde<br />

in der nebenan gelegenen Villa Thomana statt. Am<br />

Ende der dritten Klasse gibt es eine erste Aufnahmeprüfung.<br />

Wer die besteht, ist in der vierten Klasse ›Thomaner auf<br />

Probe‹. Von den circa 20 Jungs in der ersten Klasse sind das<br />

etwa acht bis zehn«, erläutert Angelika Mees.<br />

Zu diesem Verfahren, das seit langem praktiziert wird,<br />

gibt es seit kurzem eine Alternative: Eltern können ihre<br />

Kinder, die sie mit musischem Schwerpunkt ausbilden lassen<br />

möchten, direkt in die neu gegründeten Institutionen <strong>des</strong><br />

Vereines Forum Thomanum geben: »Seit Mai 2008 ist unsere<br />

Kita in Betrieb; im Herbst 2010 hat unsere Grundschule die<br />

ersten Schüler aufgenommen«, erläutert Thomaspfarrer<br />

Christian Wolff, Mitbegründer und Vorsitzender <strong>des</strong> seit<br />

2002 tätigen Vereins. »Nach diesen ersten Jahren kann ich<br />

nur ein positives Fazit ziehen: Nach den üblichen Startschwierigkeiten<br />

mit neuen Gebäuden, neuem Personal und<br />

neuen Konzepten haben beide Einrichtungen eine wunderbare<br />

Entwicklung genommen. Das sprachlich-musische und<br />

religionspädagogische Profil der Kita hat bei den Eltern hohe<br />

Erwartungen geweckt. Soweit ich es beurteilen kann, herrscht<br />

große Zufriedenheit, was auch die nach wie vor immense<br />

Nachfrage belegt. Die 18 Krippen- und 82 Kindergartenplätze,<br />

die wir anbieten, könnten wir mehrfach vergeben. Ich<br />

bin ja jede Woche zur Andacht dort und erlebe die Atmosphäre,<br />

die von Kreativität, Vertrauen, Respekt und Anerkennung<br />

geprägt ist. Aufgrund der so spät erteilten Genehmigung<br />

– eine Woche vor Schuljahresende – musste die<br />

Grundschule im letzten Jahr mit nur sieben Kindern beginnen;<br />

als nunmehr zweite Klasse hat sie immerhin 15 Schüler.<br />

Und die diesjährigen Erstklässler haben mit 24 Schülern bereits<br />

volle Klassenstärke erreicht«, freut sich Pfarrer Wolff.<br />

»Unsere Planungen sehen vor, sobald der Umbau <strong>des</strong><br />

Thomasalumnats abgeschlossen ist, auf dem Gelände <strong>des</strong><br />

jetzigen Interims unsere eigene Grundschule zu errichten.<br />

Bis dahin sind unsere Klassen in der Schule im Gohliser<br />

Jörg-Schmidtchen-Weg untergebracht. Dass wir in der<br />

kurzen Zeit bereits einen ausgezeichneten Ruf erwerben<br />

konnten, zeigen die gut gefüllten Anmeldelisten für die<br />

nächsten Jahre.«<br />

An der Forum-Thomanum-Grundschule richtet sich das<br />

Ganztagesangebot mit musisch-sprachlichem Profil genau<br />

wie in der Kita an alle Kinder gleichermaßen, obwohl auf<br />

diesem Wege ebenfalls geeignete Neuzugänge für den<br />

<strong>Thomanerchor</strong> entdeckt werden sollen. Da hier der Elternwunsch<br />

und nicht die gezielte Vorauswahl für den Chor<br />

maßgeblich sind, sieht die Verteilung zwischen den<br />

Geschlechtern anders aus als in den TM-Klassen der<br />

Thomasschule: In der zweiten Klasse sind 9 von 15 Kindern<br />

Mädchen, in der ersten Klasse 8 von 24. Nach dem Schulunterricht<br />

und dem Mittagessen gehen die Kinder in die<br />

Hortbetreuung. Von dort holt sie Matthias Schubotz gruppenweise<br />

zum musikalischen Unterricht ab.<br />

Seit Beginn <strong>des</strong> neuen Schuljahres ist der Sänger und<br />

Gesangspädagoge hier jeden Nachmittag außer mittwochs<br />

im Einsatz. Auf einem Tisch thront eine fröhlich grinsende<br />

Handpuppe, Leander. In seiner Obhut sind die mitgebrachten<br />

Kuscheltiere abzulegen. Ein Mädchen will sich aber um<br />

keinen Preis von seinem Pferdchen trennen. Matthias<br />

Schubotz entwickelt daraus gleich ein paar Stimmübungen:<br />

Alle schnauben vergnügt wie das Pferdchen ›Claudia‹… Da<br />

Nehmen Sie es<br />

in die Hand!<br />

thomaner-leben<br />

Freitag ist, wird das neu gelernte Liedrepertoire dieser Woche<br />

rekapituliert. Ohne Noten oder Texte in Händen fallen die<br />

Erstklässler sofort ein, wenn Schubotz die ersten Töne auf<br />

dem Klavier anschlägt. Um die Kinder bei der Stange zu halten,<br />

baut der Pädagoge möglichst viel Bewegung ein. »Heut‹<br />

ist ein Fest bei den Fröschen am See« ist perfekt durchchoreografiert;<br />

die Präzision <strong>des</strong> musikalischen Vortrags leidet<br />

darunter in<strong>des</strong>sen ein wenig: »Na, die haben aber noch ein<br />

bisschen durcheinander gequakt, die Frösche...«, lautet der<br />

milde Kommentar. »Eine kleine Schlange« windet sich darauf<br />

durch die Reihen. Schubotz greift in die Tasten, ohne<br />

hinzuschauen: Stets hat er die Kinderschar fest im Blick!<br />

Nach 20 Minuten folgt die zweite Gruppe der Erstklässler;<br />

nach einer Umbaupause versammeln sich alle 39 Kinder im<br />

Musiksaal. Schubotz hat etliches vorbereitet: Verschieden<br />

farbige Zettel werden verschiedenen Instrumenten zugeordnet:<br />

Wer eine orange Karte hat, bekommt ein Tamburin, das<br />

mit roten Linsen gefüllt ist; die gelben Karten erhalten eine<br />

Triangel (»Juchhu!!«), die roten eine Trommel (»JAAAA!!«)<br />

und die rosafarbenen eine Trommel mit Schellen. Das Regenlied,<br />

das vorher einzeln geübt wurde, wird nun illustriert:<br />

Der Regen, der Wind, der Donner, der Blitz kommen zum<br />

Einsatz. Es macht hör- und sichtbar allen Spaß! Zum »musikalischen<br />

Abschied« wird »Viva la musica« im Kanon gesungen:<br />

dreistimmig – unter Einbeziehung der wartenden Eltern.<br />

Mit fröhlichem Getöse geht’s darauf ins Wochenende…<br />

Ohne Zweifel ist diese neue Schule auf dem besten Weg;<br />

Gabriele Findeisen betrachtet jedoch auch die bisherige<br />

Lösung als »Erfolgsmodell«: »Ich würde es mit Bedauern<br />

sehen, wenn die Kooperation zwischen Manet- und Thomasschule,<br />

die mit unseren beiden Schulleiterinnen Frau<br />

Kormann und Frau Schöbel, großen Auftrieb bekommen<br />

hat, enden würde. Der Übergang von der Grund- zur<br />

Thomasschule ist für die neuen Thomaner damit meines<br />

Erachtens gut gesichert.« Kita und Schule <strong>des</strong> Forum<br />

Thomanum bieten aber nicht nur diesen besondere Möglichkeiten<br />

– und je mehr Kinder einer qualifizierten, musisch geprägten<br />

Ausbildung zugeführt werden können, <strong>des</strong>to besser.<br />

Sabine Näher<br />

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13


14 thomaner-leben<br />

E Leben im Mikrokosmos <strong>des</strong> Chores<br />

igentlich würde ich gern bleiben<br />

Nach dem Klingeln vergeht keine halbe Minute. Die Gegensprechanlage wählt und knackt noch, als ein kleiner<br />

Junge schon interessiert schauend die Glastür öffnet und höflich den Weg weist. Die Spätsommersonne scheint<br />

auf den Containerblock im Bachviertel, gegenüber jagen die Jüngsten sich gegenseitig mit großen Stöcken<br />

über die Wiese. Im Interimsgebäude, errichtet in Form eines großen »H«, unweit ihres derzeit eingerüsteten<br />

Alumnats leben, schlafen und wachsen die Thomaner. Für fast 100 Jungen zwischen 9 und 18 Jahren, die aus<br />

ganz Deutschland kommen, bedeutet das Alumnat und das derzeitige Interim ihr zweites Zuhause. Sie streunen<br />

pfeifend durch die Gänge, hechten im Hof den Tischtennisbällen hinterher, irgendwo klimpert ein Klavier. Es ist<br />

Freizeit, die Proben beginnen erst in einer Weile.<br />

Die Thomaner Jasper (linkes Bild), Johann und Tim (rechtes Bild v.l.n.r.) sind bereits einige Jahr im Chor und haben schon vieles<br />

erlebt. Bis zum Abitur bleibt ihr Alltag anspruchsvoll und fordert Disziplin, Ehrgeiz, vor allem aber Spaß an der Musik.<br />

Johann ist zwölf Jahre alt, sitzt in seiner Stube und kippelt<br />

hin und her. Eigentlich will er schnell noch in die Innenstadt,<br />

ein Buch abholen. Im Zimmer stehen acht Schreibtische und<br />

Schränke, in den sich anschließenden Räumen jeweils zwei<br />

bis drei Betten. Johann teilt sich die Stube mit Jüngeren und<br />

Älteren, sie bilden eine Art Wohngemeinschaft. Der Achtklässler<br />

ist blond, aufgeweckt und sein run<strong>des</strong> Gesicht lacht<br />

trotz der Zahnspange. Seit vier Jahren wohnt er hier und<br />

fühlt sich fest integriert in den Mikrokosmos <strong>des</strong> Chores. In<br />

