Leseprobe_3_2024
Ausgabe 3_2024 des BIOGAS Journals, herausgegeben vom Fachverband Biogas e.V.
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Fachverband Biogas e.V. | ZKZ 50073 | 27. Jahrgang<br />
www.biogas.org<br />
3_<strong>2024</strong><br />
Ab Seite 56<br />
TITELTHEMA<br />
Grüne<br />
Gase<br />
BIOMASSE-<br />
STRATEGIE<br />
KRAFTWERKS-<br />
STRATEGIE<br />
FLEXZUSCHLAG<br />
AUSSCHREIBUNGS-<br />
VOLUMEN<br />
BIOMETHAN<br />
SCHWARZER PETER<br />
SCHWARZER PETER<br />
SCHWARZER PETER<br />
SCHWARZER PETER<br />
SCHWARZER PETER<br />
XXX Hemmnisse: Politik<br />
yyy muss Lösungen 30 liefern: 12<br />
XXX Hohenwart: Wasserstoff<br />
yyy ersetzt 86 Erdgas 80<br />
XXX: Kambodscha: Es fehlt<br />
yyy Biogas-Know-how - 96 110
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Biogas BIOGAS Journal JOURNAL | x_2022 | 3_<strong>2024</strong><br />
Das Pokern<br />
um die<br />
Energiewende<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
die Energiewende und die aktuelle Energiepolitik<br />
gleichen einem Pokerspiel.<br />
Das Bundeswirtschaftsministerium geht<br />
gerade „all-in“ mit der Wette, dass die in<br />
der Kraftwerksstrategie neu vorgesehenen<br />
und zu errichtenden Erdgas- beziehungsweise<br />
Wasserstoff-(H 2<br />
)-Peaker am<br />
Ende den Stich machen.<br />
„All in“ geht die Bundesregierung auch<br />
mit der einseitigen Rolle von grünem<br />
Wasserstoff. Nach aktuellem Stand ist<br />
grüner Wasserstoff nicht in notwendigen<br />
Mengen und zu wettbewerbsfähigen Kosten<br />
verfügbar. Deutschland wird in jedem<br />
Fall auf erhebliche Importe aus dem<br />
Ausland angewiesen sein. Wann woher<br />
zu welchen Kosten Wasserstoff beschafft<br />
werden soll, ist komplett offen.<br />
Wasserstoff ist aber nicht wie Biomethan<br />
ein Austauschgas, das problemlos in die<br />
bestehende Infrastruktur eingespeist<br />
werden kann, sondern erfordert komplett<br />
andere Sicherheits- und Technikanforderungen.<br />
Die Nutzung von Wasserstoff<br />
wird sich daher sicherlich eher auf Hochdrucknetze<br />
und die daran angeschlossene<br />
Großindustrie fokussieren.<br />
Die Beimischung ins Erdgasnetz oder<br />
die komplette Umstellung auf Wasserstoff<br />
ist hochkomplex, da damit auch<br />
die komplette Infrastruktur „H 2<br />
-ready“<br />
sein muss. Komplexer dürfte auch die<br />
Umstellung aller Wärmekunden im Erdgasnetz<br />
auf Wärmepumpen sein, insbesondere<br />
wenn auf der anderen Seite<br />
gegebenenfalls bei Netzengpässen im<br />
Stromnetz diese Heizungen zum Teil abgeregelt<br />
werden dürfen.<br />
Eine aktuelle Studie der Deutschen<br />
Energieagentur (dena) vermutet, dass<br />
der Bedarf von Biomethan zur Erfüllung<br />
des Gebäudeenergiegesetzes bis 2040<br />
auf 45 Terawattstunden (TWh) ansteigen<br />
kann. Auch brauchen 1,8 Millionen Erdgasabnehmer<br />
aus Industrie und Gewerbe<br />
sinnvolle Alternativen zum Erdgas. Ob<br />
diese Rolle dann der Strom übernehmen<br />
kann, ist sehr fraglich.<br />
Dass die Bundesregierung sehr unsicher<br />
über die Zukunft der Gasnetze ist, zeigen<br />
auch diverse Konsultationsverfahren zur<br />
Transformation des Gasnetzes und den<br />
Nachfolgeregelungen in der Gasnetzzugangsverordnung.<br />
Die damit geschaffene<br />
Verunsicherung zur zukünftigen Rolle<br />
der Gasnetze und die Frage, welche Gase<br />
überhaupt noch genutzt werden, hat sofort<br />
gezündet.<br />
Die über 700 in Deutschland ansässigen<br />
Gasnetzbetreiber sind sehr verunsichert,<br />
ob und wie sie zukünftig noch<br />
ihre Gasnetze nutzen können, ohne zu<br />
große wirtschaftliche Risiken einzugehen.<br />
Das Bundeswirtschaftsministerium<br />
will scheinbar lieber heute als morgen<br />
die Gasnetze stilllegen. Die Bundesregierung<br />
geht mit dieser Politik ein sehr<br />
großes volkswirtschaftliches Risiko ein,<br />
obwohl – kommen wir zum Pokern zurück<br />
– noch gar nicht alle Karten auf<br />
dem Tisch liegen.<br />
Viel zu wenig kommen in diesen ganzen<br />
Diskussionen der Joker Biogas und daraus<br />
erzeugbare Derivate vor. Wir sind<br />
mit unseren 10.000 dezentral verteilten<br />
Anlagen in der Lage, in allen Zukunftsoptionen<br />
einen wichtigen Teil zur<br />
Lösung beizutragen. Sowohl im flexiblen<br />
Stromsystem als auch im flexiblen Gassystem.<br />
Und im Kraftstoffmarkt bietet<br />
Biogas wichtige Voraussetzungen: Wir<br />
sind nachhaltig, kalkulierbar, schnell<br />
verfügbar und flexibel, egal ob in Form<br />
von Strom, Speichern, grünen Gasen<br />
(CNG, LNG; SNG, H 2<br />
…) oder Rohstoffen<br />
für die stoffliche Nutzung. Wir sind der<br />
Schlüssel, um Kreisläufe zu schließen,<br />
wie auch in dieser Ausgabe des Biogas<br />
Journals eindrucksvoll ersichtlich ist.<br />
Dieser weltweit größte Biogasanlagenpark<br />
