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Nr. 91 - Sommer 2024

Calanques de Sugiton; Ein Paradies für Fußgänger in der Charente-Maritime; Klappernde Hufe im Herzen Frankreichs; Hinter den Kulissen des Moulin Rouge; Die "Route de la Lavande"; Frankreich, ein Eldorado für MacDonal's ?; Notre-Dame de Paris; Marie Sizun; "Stehenden Steine" in der Bretagne; Eine Vision von Wein "Made in Auvergne"... Chantals Rezept... und viel mehr!

Calanques de Sugiton; Ein Paradies für Fußgänger in der Charente-Maritime; Klappernde Hufe im Herzen Frankreichs; Hinter den Kulissen des Moulin Rouge; Die "Route de la Lavande"; Frankreich, ein Eldorado für MacDonal's ?; Notre-Dame de Paris; Marie Sizun; "Stehenden Steine" in der Bretagne; Eine Vision von Wein "Made in Auvergne"... Chantals Rezept... und viel mehr!

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FRANKREICH HEUTE Interview<br />

Wie kam es dazu, dass Sie von Frankreich nach Deutschland<br />

gingen?<br />

Es war August und ich hatte gerade die Aufnahmeprüfung<br />

für das Lehramt in klassischer Literatur absolviert.<br />

Jetzt hatte ich Ferien. Ich wusste nicht genau, was<br />

ich tun sollte, bis ich in der Zeitung Le Monde auf eine<br />

Anzeige stieß. Eine Vereinigung suchte eine Deutsch<br />

sprechende Studentin, um eine Gruppe französischer Studenten<br />

auf einer Reise nach Deutschland zu begleiten. Ich<br />

sprach zwar kein Wort Deutsch, aber ich erinnere mich<br />

noch genau daran, dass ich eine unglaubliche Lust verspürte,<br />

mich zu bewerben. Ich nahm also Kontakt auf und<br />

erklärte, dass ich zwar nicht Deutsch spräche, aber alles<br />

daransetzen würde, um mir innerhalb von zwei Wochen<br />

die notwendigen Grundkenntnisse anzueignen, um dort<br />

zurechtzukommen. Es war verrückt! Aber offensichtlich<br />

überzeugend, denn angesichts meiner Entschlossenheit<br />

wurde ich engagiert. So kam es, dass ich, gelinde gesagt,<br />

ganz unvermittelt nach Deutschland reiste.<br />

Und am Ende haben Sie sich sogar dort niedergelassen ...<br />

Genau. Nebenbei bemerkt ist die Reise so gut verlaufen,<br />

dass ich einige Zeit später meinen Kollegen, der die<br />

Studenten von deutscher Seite aus begleitete, geheiratet<br />

habe. Wir sind zusammengezogen und ich fand relativ<br />

schnell eine erste Anstellung als Lehrerin auf der anderen<br />

Seite der Grenze, in Sarreguemines. Zwei Jahre später<br />

wechselte ich als Französischlehrerin an die Europäische<br />

Schule in Karlsruhe. Diese Schule, die von allen EU-<br />

Ländern unterstützt wird, ist 1962 gegründet worden,<br />

um die europäischen Werte zu vermitteln. Ich hatte dort<br />

einen sehr privilegierten Rahmen zum Unterrichten. Es<br />

war eine kleine europäische Gemeinschaft, ein bisschen<br />

wie eine « Insel ». Man war unter sich, womit in gewisser<br />

Weise natürlich das Risiko der Abschottung verbunden<br />

war. Dennoch fand ich trotz meiner schlechten Deutschkenntnisse<br />

schnell deutsche Freunde und wurde sofort<br />

akzeptiert. Alle waren ausgesprochen nett zu mir. In der<br />

Folge lernte ich, immer besser zurechtzukommen. Vor allem<br />

meine drei Kinder haben mir dabei geholfen. Heute<br />

spreche ich halbwegs gut Deutsch, allerdings mit einem<br />

Akzent, den ich vielleicht sogar unbewusst gepflegt habe<br />

... Denn alle fanden ihn immer « so schön französisch »,<br />

« so sympathisch » ...<br />

Erinnern Sie sich daran, wie Sie sich bei Ihrer Ankunft in<br />

Deutschland fühlten?<br />

Ja, ich hatte ein sehr seltsames Gefühl gegenüber<br />

Deutschland. Es war absolut nicht das, was man in Frankreich<br />

damals als « politisch korrekt » bezeichnet hätte. Ich<br />

war sehr neugierig auf Deutschland und die Deutschen,<br />

und vor allem hatte ich absolut keine Vorurteile. Bei meiner<br />

Ankunft fand ich in diesem Land alles, was ich liebte:<br />

ein natürliches Umfeld, eine Heiterkeit, wie ich sie zuvor<br />

nicht kannte. Dann erfuhr ich, wie die Deutschen den<br />

Krieg und die Besatzungszeit erlebt hatten. Das stimmte<br />

mich nachdenklich und öffnete mir die Augen. Einige<br />

Jahre später erfuhr ich durch die Geschichte meiner deutschen<br />

Schwiegermutter von den miserablen Lebensbedingungen<br />

während des Krieges. Sie erinnerten mich an meine<br />

eigenen Umstände vor der Befreiung: Geldmangel, unzureichende<br />

Ernährung, schlechte Wohnverhältnisse. Die<br />

Übereinstimmungen waren teilweise verwirrend. All das<br />

erklärt meiner Meinung nach, dass ich niemals ein Gefühl<br />

der Bitterkeit gegenüber den Deutschen empfand. Es war<br />

immer unmöglich für mich, sie als Teil eines « feindlichen<br />

Volkes » zu betrachten, wie es damals leider nur allzu oft<br />

der Fall war.<br />

Nach einem Aufenthalt in Belgien leben Sie nun wieder in<br />

Frankreich. Inwieweit ist Deutschland immer noch ein Teil<br />

Ihres Lebens?<br />

Deutschland ist alleine durch meine Lektüre sehr präsent<br />

für mich. Je mehr ich lese, desto wunderbarer finde<br />

ich die deutsche Schriftsprache. Thomas Mann lese ich<br />

immer und immer wieder. Ich bin ein richtiger Fan und<br />

liebe seine Bücher. Wenn ich jemanden Deutsch sprechen<br />

höre, vor allem wenn derjenige eine gute Aussprache hat,<br />

dann begeistert mich das. Seit ich Deutschland verlassen<br />

habe, habe ich paradoxerweise die deutsche Sprache auch<br />

über die Vokalmusik entdeckt. Das war eine ganz neue<br />

Erfahrung für mich. Schuberts Lieder, die ich überhaupt<br />

nicht kannte, als ich noch in Deutschland lebte, bewegen<br />

80 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2024</strong>

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