einer normalen Woche bestreitet er mit den anderen Sängern<br />

drei Auftritte in der Thomaskirche, parallel dazu arbeitet er<br />

sich in einer speziellen, kleinen Klasse an der Thomasschule<br />

zum Abitur. Johann lebt im Spannungsfeld von Schule und<br />

Musik einen besonderen Alltag, aber er ist glücklich.<br />

Sein ganz normaler, teils minutiös geplanter Wochentag<br />

beginnt damit, halb sieben geweckt zu werden. Nach dem<br />

Frühstück geht er ab 7.30 Uhr zur »Schuuule«, wie Johann<br />

seufzt und die Augen verleiert. Nach der sechsten Schulstunde<br />

kommt er zurück in den »Kasten«, wie die Thomaner das<br />

Alumnat nennen, wo das von der hauseigenen Küche zubereitete<br />

Mittagessen wartet. Einige Jungen der höheren Klassen<br />

setzen ihren Schultag anschließend mit einer siebten und<br />

achten Stunde fort, die anderen genießen wie jetzt gerade etwas<br />

Freizeit. Später gibt es im Speisesaal für Willige eine<br />

Vesper mit Kaffee und Kuchen, manche Jungs gehen jetzt,<br />

dem Plan entsprechend, ihrem wöchentlichen Stimmbildungs-<br />

oder Instrumentalunterricht nach. In den einzelnen<br />

Stimmgruppen proben die Sänger fast täglich am Nachmittag<br />

und am frühen Abend, kurz vor dem Aben<strong>des</strong>sen folgt die<br />

Gesamtchorprobe. Anschließend werden Hausaufgaben erledigt,<br />

nach Klassenstufen gestaffelt machen sich die Jungen<br />

bettfertig. Dann kehrt langsam Ruhe im Kasten ein.<br />

»In den ersten Wochen hier ist das wirklich krass. Ich<br />

freue mich auch auf jede Ferien. Es ist anstrengend, aber es<br />

macht eben Spaß. Und <strong>des</strong>wegen denkt man gar nicht so sehr<br />

an den Stress, man freut sich einfach«, sagt Johann und grinst.<br />

Und der elfjährige Tim, der sich inzwischen dazu gesellt hat,<br />

fügt leise an: »Und über die Musik, über die freut man sich«,<br />

womit er Zustimmung findet. Auch Tobias, der die zwölfte<br />

Klasse besucht, prägte die Musik in den Jahren seines Chorlebens.<br />

»Der Anfang war schwierig, weil ich von weiter weg<br />

komme und von Beginn an nur alle zwei Wochen, wenn ich<br />

sonntags nicht singen musste, nach Hause konnte. Hier verstand<br />

ich mich nicht mit allen, ich kannte die meisten ja auch<br />

noch gar nicht richtig und habe meine Freunde von zu Hause<br />

vermisst. Aber das Singen gefiel mir von Anfang an sehr gut.<br />

Man könnte sagen, dass die Proben und Aufführungen mich<br />

manchmal hier gehalten haben«, erinnert er sich.<br />

Mit der Zeit wuchs Tobias wie Generationen von Jungen<br />

vor ihm in die Gemeinschaft hinein, fand seinen Platz sowie<br />

Freunde in seiner und anderen Klassen. Jetzt leitet er als<br />

Chefredakteur das Kastenjournal, die alumnatsinterne, von<br />

den Jungen selbst gestaltete Zeitschrift, steht den anderen bei<br />

Textnöten und Computerproblemen zur Verfügung und<br />

erklärt den Kleinen gern mal, was man unter dem Wort<br />

»Schwarzmarkt« versteht. »Nach ein paar Jahren hat mir das<br />

Kastenleben dann viel mehr gefehlt, wenn ich zu Hause war.<br />

Hier konnte ich immer alles machen, vor allem mit den<br />

ganzen Freunden, die ich dann hatte. Zu Hause kannte ich<br />

irgendwann im Prinzip keinen mehr und hatte schlichtweg<br />

Langeweile. Hier habe ich immer eine Beschäftigung, mir ist<br />

nie langweilig.«<br />

Das hängt unter anderem damit zusammen, dass den<br />

Alltag der Jungen seit eh und je ein fein justiertes System von<br />

Aufgaben umrahmt, die alle für die Gemeinschaft erfüllen.<br />

Tobias als Oberer hilft den Kleineren aus seiner Stube beispielsweise<br />

montags und dienstags bei ihren Hausaufgaben.<br />

Die Chorzeit von Thomaner Tobias endet im Sommer 2012 mit<br />

dem Abitur.<br />

Erst gestern habe er eine Stunde lang mit jemandem<br />

Latein gelernt, sagt er schmunzelnd. Auch Johann leistet in<br />

der Regel seinen Beitrag zum Funktionieren <strong>des</strong> großen<br />

Ganzen: »Dieses Jahr habe ich die Ehre – apropos, mir fällt<br />

gerade auf, dass ich meinen Dienst heute vergessen habe – ich<br />

muss nach der Schule in das Sekretariat gehen und dort den<br />

Vertretungsplan für den nächsten Tag holen«, lacht er. Während<br />

die Kleineren zum Beispiel die Stühle für die Proben<br />

stellen oder mal den Flur kehren, verkaufen diejenigen, die<br />

der Stimmbruch musikalisch außer Gefecht setzt, zu Veranstaltungen<br />

der Thomaner Programme und CDs. Die Großen<br />

übernehmen in der Regel für längere Zeit in speziellen Ämtern<br />

mit vorzugsweise lateinischen Namen Verantwortung. Als<br />

Präfekten etwa leiten sie manchmal Proben oder dirigieren<br />

bei den Auftritten am Wochenende; der Domesticus hingegen<br />

kontrolliert vor jedem Auftritt, ob Kleidung und Fingernägel<br />

der Kleinen sauber sind.<br />

Eine solche Aufgabenverteilung besitzt nicht nur funktionale<br />

Aspekte, sie mündet vor allem in einem Gemeinschaftsgeist,<br />

von dem Johann, Tobias und viele ehemalige Thomaner<br />

gleichermaßen sprechen. In mancher Hinsicht ändert sich<br />

das Zusammenleben der Jungen zwar, einfach weil es muss.<br />

»Das Alumnat hat in erster Linie den Zweck, das Singen und<br />

den Spaß daran zu garantieren, nicht die Erinnerung der<br />

Ehemaligen von vor 50 Jahren zu konservieren«, sagt Roland<br />

Weise, der die pädagogische Leitung <strong>des</strong> Hauses innehat.<br />

Andererseits gibt es viele Dinge, die bleiben, wie sie immer<br />

thomaner-leben<br />

waren: Unzählige, thomanerspezifische Begriffe und ulkigste<br />

Redewendungen für alles Mögliche. Das von Johann leicht<br />

bedauerte Fehlen eines Fernsehers. Die Eigenart, sich selbst<br />

als »Thomasser« zu bezeichnen und fast jedem Chormitglied<br />

einen eigentümlichen, über zig Ecken hergeleiteten Spitznamen<br />

zu bescheren. Der je<strong>des</strong> Jahr stattfindende fußballerische<br />

Kampf um den Pokal gegen eine Delegation der<br />

Dresdner Kruzianer. Das Kastenfest, das Johann nicht nur<br />

aufgrund der Kräppelchen mag, oder der Heiligabend im<br />

Kasten, der wegen seiner feierlichen Stimmung Tobias jährliches<br />

Highlight ist.<br />

Auch dieses Jahr freut sich der 17-jährige auf Weihnachten,<br />

eigentlich. Ein mulmiges Gefühl gesteht er gern ein,<br />

denn für Tobias wird es nach langer Zeit das letzte Weihnachtsfest<br />

als Thomaner sein. Im Frühjahr macht er Abitur<br />

und verlässt wie üblich den Chor danach. »Es ist einerseits<br />

erhebend, in Schule und Chor alles geschafft zu haben.<br />

Andererseits macht es traurig, den wichtigen Terminen <strong>des</strong><br />

Jahres näher zu kommen, weil ich weiß, dass alles das letzte<br />

Mal ist. Eigentlich würde ich gern bleiben, aber das geht eben<br />

nicht«, meint er nachdenklich. Dass Tobias gern und viel<br />

Klavier spielt, ließe an eine musikalische Zukunft denken.<br />

Noch mehr färbte aber das Zusammenleben mit den Kleineren<br />

und die Elternrolle, die er manchmal für sie übernahm, auf<br />

den verschmitzt Grinsenden ab – er will in die pädagogische<br />

Richtung gehen.<br />

Der Nachmittag im Übergangskasten schreitet voran<br />

und langsam verringert sich das Gewusel im Haus, es sammelt<br />

sich anderenorts. Johann ist verschwunden und die<br />

kleinen Jungen, die eben noch über die Wiese tobten, legen<br />

ihre Äste jetzt zur Seite und schlängeln sich durch den Zaun<br />

zurück zum Container. Davor wartet einer von ihnen schon<br />

mit der dunkelblauen Notenmappe unter dem Arm. Fertig<br />

gespielt, gleich beginnt die Probe.<br />

Theresa Wiedemann<br />

In kleinen Thomanerklassen an der Thomasschule werden die<br />

Sänger auf ihr Abitur vorbereitet.<br />

15


16 VERANSTALTUNGSKALENDER<br />

Die Auftritte <strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es <strong>Leipzig</strong> leitet Thomaskantor Georg Christoph Biller. Freitags um 18 Uhr<br />

und samstags um 15 Uhr finden in der Thomaskirche wöchentlich Motetten statt. Auch der Gottesdienst<br />

sonntags um 9.30 Uhr wird musikalisch gestaltet.<br />

OKTOBER 2011–APRIL 2012<br />

O k t o b e r<br />

31. Mo 18:00 Motette zum Reformationstag<br />

mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

zur Eröffnung <strong>des</strong> Musikjahres der Lutherdekade<br />

N o v e m b e r<br />

4. Fr 18:00 Motette<br />

mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

im Rahmen der Johann-Nepomuk-David-Tage und zur<br />

Eröffnung <strong>des</strong> Mendelssohntages der Stadt <strong>Leipzig</strong><br />

5. Sa 15:00 Motette<br />

im Rahmen der Johann-Nepomuk-David-Tage<br />

Johann Sebastian Bach<br />

Kantate »Ich geh und suche mit Verlangen« BWV 49<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong>, Gewandhausorchester<br />

6. So 9:30 Gottesdienst<br />

mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

11. Fr 18:00 Motette Lutherkirche<br />

anlässlich <strong>des</strong> 125-jährigen Jubiläums der Lutherkirche<br />

mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

12. Sa 15:00 Motette<br />

Johann Sebastian Bach<br />

Kantate »Ich habe meine Zuversicht« BWV 188<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong>, Gewandhausorchester<br />

13. So 9:30 Gottesdienst<br />

mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

18. Fr 18:00 Motette<br />

anlässlich <strong>des</strong> 125-jährigen Jubiläums der Lutherkirche<br />

mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

19. Sa 15:00 Motette<br />

Johann Sebastian Bach<br />

Kantate »Ich armer Mensch, ich Sündenknecht« BWV 55<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong>, Gewandhausorchester<br />

20. So 9:30 Gottesdienst<br />

mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

25. Fr 18:00 Motette<br />

mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

26. Sa 15:00 Motette<br />

Johann Sebastian Bach<br />

Kantate »Bereitet die Wege, bereitet die Bahn« BWV 132<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong>, Gewandhausorchester<br />

27. So 9:30 Gottesdienst<br />

mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

D e z e m b e r<br />

9. Fr 19:00 Konzert<br />

Johann Sebastian Bach<br />

Weihnachtsoratorium BWV 248<br />

(Kantaten 1 bis 3 und Kantate 6)<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong>, Gewandhausorchester<br />

(Karten über die Gewandhauskasse Tel.: 0341-1270 280 oder<br />

ticket@gewandhaus.de)<br />

10. Sa 17:00 Konzert<br />

Johann Sebastian Bach<br />

Weihnachtsoratorium BWV 248<br />

(siehe 9.12.11)<br />

11. So 17:00 Konzert<br />

Johann Sebastian Bach<br />

Weihnachtsoratorium BWV 248<br />

(siehe 9.12.11)<br />

13.–16.12. Konzertreise <strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es <strong>Leipzig</strong><br />

Johann Sebastian Bach<br />

Weihnachtsoratorium BWV 248<br />

13. Di 20:00 Essen (Philharmonie)<br />

14. Mi 20:00 Frankfurt/Main (Alte Oper)<br />

15. Do 20:00 Dortmund (Konzerthaus)<br />

16. Fr 20:00 Baden-Baden (Festspielhaus)<br />

20. Di 19:30 Weihnachtsliederabend<br />

mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

(Karten über Musikalienhandlung M. Oelsner <strong>Leipzig</strong>.<br />

Tel: 0341-960 56 56 oder musik@m-oelsner.de)<br />

21. Mi 19:30 Weihnachtsliederabend<br />

(siehe 20.12.11)<br />

22. Do 19:30 Weihnachtsliederabend<br />

(siehe 20.12.11)<br />

24. Sa 13:30 Weihnachtsmotette<br />

mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

16:00 Christvesper<br />

mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

24:00 Komplet<br />

mit Männerstimmen <strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es <strong>Leipzig</strong><br />

25. So 9:30 Festgottesdienst<br />

Johann Sebastian Bach<br />

Kantate I »Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage«<br />

aus dem Weihnachtsoratorium BWV 248<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong>, Gewandhausorchester<br />

31. Sa 13:30 Silvestermotette<br />

Johann Sebastian Bach<br />

Kantate III »Herrscher <strong>des</strong> Himmels, erhöre das Lallen«<br />

aus dem Weihnachtsoratorium BWV 248<br />

»Dona nobis pacem« BWV 232<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong>, Gewandhausorchester<br />

J a n u a r 2 0 1 2<br />

6. Fr 9:30 Festgottesdienst<br />

Johann Sebastian Bach<br />

Kantate VI »Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben«<br />

aus dem Weihnachtsoratorium BWV 248<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong>, Gewandhausorchester<br />

7. Sa 15:00 Motette<br />

Johann Sebastian Bach<br />

Kantate VI »Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben«<br />

aus dem Weihnachtsoratorium BWV 248<br />

(siehe 6.1.12)<br />

8. So 9:30 Gottesdienst<br />

mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

13. Fr 18:00 Gottesdienst<br />

mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

14. Sa 15:00 Motette<br />

Johann Sebastian Bach<br />

Kantate »Meine Seufzer, meine Tränen« BWV 13<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong>, Gewandhausorchester<br />

15. So 9:30 Gottesdienst<br />

mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

20. Fr 18:00 Motette<br />

mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

21. Sa 15:00 Motette<br />

Johann Sebastian Bach<br />

Kantate »Ich steh mit einem Fuß im Grabe« BWV 156<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong>, Gewandhausorchester<br />

22. So 9:30 Gottesdienst<br />

mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

27. Fr 18:00 Motette<br />

mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

28. Sa 15:00 Motette<br />

Kantate »Jesus schläft, was soll ich hoffen« BWV 81<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong>, Gewandhausorchester<br />

29. So 9:30 Gottesdienst<br />

mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

F e b r u a r<br />

22.2.–1.3. Konzertreise nach Korea und Japan<br />

Johann Sebastian Bach<br />

Matthäus-Passion BWV 244<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong>, Gewandhausorchester<br />

22. Mi 20:00 Daejon/Korea (Culture and Arts Center)<br />

23. Do 20:00 Seoul/Korea (Seoul Arts Center)<br />

25. Sa 15:00 Yokohama/Japan (Yokohama Minato Mirai Hall)<br />

26. So 14:00 Osaka/Japan (The Symphony Hall)<br />

28. Di 18:30 Tokyo/Japan (Tokyo Opera City Concert Hall)<br />

29. Mi 18:30 Tokyo (Suntory Hall)<br />

1.3. Do 18:30 Tokyo (Suntory Hall)<br />

Stand: 20. Oktober 2011 – Änderungen vorbehalten.<br />

Weitere ausführliche Hinweise zu den Veranstaltungen mit dem<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong> oder Gastkonzerten in der Thomaskirche finden<br />

Sie unter www.thomanerchor.de oder auch unter www.thomaskirche.org.<br />

Alle Veranstaltungen finden, soweit nicht anders angegeben, in der<br />

Thomaskirche zu <strong>Leipzig</strong> statt.<br />

M ä r z<br />

8.–11. Konzertreise nach Großbritannien<br />

Johann Sebastian Bach<br />

Matthäus-Passion BWV 244<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong>, Gewandhausorchester<br />

8. Do 19:00 Manchester (The Bridge Water Hall)<br />

9. Fr 19:00 Birmingham (Symphony Hall)<br />

11. So 12:00 Konzert und Bachpreisverleihung London<br />

(Royal Academy of Music)<br />

Johann Sebastian Bach<br />

»Der Geist hilft unser Schwachheit auf« BWV 226<br />

Oboenkonzert in f-Moll BWV 1056<br />

Lieder aus Schemellis Gesangbuch<br />

»Singet dem Herrn ein neues Lied« BWV 225<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong>, Musiker der Royal Academy of<br />

Music<br />

19.-25. Festwoche 800 Jahre <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

A p r i l<br />

5. Do 19:00 Konzert<br />

Johann Sebastian Bach<br />

Matthäus-Passion BWV 244<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong>, Gewandhausorchester<br />

(Karten über die Gewandhauskasse Tel.: 0341-1270 280 oder<br />

ticket@gewandhaus.de)<br />

6. Fr 19:00 Konzert<br />

Johann Sebastian Bach<br />

Matthäus-Passion BWV 244<br />

(siehe 5.4.12)<br />

8. So 6:00 Ostermette<br />

Kurrende der Thomaskirche<br />

Ensemble Nobiles<br />

9:30 Festgottesdienst<br />

Georg Christoph Biller: Festmusik (UA)<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong>, Ensemble amarcord,<br />

Gewandhausorchester<br />

20. Fr 18:00 Motette<br />

mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

21. Sa 15:00 Motette<br />

Georg Christoph Biller: Festmusik (EA)<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong>, Ensemble amarcord,<br />