braucht jetzt aber ganz schnell<br />
politische Entscheidungen und Perspektiven.<br />
Die Bundesregierung eiert seit<br />
Monaten in diversen Strategien zu den<br />
Kraftwerken und dem Einsatz von Biomasse<br />
herum und kommt nicht auf den<br />
Punkt, wie es konkret mit Biogas weitergehen<br />
soll. Das zeigt sich auch beim aktuellen<br />
„Solarpaket“.<br />
Wir bleiben mit Biogas zwar noch im<br />
Spiel, uns wird aber immer wieder ein<br />
neuer Schwarzer Peter untergeschoben<br />
oder die Spielregeln werden kurzfristig<br />
gegen uns neu ausgelegt. So sehr der<br />
Wille einiger Politiker ersichtlich ist, Verbesserungen<br />
für uns zu erreichen, bleibt<br />
doch immer der Eindruck, dass unsere<br />
Karten im Spiel gegen betonierte Ideologien<br />
nicht stechen können. Genau in<br />
diesen Zeiten ist es wichtig, sich verbündete<br />
Spielpartner zu suchen und als<br />
geschlossenes Team Biogas aufzutreten.<br />
Die vielfältigen und sicherlich begründeten<br />
subjektiven Ziele einzelner Akteure<br />
in der Branche müssen wieder mehr in<br />
ein objektives, zukunftsfähiges gemeinsames<br />
Bild vom Biogas der Zukunft fließen.<br />
Nur so erreichen wir es, notwendige<br />
Perspektiven zu schaffen.<br />
Herzlichst Ihr<br />
Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk,<br />
Geschäftsführer des Fachverbandes<br />
Biogas e.V.<br />
3
INHALT<br />
BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
12 56<br />
Wie das Klimagas CO 2<br />
zu Kalkstein wird<br />
Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />
EDITORIAL<br />
3 Das Pokern um die Energiewende<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk<br />
Geschäftsführer des<br />
Fachverbandes Biogas e.V.<br />
AKTUELLES<br />
6 Meldungen<br />
8 Bücher<br />
10 Biogas-Kids<br />
11 Termine<br />
AKTUELLES<br />
12 Viele Hürden bremsen Biogas –<br />
Politik muss Lösungen liefern<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
20 Nur beste Anlagenkonzepte<br />
in die Ausschreibung<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
28 Biogas-Gipfel als Praxistag<br />
Von Dipl.-Ing. agr. Andrea Horbelt<br />
30 Reststoffnutzung: Biogastechnologie<br />
ist zentrale Behandlungsoption<br />
Von Dr. Martin Frey<br />
31 Hygiene ist oberste Pflicht<br />
Von Dr. Martin Frey<br />
38 Koppelprodukte:<br />
Passen die Alternativen zur Anlage?<br />
Von Thomas Gaul<br />
AKTUELLES<br />
42 Hohe positive Bewertung der<br />
Fachverbands-Seminare<br />
Von Florian Strippel und Sophia Heinze<br />
46 IFAT: Der Fachverband Biogas<br />
ist auch dabei<br />
POLITIK<br />
48 Endlagerung von CO 2<br />
unter dem Meer soll ermöglicht werden<br />
Von Bernward Janzing<br />
51 Befreiungsschlag bleibt vorerst aus<br />
und die Zeit wird knapp<br />
Von Jörg Schäfer<br />
Beilagenhinweis: Das Biogas Journal<br />
enthält Beilagen der Firmen agriKomp GmbH und<br />
CSC Carbon Service & Consulting GmbH & Co. KG<br />
4
BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong> INHALT<br />
PRAXIS<br />
Grüne<br />
Gase<br />
62 2023: Nur vier neue<br />
Biomethan-Einspeiseanlagen<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin<br />
Bensmann<br />
64 Interview mit Lars Klinkmüller:<br />
Wasserstoff im Erdgasnetz –<br />
hohe Anteile nicht per se machbar!<br />
Interviewer: Dipl.-Ing. agr. (FH)<br />
Martin Bensmann<br />
72 Biogas-Cluster:<br />
Gemeinsam wird es günstiger<br />
Von Thomas Gaul<br />
76 BEHG: Neue Anforderungen an<br />
eingespeistes Biomethan<br />
Von Christoph Tollmann<br />
H 2<br />
in Erdgasleitung<br />
80 Gasnetz der Zukunft oder<br />
Pilotprojekt für ein Premiumprodukt?<br />
Von Christian Dany<br />
86 Interview mit Raphael Thies:<br />
Genehmigungsverfahren<br />
entrümpeln und beschleunigen<br />
Interviewer: Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin<br />
Bensmann<br />
88 Wasserstoff aus Biogas – Klimaschutz<br />
mit lokalen Wertschöpfungsketten<br />
Von EUR ING Marie-Luise Schaller<br />
TITELILLUSTRATION: BIGBENREKLAMEBUREAU | FOTOS: NEUSTARK AG | MARTIN EGBERT<br />
PRAXIS<br />
110<br />
92 Schmack: Der Biogas-Anlagenbauer<br />
auf dem Braunkohle-Boden<br />
Von Dipl.-Ing. Heinz Wraneschitz<br />
96 Fritz und Franz, die helfen gern!<br />
Von Dipl.-Ing. Heinz Wraneschitz<br />
100 Biogasanlage des Monats<br />
WISSENSCHAFT<br />
102 Ohne Hemmung vergären<br />
Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />
INTERNATIONAL<br />
110 Kambodscha: Viele Kleinanlagen,<br />
wenig Großanlagen<br />
Von Klaus Sieg<br />
122 Ghana: Biogasbranche wächst,<br />
aber nur langsam<br />
Von Dierk Jensen<br />
VERBAND<br />
Aus der Geschäftsstelle<br />
134 Das Warten auf Verbesserungen<br />
Von Dr. Stefan Rauh und<br />
Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk<br />
Gastbeitrag<br />
140 Klimaschutz im Verkehr<br />
