Baumeister 6/2024
Basel
Basel
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94<br />
Basel<br />
Basel wächst. Die Zunahme an Bevölkerung im<br />
Schweizer Stadtkanton wird auf zehn Prozent bis<br />
2040 geschätzt, das sind 21.000 zusätzliche Einwohnerinnen<br />
und Einwohner.1 Das Gebiet zwischen<br />
Bahnhof St. Johann und der Grenze zu Frankreich<br />
umfasst eine der letzten großen Flächenreserven,<br />
Volta Nord. Die Arealentwicklung Lysbüchel ist Teil<br />
dieses Gebiets und aufgeteilt in das an das Wohnquartier<br />
St. Johann angrenzende kleinere Gebiet<br />
Lysbüchel Süd und das circa zwölf Hektar große<br />
Areal des Kantons Basel Stadt. Das von Gewerbebauten<br />
und Lagerhallen geprägte Areal soll zukünftig<br />
gemischt genutzt werden. Eine solche<br />
Transformation erfordert nicht nur die Balance zwischen<br />
Nutzungen, sondern auch zwischen Maßstäben.<br />
Ein Wohnquartier bedarf einer anderen Körnigkeit<br />
als ein Industrie- und Gewerbeareal.<br />
Schließlich entscheiden die Schnittstellen zwischen<br />
Wohnung, (Haus-)Gemeinschaft und Stadtraum<br />
darüber, ob das Haus auch auf stadträumlicher<br />
Ebene funktioniert.<br />
Lysbüchel Süd wurde 2013 von der Stiftung Habitat<br />
erworben.2 Das Gebiet ist aufgeteilt in kleine Parzellen,<br />
die die Stiftung zum Großteil in Baurecht an<br />
Genossenschaften vergeben hat, bei einigen Parzellen<br />
ist sie selbst Bauherrin. Zwischen einer neu<br />
geschaffenen Blockrandbebauung und den einen<br />
bestehenden Block ergänzenden Bauten entstand<br />
der Beckenweg als Quartiersstraße.<br />
Die Bebauung des 12.000 Quadratmeter großen<br />
Areals ist nun nahezu abgeschlossen, allerdings ist<br />
die durch die städtebaulichen Vorgaben entstandene<br />
Dichte von etwa 2,51 für Neubauquartiere<br />
ungewöhnlich. Nur zum Vergleich: Die Dichte der<br />
Münchner Altstadt liegt bei 2,61 (im „Tal“), während<br />
die Blockrandbebauungen an der Münchner<br />
Tumblingerstraße lediglich eine Dichte von 1,78 erreichen.3<br />
Während die Blockrandbebauungen zwischen<br />
Lothringer-, Beckenstraße und dem neu geschaffenen<br />
Beckenweg der bekannten Aufteilung zwischen<br />
öffentlichem Straßenraum und geschlossenem<br />
Hofraum folgen, steht das von Esch Sintzel<br />
Architekten zu einem Wohnhaus umgebaute ehemalige<br />
Weinlager an der an das Areal Volta Nord<br />
grenzenden Weinlagerstraße; es schließt gleichzeitig<br />
den offenen Blockrand zu dieser. Parallel<br />
dazu angeordnet, liegt zwischen Weinlager und<br />
den sogenannten „Papageienhäusern“ der kleinere<br />
Wohnbau „Lyse-Lotte“ von Clauss Kahl Merz in<br />
Zusammenarbeit mit Martina Kausch; er steht als<br />
Solitär inmitten eines offenen Grünbereichs, der<br />
Teil des Quartiers ist.<br />
In beiden Gebäuden liegen Wohnungen im Erdgeschoss<br />
beziehungsweise im Hochparterre, die<br />
damit einem gewissen Maß an Öffentlichkeit ausgesetzt<br />
sind, zumal kein Zaun, kein Vorgarten die<br />
Außenbereiche durchschneidet<br />
und trennt. Stattdessen<br />
durchzieht ein kleiner Fussweg<br />
den die Bauten verbindenden<br />
Grünraum.<br />
I. Wohnbau Lyse-Lotte<br />
Architekten:<br />
Clauss Kahl Merz Atelier<br />
mit Martina Kausch<br />
Architektinnen<br />
1<br />
www.statistik.bs.ch/<br />
Gasstraße und Hüningerstraße<br />
sowie das<br />
Die Parzelle, auf der Lyse-Lotte<br />
steht, vergab die Stiftung Habitat Musikwohnhaus 1 und<br />
im Baurecht.4 Für die Realisierung<br />
haben sich zwei bestehen-<br />
der Lothringerstraße.<br />
angrenzende Häuser an<br />
de Genossenschaften sowie<br />
befreundete Familien zusammengeschlossen.<br />
Die unter-<br />
Vgl. Susanne Frank,<br />
3<br />
schiedlichen Wohnbedürfnisse „Stadtdichte und Stadtraum.<br />
Eine Untersu-<br />
sind im Wohnbau gestapelt und<br />
verzahnt. Während sich die chung über die Gestalt<br />
zweigeschossigen Wohnateliers<br />
mit den großen Verglasunkeit<br />
von der Bebau-<br />
der Stadt in Abhängiggen<br />
zum Weinlager beziehungsweise<br />
zum Grünbereich und ausgewählter Stadtungsdichte<br />
am Beispiel<br />
Garten im Südosten öffnen, zeigen<br />
sich die Laubengangwohchen,<br />
Wien und Berlin“,<br />
räume in Zürich, Münnungen<br />
mit durchgehender Dissertation, ETH Zürich<br />
Brüstung und umlaufendem 2015<br />
Fensterband nach Nordwesten<br />
sowie mit geschosshohen Fenstertüren<br />
zum Laubengang. Die Die 1996 gegründete<br />
4<br />
großen Gemeinschaftswohnungen<br />
springen im dritten und als gemeinnützige<br />
Stiftung Habitat setzt sich<br />
vierten Geschoss teilweise zurück<br />
– auch aufgrund der Ver-<br />
Basel für bezahlbares<br />
Wohnbauträgerin in<br />
schattungsregel der Stadt Basel. Wohnen in einem lebenswerten,<br />
vielfältigen<br />
Daher konnten dort schmale<br />
Balkonzonen vorgelagert werden.<br />
und Arbeitsorten ein.<br />
Umfeld mit Begegnungs-<br />
Gästewohnung und Gewächshaus<br />
thronen wie eigenständiwirtschaftet<br />
Häuser und<br />
Sie erwirbt, baut und bege<br />
Aufbauten über den Wohngeschossen.<br />
Die monochrome Grundstücke oder gibt<br />
entwickelt und bebaut<br />
Fassade trägt das Innere subtil<br />
nach außen. Die Gewerberäume<br />
im Erdgeschoss öffnen sich<br />
> weiter Seite 103<br />
mit einer arakadenartigen<br />
Fensterreihung zum Beckenweg,<br />
während sich die großzügigen Verglasungen<br />
der Atelierwohnungen zu den Nachbarbebauungen<br />
orientieren. Der Fußweg passiert das Wohnhaus<br />
auf der Seite des Weinlagers. Die ruhigeren<br />
Gartenbereiche befinden sich dagegen auf der<br />
Seite der Papageienblöcke. Hier erinnert der un-<br />
nm/2019-kantonale-<br />
bevoelkerungsszenari-<br />
en-basel-stadt-<br />
2019-pd.html (abgerufen<br />
am 12.4.<strong>2024</strong>)<br />
2<br />
Die Stiftung besitzt im<br />
Quartier bereits Häuser<br />
an der Elsässerstraße,<br />
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