Gewandhausorchester<br />

22. So 9:30 Gottesdienst<br />

mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

27. Fr 18:00 Motette<br />

mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

28. Sa 15:00 Motette<br />

Johann Sebastian Bach<br />

Kantate »Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen« BWV 12<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong>, Gewandhausorchester<br />

29. So 9:30 Gottesdienst<br />

mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

17


18 thomaner-leben<br />

Die Thomaskirche zu <strong>Leipzig</strong> feiert das Jubiläum besonders in der Festwoche vom 31. Oktober bis 4. November 2012 mit zahlreichen<br />

Konzerten und Veranstaltungen.<br />

800Jahre<br />

thomana<br />

glauben – singen – lernen<br />

Wenn im kommenden Jahr Thomaskirche, <strong>Thomanerchor</strong> und Thomasschule als älteste Kultureinrichtungen<br />

<strong>Leipzig</strong>s auf eine 800-jährige Geschichte zurückblicken, ist es auch ein Rückblick auf Traditionen und ungebrochene<br />

Werte. Als wesentliche Errungenschaften der Reformation stehen die Tätigkeitsworte im Motto <strong>des</strong><br />

Festjahres »glauben – singen – lernen« und es sind die Grundwerte, für deren Fortbestand die heutige Thomana<br />

Zeugnis ablegt. Die Geschichte der Trias ist eng verbunden mit der kirchlichen, politischen und kulturellen Entwicklung<br />

der Stadt in deren 800-jährigen Verlauf zwei Geschenke bereitet wurden, die sich heute als herausragende<br />

Wegmarken der Tradition erweisen. Die Reformation in <strong>Leipzig</strong> von 1539/1543 und das Thomaskantorat<br />

von Johann Sebastian Bach 1723 bis 1750.<br />

Die Reformation hat zwei Bereiche untrennbar miteinander<br />

verbunden den Glauben und die Bildung. Ebenso hat mit der<br />

Reformation die Stadt <strong>Leipzig</strong> wesentliche Verantwortung<br />

für den <strong>Thomanerchor</strong> und Thomasschule übernommen, die<br />

ihr auch heute abverlangt wird. Johann Sebastian Bachs<br />

Wirken an der Schola Thomana verlieh der europäischen<br />

Musikkultur einen unvergleichlichen musikhistorischen<br />

Impuls. Schon im 17. Jahrhundert hatte das Thomaskantorat<br />

weit über <strong>Leipzig</strong> hinausweisende Berühmtheit erlangt, so<br />

dass namhafte Komponisten das Amt <strong>des</strong> Thomaskantors<br />

anstrebten und sich dafür bewarben. Daran hat sich erst<br />

recht nichts nach Bachs Kantorat geändert. Bach universales<br />

Vermächtnis nicht nur als Musiker, sondern auch als ein tief<br />

im lutherischen Glauben aber auch vital als Sinnenmensch in<br />

seiner Zeit verankert, ist für viele Menschen auch heute eine<br />

Kraftquelle, die weder in der lutherischen Glaubenstradition<br />

zu Hause sind, noch zur Kirche eine Beziehung haben. Das<br />

Bachfest 2012, thematisch in die Feierlichkeiten der Thomana<br />

2012 integriert, beleuchtet beispielsweise das 800-jährige<br />

musikalische Erbe <strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es mit Blick auf die<br />

sehr unterschiedlichen musikhistorischen Perioden. Zu hören<br />

sind Werke von Thomaskantoren aus fünf Jahrhunderten,<br />

von Georg Rhau bis hin zu Georg Christoph Biller.<br />

Im Laufe der Geschichte beeinflussten eine Vielzahl<br />

außergewöhnlicher und bedeutender Persönlichkeiten die<br />

Entwicklung der Thomana zu einem christlich-humanistisch<br />

geprägten Bildungszentrum und vor allem zu einem internationalen<br />

Botschafter für die <strong>Leipzig</strong>er Musikkultur.<br />

Die Thomana genießt heutzutage weltweites Renommee.<br />

Neben ihrer Geschichte und der musikalischen Qualität <strong>des</strong><br />

Knabenchores basiert dies vor allem auf den Kompositionen,<br />

der Thomaskantoren und fremder Meister, die für den<br />

<strong>Thomanerchor</strong> und Orchester geschrieben wurden. Im<br />

Jubiläumsjahr wird – neben vielen anderen Höhepunkten –<br />

ein Zyklus von Festmotetten in der Thomaskirche das Festjahr<br />

wie einen Edelstein einfassen. Mit dem Ziel, über eine<br />

lokale Feier in <strong>Leipzig</strong> hinaus, internationale Aufmerksamkeit<br />

zu erregen, wurden Auftragswerke in Form von<br />

Fest musiken an international bekannte Komponisten vergeben:<br />

Hans Werner Henze, Heinz Holliger und Brett Dean.<br />

Thomaskantor Georg Christoph Biller komponiert die Erste<br />

Festmusik, deren Uraufführung am 8. April sein wird. Damit<br />

können neue kompositorische Marksteine gesetzt werden, die<br />

sich an der Besetzungsgröße Bach’scher Kantaten orientieren.<br />

Festwoche <strong>Thomanerchor</strong> im März<br />

Unmittelbar nach der Rückkehr <strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es von<br />

seiner Jubiläumstournee nach Korea, Japan und Großbritannien<br />

Anfang März 2012, beginnt in <strong>Leipzig</strong> die Festwoche<br />

<strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es. Erwähnenswert ist, dass zum Beschluss<br />

der Tournee der <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong> und Thomaskantor<br />

Georg Christoph Biller am 11. März 2012 den bedeutenden<br />

Bach-Preis der Royal Academy of Music und der Kohn Foundation<br />

verliehen bekommen. Als sechster in die Reihe der berühmten<br />

Preisträger eingereiht, wird sich der <strong>Thomanerchor</strong><br />

neben András Schiff, Sir John Eliot Gardiner, Peter Schreier,<br />

John Butt und dem Direktor <strong>des</strong> <strong>Leipzig</strong>er Bach-Archivs,<br />

thomaner-leben<br />

Thomaskantor Georg Christoph Biller komponiert die Erste Festmusik, deren Uraufführung am 8. April 2012 in der Thomaskirche mit<br />

dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong> zu hören ist.<br />

FESTWOCHE 800 JAHRE THOMANERCHOR LEIPZIG<br />

19.–25. März 2012<br />

19. Mo 18:00 Stadtgeschichtliches Museum<br />

Eröffnung der Jubiläumsausstellung (20.3.–17.6.2012)<br />

»Cantate! – zum 800. Geburtstag der Thomaner«<br />

20. Di 11:00 Festakt 800 Jahre <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

Thomaskirche<br />

Johann Sebastian Bach<br />

Motette »Singet dem Herrn« BWV 225<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong>, Gewandhausorchester<br />

in Anwesenheit von Bun<strong>des</strong>präsident Christian Wulff<br />

und Burkhard Jung, Oberbürgermeister der<br />

Stadt <strong>Leipzig</strong><br />

13:00 Festumzug zum Campus Forum Thomanum<br />

und feierliche Übergabe der fertiggestellten Gebäude<br />

21. Mi 12:00 Thomaskirche<br />

<strong>Leipzig</strong>er Bürger singen Ständchen zum<br />

327. Geburtstag von Johann Sebastian Bach<br />

19:00 Bürgerfest Neues Rathaus zu <strong>Leipzig</strong><br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong> und Gäste<br />

22. Do 20:00 Grosses Concert Gewandhaus<br />

Johann Sebastian Bach<br />

Motette »Singet dem Herrn« BWV 225<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong>, Gewandhausorchester<br />

23. Fr 18:00 Sondermotette<br />

mit dem Kings College Choir<br />

20:00 Grosses Concert Gewandhaus<br />

(siehe 22.3.2012)<br />

24. Sa 8:00 Fest der Knabenchöre Campus<br />

15:00 Sondermotette<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong>,Regensburger Domspatzen,<br />

Dresdner Kreuzchor, Kings College Choir<br />

25. So 9:30 Gottesdienst<br />

A-cappella-Werke<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong> und Gastchöre (siehe 24.3.2012)<br />

19


20 thomaner-leben<br />

Prof. Dr. Dr. Christoph Wolff, gut einordnen lassen. Zentraler<br />

Part der Festwoche <strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es ist der Festakt am<br />

20. März 2012 in der Thomaskirche, zu dem neben dem Bun<strong>des</strong>präsidenten<br />

weitere hochrangige Vertreter aus Politik,<br />

Kultur und Kirche eingeladen sind. Anlässlich <strong>des</strong> Festjahres<br />

der Thomana wird der Kino-Dokumentationsfilm »Die<br />

Thomaner« am 16. Februar 2012 seinen Kinostart haben.<br />

Die Festwoche <strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es beginnt mit der<br />

Eröffnung der Sonderausstellung am 19. März 2012 im<br />

Stadtgeschichtlichen Museum. Hier können sich die Besucher<br />

auf einer Ausstellungsfläche von 450 Quadratmetern auf<br />

Entdeckungsreise in die Geschichte <strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es<br />

begeben und sich dem Mythos und seinen Traditionen nähern.<br />

Zu sehen sind wertvolle Ausstellungsstücke und unbekannte<br />

Dokumente aus acht Jahrhunderten, die nach neuesten wissenschaftlichen<br />

Erkenntnissen zusammengetragen und aus<br />

ungewöhnlichen Blickwinkeln präsentiert werden. Die<br />

Geschichte <strong>des</strong> Chores wird unter thematisch relevanten<br />

Frage stellungen betrachtet und sinnlich erlebbar gemacht –<br />

so entstehen spannende und neue Sichtweisen. Die Besucher<br />

können in die Vergangenheit eintauchen und ein Gefühl<br />

dafür entwickeln, was es in verschiedenen Epochen bedeutete<br />

und bedeutet, Thomaner zu sein. Andere <strong>Leipzig</strong>er Museen<br />

folgen bis zum Ende <strong>des</strong> Festjahres mit eigenen Ausstellungen<br />

nach. Gemeinsam mit der Ausstellungseröffnung am<br />

19. März erscheint die Festschrift »800 Jahre Thomana« mit<br />

einer Audio-CD in limitierter Auflage. Den Herausgebern<br />

Prof. Martin Petzoldt und Dr. Stefan Altner ist es gelungen,<br />

eine exklusive Auswahl prominenter Autoren zusammenzustellen,<br />

die sich basierend auf dem aktuellen Forschungsstand<br />

mit der Trias Thomana auseinandersetzen. Ergänzt wird die<br />

Festschrift durch den Katalog zur Sonderausstellung im<br />

Stadtgeschichtlichen Museum <strong>Leipzig</strong>.<br />

Zentraler Teil der Festwoche ist am 20. März 2012 der<br />

Festakt in der Thomaskirche, zu dem hochrangige Vertreter<br />

aus Politik, Kultur und Kirche eingeladen sind. Der Bun<strong>des</strong>präsident<br />

der Bun<strong>des</strong>republik Deutschland, Christian Wulff,<br />

hat seine Anwesenheit bestätigt. Im Anschluss an den Festakt<br />

erfolgt ein Festumzug zum Campus <strong>des</strong> Forum Thomanum,<br />

wo bereits fertiggestellte Bauabschnitte übergeben werden<br />

sollen und ein Fest gefeiert wird. Damit wird ein entscheidender<br />

Abschnitt in der Geschichte dieser international<br />

geprägten musischen Bildungs- und Begegnungsstätte markiert.<br />

In einem Fest der Knabenchöre zur Motettenzeit<br />

15 Uhr am 24. März 2012 in der Thomaskirche, haben die<br />

Besucher die Möglichkeit, zusammen mit dem <strong>Thomanerchor</strong><br />

zugleich vier der renommiertesten Knabenchöre der Welt<br />

zu erleben. Der Dresdner Kreuzchor, die Regensburger<br />

Domspatzen und der Chor <strong>des</strong> King‘s College aus Cambridge<br />

werden als Gratulanten und Gäste erwartet. Jeder Chor greift<br />

auf eine andere Literatur zurück, die jeweils das besondere<br />

Idiom eines Chores prägte, sei es durch spezielle Formen der<br />

musikalischen Ausgestaltung der Gottesdienste in der<br />

römisch-katholischen, der anglikanischen oder lutherischen<br />

Kirche. Dies herauszuhören wird besonders in der Motette<br />

möglich sein, wenn alle Knabenchöre sich vorstellen werden.<br />

Am 21. März 2012 wird es – neben den schon traditionellen<br />

Feierlichkeiten zu Johann Sebastian Bachs dann<br />

327. Geburtstag – am Abend ein großes Fest für den <strong>Thomanerchor</strong><br />

geben, zu dem die <strong>Leipzig</strong>er in das Neue Rathaus<br />

eingeladen sind.<br />

Festwoche Thomasschule im September<br />

Mit einer großen Festveranstaltung in der Thomaskirche zu<br />

<strong>Leipzig</strong> am 17. September 2012 und mit musikalischer<br />

Begleitung durch den <strong>Thomanerchor</strong>, dem Thomasschulchor<br />

und dem Ensemble Amarcord beginnen die Feierlichkeiten<br />

zur Festwoche der Thomasschule. Im Zeichen Ihrer Tradition<br />

und der Bildung präsentiert die Thomasschule innerhalb der<br />

Festwoche ein Schulmusical und Theaterdarbietungen<br />

verschiedener Gastschulen und ist Gastgeber einer Bildungskonferenz.<br />

Die Feierlichkeiten enden mit dem Jubiläumsball<br />

zum 800-jährigen Geburtstag am 22. September 2012 im<br />

Gewandhaus <strong>Leipzig</strong>.<br />

Festwoche Thomaskirche im Oktober<br />

Mit dem Festgottesdienst zum Reformationsfest im kommenden<br />

Jahr und der Uraufführung der Dritten Festmusik von<br />

Heinz Holliger am 31. Oktober 2012 beginnt die Festwoche<br />

der Thomaskirche. Sie ist ein Höhepunkt der Lutherdekade,<br />

die im Jahr 2012 den Schwerpunkt »Reformation und Musik«<br />

hat. Gemeinsam mit der Theologischen Fakultät der<br />

Universität <strong>Leipzig</strong> veranstaltet die Thomaskirche den zweitägigen<br />