braucht die Bioenergie<br />
Von Dr. Simone Peter, BEE<br />
RECHT<br />
142 Votum zum endgültigen<br />
Entfallen des Gülle-Bonus<br />
Von Mandy Werle<br />
144 Projekt Biomethan: Von der Idee bis<br />
zum Genehmigungsantrag<br />
Von RA Carsten Bringmann<br />
146 Impressum<br />
5
AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
ABFALLVERGÄRUNGSTAG TEIL 1<br />
Reststoffnutzung:<br />
Biogastechnologie ist<br />
zentrale Behandlungsoption<br />
Zum diesjährigen Abfallvergärungstag und GGG-Fachseminar hatten sich vom 27. bis 29.<br />
Februar rund 90 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Atlantic Grand Hotel in Bremen<br />
versammelt. Thematische Schwerpunkte waren unter anderem die hygienischen und<br />
technischen Anforderungen sowie Innovationen.<br />
Von Dr. Martin Frey<br />
Bei der Führung<br />
über das Gelände<br />
der Wittmunder Biogasanlage<br />
erfuhren<br />
die Teilnehmer, wie<br />
Abfallvergärungsanlagen<br />
optimiert und<br />
den Erfordernissen<br />
der Zeit angepasst<br />
werden können.<br />
Über Perspektiven und Herausforderungen<br />
der Gülle- und Abfallvergärung informierte<br />
Dr. Sabine Fiebig vom Niedersächsischen<br />
Ministerium für Umwelt,<br />
Energie und Klimaschutz. Generell gelte<br />
die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit<br />
von Biogasanlagen, die als Einsatzstoffe<br />
künftig Gülle oder Abfall verwenden wollen. Dass<br />
hierzu eine Vielzahl an Unterlagen einzureichen<br />
sind, sei leider nicht zu umgehen: „Es hilft zudem<br />
in Änderungsgenehmigungsverfahren, bereits vorhandene<br />
Angaben über die Anlage auf den neuen<br />
Stand zu bringen.“<br />
In Niedersachsen können sich die Landkreise seit<br />
geraumer Zeit die Zuständigkeit der Erteilung von<br />
Genehmigungen vom Niedersächsischen Ministerium<br />
für Umwelt, Energie und Klimaschutz, Referat<br />
33, übertragen lassen. Bisher haben elf Landkreise<br />
die Verantwortung für die Genehmigung und Überwachung<br />
von bestimmten Biogasanlagen übertragen<br />
bekommen. Aus behördlicher Sicht erschwere die<br />
Vielzahl möglicher Anlagenarten die Genehmigungspraxis,<br />
so Fiebig.<br />
Einige Hoffnung auf Vereinfachung hatte man auf<br />
die elektronische Antragsstellung mittels der Software<br />
ELIA, inzwischen in der Version 2.8, gesetzt.<br />
Generell besteht die Möglichkeit, auch elektronisch<br />
seinen Antrag zu stellen und in einigen Fällen auf<br />
die Papierform zu verzichten. Generell gab sie den<br />
Anlagenbetreibern mit auf den Weg, möglichst viel<br />
mit den Behörden zu kommunizieren, dies könne<br />
viele Unklarheiten lösen helfen.<br />
Christoph Spurk, Vizepräsident des Fachverbandes<br />
Biogas, gab der Referentin mit auf den Weg, sie<br />
30
BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
AKTUELLES<br />
Dr. Sabine Fiebig vom Niedersächsischen Ministerium für<br />
Umwelt, Energie und Klimaschutz berichtete über Perspektiven<br />
und Herausforderungen der Gülle- und Abfallvergärung.<br />
Prof. Dr. Michael Nelles vom Deutschen Biomasseforschungszentrum<br />
(DBFZ) in Leipzig sagte, dass die Biogastechnologie<br />
für biogene Abfälle eine „zentrale Behandlungsoption“ sei. Sie<br />
ermögliche eine kombinierte stofflich-energetische Koppelproduktion<br />
und Kaskadennutzung in Wertschöpfungsketten.<br />
möge sich dafür einsetzen, dass Nachforderungen<br />
zu bündeln seien, um die Abläufe zu beschleunigen.<br />
Diese warb aber in der Biogasbranche um Verständnis:<br />
„Ich verstehe auch Kollegen, die das eine<br />
oder andere nachfordern.“ Spurk entgegnete, der<br />
Eindruck bleibe oft, man habe zwar die Voraussetzungen<br />
auf gesetzlicher Ebene, sei aber nicht in der<br />
Lage, dies auch umzusetzen. „Wir vermissen gelegentlich<br />
den Willen zur Genehmigung. Da ist eher<br />
das Gegenteil zu spüren“.<br />
Hygiene ist oberste Pflicht<br />
FOTOS: DR. MARTIN FREY<br />
Der Betrieb von Abfallvergärungsanlagen<br />
stellt hohe Hygieneanforderungen<br />
an Betreiber – vor allem wenn in der<br />
Anlage auch Gülle verarbeitet wird. Dr.<br />
Heinz-Walter Leßmann, ehemaliger Abteilungsleiter<br />
des Fachbereichs Rückstandsuntersuchung<br />
und -überwachung<br />
des Landkreises Cloppenburg, gab einen<br />
Überblick zu den Erfordernissen<br />
bei der Gefahrenanalyse sowie der Ermittlung<br />
und Festlegung kritischer Kontrollpunkte.<br />
International spricht man hier von „Hazard<br />
Analysis Critical Control Points”<br />
(HACCP). Der Amtsveterinär riet dazu,<br />
das HACCP-Konzept sorgfältig zu erstellen,<br />
auch wenn dieses einen nicht<br />
unerheblichen Aufwand bedeute. Je<br />
besser es ausgearbeitet sei, desto einfacher<br />
sei es, Hygieneanforderungen<br />
zu erfüllen und amtlichen Kontrollen<br />
entgegenzusehen. Hierzu präsentierte<br />
