Nr. 91 - Sommer 2024
Calanques de Sugiton; Ein Paradies für Fußgänger in der Charente-Maritime; Klappernde Hufe im Herzen Frankreichs; Hinter den Kulissen des Moulin Rouge; Die "Route de la Lavande"; Frankreich, ein Eldorado für MacDonal's ?; Notre-Dame de Paris; Marie Sizun; "Stehenden Steine" in der Bretagne; Eine Vision von Wein "Made in Auvergne"... Chantals Rezept... und viel mehr!
Calanques de Sugiton; Ein Paradies für Fußgänger in der Charente-Maritime; Klappernde Hufe im Herzen Frankreichs; Hinter den Kulissen des Moulin Rouge; Die "Route de la Lavande"; Frankreich, ein Eldorado für MacDonal's ?; Notre-Dame de Paris; Marie Sizun; "Stehenden Steine" in der Bretagne; Eine Vision von Wein "Made in Auvergne"... Chantals Rezept... und viel mehr!
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« Bitte das Futter im Ärmel annähen. »<br />
Dieser kurze Satz ist auf einem kleinen Stück<br />
Papier zu lesen, das an einem Bügel mit einer<br />
Paillettenjacke befestigt ist. Der Satz wurde<br />
von Hand geschrieben und durch ein hübsches<br />
kleines Herz am Ende ergänzt. Vor dem Kleiderständer,<br />
direkt an der Wand des engen Ganges<br />
steht Patricia Berthe und muss lächeln, als<br />
sie die Worte liest. Sie hat eine Ausbildung als<br />
Haute-Couture-Schneiderin absolviert und arbeitet<br />
seit 1984 im Moulin Rouge. Nun nimmt<br />
sie den Bügel vom Ständer. « Ab ins Atelier!<br />
Es ist höchste Zeit, dich zu reparieren, heute<br />
Abend musst du wieder auf die Bühne! », sagt<br />
sie liebevoll zu dem Kleidungsstück, als spräche<br />
sie mit einer alten Bekannten, mit der sie öfter<br />
zu tun hat.<br />
Der Fingerhut,<br />
ein unverzichtbares Utensil<br />
Patricia Berthe arbeitet in der Schneiderwerkstatt<br />
des Moulin Rouge. Genauer gesagt<br />
in einer der beiden Schneiderwerkstätten des<br />
Hauses. Schließlich stehen Tag für Tag 60 Doriss<br />
Girls und 20 Doriss Dancers zweimal pro<br />
Abend – um 21 Uhr und um 23 Uhr – auf den<br />
Brettern der Bühne, um die vier Szenen von<br />
Féerie zu präsentieren, der berühmten Show des<br />
Moulin Rouge. 15 Mitarbeiter haben daher in<br />
der Schneiderei wahrlich alle Hände voll zu tun,<br />
um sicherzustellen, dass die knapp 1000 Kostüme<br />
und Accessoires, die jeden Abend benötigt<br />
werden, in einem einwandfreien Zustand sind.<br />
« Die Tänzerinnen und Tänzer müssen Kostüme<br />
haben, die immer in einem Topzustand sind<br />
und in denen sie sich bequem bewegen können.<br />
Dafür sind wir da », sagt Patricia Berthe beim<br />
Betreten des Ateliers. Vier Personen, alle Frauen,<br />
sind dort gerade mit Änderungen und Ausbesserungen<br />
beschäftigt. Es ist offensichtlich,<br />
dass dafür sehr akribisches Arbeiten erforderlich<br />
ist. Bis auf eine der Frauen tragen alle eine Brille.<br />
Trotz der mit Sicherheit für die Tätigkeit optimalen<br />
Beleuchtung kann man sich vorstellen,<br />
dass die Augen dabei sehr strapaziert werden.<br />
« Und die Finger auch! », meint Patricia Berthe.<br />
« Deswegen sage ich Neuankömmlingen immer,<br />
sie sollen mit einem Fingerhut nähen! Heutzutage<br />
lernen sie in der Schneiderschule nicht mehr,<br />
dass ein Fingerhut ein wichtiges Hilfsmittel ist.<br />
Als ob er überholt sei. Vielleicht in der Haute<br />
Couture, das mag sein, aber hier arbeiten wir oft<br />
mit Stoffen und anderen Materialien, die schwer<br />
zu durchstechen sind. Ohne Fingerhut leiden<br />
die Finger sehr ... »<br />
24 Jahre Féerie<br />
Betrachtet man die Vielzahl an Stoffen,<br />
Bändern, Gummibändern, Borten, Garnrollen,<br />
Schachteln und anderen Behältern mit<br />
Tausenden von Strasssteinen, Knöpfen und<br />
Perlen, dann wird schnell klar, dass dieser Ort<br />
nicht etwa « nur » eine Art « Fundgrube » ist,<br />
in der Showkostüme ausgebessert werden, wie<br />
dies auch anderswo der Fall ist. Hier befinden<br />
wir uns in einer in ihrer Art einzigartigen<br />
Werkstatt. Es ist vermutlich eine der letzten in<br />
Frankreich, die eine derartige Vielfalt an unterschiedlichsten<br />
Materialien besitzt und in der<br />
handwerkliches Können in all seinen Facetten<br />
praktiziert wird. « Die Revue Féerie wird seit 24<br />
Jahren auf der Bühne gezeigt », erläutert Patricia<br />
Berthe, während sie die Paillettenjacke auf ihren<br />
Arbeitstisch legt. « Die Kostüme wurden also<br />
mit Stoffen und Techniken der damaligen Zeit<br />
kreiert. Selbstverständlich werden sie regelmäßig<br />
erneuert, jedes Kostüm im Durchschnitt<br />
alle fünf Jahre, je nach Zustand und Abnutzung.<br />
Oft werden die Originalstoffe gar nicht mehr<br />
hergestellt, und auch den Originalstrass gibt es<br />
nicht mehr. Unsere Arbeit besteht darin, dem<br />
Publikum den Eindruck zu vermitteln, die Kostüme<br />
auf der Bühne seien dieselben wie vor 24<br />
Jahren. Wir bleiben der ursprünglichen Kreation<br />
treu, das macht den Erfolg von Féerie aus. Daher<br />
haben wir auch ein ungeheuer großes Lager<br />
mit Resten der Originalmaterialien, die wir entweder<br />
noch hatten oder die wir irgendwo auf der<br />
Welt ergattern konnten. Das geht von riesigen<br />
Stoffballen bis hin zu kleinen, unverzichtbaren<br />
Artikeln wie Knöpfen. Und all das zu verwalten,<br />
ist eine organisatorische Meisterleistung! »<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2024</strong> · 59