Kongress »Kirche in der Gesellschaft« und möchte<br />

damit der engen Verbindung zwischen der Thomaskirche<br />

und der Universität <strong>Leipzig</strong> sowie der Stadt Rechnung tragen.<br />

Ein »Abend der Begegnung« mit anderen in <strong>Leipzig</strong> tätigen<br />

Religionsgemeinschaften auf dem Thomaskirchhof soll verdeutlichen,<br />

dass sich die Kirchgemeinde zur multikulturellen<br />

und multireligiösen Gesellschaft bekennt. Unter der Leitung<br />

von Jiri Petdrlík und mit musikalischer Unterstützung<br />

<strong>des</strong> Orchester Brno und der B Side Band wird erstmalig eine<br />

Jazz-Messe in der Thomaskirche aufgeführt. Roman Friedrich<br />

Alle Informationen zum Festjahr von Thomaskirche, <strong>Thomanerchor</strong> und<br />

Thomasschule erhalten Sie unter www.thomana2012.de<br />

h ö h e p u n K t e i m J u b i l ä u m s J a h r 2 0 1 2<br />

m i t d e m t h o m a n e r c h o r l e i p z i g<br />

6.1. Epiphanias – Uraufführung · ENTFÄLLT ·<br />

Sofia Gubaidulina<br />

19.–25.3. Festwoche 800 Jahre <strong>Thomanerchor</strong><br />

8.4. Ostern – Uraufführung<br />

Thomaskantor Georg Christoph Biller, Erste Festmusik<br />

27.5. Pfingsten – Uraufführung<br />

Hans Werner Henze, Zweite Festmusik<br />

17.–23.9. Festwoche 800 Jahre Thomasschule<br />

31.10.–4.11. Festwoche 800 Jahre Thomaskirche<br />

31.10. Reformation – Uraufführung<br />

Heinz Holliger, Dritte Festmusik<br />

22.12. Motette – Uraufführung<br />

Brett Dean, Vierte Festmusik<br />

25.12. Weihnachten<br />

Brett Dean, Vierte Festmusik<br />

cd-tipp<br />

Zwei CDs mit Kantaten zu Weihnachten und Reformation eröffnen Ende 2011 die große CD-Edition mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong>.<br />

Das Kirchenjahr mit Johann sebastian bach<br />

CD-Serie mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

In den vergangenen vier Jahren stand am Ende eines Motettenprogrammes häufig der Hinweis: »Die heutige<br />

Aufführung der Bachkantate wird für eine CD-Produktion aufgezeichnet. Wir bitten darum, jegliche Störungen<br />

zu vermeiden und alle technischen Geräte auszuschalten«. Jetzt darf gratuliert werden: Ein Großteil der ausgewählten<br />

Kantaten ist jetzt bereits für die Ewigkeit aufgenommen und erscheint bis 2014 in einer zehnteiligen<br />

CD-Serie.<br />

Seit 2007 begleiten die Tonmeister<br />

Tobias Hoff und Joachim Müller von der<br />

<strong>Leipzig</strong>er Plattenfirma Rondeau Production<br />

den <strong>Thomanerchor</strong> bei den<br />

sonnabendlichen Motetten. Thomaskantor<br />

Biller realisiert mit diesem<br />

Projekt sein Anliegen, anlässlich <strong>des</strong><br />

800-jährigen Jubiläums <strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es<br />

eine umfangreiche CD-Serie<br />

zu veröffentlichen, die ausgewählte<br />

Kantaten zum Kirchenjahr dokumentiert.<br />

»Das Kirchenjahr mit Johann<br />

Sebastian Bach« lautet der Titel der<br />

großen CD-Serie, die die <strong>Leipzig</strong>er<br />

Aufführungspraxis der Musik zum<br />

Kirchenjahr auf ganz besondere Weise<br />

würdigt. Festgehalten ist der Alltag der<br />

Thomaner und das Selbstverständliche<br />

vieler <strong>Leipzig</strong>er, zugleich aber auch das<br />

Besondere und Kostbare dieser, mit<br />

800 Jahren ältesten Kultureinrichtung<br />

der Stadt: das wöchentliche Musizieren<br />

<strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es <strong>Leipzig</strong> und<br />

Gewandhausorchesters einer Kantate<br />

von Johann Sebastian Bach in dem<br />

historischen Ort – der Thomaskirche.<br />

Lebendige Musik in lebendiger Atmosphäre.<br />

Mit Bachkantaten zum Reformationsfest<br />

und Michaelistag beginnt die<br />

um fangreiche CD-Serie. In der aktuellen<br />

Einspielung, die seit Oktober 2011 im<br />

Fachhandel erhältlich ist, ergänzt<br />

Thomaskantor Georg Christoph Biller<br />

die Michaeliskantaten »Es erhub sich<br />

ein Streit« BWV 19 und »Nun ist das<br />

Heil und die Kraft« BWV 50 mit dem<br />

Hymnus »Dicimus grates tibi«. Den<br />

Reformationskantaten »Ein feste Burg<br />

ist unser Gott« BWV 80 und »Gott der<br />

Herr ist Sonn und Schild« BWV 79<br />

stellt Thomaskantor Biller den Choral<br />

»Es wolle Gott uns gnädig sein« in der<br />

Vertonung Johann Walters voran. Der<br />

Hörer kann auf diese Weise die<br />

Kirchenmusik eines Gottesdienstes in<br />

der Thomaskirche zur Zeit Bachs<br />

besonders nachempfinden.<br />

Des Weiteren ist bereits die zweite<br />

CD in dieser Reihe erschienen: Der<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong> singt zwei Kantaten<br />

zu Weihnachten, »Unser Mund sei<br />

voll Lachens« BWV 110 und »Christen,<br />

ätzet diesen Tag« BWV 63, sowie die<br />

Kantate »Singet dem Herrn ein neues<br />

Lied« BWV 190 zum Neujahrstag. Die<br />

drei Kantaten ergänzt Biller jeweils um<br />

einen Hymnus zur Geburt Christi.<br />

Diese vierstimmigen Kompositionen<br />

stammen aus dem Florilegium selectissimorum<br />

Hymnorum von Erhard<br />

Bodenschatz.<br />

Thomaskantor Georg Christoph<br />

Biller greift bei seinen Aufführungen<br />

der Bachkantaten für die Sopran- und<br />

Altpartien auf herausragende Solisten<br />

<strong>des</strong> Chores zurück – ein besonderes<br />

Qualitätsmerkmal, welches die neue<br />

CD-Einspielung von anderen unterscheidet.<br />

Unvergessen bleiben die<br />

Knaben stimmen von den Thomanern<br />

Paul Bernewitz, Oskar Didt, Friedrich<br />

Praetorius, Conrad Zuber sowie den<br />

Altisten Martin Deckelmann, Stefan<br />

Kahle und Robert Pohlers. Die Solopartien<br />

in Tenor und Bass singen<br />

ehemalige Thomaner, die heute als<br />

professionelle Sänger international<br />

erfolgreich sind: Christoph Genz,<br />

Martin Petzold, Matthias Weichert<br />

und Gotthold Schwarz.<br />

Teres Feiertag<br />

b i s 2 0 1 4 e r s c h e i n e n<br />

f o l g e n d e c d s i n d i e s e r r e i h e<br />

Kantaten zu Advent CD ROP4040<br />

Kantaten zu Epiphanias CD ROP4038<br />

Kantaten zur Passion CD ROP4044<br />

Kantaten zu Ostern CD ROP4045<br />

Kantaten zu Himmelfahrt CD ROP4041<br />

Kantaten zu Pfingsten CD ROP4026<br />

Kantaten zu Trinitatis CD ROP4036<br />

Kantaten zu Marienfesten CD ROP4039<br />

21


22 interview<br />

V Interview mit Annette Hofmeister<br />

on anfang an lernen lernen<br />

Die Grundschule der Forum Thomanum Schulen GmbH nimmt langsam Formen an. Ich treffe mich mit Annette Hofmeister,<br />

Leiterin der Einrichtung, um mehr über die Besonderheiten dieser Schule zu erfahren. Für mich, der selbst als Lehrer an<br />

einer freien Schule arbeitet, eine spannende Sache.<br />

Sehr geehrte Frau Hofmeister, die Grundschule in Trägerschaft<br />

der Forum Thomanum Schulen GmbH wurde zum<br />

Schuljahr 2010/2011 eröffnet. Sie haben damals nur mit<br />

einer kleinen Schüleranzahl begonnen. Wie hat sich Ihre<br />

Schule entwickelt?<br />

Die Eröffnung war eigentlich schon für das Schuljahr<br />

davor geplant. Ich habe, als ich noch in Krefeld gearbeitet<br />

habe, bereits am Konzept der Schule mitgewirkt. Schon im<br />

Jahr 2005 begann die Planung. Die Genehmigung durch<br />

die Sächsische Bildungsagentur erfolgte sehr spät, sodass<br />

wir nur mit sieben Schülerinnen und Schülern beginnen<br />

konnten. Aber jetzt haben wir schon 15 Schüler in der<br />

zweiten Klasse. In der ersten Klasse haben wir 24 Kinder<br />

ein geschult.<br />

Die Schule befindet sich (noch) nicht an dem geplanten<br />

Campus <strong>des</strong> Forum Thomanum?<br />

Noch sind wir ausgelagert und quasi Gast in der<br />

75. Grundschule in <strong>Leipzig</strong>-Gohlis. Dort bewohnen wir –<br />

zur Zeit drei Lehrerinnen, zwei Erzieherinnen im Hort und<br />

drei Personen, die sich um den Profilunterricht kümmern –<br />

zwei Etagen. Aber im Sommer 2014 wollen wir umziehen.<br />

Auf dem Gelände, wo jetzt das Interim <strong>des</strong> Alumnates steht,<br />

soll die neue Grundschule eröffnet werden. Dann werden wir<br />

auf dem Campus angekommen sein.<br />

Welche Profile bieten Sie an?<br />

Hier wären zu nennen: Italienisch, Englisch und<br />

Musisch. Britta Taddiken von der Thomaskirche in <strong>Leipzig</strong><br />

unterrichtet bei uns evangelische Religion. Das ist für alle<br />

Schülerinnen und Schüler verpflichtend. Die Vermittlung<br />

der christlichen Werte hat für uns eine große Bedeutung.<br />

Ihre persönliche Bilanz nach einem Jahr?<br />

Ich habe das Gefühl, hier gut arbeiten zu können. Die<br />

Ziele sind klar gesteckt. Die Schule ist gut angelaufen,<br />

die Anmeldezahlen für das kommende Schuljahr stimmen.<br />

Die Stadt <strong>Leipzig</strong> hat die Grundschule <strong>des</strong> Forum Thomanum<br />

als offizielle Schule der Thomaneranwärter anerkannt.<br />

Momentan werden die Thomaneranwärter in der Edouard-<br />

Manet-Grundschule unterrichtet. Die Klassenstufen drei<br />

und vier selbst schon im Gebäude der Thomasschule. Da wir<br />

von der staatlichen Aufsichtsbehörde zurzeit nur genehmigt<br />

und noch nicht anerkannt sind, können wir nur eine<br />

bestimmte Anzahl an Kindern aufnehmen. Erst nach einer<br />

Annette Hofmeister ist seit 2010 Schulleiterin der Grundschule<br />

Forum Thomanum.<br />

Zeit von drei Jahren erfolgt die staatliche Anerkennung. Das<br />

heißt für uns, dass wir in nunmehr zwei Jahren die staatlichen<br />

Zuschüsse erhalten und dann auch zweizügig werden<br />

können.<br />

Wie erfolgt die Ausbildung der Thomaneranwärter bei<br />

Ihnen?<br />

Nun, es gibt bei uns keine reinen Thomanerklassen,<br />

sondern nur gemischte Klassen mit musikalischem Profil.<br />

Die musikalische Ausbildung ist in den Schulalltag integriert<br />

und findet nicht nur im Nachmittagsbereich statt. Die<br />

zukünftigen Sänger erfahren somit eine zusätzliche Förderung.<br />

Als freie Schule sind wir hier sehr flexibel und haben<br />

die nötige Handlungsfreiheit.<br />

Was sollten unsere Leser über das pädagogische Konzept<br />

Ihrer Schule wissen?<br />

Wir arbeiten nach dem Konzept »Von Anfang an Lernen<br />

lernen« und setzen stark auf eine individuelle Förderung der<br />

Kinder. Hier meine ich keine Vielzahl von unterschiedlichen<br />

Arbeitsblättern, die ein Lehrer vorher konzipiert hat. Wir<br />

wollen, dass durch den Einsatz von Lern- und Lesetagebüchern,<br />

individuellen und kommunikativen sowie kooperativen<br />

Methoden erreichen. Wir wollen den Kindern die Möglichkeit<br />

bieten, sich selbst zu entfalten und Selbstständigkeit<br />

zu üben und Kooperation und Kommunikation so zu beherrschen,<br />

wie man es am Ende der vierten Klasse maximal<br />

beherrschen kann. Bei uns gibt es viele Trainingseinheiten.<br />

Ein Thema dabei ist zum Beispiel das Markieren von Texten.<br />

Bei uns gibt es daher auch wenig Frontalunterricht. Wir<br />

respektieren die Kinder als individuelle Lernende.<br />

Wir starten die Woche am Montagmorgen 8 Uhr mit<br />

dem Chor und die Woche endet am Freitag 15.45 Uhr mit<br />

dem Chor. Die Kinder haben in der Regel bis 16 Uhr Unterricht<br />

beziehungsweise die verschiedenen Profile. Außerdem<br />

gibt es bei uns bilingualen Unterricht. So wird zum Beispiel<br />

Kunst schon teilweise auf Englisch unterrichtet. Die Profile<br />

und der Unterricht sollen sich untereinander verweben.<br />

Natürlich hat der Unterricht im Vormittagsbereich seine<br />

Priorität, aber am Nachmittag finden teilweise Kunst,<br />

zukünftig auch Sport und Mathematik statt. Dafür ist am<br />

Vormittag dann einmal Stimmbildung.<br />

Wie erfolgt die Zusammenarbeit mit dem Hort und der<br />

Kindertagesstätte <strong>des</strong> Forum Thomanum?<br />

Besonders zu unserem Hort herrschen sehr enge und<br />

gute Beziehungen. Wir wohnen ja förmlich Tür an Tür und<br />

ziehen an einem Strang, um das Forum Thomanun voran zu<br />

bringen. Auch zur Kindertagesstätte haben wir gute Kontakte<br />

und es besteht ein Kooperationsvertrag. Leider ist die<br />

räumliche Entfernung hier noch ein Problem. Aber wir<br />

haben schon gemeinsame Nachmittage gestaltet, Gottesdienste<br />

besucht und zum Tag <strong>des</strong> Forum Thomanum beim<br />

Bachfest 2011 gemeinsam gesungen.<br />

Erleben Sie die<br />

Thomaskirche –<br />

immer und überall!<br />

interview<br />

Welche Rolle wird die Grundschule bei den Feierlichkeiten<br />

»800 Jahre <strong>Thomanerchor</strong>, Thomasschule, Thomaskirche«<br />

spielen?<br />

Eine besondere Rolle wird uns hier nicht zukommen,<br />

aber wir werden natürlich bei den Feierlichkeiten dabei sein.<br />

Besonders in der Festwoche »800 Jahre <strong>Thomanerchor</strong>« vom<br />

19. bis 25. März 2012.<br />

Welche Rolle spielt Musik in Ihrem Leben? Haben Sie einen<br />

Lieblingskomponisten?<br />

Ich singe seit über 26 Jahren in verschiedenen Chören<br />

und höre sehr gerne Musik. Für mich bedeutet Singen Entspannung.<br />

Eine persönliche Bedeutung in meinem Leben<br />

hat die Musik Johann Sebastian Bachs. Regelmäßig besuche<br />

ich auch die Motetten <strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es.<br />