er ein Muster eines HACCP-Konzeptes,<br />
in dem Gefahren, Maßnahmen<br />
und Überwachungsschritte aufgelistet<br />
sind. Beispiele sind die Reinigung der<br />
Verkehrsflächen und Laderschaufeln,<br />
das Abdecken des Festmistlagers,<br />
die Schädlingsbekämpfung sowie die<br />
gründliche Wartung der Anlagen und<br />
Geräte. Generell sollte der Betrieb zur<br />
Anlagenbeschickung über möglichst<br />
zwei Fahrzeuge verfügen, damit keine<br />
Erreger von der Biogasanlage in den<br />
Futterbereich verfrachtet werden können.<br />
Eine sorgfältige Datenerhebung,<br />
-sicherung und grafische Darstellung<br />
überwachter Kontrollpunkte erleichtere<br />
dem Amtsveterinär weiterhin die Arbeit.<br />
Komme es einmal zu einer Anhörung,<br />
solle man im Sinne einer guten Kooperation<br />
stets Lösungen aufzeigen und<br />
keine Erklärungsversuche bringen, warum<br />
es zum Problem gekommen ist.<br />
Die Hygieneanforderungen bei Abfallvergärungsanlagen<br />
waren das Thema von Dr.<br />
Heinz-Walter Leßmann, dem ehemaligen Abteilungsleiter<br />
des Fachbereichs Rückstandsuntersuchung<br />
und -überwachung des Landkreises<br />
Cloppenburg.<br />
Die mit den Hygieneanforderungen<br />
verbundenen Dokumentationspflichten<br />
einfach zu gestalten sei wichtig, damit<br />
sie auch umsetzbar sind. Das sei zwar<br />
eine Herausforderung, so Leßmann,<br />
aber: „Es ist machbar, wenn es auf den<br />
Betrieb maßgeschneidert und zudem<br />
anwenderfreundlich ausgestaltet ist.“<br />
31
AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
Dr. Barbara Hoffmann<br />
vom Bundesministerium<br />
für Ernährung und<br />
Landwirtschaft (BMEL)<br />
berichtete über die<br />
aktuelle Tierseuchensituation<br />
in Deutschland<br />
und Europa.<br />
Großes Potenzial<br />
vergärbarer Materialien<br />
Einen Überblick über das<br />
Potenzial an biogenen Abfällen<br />
und Reststoffen in<br />
Deutschland und deren<br />
Einsatzmöglichkeiten zur<br />
Vergärung gab Prof. Dr. Michael<br />
Nelles vom Deutschen<br />
Biomasseforschungszentrum<br />
gemeinnützige GmbH<br />
(DBFZ) in Leipzig. Da Biomasse<br />
bekanntlich eine<br />
stark limitierte Ressource<br />
ist, habe die Lebensmittelerzeugung<br />
und stoffliche Verwertung Vorrang<br />
vor der energetischen Nutzung, schob er vorweg.<br />
Auf Grundlage der DBFZ-Ressourcendatenbank<br />
sei aber auch zu belegen, dass es mit jährlich<br />
240 Millionen Tonnen Trockenmasse einen „riesigen<br />
Stoffstrom“ gebe, „den wir in Deutschland<br />
bewegen.“ In einer Lkw-Kette käme man damit<br />
dreieinhalb Mal um den Erdball, so der Forscher.<br />
Davon müsse aus ökologischen Gründen vieles in<br />
der Natur verbleiben. Immerhin könne man aber<br />
davon ausgehen, dass etwa die Hälfte der biogenen<br />
Abfälle vergärbar seien.<br />
Die Biogastechnologie sei dafür eine „zentrale Behandlungsoption“,<br />
da sie eine kombinierte stofflichenergetische<br />
Koppelproduktion und Kaskadennutzung<br />
in Wertschöpfungsketten ermögliche. Nelles<br />
nannte beispielhaft ein Pilotprojekt seines Institutes,<br />
bei dem in Zeitz in Sachsen-Anhalt der biogene<br />
Reststoff Weizenpülpe mittels Monovergärung zu<br />
Biomethan und Sekundärdünger umgewandelt wird.<br />
Man habe nachgewiesen, dass das Verfahren sehr<br />
gut umzusetzen sei, um den dortigen Chemiestandort<br />
mit Bioenergie zu versorgen.<br />
Branche als möglicher Partner der<br />
Tierseuchenbekämpfung<br />
Über die aktuelle Tierseuchensituation in Deutschland<br />
und Europa informierte Dr. Barbara Hoffmann<br />
vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft<br />
(BMEL). Ihr Beitrag zielte dabei auf die damit<br />
verbundenen Herausforderungen für den Um-<br />
Hygieneeffekt mittels<br />
Labortechnik nachweisen<br />
Der Hygieneprozess auf Biogasanlagen<br />
lässt sich mittels labortechnischer<br />
Untersuchungen eindeutig beurteilen.<br />
Unter anderem werden dazu Gärprodukte<br />
in Fachlaboren unter die Lupe<br />
genommen. Hierüber referierte Eileen<br />
Schütze, die Geschäftsführerin der<br />
im nordhessischen Neu-Eichenberg<br />
ansässigen Planco-Tec GmbH, einer<br />
Tochter der Pauly Group. Das Unternehmen<br />
besteht seit 1981, hat 120<br />
Mitarbeiter und bezeichnet sich als<br />
Marktführer für ökotechnische Produkte<br />
und Systemanlagen.<br />
Im Rahmen von Hygieneprozess-Untersuchungen<br />
werden auf den Anlagen<br />
potenziell schädliche beziehungsweise<br />
pathogene Stoffe den Anlagenbedingungen<br />
ausgesetzt. Dies geschieht<br />
mittels Prüfsonden, die – mit den<br />
unterschiedlichen Organismen in<br />
Säckchen verpackt – präpariert sind.<br />
Tomatensamen stehen etwa stellvertretend<br />
für Unkrautsamen. Ein weiteres<br />
Beispiel ist Plasmodiophora brassicae,<br />
der Erreger der Kohlhernie. Nach einer<br />
