Burgblatt_2024_06_01-40_red

AUS DEM FRÄNKISCHEN TAGBLATT
Hilpoltstein im Jahre 1930
2. Quartal
von Peter Hagenmaier
überarbeitet von Helmut Reiter
Die Artikelserie Hilpoltstein im Spiegel
des „Fränkisches Tagblatt“, eine sehr
gute Informationsquelle über das Geschehen
vergangener Epochen, wurde
von P. Hagenmaier für die Jahre 1918
bis 1936 verfasst. Im Hilpoltsteiner
Burgblatt wurden bisher nur die Jahre
bis 1926 veröffentlicht. Die weiteren
Jahre werden jetzt, nach seinem Tod,
in sehr gekürzter Form wieder im Burgblatt
erscheinen. Einzelheiten der Zeitungsberichte
wie auch Hagenmaiers
Artikelserie können im Hilpoltsteiner
Stadtarchiv eingesehen werden.
Abkürzungen für fränkisches Tagblatt FT, für Hilpoltstein HIP.
Der aus Weinsfeld nach Südamerika ausgewanderte
Franz Xaver Schmidt setzt am 2.4.
seinen Erfahrungsbericht fort. Es wird aber
immer deutlicher, dass sehr viele der damals
Ausgewanderten ihre Träume nicht verwirklichen
konnten. Am 3.4. schreibt das FT:
Unsere Leser werden aus dem Bericht über
die letzte Stadtratssitzung ersehen haben,
dass der Stadtrat nun endlich ernst macht
mit der Aufstellung des Brunnenmännchens.
Diesen Entschluss begrüßen wir, die wir seit
Jahren immer wieder auf die Möglichkeit
der Aufstellung hingewiesen haben, ganz
besonders. Denn HIP kann einen künstlerischen
Brunnen gar wohl gebrauchen. Über
den Aufgang zum Rathause kommt in Bälde
eine Laterne. Herr Schlossermeister Westermeier
hat sie bereits fertiggestellt. (Noch
heute, 2020, hängt die Laterne am Burgtor
– P. Hagenmaier) Am 9.4. wird eine Rede, die
Ministerpräsident Dr. Held im Landtag hielt
zitiert. Er warf der Reichsregierung vor, die
herrschende Not in Ostbayern nicht zu kennen.
Für diese Gebiete sind umfangreiche
Hilfsaktionen notwendig, um dort dauerhafte
Verbesserungen zu erzielen. In München
sind 21.000 Personen als Wohnungssuchende
gemeldet. Bis Ende dieses Jahres sollen
3.000 Neubauwohnungen bezugsfertig werden.
In seiner Wochenrundschau vom 12.4.
zitiert der Autor eine Münchner Zeitung,
die den Bayerischen Landtag stark kritisiert.
Ihr Vorwurf: „Vom Nichtstun in die Osterferien“.
Über die am Vortage im Reichstag
stattgefundene Abstimmungsschlacht über
die Agrar- und Steuervorlagen berichtet das
FT am 15.4. Der Brauerei- und Gutsbesitzer
Bernreuther in Pyras erhielt bei der 7. Bayerischen
Mast- und Schlachtviehausstellung in
München für einen von ihm aufgetriebenen
Mastochsen einen 1. Preis und Ehrenpreis.
Der SA-Sturm 22 fordert seine Mitglieder zu
einem Werbemarsch durch Franken am Ostersonntag
auf. Die Anreise nach Schwabach
erfolgt mit dem Zug. Am 25.4. berichtet der
Redakteur zum fünfjährigen Jubiläum des
Reichspräsidenten Hindenburg. Am 26.4.
geht’s wieder einmal um den Bierpreis. Der
Ausschankpreis wird sich um 6 Pfennig pro
Maß erhöhen. Die Mechanische Werkstätte
Anton Katzenberger inseriert als Alleinvertretung
für den Bezirk HIP Zündapp Motorräder.