Wo sehen Sie das Forum Thomanum in zehn Jahren?<br />

In zehn Jahren wird das Forum Thomanum fest in der<br />

Stadt <strong>Leipzig</strong> integriert sein und eine große Rolle für die<br />

Kultur und Bildung spielen. Ich hoffe sehr, dass es dann auch<br />

noch eine Mittelschule in freier Trägerschaft geben wird.<br />

Sehr geehrte Frau Hofmeister, ich danke Ihnen für das<br />

Gespräch und wünsche Ihnen für die zukünftige Arbeit viel<br />

Erfolg und Kraft.<br />

Das Interview führte Dr. Michael Kampf.<br />

1970 in Witzenhausen/Nordhessen<br />

geboren, legte Annette Hofmeister<br />

1989 ihr Abitur in Hessisch<br />

Lichtenau ab. Direkt nach dem<br />

Abitur studierte sie in Kassel und<br />

schloss an einer Grundschule in<br />

Nordhessen ihr Referendariat für<br />

das Lehramt an Grundschulen ab.<br />

Als Lehrerin hat sie ab 1996 an<br />

a n n e t t e h o f m e i s t e r<br />

zwei verschiedenen Grundschulen<br />

in Mönchengladbach gearbeitet<br />

und von 2005 bis 2010 war<br />

sie Konrektorin an einer großen<br />

Krefelder Grundschule.<br />

Seit Sommer 2010 ist sie<br />

Schulleiterin der Grundschule<br />

Forum Thomanum.<br />

Lassen Sie Erinnerungen Wirklichkeit werden – wann immer Ihnen<br />

danach ist. Im Thomasshop fi nden Sie CDs, Bücher, T-Shirts, Uhren,<br />

Schmuck, Souvenirs… Kurz: einfach alles, um Ihre Erinnerungen<br />

immer wieder aufs Neue zu genießen. Oder um ein Stück Thomaskirche<br />

zu verschenken. Ob Sie sich oder anderen eine Freude machen –<br />

es ist in jedem Fall eine doppelte: Denn der Erlös aus dem Verkauf<br />

kommt der Thomaskirche zugute! www.thomaskirche.org<br />

23


24 motette/Kantate<br />

Der <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong> musiziert in der Motette am 12. November 2011 gemeinsam mit dem Gewandhausorchester die Bach-Kantate<br />

»Ich habe meine Zuversicht« BWV 188 in der Thomaskirche zu <strong>Leipzig</strong>. Die Leitung hat Thomaskantor Georg Christoph Biller.<br />

Klassische rhetorik und Klangrede<br />

Prof. Dr. Max Pommer über die Kantate BWV 188<br />

»… dem Verlangen guter Freunde zur Folge« schreibt Picander<br />

in seinem Vorwort zu den Kantatentexten 1728/29 »und weil<br />

ich mir schmeicheln darf, dass vielleicht der Mangel der poetischen<br />

Anmuth durch die Lieblichkeit <strong>des</strong> unvergleichlichen<br />

Herrn Capell-Meisters, Bachs, dürfte ersetzet … werden«<br />

hätten ihn, Picander, bewogen, diese Kantaten (-texte) – nach<br />

dem Vorbild Erdmann Neumeisters – zu verfassen. Seine<br />

Höflichkeit erscheint wie eine Selbstkritik im Falle der<br />

Kantate »Ich habe meine Zuversicht«, neigt sie doch weniger<br />

zu poetischen Höhenflügen als zum klassischen Prinzip einer<br />

›wohlgesetzten Rede‹. Es muss über die Texte eine Absprache<br />

mit Bach gegeben haben, denn es ist auffällig, dass der Chor<br />

nicht die Rolle spielt wie in anderen Kantaten.<br />

Meist bilden Arien die Anfänge und Eingangschöre werden<br />

oft durch Instrumentalsätze aus früher komponierten<br />

Konzerten ersetzt. Zweifelte Bach an der Leistungsfähigkeit<br />

seiner Thomaner, wie er sie zwei Jahre später in seiner Eingabe<br />

an den Rat artikulierte? Wie es auch sei, wir haben in<br />

der Kantate BWV 188 ein Beispiel klassischer Rhetorik, die<br />

durch geniale Musik jene Sinnlichkeit erreicht, welche die<br />

Herzen der Menschen bewegt. Da wäre die erste Arie als<br />

informationen zur Kantate<br />

Die Kantate BWV 188 »Ich habe<br />

meine Zuversicht« gehört dem<br />

1728/29 veröffentlichten Jahrgang<br />

von Texten <strong>des</strong> <strong>Leipzig</strong>er Dichters<br />

Christian Friedrich Henrici (Picander)<br />

an. In diese Zeit fällt wohl auch die<br />

Entstehung der Komposition von<br />

Johann Sebastian Bach, die nur<br />

sehr mangelhaft überliefert ist. So<br />

wurde Bachs Partitur aus unbekannten<br />

Gründen in zahllose kleine<br />

Streifen zerschnitten, die heute auf<br />

verschiedene Bibliotheken und<br />

Privatpersonen verteilt sind. Ein<br />

Großteil aber ist verloren. Das<br />

Evangelium für den 21. Sonntag<br />

nach Trinitatis findet seinen Niederschlag<br />

bei Picander, indem er<br />

recht allgemein die Quintessenz<br />

<strong>des</strong> Textes wiedergibt – nämlich,<br />

dass sich Gottvertrauen lohnt,<br />

auch wenn es vorübergehend<br />

scheinen mag, als sei Gott<br />

grausam. Als Rekonstruktion der<br />

verschollenen Sinfonia (siehe Text)<br />

erklingt in der Aufführung der<br />

Thomaner der dritte Satz <strong>des</strong><br />

Konzertes für Cembalo und<br />

Streichorchester d-Moll BWV 1052.<br />

I N F OR M AT ION EN Zu R K A N TAT E<br />

›Erzählung‹ (narratio) zu nennen. Ihre Worte geben der<br />

Kantate die Überschrift. Das Vorspiel erscheint zunächst<br />

melodisch einfach, liedhaft bis zu einer charakteristischen<br />

Synkope im fünften Takt. Sie wird in diesem Satz eine Rolle<br />

spielen, aber auch den Bogen bis zur letzten Arie schlagen.<br />

Betrachten wir die Feinheiten der Musiksprache, so können<br />

wir am Beginn der Solostimme beobachten, dass Bach den<br />

Text nicht in ein metrisches Schema zwingt, sondern verschiedene<br />

Metren übereinander setzt. In der Singstimme wird<br />

dies deutlich durch Bindebögen oder Verbalkungen – ein<br />

Verbinden einzelner Noten mit Fähnchen zu Notengruppen<br />

mittels Balken. So können wir in der ersten Abbildung die<br />

von der instrumentalen Gestalt abweichende Textverteilung<br />

der Singstimme gut nachvollziehen (Abb. 1).<br />

Die Betonung einer Silbe oder eines Tones findet sich am<br />

Anfang der Bögen. Für die Oboe bedeutet das eine Betonung<br />

auf der ersten Zählzeit <strong>des</strong> Taktes (Abb. 2), die erste Note der<br />

Singstimme aber muss ein Auftakt sein (Abb. 3), mithin also<br />

eine unbetonte Zeit, und Igor Strawinsky hätte nach ihm<br />

sicher einen 5/8-Takt notiert. Auch das Motiv der Streicher<br />

im zweiten Takt (Abb. 4) ist ein Resultat <strong>des</strong> Anfangs. Keine<br />

1. sinfonia für Oboe I/II, Taille<br />

(Oboeninstrument in Tenorlage),<br />

Violino I/II, Viola, Basso continuo<br />

2. aria »Ich habe meine Zuversicht«<br />

für Tenor, Oboe, Violino I/II, Viola und<br />

Basso continuo<br />

3. recitativo »Gott meint es gut mit<br />

jedermann« für Bass und Basso<br />

continuo<br />

4. aria »Unerforschlich ist die Weise«<br />

für Alt, Violoncello und Organo<br />

obligato<br />

5. recitativo »Die Macht der Welt<br />

verlieret sich« für Sopran, Violino I/II,<br />

Viola und Basso continuo<br />

6. choral »Auf meinen lieben Gott<br />

trau ich in Angst und Not« für<br />

vierstimmigen Chor und Basso<br />

continuo. Die Instrumentierung ist<br />

nicht überliefert.<br />

Der <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong> musiziert<br />

die Kantate BWV 188 mit dem<br />

Gewandhausorchester unter der<br />

Leitung von Thomaskantor Georg<br />

Christoph Biller am 12. November<br />

2011 um 15 Uhr zur Motette in der<br />

Thomaskirche zu <strong>Leipzig</strong>.<br />

Betonung, sondern es befördert den Schwung <strong>des</strong> Taktes mit<br />

einem Crescendo zum nächsten. Es sind also drei verschiedene<br />

Ereignisse, aus einer Zeile entstanden, die wir erlebbar<br />

machen müssen, oder, wie Debussy einmal sagte, »die Ordnung<br />

in der Freiheit suchen.«<br />

Der zweite Teil illustriert den Text »wenn alles fällt…«<br />

durch Staccato-Sechzehntel der Streicher und den abstürzenden<br />

Dreiklang der Oboe höchst dramatisch. Der Gegensatz<br />

nach vier Takten zitiert ganz logisch den Anfang der<br />

Arie (Abb. 5). Ich fühle durch die erneute Befreiung der Sprache<br />

vom Metrum Hoffnung nach der scharf und unerbittlich<br />

artikulierten Schreckensvision. Das nun folgende Rezitativ<br />

könnte die Predigt eines Gottesdienstes sein. Picander stellt<br />

in seinem Kantatentext eine ›propositio‹ (eine Vorstellung,<br />

die man sich von etwas macht) der ›confutatio‹ (ihrer Widerlegung)<br />

entgegen:<br />

propositio<br />

Verbirget er gleich…<br />

… auch töten<br />

… erzürntes Angesicht<br />

Verwandelt sich in einen Grausamen,<br />

Abb. 1<br />

Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5<br />

confutatio<br />

so denket sein Herz doch…<br />

so hoff ich doch…<br />

…Himmelssegen so viel reicher<br />

um <strong>des</strong>to tröstlicher…<br />

Diesem Disput folgt der Entschluss: »Drum lass ich ihn<br />

nicht…«. Dafür wechselt Bach aus dem Secco-Rezitativ in<br />

den weich schwingenden 6/8-Takt eines Arioso und im<br />

Melisma »er segne mich denn« begegnen wir der alles verbindenden<br />

Synkope wieder.<br />

Die nun folgende zweite Arie ist die abschließende<br />

Betrachtung (conclusio) <strong>des</strong> vorher Abgehandelten. »Unerforschlich…«<br />

beginnt der Text und macht deutlich, dass es<br />

sich um etwas handelt, was sich jeder Erklärung verschließt.<br />

Bach komponiert ein Pedant zum virtuosen Orgelpart der<br />

Sinfonia, ein Duett der obligaten Orgel mit der Altstimme –<br />

die kunstvollste Arie der Kantate. Die Synkope als ›idée fixe‹<br />

prägt ihr Thema und mit einer nur Bach vorbehaltenen<br />

kontrapunktischen und rhythmischen Eleganz ergänzen sich<br />

die konzertierenden Stimmen. Das Mysterium wird nicht<br />

gefühlshaft entrückt, sondern als tönend bewegte Form<br />

interpretiert.<br />

Das letzte kurze Rezitativ wirkt wie ein energischer<br />

Schlusspunkt. Die alte Melodie <strong>des</strong> Chorals stammt aus dem<br />

16. Jahrhundert und entspricht in ihrer Einfachheit dem verinnerlichten,<br />

nachdenklichen Charakter <strong>des</strong> gesamten<br />

Werkes.<br />

Ich erinnere mich noch der Probleme mit dem dritten<br />

Satz eines Orgelkonzertes anlässlich der Produktionen von<br />

rekonstruierten Solokonzerten mit dem Neuen Bachischen<br />

Collegium Musicum. Die ersten beiden Sätze waren in der<br />

motette/Kantate 25<br />

Kantate BWV 146 (»Wir müssen durch viel Trübsal«)<br />

erhalten. Bach hatte ein verschollenes Violinkonzert bearbeitet<br />

und den dritten Satz als Sinfonia unserer Kantate<br />

bestimmt. Eben dieser Satz ist aber bis auf wenige Schlusstakte<br />

nicht auffindbar. Eine Übernahme aus einer späteren<br />

Be arbeitung für Cembalo – dem bekannten Konzert in<br />

d-Moll – verbot sich, da Bach für die Kantaten zum Streichorchester<br />

zwei Oboen/Taille hinzugefügt hatte, vielleicht<br />

um die Streicher zu verstärken, aber sicher auch wegen der<br />

aparten Klangkombinationen mit der konzertierenden<br />

Orgel. Die Ratlosigkeit war groß.<br />

Alfred Dürr stellte noch 1971 fest, dass die Kantate<br />

BWV 188 üblicherweise ohne Sinfonia aufgeführt würde, in<br />

einem Klavierauszug von Breitkopf & Härtel finden wir als<br />

Sinfonia den ersten Satz <strong>des</strong> Konzertes aus der Kantate<br />

BWV 146, und die Neue Bach-Ausgabe konnte nur 33 Takte<br />

der Kadenz veröffentlichen. Erfreulicherweise hatte aber kurz<br />

vor unseren Aufnahmen die Organistin Martha Schuster 1983<br />

eine brauchbare Rekonstruktion vorgestellt – bisher die einzige<br />

Möglichkeit, diesen wundervollen, »swingenden« Satz<br />

wieder zu beleben. Ist er doch eine rasante Ouvertüre zu jener<br />

Klangrede, die uns zu denken gibt und uns tröstend erbaut.<br />

Prof. Dr. Max Pommer<br />

p r o f . d r . m a x p o m m e r<br />

· Max Pommer wurde 1936 in <strong>Leipzig</strong> geboren<br />

· nach dem Besuch der Thomasschule Dirigier- und Klavierstudium an<br />

der Musikhochschule <strong>Leipzig</strong> sowie der Musikwissenschaft an der<br />