definierten Zeit wird der Nachweis geführt,<br />
ob die Bedingungen der Anlage<br />
ausgereicht haben, um die jeweiligen<br />
Erreger abzutöten.<br />
Je Prüfgang werden beispielsweise<br />
1.600 Tomatensamen untersucht, berichtete<br />
die Laborleiterin. Wenn diese<br />
im Anschluss nicht mehr keimfähig<br />
sind, stimmten die Anlagenbedingungen.<br />
Die Probe mit den Kohlhernie-<br />
Erregern wird in einer Klimakammer<br />
mit gesunden Senfsaaten in Kontakt<br />
gebracht. Wenn die Bonitur nach sechs<br />
Wochen ergibt, dass letztere dann ebenfalls<br />
erkrankt sind, war die Hygienewirkung<br />
der Anlage nicht ausreichend.<br />
Das Unternehmen bietet ein breites<br />
Analysenspektrum an, zu dem auch Traceruntersuchungen<br />
mit Lithium zur Bestimmung<br />
der Mindestverweilzeit zählen.<br />
„Hierfür brauchen wir recht große<br />
Mengen des wertvollen Materials und<br />
Eileen Schütze, Geschäftsführerin der Planco-<br />
Tec GmbH, stellte die Möglichkeiten moderner<br />
labortechnischer Untersuchungen vor.<br />
haben etwa mit der Pharmaindustrie<br />
und Batterieherstellern zu konkurrieren“,<br />
so Eileen Schütze.<br />
Derzeit nehme man im eigenen Labor<br />
jährlich etwa 25 Prüfgänge vor, wobei<br />
in der Regel pro Biogasanlage ein Prüfgang<br />
im Sommer und einer im Winter<br />
erforderlich seien. Man werde vor allem<br />
dann gerufen, wenn nach bautechnischen<br />
Änderungen eine solche Kontrolle<br />
vorgeschrieben sei. Da es nur<br />
eine Handvoll Unternehmen gebe, die<br />
solche Leistungen in Deutschland anbieten,<br />
erstrecke sich der Aktionsradius<br />
auf das gesamte Bundesgebiet.<br />
32
BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
AKTUELLES<br />
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IFAT<br />
München <strong>2024</strong><br />
13 bis 17 Mai<br />
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33
AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
Biogasanlage<br />
Wittmund: Im Labor<br />
wird jede Anlieferung<br />
getestet. In wenigen<br />
Minuten ist somit<br />
belegbar, ob eine<br />
Charge in die Anlage<br />
darf oder zurückgewiesen<br />
werden muss.<br />
Biogasanlage<br />
Wittmund: Die<br />
Feststoffdüngerproduktion<br />
ermöglicht<br />
die Vermarktung<br />
der Gärprodukte<br />
an Landwirte und<br />
Gartenbesitzer.<br />
gang mit Gülle und anderen tierischen Nebenprodukten<br />
als Eingangsstoffen von Abfallvergärungsanlagen.<br />
Den Rahmen dafür setze das neue EU-Tiergesundheitsrecht.<br />
Dieses habe Abhilfe schaffen sollen für<br />
das zersplitterte und über Jahre „gewachsene“ und<br />
damit sehr unübersichtlich gewordene Vorgängerrecht.<br />
Allerdings sei schon jetzt zu erkennen, dass<br />
auch das neue Werk recht kompliziert sei, so Hoffmann.<br />
Da das EU-Recht nationales überlagere, sei<br />
es jetzt auch erforderlich, die verbleibenden Regelungen<br />
des deutschen Rechtes herauszuarbeiten,<br />
die weiterhin angewendet werden können. „Dies ist<br />
eine regelrechte Sisyphusarbeit.“<br />
Bei den Tierseuchen sei derzeit die Geflügelpest am<br />
akutesten. „Seit drei Jahren werden – anders als<br />
vorher – auch im Sommerhalbjahr regelmäßige Seuchenfälle<br />
bei Wildvögeln und Geflügel festgestellt“,<br />
so Hoffmann. Vor allem treffe es die Puten, und man<br />
vermute unter anderem einen Zusammenhang mit<br />
der Einstreupraxis. Die Lage bei der Afrikanischen<br />
Schweinepest, die sich über aus Polen einwandernde<br />
Wildschweine ausgebreitet habe, sei derzeit unter<br />
Kontrolle. Schon seit Jahren nicht mehr präsent<br />
sei die Maul- und Klauenseuche. Doch da warnte<br />
Barbara Hoffmann vor allzu großer Sorglosigkeit, da<br />
sie jederzeit wiederkommen könne.<br />
In Verbindung mit der Afrikanischen Schweinepest<br />
gelten Verbringungsbeschränkungen, die unter anderem<br />
mit der Nachverfolgung der Transportwege verbunden<br />
sind. Generell stellt sich die Frage, inwieweit<br />
die Biogasbranche dazu beitragen kann, um belastetes<br />
tierisches Material zu identifizieren beziehungsweise<br />
auch dessen Erreger in den Anlagen abzutöten.<br />
Biogasanlagen könnten in Notfallpläne eingebunden<br />
werden, um Tierseuchen einzugrenzen, regte<br />
Christoph Spurk an. Barbara Hoffmann gab zu bedenken,<br />
dass je nach Anlagentyp nicht sicher<br />
BIOPRACT<br />
34
BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
AKTUELLES<br />
Kurzinfos zu den Ausstellern beim Abfallvergärungstag und GGG-Fachseminar<br />
Firma Produktstichworte Webseite<br />
AEV Energy GmbH<br />
Aufbereitung organischer Abfallstoffe,<br />
Reinigung hochbelasteter Abwässer mit<br />
Energiegewinnung.<br />
www.aev-energy.de<br />
Agrotel GMBH CenoTec Gasspeicher und Zubehör. www.agrotel.eu<br />
Awite Bioenergie GmbH<br />