Am 28.4. erfahren die Leser, dass die
Reichsbahn jammert, an ihre Aktionäre aber
eine Dividende von 7% zahlt. Am 1.5. erfahren
die Leser, dass die Fassadenrenovierung
der katholischen Kirche vorige Woche abgeschlossen
werden konnte. In den letzten Tagen
wurde der Turm eingerüstet und mit den
Vorbereitungsarbeiten zur Sanierung des
Zwiebeldaches begonnen. Am 5.5. lesen wir,
dass die Demokratische Partei im Rahmen
des Haushaltsausschusses den Bau des Panzerkreuzers
„B“ ablehnen wird. Im Verhältnis
Preußen zu Niedersachsen knirscht es wieder
einmal. Von der Kirchenfassadenrenovierung
wird berichtet, dass das Kreuz von der
Turmspitze abgenommen wurde. Im Knopfe
fand sich dabei eine kupferne Büchse mit
einem hochbedeutsame Schriftstück vom
18. Juli 1848 und einigen Gedenkmünzen.
Am 8.5. wird vom Richtfest des Studienbaues
des Deutschen Museums berichtet. Rund
2000 Personen trafen sich am Mittwoch im
Kongresssaal des Museums, dem derzeitig
größten Saale Deutschlands, zum feierlichen
Richtfest. Abschließend wurde Oskar
von Miller die Ehrenbürgerschaft der Stadt
München verliehen. Der 73. Jahrestag des
großen indischen Aufstandes hat nicht zu
dem erwarteten Massenaufstand geführt.
Auf den Straßen der Metropolen blieb es ruhig.
In Poona wurde die Bevölkerung aufgerufen
Waffen und Munition für den Kampf
gegen die britische Verwaltung zu sammeln.
Am 9.5. hielt der Stromabnehmerverband
Franken in Wassertrüdingen seine Generalversammlung
ab. Die Umfrage bei den
angeschlossenen Dreschgenossenschaften
ergab in Mittelfranken eine Dreschdauer von
68.800 Stunden und einen Verbrauch von
517.000 KW. Ein längerer Artikel befasst
sich mit dem Strafvollzug in Frauengefängnissen.
Am Beispiel des Zuchthauses und Gefangenenanstalt
Aichach wird das Leben der
einsitzenden Frauen geschildert. Am 14.5.
wird von massiven Protesten der Metzger
und Gastwirte gegen die Einführung einer
Schlachtsteuer berichtet. Landtagsabgeordneter
Rauch unterstrich in einem kurzen
Referat die Finanznot Bayerns und betonte,
dass das Fleischergewerbe geeignete Vorschläge
an Stelle des Schlachtsteuerprojektes
unterbreiten solle. Der Leitartikel befasst sich
mit dem indischen Freiheitskampf. Der Autor
stellt die Frage: „Aufruhr oder Freiheitskampf?“
Die Fragwürdigkeit der Erwerbung
jeglicher Kolonien wird aus dem Aufsatz
deutlich. Die „Alt-Nürnberger Künstlermarionetten“
nehmen nach Beendigung der
Osterferien ihre Spiele in HIP wieder auf.
Am 18. 5. Kommen im Spiegel-Saal drei
Stücke von Graf von Pocci zur Aufführung.
Die gestern im Gasthofe „Zur Post“ stattgefundene
Versammlung zur Vorbereitung des
Burgfestes war nur mäßig besucht. Einstimmig
wurde beschlossen, auch in diesem Jahr
das Fest durchzuführen. Unter der Rubrik
„Aus Parteien und Verbänden“ ist eine Zuschrift
des Gredinger OG-Leiter der NSDAP
veröffentlicht. Hintergrund ist der am kommenden
Sonntag stattfindende Vortrag von
Landtagsabgeordneten Grimm. In Alfershausen
eröffnet ein M. Wolfsberger einen Auto-
Karosseriebau. Der Betrieb ist in der Lage
Karosserien aller Größen und Ausführungen
kostengünstig herzustellen. Am 16.5. Fand
im Landtag eine weitere Sitzung der Koalitionsparteien
statt. Thema war die vorgesehene
Erhebung der Schlachtsteuer. Der
französische Außenminister Aristide Briand
hat während einer Unterredung unserem
Außenminister Dr. Curtius bestätigt, dass
am 30.6. die französische Regierung die völlige
Räumung des Rheinlandes notifizieren
werde. Heute fand die Eröffnung der neu
gebauten Lokalbahnstrecke Kinding – Beilngries
statt. Bei den Festreden kam deutlich
zum Ausdruck, dass man sich durch diesen
Streckenausbau eine Steigerung des Fremden-
und Güterverkehrs verspricht. Der französische
Außenminister Aristide Briand hat
eine Denkschrift verfasst, in der er die Organisation
eines europäischen Staatenbundes
vorschlägt. Am 17.5. trat das Youngabkommen
in Kraft. Nachdem die Reparationskommission
bestätigt hat, dass alle notwendigen
Bedingungen erfüllt sind, kommt es jetzt zur
vollständigen Räumung der dritten Rheinlandzone.
Und wieder einmal „Neues vom
„Graf Zeppelin“. Das Luftschiff ist am 18.5.
unter der Führung von Dr. Eckener zu seiner
23-tägigen Südamerikafahrt gestartet.
(mit 17.5.30 enden die Berichte von P. Hagenmaier
abrupt, gehen aber ab 1.7. wieder
weiter. H. R.)
06 | 2024
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