Universität <strong>Leipzig</strong> (Promotion)<br />

· von 1973 bis 1987 Dirigent <strong>des</strong> <strong>Leipzig</strong>er Universitätschores,<br />

Universitätsmusikdirektor<br />

· von 1978 bis 1987 Gründer und Leiter <strong>des</strong> Neuen Bachischen<br />

Collegium Musicum<br />

· von 1987 bis 1991 Chefdirigent <strong>des</strong> Rundfunk-Sinfonieorchesters<br />

<strong>Leipzig</strong><br />

· seit 1990 Professor für Orchestererziehung und Dirigieren an der<br />

Musikhochschule <strong>des</strong> Saarlan<strong>des</strong>, Gründer <strong>des</strong> Saar-Lor-Lux-Orchester,<br />

2003 Emeritierung<br />

· von 2001 bis 2011 Leiter der Hamburger Camerata<br />

· 2011 Biermann-Ratjen-Medaille der Freien und Hansestadt Hamburg<br />

· internationale Konzerttätigkeit als Gastdirigent unter anderem in<br />

Österreich, Schweiz, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande,<br />

Spanien, USA, Japan und China<br />

· zahlreiche Aufnahmen für CD, Rundfunk, Fernsehen


26 musiKer in leipzig<br />

Erhard mauersberger (1903–1982)<br />

Ein »holzgeschnitzter Kantor aus dem Erzgebirge«<br />

Erhard Mauersberger vor der Thomaskirche zu <strong>Leipzig</strong>.<br />

e r h a r d m a u e r s b e r g e r<br />

· 1903 in Mauersberg/Erzgebirge<br />

geboren<br />

· 1914 bis 1920 Thomaner<br />

unter Gustav Schreck<br />

· 1920 bis 1925 Studium am<br />

<strong>Leipzig</strong>er Konservatorium<br />

· 1925 bis 1928 Leiter <strong>des</strong><br />

Bachvereins und Organist am<br />

Städtischen Konzerthaus Aachen<br />

· 1928 bis 1930 Organist und<br />

Chorleiter an der Christuskirche<br />

Mainz<br />

· 1930 bis 1961 Kantor<br />

und Organist an der<br />

St. Georgen kirche Eisenach<br />

· ab 1932 Dozent für Chor-<br />

leitung an der Musikhochschule<br />

Weimar<br />

· 1946 Ernennung zum Professor<br />

· 1950 bis 1960 Gründer und<br />

Leiter der Kirchenmusikschule<br />

Eisenach<br />

· 1961 bis 1972 Thomaskantor<br />

· 1961 bis 1965 Leiter <strong>des</strong><br />

Gewandhauschores<br />

· 1963 bis 1982 Präsident<br />

<strong>des</strong> Johann-Sebastian-Bach<br />

Komitees der DDR<br />

· 1982 stirbt Erhard<br />

Mauersberger in <strong>Leipzig</strong><br />

»Ehrgeiz und persönliches Geltungsbedürfnis<br />

waren ihm fremd. Er führte sein Amt<br />

gewissenhaft und verantwortungsbewusst,<br />

wie es einem Kantor von altersher anstand.«<br />

Nicht über, sondern von Erhard Mauersberger<br />

stammen diese Zeilen, die er 1975 zur<br />

Würdigung von Thomaskantor Gustav<br />

Schreck zu Papier brachte. Neben Karl<br />

Straube gehörte Schreck zu den auch musisch<br />

prägenden Personen in Erhard Mauersbergers<br />

Jugend. Am 29. Dezember 1903 im<br />

Erz gebirgsdorf Mauersberg geboren, wurde<br />

Erhard schon als Kind in die gottesdienstlichen<br />

und kirchenmusikalischen Traditionen<br />

und Abläufe einbezogen, die im<br />

Kantorenhaushalt <strong>des</strong> Kirchschullehrers<br />

Oswald Mauersberger allgegenwärtig waren.<br />

Aus dieser Prägung kommend, wurde er<br />

Ostern 1914 Mitglied <strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es<br />