Gasanalyse, Entschwefelung,<br />
Durchflussmessung, Laboranlagen.<br />
www.awite.de<br />
Dr. Kerner GmbH & Co. KG<br />
Nachhaltige Abdichtungen für<br />
Bio-Wertstoff-Behälter + Anlagen aller Art.<br />
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Die Biologie flext mit: Lösungen für die<br />
Fermenter-Biologie.<br />
www.energiePLUSagrar.de<br />
Feistmantl Cleaning Systems GmbH<br />
Reinigungsanlagen und Entleer-Vorrichtungen<br />
für Speisereste-/Speisefette Wertstoffbehälter.<br />
www.feistmantl.com<br />
MKR Cleanwater GmbH<br />
Verdampfer zur Mineraldünger- und<br />
Wasserproduktion.<br />
www.mkr-cleanwater.de<br />
REW Regenerative<br />
Energiewirtschaftssysteme GmbH<br />
TIETJEN Verfahrenstechnik GmbH<br />
Entwässerung, Filtrierung, Trocknung,<br />
Hygienisierung, Desorption, Verdampfung,<br />
Pyrolyse >> Dünger + Energie.<br />
Bioabfall Entpackung/Separation von Fremdstoffen,<br />
Substrataufschluss für Biogasanlagen,<br />
individuelle Zerkleinerungstechnik.<br />
www.regenis.de<br />
www.tietjen-original.com<br />
UNTHA Deutschland GmbH<br />
Zerkleinerungslösungen, Wertstoffrecycling,<br />
Aufbereitung von Abfallstoffen.<br />
www.untha.de<br />
35
AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
Die weltberühmten<br />
Bremer Stadtmusikanten<br />
waren vom<br />
Veranstaltungsort<br />
fußläufig zu<br />
erreichen.<br />
Manuela Beyer, die<br />
Geschäftsführerin<br />
der Biogas Wittmund<br />
GmbH & Co.KG,<br />
präsentierte auf der<br />
Tagung einen vielbeachteten<br />
Praxisbericht<br />
zur Sichtkontrolle von<br />
flüssigen Bioabfällen.<br />
„Bei Säure kann sich<br />
das Volumen schlagartig<br />
verzehnfachen“<br />
Manuela Beyer<br />
sei, ob die Erreger nach der Behandlung auch tatsächlich<br />
tot seien. Anregungen und Wünsche der<br />
Branche zu dem Thema seien willkommen, aber<br />
man solle sie gebündelt über die Verbände an das<br />
Ministerium einreichen.<br />
Lehrfahrt: Besichtigung der<br />
Biogasanlage in Wittmund<br />
Im Nachgang der zweitägigen Veranstaltung stand<br />
wieder eine Lehrfahrt in der Region an, die auch<br />
zur Biogasanlage der Firma Benas in Ottersberg<br />
führte, in der aus Pflanzenfasern<br />
Papierprodukte hergestellt werden.<br />
Vormittags ging es zur Abfallvergärungsanlage<br />
in Wittmund nahe Jever.<br />
Dort betreibt die Biogas Wittmund<br />
GmbH & Co.KG eine der ältesten<br />
Biogasanlagen Deutschlands, die<br />
dank stetiger Modernisierung beispielhaft<br />
den Stand der Technik widerspiegelt.<br />
Geschäftsführerin Manuela<br />
Beyer führte über die weiträumige<br />
Anlage, nachdem sie bereits auf der Tagung<br />
einen vielbeachteten Praxisbericht zur „Sichtkontrolle<br />
von flüssigen Bioabfällen“ gegeben hatte.<br />
Die Untersuchungen dazu waren für die Besucher<br />
im Labor des Unternehmens nachzuvollziehen.<br />
Die Anlage sei inzwischen eine „Oma der Biogasanlagen“,<br />
so Manuela Beyer. 1996 in Betrieb gegangen,<br />
hat sie inzwischen eine elektrische Leistung<br />
von 3,5 Megawatt und liefert ihre Gaserzeugung<br />
per Rohbiogasleitung an eine in der Nähe liegende<br />
Kaserne, wo in drei Blockheizkraftwerken Strom<br />
erzeugt und die Liegenschaften mit Wärme versorgt<br />
werden. Als Eingangsstoffe dienen Rindergülle und<br />
Lebensmittelabfälle vom Festland der Region sowie<br />
den ostfriesischen Inseln.<br />
Da die Stoffe häufig in flüssiger Form angeliefert<br />
werden und die Gefahr besteht, dass diese in der<br />
Anlage zu heftigen Reaktionen führen, werden sie<br />
allesamt im eigenen Labor einer Untersuchung<br />
unterzogen. „Bei Säure kann sich das Volumen<br />
schlagartig verzehnfachen“, beschrieb Manuela<br />
Beyer, warum man beispielsweise einen Test mit<br />
Essigsäure vorschalte. Mit Natronlauge lässt sich<br />
feststellen, ob Verklumpungen von Eiweiß entstehen.<br />
Bei neuen Eingangsstoffen würden diese erhitzt,<br />
um zu erkennen, dass keine unerwünschten<br />
Aromastoffe enthalten sind.<br />
Der scheinbar hohe Aufwand ist für Geschäftsführerin<br />
Beyer gut investiert: „Wenn man mit Abfällen<br />
zu tun hat, muss man sich mit ihnen auch auseinandersetzen.<br />
Es hilft nichts zu sagen, es wird schon<br />
gutgehen.“ Schließlich könne eine falsche Charge<br />
dazu führen, dass die Dächer des Fermenters zerstört<br />
werden oder Schlimmeres passiere. Es ist zwar<br />
schon länger her, aber einmal erlebte sie, wie der Inhalt<br />
der Hochfermenter von oben herunterkam – und<br />
so etwas solle nie wieder vorkommen. Entspricht die<br />
Anlieferung nicht den Kriterien, geht sie retour. Beyer:<br />
„Wir testen alles im Labormaßstab. Das ist am<br />
Anfang etwas mühselig, geht aber in wenigen Minuten<br />
vonstatten. Man gewöhnt sich dran. Und selbst<br />
wenn man nichts findet, merken die Lieferanten,<br />
dass man genau hinschaut.“<br />
Die Anlage in Wittmund haben zwei Investoren im<br />
Jahr 2017 vom regionalen Energieversorger EWE<br />
übernommen, nachdem dieser beabsichtigte, sie<br />
nach Ablauf der EEG-Vergütung stillzulegen. Manuela<br />
Beyer wechselte damals nur den Arbeitgeber,<br />
blieb aber auf „ihrer“ Anlage, die sie seit dem ersten<br />
Betriebstag kennt. Seitdem wurde das Anlagenkonzept<br />
schrittweise modifiziert und die Anlage immer<br />
wieder vergrößert.<br />
Beispielsweise entstand innerhalb der ersten drei<br />
Jahre als Abfallanlage eine weitere Annahmehalle<br />
für Kleingebinde. Der Annahmebereich ist in vier<br />
Hallen untergebracht und so aufgebaut, dass der<br />
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BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
AKTUELLES<br />
Diskussionsrunde mit (von<br />
links) Dr. Sabine Fiebig,<br />
Dr. Barbara Hoffmann,<br />
Prof. Dr. Michael Nelles<br />
und Mathias Hartel vom<br />
Fachverband Biogas,<br />
Leiter des Referats Abfall,<br />
Düngung und Hygiene.<br />
Gülle- und der Abfallannahmebereich voneinander<br />
getrennt sind. Die Güllefahrzeuge durchfahren dabei<br />
ein Desinfektionsbecken, was für ein Plus an<br />
Hygiene sorgt.<br />
Neu: Gärdüngerfeststoff kann<br />
pelletiert werden<br />
Im hinteren Teil des Geländes ist kürzlich eine<br />
Feststoffdüngerproduktion in Betrieb genommen<br />
worden, deren Erzeugnisse an Landwirte und Gartenbesitzer<br />
vermarktet werden. Das dazu verwendete<br />
Gärprodukt wird in einem Trockner vorbereitet,<br />
bevor es in der großräumigen Halle pelletiert wird.<br />
„Wir können da noch zwei weitere Produktionslinien<br />
hineinbauen und die Halle sogar erweitern“, so Manuela<br />
Beyer, die die Besuchergruppe mit spürbarer<br />
Begeisterung über das Gelände führte.<br />
Dass es auf der Anlage so schnell keinen Stillstand<br />
gibt, verdeutlichte die Anlagenmanagerin mit ihrem<br />
aktuellen Projekt: „Wir planen zusammen mit<br />
zwei weiteren Biogaserzeugern aus der Region eine<br />
zentrale Gasaufbereitung. Jeder liefert dann über<br />
Rohrleitungen ein Drittel seines Biogases dorthin“.<br />
Damit soll für noch mehr Flexibilität gesorgt werden,<br />
denn die Situation der Stromeinspeisung sei an der<br />
ostfriesischen Küste „katastrophal“, so Beyer. Allzu<br />
oft würden die Blockheizkraftwerke wegen der Windüberschüsse<br />
im Netz abgeschaltet.<br />
Bald soll der Baustart für das Projekt erfolgen und<br />
nach Inbetriebnahme erhoffen sich die Akteure eine<br />
gewisse Entspannung. Bei einem Gesamtinvest von<br />
6,9 Millionen Euro bliebe zunächst kein Budget<br />
mehr für eine Verflüssigung oder CO 2<br />
-Abscheidung.<br />
„Die Banken fühlen sich da irgendwann überfordert“,<br />
erlaubte sich Beyer einen kleinen Seitenhieb.<br />
Aber der weitere Ausbau käme wohl nur etwas später,<br />
schob sie schnell hinterher. Die Schlachthöfe<br />
der Region und „die AIDAs“, also die großen Kreuzfahrtschiffe,<br />
hätten schließlich viel Bedarf an Kohlendioxid,<br />
das dann immerhin regenerativ erzeugt<br />
würde. Die ostfriesische Anlage hätte somit wieder<br />
ein weiteres Geschäftsfeld hinzugewonnen.<br />
Hinweis:<br />
Ein ausführlicher Bericht zu den Beiträgen des zweiten Veranstaltungstages<br />
folgt in der kommenden Ausgabe des Biogas<br />
Journals.<br />
Autor<br />
Dr. Martin Frey<br />
Fachjournalist<br />
Fachagentur Frey · Kommunikation für Erneuerbare Energien<br />
Lilienweg 13 · 55126 Mainz<br />
0 61 31/61 92 78-0<br />
mf@agenturfrey.de<br />
www.agenturfrey.de<br />
Auch die Abendveranstaltungen<br />
sind für die<br />
Tagungsteilnehmer<br />
Inspiration und Zeit für den<br />
Austausch – hier die Besichtigung<br />
der Braumanufaktur<br />
auf der Überseeinsel – mit<br />
anschließender Bierverkostung<br />
und Buffet.<br />
37
TITELTHEMA<br />
Grüne Gase<br />
Wie das Klimagas CO 2<br />
zu Kalkstein wird<br />
Biogasanlagen können Negativemissionen erzielen, zum Beispiel wenn sie viel Reststoffe<br />
wie Gülle oder Mist einsetzen. In einem neuen Verfahren bindet sich Kohlendioxid aus der<br />
Biogasaufbereitung dauerhaft an Betonbruch.<br />
Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />
Die Produktion von Biogas ist klimaneutral.<br />
Wird das bei seiner Aufbereitung zu<br />
Biomethan frei werdende grüne Kohlendioxid<br />
aufgefangen und dauerhaft der<br />
Atmosphäre entzogen, sind Herstellung<br />
und Einsatz des Energieträgers sogar CO 2<br />
-negativ.<br />
Deutschlandweit erstmalig praktizieren dies der Anlagenbetreiber<br />
MVV, das Startup neustark und der<br />
Biomethanhändler Landwärme in einem gemeinsamen<br />
Pilotprojekt.<br />
Dabei wird das bei der Gasaufbereitung in einer Dresdener<br />
Bioabfallvergärungsanlage abgetrennte CO 2<br />