<strong>Leipzig</strong> – und betrat damit erstmals die<br />

musische Sphäre, die ihn bis zum Ende seines<br />

Lebens umfangen und die er selbst nachhaltig<br />

prägen sollte.<br />

An dem berühmten Kirchenmusikalischen<br />

Institut <strong>des</strong> <strong>Leipzig</strong>er Konservatoriums<br />

studierte Erhard Mauersberger die<br />

Fächer Klavier und Orgel und wurde von seinem<br />

Lehrer Karl Straube in <strong>des</strong>sen engsten<br />

Schülerkreis aufgenommen. In dieser Zeit<br />

entstanden seine ersten Kompositionen. Das<br />

Komponieren hat er, anders als Straube, der<br />

sich bewusst als nachschöpfender Musiker<br />

verstand, zeitlebens gepflegt. So sind es, neben<br />

größeren Werken, wie etwa die 1977<br />

durch die Thomaner uraufgeführte Evangelienmotette<br />

»Die Heilung <strong>des</strong> Blinden zu<br />

Jericho«, vor allem die kleinen, intimen Sätze<br />

mit ihrem spätromantischen Habitus, die<br />

auch heute noch – besonders in der Weihnachtszeit<br />

– im Repertoire der Thomaner<br />

vertreten sind. Vermutlich war es auch die<br />

Zurückhaltung und Bescheidenheit seinem<br />

älteren Bruder in Dresden gegenüber, dem<br />

Kreuzkantor und angesehenen Komponisten<br />

Rudolf Mauersberger, die ihn sein eigenes<br />

kompositorisches Wirken eher behutsam herausstellen<br />

ließen. Die Brüder Mauersberger<br />

– in ihrer zeitgleich ausgeübten Leitung der<br />

beiden großen sächsischen Knabenchöre<br />

wohl eine einmalige Konstellation – pflegten<br />

ein von großer Vertrautheit und gleichzeitiger<br />

Distanz geprägtes Verhältnis, das sie<br />

aber nie daran hinderte, als Musiker zusammen<br />

zu wirken. Insgesamt achtmal führten<br />

Thomaner und Kruzianer Bachs h-Moll- Messe<br />

gemeinsam unter der Leitung der Brüder<br />

wechselseitig in Dresden und <strong>Leipzig</strong> auf und<br />

auch die Matthäus-Passion wurde, erstmals<br />

1964, von beiden Chören musiziert und<br />

schließlich 1970 auf Schallplatte produziert,<br />

über deren Charakter Erhard Mauersbergers<br />

später schrieb: »Man geht nicht fehl in der<br />

Beurteilung dieser Einspielung, wenn man<br />

sie als Dokumentation einer nicht zuletzt<br />

durch Albert Schweitzer und Karl Straube<br />

geprägten Bachauffassung ansieht.«<br />

Mit seiner 1930 erfolgten Berufung als<br />

Lan<strong>des</strong>kirchenmusikwart und Kantor an<br />

Bachs Taufkirche St. Georgen in Eisenach<br />

fand Erhard Mauersberger auch privat einen<br />

festen Platz: Er heiratete die Kindergärtnerin<br />

und Jugendleiterin Else Moll und zweieinhalb<br />

Jahre später wurde Tochter Helga<br />

geboren. Zu Beginn <strong>des</strong> Dritten Reiches<br />

begrüßte er in einer Erklärung zu dem Flugblatt<br />

»Kirchenmusik im Dritten Reich«,<br />

gemeinsam mit anderen maßgeblichen<br />

Persönlichkeiten wie Günther Ramin, Karl<br />

Straube, Hugo Distler, Rudolf Mauersberger<br />

und Kurt Thomas, dass die »nationale<br />

Erneuerung (…) die Kirche wieder in den<br />

Blickpunkt <strong>des</strong> ganzen Volkes gerückt« habe<br />

und bekannte sich unter anderem zur<br />

»kultischen Verwurzelung« und »volkhaften<br />

Grundlage« aller Kirchenmusik – in der<br />

Hoffnung, damit Angriffe der neuen Machthaber<br />

auf die Stellung der christlichen<br />

Kirchen vermeiden zu können. Eine Hoffnung,<br />

die trog. Innerhalb seiner Familie war<br />

die Ablehnung der nazistischen Ideologie<br />

kein Geheimnis, wie Kerstin Sieblist in ihren<br />

Schriften über Mauersberger nachgewiesen<br />

hat; unter Umständen lebensbedrohliche<br />

offene Ablehnung zeigte er aber nicht. So<br />

waren es wohl vor allem Opportuni tätsgründe<br />

die ihn bewogen, 1933 Alfred Rosenbergs<br />

»Kampfbund für deutsche Kultur« beizutreten<br />

und 1937 einen Aufnahmeantrag in die<br />

NSDAP zu stellen – der dann aber prompt<br />

wegen seiner kirchlichen Bindungen zurückgewiesen<br />

wurde. Bis zur Einberufung <strong>des</strong><br />

schwer Kurzsichtigen zur Wehrmacht 1944<br />

führte Mauersberger seine Arbeit in Eisenach<br />

fort und trat auch nach dem Krieg wieder in<br />

seine alten Ämter ein.<br />

Mauersbergers enger Kontakt zu dem<br />

Thüringer Lan<strong>des</strong>bischof Moritz Mitzenheim<br />

war einer der begünstigenden Faktoren für<br />

seine Berufung zum Thomaskantor in Nachfolge<br />

<strong>des</strong> in Unfrieden, aus persönlichen und<br />

politischen Gründen ausgeschiedenen Kurt<br />

Thomas. Zwar hatte der bescheidene und<br />

sparsame, später jeden Tag mit der Straßenbahn<br />

zum Alumnat fahrende Mauersberger<br />

keinen leichten Start bei den an die glutvolle<br />

Persönlichkeit eines Günther Ramin gewöhnten<br />

älteren Thomanern. Jedoch gelang<br />

es ihm, den Respekt und die Zuneigung der<br />

Choristen zu gewinnen. Thomaskantor<br />

Georg Christoph Biller, damals selbst<br />

Thomaner, schreibt: »Mauersberger war<br />

nicht der Weltbürger, der elegant und pfiffig<br />

mit einem Knabenchor umging, sondern er<br />

war der etwas holzgeschnitzte Kantor aus<br />

dem Erzgebirge, den wir aber zum Ende<br />

seiner Amtszeit sehr geschätzt haben, weil<br />

wir gemerkt haben, dass da eine Persönlichkeit<br />

vor uns steht, der daran ge legen war, den<br />

Menschen eine Botschaft zu überbringen.«<br />

Wie auch Kurt Thomas hatte Mauersberger<br />

mit den Begehrlichkeiten <strong>des</strong> SED-Staates<br />

zu kämpfen, einen vorrangig in der Kirche<br />

singenden städtischen Chor nach den Vorstellungen<br />

einer sozialistischen Kulturpolitik<br />

umzuformen. Gegen die Abschaffung der als<br />

»bürgerlich« verschrienen Kieler Blusen der<br />

Thomaner konnte Mauersbergers Widerspruch<br />

nicht wirksam werden. Und so sangen<br />

die Thomaner, deren Kantor der Blockpartei<br />

CDU beitrat, wie vorher und nachher<br />

bei verschiedenen staatlichen Anlässen. Eine<br />

Mitgliedschaft in der SED oder eine Zusammenarbeit<br />

mit der Staatssicherheit der<br />

DDR lag dem eingewurzelten Protestanten<br />

Mauersberger fern. So war es vor allem sein<br />

christlicher Glaube, der ihn vor allzu großen<br />

Eingriffen in die Struktur <strong>des</strong> Chores<br />

Abstand nehmen ließ. Dieses jahrelange,<br />

zermürbende Ringen um Bewahrung und<br />

Erhaltung der Thomanertradition ließ ihn,<br />

zusätzlich geschwächt durch einen Unfall<br />

und die sich anschließende lange Genesungszeit<br />

und mal stärker und schwächer von<br />

staatlicher Seite bedrängt, um seine Abberufung<br />

bitten. Im April 1972 schied er aus<br />

dem Amt.<br />

In seiner Zeit als Thomaskantor pflegte<br />

Mauersberger neben den Werken Bachs, anderer<br />

Thomaskantoren und eigenen Sätzen<br />

auch die Werke zeitgenössischer Komponisten,<br />

wie Volker Bräutigam, Wilhelm<br />

Weismann, Johannes Weyrauch, Ernst<br />

Pepping und Günter Raphael. Einzig den in<br />

Ungnade gefallenen Kurt Thomas sucht man<br />

in den Programmen der Mauersberger-Zeit<br />

vergeblich. Die Tätigkeit <strong>des</strong> Chores innerhalb<br />

der DDR, bei den Motetten und Gottesdiensten,<br />

Konzerten, Schallplatten- und<br />

Rundfunkaufnahmen, die uns den geraden<br />

und kräftigen Chorklang jener Jahre offenbaren,<br />

blieb auch unter Mauersberger unverändert.<br />

So brachte das 750-jährige Jubiläum<br />

<strong>des</strong> Chores 1962 eine Vielzahl von Verpflichtungen<br />

und Auftritten mit sich – jedoch war<br />

die bislang internationale, die Bun<strong>des</strong>republik<br />

und das westliche Ausland nicht aussparende,<br />

Reisetätigkeit <strong>des</strong> Chores durch den<br />

ein Jahr zuvor erfolgten Bau der Berliner<br />

Mauer empfindlich eingeschränkt. Die<br />

Thomaner besuchten unter Mauersberger<br />

zwar Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn<br />

oder 1970 Finnland, doch der Weg nach<br />

Westen blieb verschlossen. Nach seinem<br />

Abschied, an sein letztes Dirigat als Thomaskantor<br />

zurückdenkend, schrieb Erhard<br />

Mauersberger: »Als ich den Taktstock nach<br />

dieser letzten Amtshandlung aus den Händen<br />

legte, geschah es, wie schon immer in meiner<br />

Arbeit, in dem Bewusstsein, Bach in ihr gesucht<br />

zu haben. Ich versah mein Amt in<br />

Demut und Ehrfurcht, den Menschen etwas<br />

Kostbares vermitteln zu dürfen – nicht allein<br />

um <strong>des</strong> künstlerischen Erlebnisses und<br />

Genusses willen, sondern auch in dem Sinne<br />

<strong>des</strong> von Johann Sebastian Bach verwendeten<br />

Signums: »Soli Deo Gloria«.«<br />

Patrick Grahl<br />

musiKer in leipzig<br />

Erhard Mauersberger trat<br />

sein Amt als Thomaskantor<br />

nach dem Weggang von<br />

Kurt Thomas in schwieriger<br />

Zeit 1961 an.<br />

27


28 abgänge <strong>des</strong> thomanerchores<br />

Einzigartige persönlichkeiten verabschieden sich<br />

Sechs Thomaner beginnen einen neuen Lebensabschnitt<br />

Das Leben mit dem <strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong> endet für jeden Thomaner offiziell mit der Abschlussmotette. Die<br />

Abiturienten werden in der Thomaskirche feierlich verabschiedet: In eine ungewisse Zukunft sicher nicht,<br />

denn viele Thomaner wissen bereits, wie es nach dem Chor weitergehen soll. Im Juli 2011 verabschiedete<br />

sich der Chor von sechs besonderen Persönlichkeiten, die den Chor mit ihrer Einzigartigkeit bereicherten.<br />

Der <strong>Thomanerchor</strong> verabschiedete im Juli 2011 die Thomaner Felix Buchmann, Maximilian Raschke, Stefan Kahle, Clemens Cramer,<br />

Dennis Keeb und Felix Glaser (v.l.n.r.).<br />

Max Raschke nahm im Oktober sein<br />

Medizinstudium in <strong>Leipzig</strong> auf. Er war<br />

als Famulus <strong>des</strong> Geschäftsführers für<br />

den CD-Verkauf zuständig. Als Stubenoberer<br />

hatte er stets ein offenes Ohr für<br />

die Anliegen seiner Stubenmitglieder<br />

und stand ihnen stets mit Rat und Tat<br />

zur Seite.<br />

Clemens Cramer hat ebenfalls den<br />

Wunsch, in den Arztberuf einzusteigen.<br />

In Vorbereitung auf sein Studium wird<br />

er ein Freiwilliges Soziales Jahr in der<br />

Uniklinik <strong>Leipzig</strong> absolvieren, um erste<br />

Erfahrungen zu sammeln. Als Knabenstimme<br />

gehörte er unter anderem<br />

zur Besetzung der Zauberflöte in der<br />

Oper <strong>Leipzig</strong>, worauf er sehr stolz ist.<br />

Der Altus Stefan Kahle trat <strong>des</strong><br />

Öfteren als Solist in Konzerten und<br />

Kantaten auf. Sein Talent erkannte<br />

man auch an der Schola Cantorum in<br />

Basel, wo er seit September das Fach<br />

»Alte Musik« studiert. Neben Clemens<br />

Cramer war er ebenfalls in der<br />

Zauberflöte an der Oper <strong>Leipzig</strong> zu<br />

hören. Während seiner Chorzeit<br />

erhielt er das Petzold-Legat und das<br />

Ramin-Legat.<br />

Felix Glaser wird eine zweijährige<br />

Ausbildung zum Rettungsassistenten<br />

absolvieren, bevor er sich aufgrund<br />

seines Studiums in die Tiefen der<br />

menschlichen Psyche begeben wird.<br />

Zu verschiedenen Feiertagen erfreute<br />

er den <strong>Thomanerchor</strong> als Alchimist<br />

mit zündelnden Ideen.<br />

Als kreativer Kopf, guter Tenor und<br />

Tonicus hat Dennis Keeb den Chor stets<br />

mit seinen Ideen bereichert. Die Hochschule<br />

für Kunst und Design in Halle<br />

wird sein künstlerisches Talent in den<br />

nächsten Jahren weiterhin fördern.<br />

Für die Interessen der Choristen<br />

setzte sich Felix Buchmann als Domesticus<br />

ein. Dieses Amt war für ihn<br />

Höhepunkt seines Chorlebens. Künftig<br />

wird er sich intensiv im Rahmen eines<br />

Diplomstudiums mit der Wirtschaftsmathematik<br />

auseinander setzen.<br />

125<br />

Die Kirchgemeinde St. Thomas<br />

feiert am 10. November 2011 das<br />

125-jährige Bestehen der Lutherkirche.<br />

Am 400. Geburtstag Martin Luthers,<br />

dem 10. November 1883, wurde ihr<br />

Grundstein gelegt. Die Initiative dazu<br />

kam vom neu gegründeten Kirchenbauverein<br />

zu <strong>Leipzig</strong>. 1886 erfolgte die<br />

Weihung als erster Kirchenneubau<br />

<strong>Leipzig</strong>s seit der Reformation.<br />

Eine wechselvolle Geschichte prägt<br />

das Bild <strong>des</strong> Baus. Im ersten Weltkrieg<br />

musste die Gemeinde zwei der drei<br />

Glocken sowie die Prospektpfeifen der<br />

Orgel an die Rüstungsindustrie abgeben.<br />

Auch der zweite Weltkrieg forderte<br />

seinen Tribut von der Kirche. Erneut<br />

dienten zwei Glocken der Kriegsmaschinerie.<br />

Bei der Bombardierung<br />

<strong>Leipzig</strong>s im Dezember 1943 erlitt die<br />

Lutherkirche schwere Schäden: Die<br />

Ausmalung, Mosaikfenster und das<br />

Schiffsdach mit Vierungsturm fielen<br />

den Flammen anheim. Erst 1954/55 ist<br />

ein neuer Dachstuhl, allerdings ohne<br />

Vierungsturm, erbaut worden. Bis zur<br />

Wende wurden nur wenige Erhaltungsarbeiten<br />

durchgeführt. Das letzte Kultusministerium<br />

der DDR bezahlte die<br />

Neueindeckung <strong>des</strong> Kirchendaches.<br />

Die Lutherkirche wird derzeit für<br />

Gottesdienste, Andachten und verschiedene<br />

Veranstaltungen genutzt. Langfristig<br />

werden die Lutherkirche und<br />

das dazugehörige Gemeindehaus in<br />

der Schreberstraße Bestandteile <strong>des</strong><br />

Jahre lutherkirche<br />

Campus Forum Thomanum sein. Dazu<br />

muss die Lutherkirche umfassend<br />

renoviert und neu gestaltet werden. Sie<br />

soll dem Forum Thomanum als Gottesdienststätte,<br />

Schulaula, Konzert- und<br />

Aufführungsraum dienen. Die dafür<br />

notwendigen Baumaßnahmen sollen<br />

bis zum 500-jährigen Jubiläum der<br />

Reformation 2017 abgeschlossen sein.<br />

Die Gesamtkosten für dieses Projekt<br />

belaufen sich auf ca. sechs Millionen<br />

Euro.<br />

ev.-luth. Kirchgemeinde st. thomas leipzig<br />

Spendenkonto: 1664 7000 22<br />

Stichwort: Lutherkirche<br />

LKG Sachsen · BLZ 350 601 90<br />

Grundschule Forum Thomanum<br />

24 Erstklässler sind seit August 2011<br />

Schüler der Grund schule Forum<br />

Thomanum. Dazu wurde die neue<br />

Schule, die sich derzeit im Interim im<br />

Jörgen-Schmidtchen-Weg 8 in <strong>Leipzig</strong><br />

befindet, nicht nur räumlich erweitert,<br />

sondern auch neue Lehrkräfte für das<br />

musikalische und sprachliche Profil<br />

sowie eine neue Hortleiterin und Erzieherin<br />

eingestellt: Katrin Kirchner<br />

unterrichtet die Kinder der ersten Klasse.<br />

Annette Hofmeister (Schulleiterin) und<br />

Gisela Volkmann sind Lehrer der<br />

zweiten Klasse. Im Hort werden die<br />

Kinder nach dem Unterricht von Heike<br />

Fröhlich (Hortleiterin) und Antje<br />

Auspurg empfangen.<br />

Für das musikalische Profil ist<br />

Matthias Schubotz verantwortlich. Das<br />

for um thomanum<br />

v e r a n s t a l t u n g e n<br />

z u m f e s t t a g<br />

10.11. Do 21:00 Komplet<br />

Lutherkirche<br />

Männerstimmen <strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es,<br />

Thomasschulchor<br />

11.11. Fr 18:00 Motette<br />

Lutherkirche<br />

Kristiane Köbler, Orgel<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

Thomaskantor Georg Christoph Biller<br />

12.11. Sa 19:00 Konzert<br />

Lutherkirche<br />

mit Werken von Rheinberger, Nystedt<br />

und Kverno<br />

Chor aus Studierenden der Hochschule<br />

für Musik und Theater »Felix Mendelssohn<br />

Bartholdy« <strong>Leipzig</strong><br />

Philipp Goldmann<br />

Die Lutherkirche im Johannapark feiert im<br />

November 2011 ihr Jubiläum.<br />

Englische Profil ist mit Catriona Reid<br />

und das Italienische Profil mit Martha<br />

Arena-Frenzel (bei<strong>des</strong> Muttersprachlerinnen)<br />

besetzt. Religion wird in<br />

der ersten und zweiten Klasse von<br />

Britta Taddiken unterrichtet. Sie ist<br />

Pfarrerin der Ev.-Luth. Kirchge meinde<br />

St. Thomas <strong>Leipzig</strong>.<br />

Campus<br />

800 Jahre Thomana – das bedeutet nicht<br />

nur, auf 800 Jahre Thomaskirche,<br />

<strong>Thomanerchor</strong>, Thomasschule zurückzublicken.<br />

Das große Jubiläum ist auch<br />

mit der offiziellen Einweihung <strong>des</strong> musikalischen<br />

Bildungscampus Forum<br />

Thomanum verbunden. Damit soll am<br />

20. März 2012 deutlich werden: glauben,<br />

singen, lernen sind eine bleibende<br />

Aufgabe und Grundbedingung für den<br />

Fortbestand <strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es.<br />

Wenn 2013 der <strong>Thomanerchor</strong> das-<br />

Interim verlässt und wieder in das erweiterte<br />

und renovierte Alumnat zieht,<br />

dann kann endlich auch die Grundschule<br />

<strong>des</strong> Forum Thomanum auf dem<br />

Campus neu gebaut werden. Bis 2017<br />

soll die Lutherkirche renoviert werden.<br />

I N F OR M AT ION EN<br />

forum thomanum leipzig e.v.<br />

Rolf Ahrendt, Annette Neuweiler-Hahm<br />

Thomaskirchhof 18, 04109 <strong>Leipzig</strong><br />

Tel.: 0341-22 22 42 60, Fax: 0341-22 22 42 65<br />

info@forum-thomanum.de<br />

29


30<br />

motette/Kantate<br />

Die Energie ist da<br />

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Mitglied Mitglied im im<br />

Förderkreis<br />

Förderkreis<br />

<strong>Thomanerchor</strong><br />

<strong>Thomanerchor</strong><br />

<strong>Leipzig</strong> <strong>Leipzig</strong><br />

In diesem chor ist bach irgendwie da<br />

Spenden für den <strong>Thomanerchor</strong> – überregionaler als erwartet<br />

Der Förderkreis <strong>Thomanerchor</strong> verbessert mit den Spenden die Lebensbedingungen im Alumnat und den Alltag der Thomaner.<br />

Seit einigen Jahren führe ich die Spendenlisten<br />

<strong>des</strong> <strong>Förderkreises</strong> <strong>Thomanerchor</strong>.<br />

Auf den ersten Blick eine recht formale<br />

Sache: Man schreibt die Namen,<br />

die Adressen und die Summe der Spende<br />

auf, damit für den Verein und das<br />

Finanzamt ein Nachweis für die verwendeten<br />

Mittel vorhanden ist. Auf der<br />

anderen Seite ist es aber eine sehr spannende<br />

Angelegenheit, denn es erweisen<br />

sich zum Beispiel eigene Vorstellungen<br />

als falsch: Ich dachte, dass vor allem aus<br />

der näheren Umgebung <strong>Leipzig</strong>s die<br />

Spender kommen würden. Weit gefehlt:<br />

Sie kommen aus ganz Deutschland, vereinzelt<br />

sogar aus dem Ausland.<br />

Mein Interesse war geweckt: Warum<br />

geben Leute Geld für einen Chor aus,<br />

der zwar weltberühmt ist, aber oftmals<br />

hunderte Kilometer von ihrem Heimatort<br />

entfernt musiziert? Mit meinem ehemals<br />

beruflich-soziologischen Hintergrund<br />

versuchte ich mit einer nicht repräsentativen<br />

Kleinststudie aus Interviews und<br />

schriftlicher Befragung meine Neugier<br />

zu befriedigen. Dabei war mein Vorhaben<br />

nicht so einfach zu realisieren,<br />

denn im Gegensatz zu dem landläufigen<br />

Spruch »Tue Gutes und rede darüber.«<br />

gaben sich die Angesprochenen sehr<br />

bescheiden und zurückhaltend.<br />

Im Vordergrund der Motive, warum<br />

gespendet wird, steht: »Wir wollen helfen«<br />

oder »Es geht mir nur dann gut,<br />

wenn ich gleichzeitig dafür sorge, dass<br />

es auch anderen gut geht« oder auch<br />

»Wir unterstützen gerne jemanden, der<br />

es wirklich braucht beziehungsweise<br />

etwas, das uns wichtig ist: Soziales,<br />

Natur, Kultur«. Eine andere Antwort<br />

war »Ich habe mehr Geld als ich für<br />

mich zum Leben benötige, <strong>des</strong>halb<br />

möchte ich anderen helfen«.<br />

Aber warum diese finanziellen<br />

Gaben für den <strong>Thomanerchor</strong>? Zum<br />

einen ist es die Musik, insbesondere die<br />

Bach’sche, die mit diesen Sängern verbunden<br />

wird. Am schönsten drückte es<br />

eine Dame aus, die mir schrieb: »Ich<br />

möchte nicht, dass dieser Chor aus<br />

finanziellen Gründen aufgeben muss.<br />

In diesem Chor ist Bach irgendwie da,<br />

so lebendig. Wenn der Chor singt, dann<br />

senkt sich ein Lot durch die Jahrhunderte<br />

bis zu Bach. Das finde ich schön.<br />

Das möchte ich erhalten.« Zum anderen<br />

ist es der Wunsch nach unmittelbarer<br />

Unterstützung für die Thomaner, die<br />

durch Proben, Auftritte, Konzerte und<br />

die musikalische Ausbildung wesentlich<br />

mehr belastet sind als andere Jugendliche<br />

im gleichen Alter. Aus eigener<br />

Erfahrung, durch Kinder und Enkelkinder<br />

kennt ein Teil der Befragten das<br />

nicht einfache Chorleben und möchte<br />

durch eine Spende mithelfen, zusätzliche<br />

Möglichkeiten einer angenehmen<br />

Freizeitgestaltung und verbesserter<br />

Lebensbedingungen im Alumnat und<br />

derzeit im Interim zu schaffen.<br />

Wenn auch nicht in dem von mir<br />

eingangs gedachten engen <strong>Leipzig</strong>bezug,<br />

so spielt die Beziehung zu unserer<br />

Stadt eine beachtliche Rolle. Nicht nur<br />

förderKreis<br />

weil Johann Sebastian Bach hier die<br />

meiste Zeit gelebt und musikalisch gewirkt<br />

hat, sondern weil viele in <strong>Leipzig</strong><br />

studiert oder familiäre Erinnerungen<br />

zu diesem Ort haben. Das sind oftmals<br />

auch indirekte. Mir schilderte ein ehemaliger<br />

Westberliner, dass seine Mutter<br />

ihm viel über <strong>Leipzig</strong> erzählt habe und<br />

ihn eine seiner ersten Reisen nach dem<br />

Mauerfall nach <strong>Leipzig</strong> und in die<br />

Thomaskirche geführt hat. Er suchte sofort<br />

den Kontakt zum Chor und hält ihn<br />

bis heute aufrecht. Dass einheimische<br />

Spender sich als überzeugte <strong>Leipzig</strong>er<br />

outen und ihr »inniges Verhältnis« zu<br />

dieser Stadt und dem Chor betonen,<br />

hatte ich erwartet. Eine besonders prognostische<br />

Leistung war es aber nicht.<br />

Die kleine Befragung wollte nicht<br />

nur meine Neugier befriedigen, sondern<br />

sollte einige Informationen darüber<br />

liefern, wozu die Spendengelder vorrangig<br />

verwendet werden sollen. Unser<br />

Augenmerk liegt seit Jahren auf der<br />

kulturell- musischen Erziehung und der<br />

Ver besserung der Wohn- und Freizeitbedingungen.<br />

Mit einer gewissen Befriedigung<br />

können wir feststellen, dass<br />

unsere Ausgabenschwerpunkte weitestgehend<br />

mit den Wünschen der Befragten<br />

übereinstimmen. Steffen H. Wilsdorf<br />

I N F OR M AT ION EN<br />

förderkreis thomanerchor leipzig e. v.<br />

Hillerstraße 8–10, 04109 <strong>Leipzig</strong><br />

Telefon 03 41-9 83 93 53<br />

info@foerderkreis-thomanerchor.de<br />

www.foerderkreis-thomanerchor.de<br />

Der Förderkreis <strong>Thomanerchor</strong> e. V. begrüßt seine neuen Mitglieder: Susann Bellingrath Gundel Augustin Gisela Bach Dieter Brucherseifer<br />

Christa Dajon Karl-Heinz Doherr Renate Drews Kerstin Füldner Marianne und Dr. med. Christoph Hamann Urs Herzog Unternehmen<br />

juwi Holding Uwe Kreitlow Paul-Gerhard Künzel Wolf-Rüdiger Latta Achim Lüdtke Renate Michalczak-Kalnins Prof. Dr. Albrecht Mugler<br />

Sabine Paap Stefan Reckziegel Hilde Ristki Eike Röschmann Roswitha Scheck Gustav Sommer Martin Stengel Simone Tetzner<br />

Martin Ueckert Dr. med. Rainer Weidhase Gerrit Witt Helmar Zimmer<br />

31


32 zu guter letzt<br />

commerzbanK-stiftung<br />

überreicht schecK<br />

Johannes Haas, Vorsitzender der Geschäfts-<br />

leitung Privat- und Geschäftskunden der<br />

Commerzbank, überreichte im September 2011<br />

einen Scheck der Commerzbank-Stiftung über<br />

25 000 Euro an den Förderkreis <strong>Thomanerchor</strong> e. V..<br />

Thomaskantor Georg Christoph Biller nahm den<br />

Scheck in Gegenwart <strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es<br />

während einer Probe in der Villa Thomana entgegen.<br />

Bereits seit fast 20 Jahren unterstützt die<br />

Commerzbank-Stiftung den Chor und nimmt<br />

damit die gesellschaftliche Verantwortung<br />

nachhaltig wahr. Seit mehr als 40 Jahren setzt<br />

sie sich für gemeinnützige und mildtätige Einrichtungen<br />

sowie Initiativen ein. Thomaskantor<br />

Biller sagte im Rahmen der Scheckübergabe:<br />

»Wir freuen uns sehr über die Spende der<br />

Commerzbank-Stiftung. Sie hilft uns, den hohen<br />

Ansprüchen der fast 800 Jahre dauernden Tradition<br />

<strong>des</strong> Chores weiterhin gerecht zu werden.«<br />

W<br />

Der Förderkreis <strong>Thomanerchor</strong> lädt am<br />

22. Dezember 2011 alle Mitglieder zum traditionellen<br />

Weihnachtsempfang in die Villa Thomana<br />

ein. Bei einem kleinen Buffet ist Gelegenheit mit<br />

der Chorleitung, dem Vorstand <strong>des</strong> <strong>Förderkreises</strong><br />

und den Thomanern ins Gespräch zu kommen,<br />

auf das vergangene Jahr zurückzublicken und<br />

eine Vorschau auf das Jubiläumsjahr 2012 zu<br />

halten. Alle Förderkreismitglieder haben zudem<br />

die Gelegenheit am gleichen Tag um 19.30 Uhr<br />

in der Thomaskirche den Weihnachtsliederabend<br />

<strong>des</strong> <strong>Thomanerchor</strong>es zu besuchen. Sie erhalten<br />

dazu Karten über die Geschäftsstelle <strong>des</strong><br />

<strong>Förderkreises</strong>. Eine gesonderte Einladung sowie<br />

die Kartenbestellformulare gehen allen Mitgliedern<br />

per Post zu.<br />

eihnachtsempfang<br />

impressum<br />

herausgeber<br />

FöRDERKREIS THOMANERCHOR LEIPZIG E. V.<br />

FORUM THOMANUM LEIPZIG E. V.<br />

STIFTUNG THOMANERCHOR<br />

THOMANERCHOR LEIPZIG<br />

herstellung<br />

Rondeau Production GmbH<br />

Petersstraße 39 – 41, 04109 <strong>Leipzig</strong><br />

Telefon 0800-7 66 33 28<br />

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Telefax 0180-3-7 66 33 28<br />

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www.rondeau.de<br />

redaKtion<br />

Dr. Stefan Altner, Teres Feiertag,<br />

Patrick Grahl, Frank Hallmann,<br />

Sascha Hille, Dr. Michael Kampf,<br />

Uta-Maria Thiele, Roland Weise<br />

gestaltung<br />

Oberberg · Seyde und Partner:<br />

Lurette Seyde, Leila Tabassomi<br />

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Thomaskirchhof 18, 04109 <strong>Leipzig</strong><br />

Rolf Ahrendt<br />

Annette Neuweiler-Hahm<br />

Telefon 03 41-22 22 42 60<br />

Telefax 03 41-22 22 42 65<br />

info@forum-thomanum.de<br />

www.forum-thomanum.de<br />

Interessenten können dem Forum<br />

Thomanum <strong>Leipzig</strong> e. V. beitreten<br />

oder die Arbeit <strong>des</strong> Vereins mit einer<br />

Spende unterstützen:<br />

Bankverbindung: Sparkasse <strong>Leipzig</strong><br />

Konto: 100 2012 100, BLZ: 860 555 92<br />

stiftung thomanerchor<br />

Hillerstraße 8, 04109 <strong>Leipzig</strong><br />

Telefon 03 41-9 84 42 22<br />

Telefax 03 41-9 84 42 43<br />

info@thomanerchor.de<br />

www.stiftung-thomanerchor.de<br />

thomanerchor leipzig<br />

Hillerstraße 8, 04109 <strong>Leipzig</strong><br />

Telefon 03 41-9 84 42-11<br />

Telefax 03 41-9 84 42-41<br />

info@thomanerchor.de<br />

www.thomanerchor.de<br />

förderKreis thomanerchor leipzig<br />

Hillerstraße 8-10, 04109 <strong>Leipzig</strong><br />

Dr. Michael Kampf<br />

Vorsitzender <strong>des</strong> <strong>Förderkreises</strong><br />

Telefon und Telefax 03 41-9 83 93 53<br />

info@foerderkreis-thomanerchor.de<br />

www.foerderkreis-thomanerchor.de<br />

Interessenten können dem Förderkreis<br />

<strong>Thomanerchor</strong> <strong>Leipzig</strong> e. V. beitreten<br />

oder die Arbeit <strong>des</strong> Vereins mit einer<br />

Spende unterstützen:<br />

Bankverbindung:<br />

»Spende für Förderkreis<br />

<strong>Thomanerchor</strong> e. V.«<br />

Commerzbank <strong>Leipzig</strong>:<br />

Konto: 115 800 501, BLZ: 860 400 00<br />

Verwendungszweck: Spende<br />

Redaktionsschluss: 20. Oktober 2011<br />

Im Jahr 2012 blicken Thomaskirche, <strong>Thomanerchor</strong> und Thomasschule auf ihr 800-jähriges<br />

Bestehen – drei Institutionen, die trotz aller Brüche im gesellschaftlichen Leben bis zum<br />

heutigen Tage ihren ursprünglichen Aufgaben nachkommen: Glauben zu leben, Musik<br />

und Kultur zu gestalten, Menschen zu bilden.<br />

Bildnachweis: Roland Weise S. 1, 4, 6-8, 9, 14, 15, 22, 28, 29; Tobias Hoff S. 5, 24; Andreas Döring S. 10, 11, 13; Matthias Knoch S. 11-13, 15; Michael Bader S. 18; Gert Mothes S. 19, 31<br />

20 Jahre förderKreis<br />

thomanerchor leipzig e.v.<br />

2012 wird nicht nur der <strong>Thomanerchor</strong><br />

800 Jahre alt, sondern auch<br />

der Förderkreis feiert ein Jubiläum:<br />

sein 20-jähriges Bestehen. Das soll<br />

mit einem Erlebnistag »<strong>Thomanerchor</strong>«<br />

am 12. Mai 2012 gebührend<br />

gefeiert werden. Nach einer Mitgliederversammlung<br />

<strong>des</strong> <strong>Förderkreises</strong><br />

am Vormittag, können der neue<br />

Campus und das Interim besucht<br />

werden. Ab 15 Uhr wird in der<br />

Thomaskirche im Rahmen der<br />

Motette Johann Sebastian Bachs<br />

Himmelfahrtsoratorium aufgeführt.<br />

Festlich wird es auch am Abend:<br />

Im Saal <strong>des</strong> Neuen Rathauses<br />

kommen Kantaten und Motetten<br />

von Johann Sebastian Bach zur<br />

Aufführung. Es musiziert ein<br />

Projektensemble unter Leitung von<br />

Paul Heller. Danach bedankt sich<br />

der Förderkreis bei seinen Mitgliedern<br />

für 20 Jahre Unterstützung<br />

mit einem Empfang. Der Eintritt ist<br />

für Mitglieder <strong>des</strong> <strong>Förderkreises</strong> frei.<br />

Konzert <strong>des</strong> <strong>Förderkreises</strong><br />

<strong>Thomanerchor</strong><br />

Sa 14.1.2012 18:30<br />

Villa Thomana,<br />

Sebastian-Bach-Straße 3<br />

Martin Petzold (Gesang) und<br />

Martin Hoepfner (Gitarre)

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