für<br />
den Transport verflüssigt und mittels einer neuartigen<br />
Technologie auf einem Berliner Recyclinghof in geschreddertem<br />
Abrissbeton zu Kalkstein mineralisiert.<br />
Außer dem Effekt einer Negativemission verbessert<br />
das Verfahren die Materialeigenschaften von Betongranulat,<br />
einem wegen Kiesmangel zunehmend gefragten<br />
Rohstoff im Straßen- und Tiefbau.<br />
Neben der umfassenden Umstellung von fossiler auf<br />
Erneuerbare Energie ist es nach Ansicht der Politik<br />
zusätzlich notwendig, CO 2<br />
aus der Atmosphäre<br />
zu entnehmen, um unvermeidbare Treibhausgas-<br />
(THG)-Emissionen bei industriellen Prozessen, etwa<br />
in der Grundstoffwirtschaft, zu kompensieren. Nur<br />
so könne Deutschland seine Verpflichtung zur Umwandlung<br />
in eine klimaneutrale Industrienation bis<br />
2045 vollständig einlösen.<br />
Biogasbranche Partner bei CCS-/<br />
CCU-Konzepten<br />
Dafür überarbeitete die Bundesregierung ihre Carbon-Management-Strategie<br />
(CMS) sowie das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz<br />
(KSpG). Beide Dokumente<br />
benennen ausdrücklich die Speicherung (CCS)<br />
und Nutzung (CCU) von Kohlendioxid aus Biomasse.<br />
Die daraus resultierenden Rahmenbedingungen beflügeln<br />
den Wettbewerb um die effizienteste Tech-<br />
FOTO: NEUSTARK AG<br />
56
BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
PRAXIS / TITEL<br />
nologie für Negativemissionen (Negative Emission<br />
Technologies NET) von biogenem Kohlendioxid.<br />
Die Biogasbranche ist hierbei ein interessanter Akteur.<br />
Schließlich besteht Rohbiogas nicht ganz zur<br />
Hälfte aus CO 2<br />
. Bei der Aufbereitung zu Biomethan<br />
bleibt es quasi verfahrensbedingt in einem hohen<br />
Reinheitsgrad übrig und muss nicht wie bei anderen<br />
Abscheidungstechnologien in einem gesonderten<br />
Prozess aus der Luft oder aus Rauchgasen<br />
gefiltert werden.<br />
Das Auffangen und Verflüssigen wiederum ist keine<br />
Raketenwissenschaft. Viele Hersteller von Systemen<br />
zur Gasreinigung können dafür entsprechende<br />
Komponenten liefern. Finden sich nun noch<br />
Partner für die Logistik und die emissionsfreie<br />
Nutzung des CO 2<br />
sowie für die Involvierung in den<br />
THG-Emissionshandel, sodass sich das Ganze auch<br />
finanziell trägt, steht der Kohlendioxidentfernung<br />
aus der Atmosphäre (engl. Carbon Dioxide Removal/CDR)<br />
nichts mehr im Wege.<br />
Genauso eine Kooperation entstand zwischen der<br />
MVV Energie AG, der Landwärme GmbH und der<br />
neustark AG. Was bringen die drei Unternehmen ein<br />
und wie wirken sie in dem deutschlandweit bislang<br />
einmaligen CDR-Pilotvorhaben zusammen?<br />
Deutsch-schweizerische Zusammenarbeit<br />
Eine Scharnierfunktion hat das Unternehmen Landwärme.<br />
Der Dienstleister rund um das Thema Biomethan<br />
initiierte das kommerzielle Projekt, indem<br />
er die MVV-Biogasanlage in Dresden als Bereitsteller<br />
von CO 2<br />
mit dem Schweizer Climate-Tec-Unternehmen<br />
neustark, einem Anbieter zur CO 2<br />
-Entfernung<br />
mittels Mineralisierung, zusammenbrachte. Als Abnehmer<br />
des Biomethans ermöglicht Landwärme außerdem<br />
eine Vergütung über die THG-Quote.<br />
„Wir handeln mit Biomethan im Umfang von aktuell<br />
mehr als 3 Terawattstunden (TWh) pro Jahr. Diese<br />
Marktposition wollen wir für die Erweiterung unseres<br />
Portfolios auf CO 2<br />
nutzen und in den nächsten Jahren<br />
allen von uns betreuten Biomethananlagen die<br />
Möglichkeit bieten, CO 2<br />
-negativ zu wirtschaften“,<br />
sagt Caroline Braun, Teamleiterin Geschäftsfeldentwicklung<br />
und CO 2<br />
-Märkte.<br />
Die Kooperation mit MVV und neustark sei hierfür<br />
der Startschuss. Die Dresdener Biogasanlage<br />
habe sich für das Pilotprojekt angeboten, weil hier<br />
bereits ein Teil des CO 2<br />
aus der Gasreinigung verflüssigt<br />
und während der An- und Abfahrphasen in<br />
den Fermenterboxen für Verdrängungsspülungen<br />
eingesetzt wird.<br />
Die neue Speicheranlage<br />
auf dem<br />
Recycling-Gelände<br />
der HEIM-Gruppe<br />
in Berlin-Marzahn<br />
kann jedes Jahr bis<br />
zu 1.000 Tonnen<br />
CO 2<br />
dauerhaft in<br />
Abbruchbeton speichern.<br />
In der Bildmitte<br />
die Rampe mit den<br />
Behältern für die CO 2<br />
-<br />
Injektion.<br />
57
PRAXIS / TITEL BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
CO 2<br />
-Vermarktung der<br />
Biomethan-Anlage anpassen<br />
„Grundsätzlich lässt sich jedoch für nahezu jeden<br />
Biomethanproduzenten ein Konzept zur CO 2<br />
-Vermarktung<br />
entwickeln, das sich rechnet“, ist Braun<br />
überzeugt. Ihr Team unterstütze die Anlagenbetreiber<br />
sowohl bei der Sicherung der Wirtschaftlichkeit<br />
als auch bei technischen Fragen zur notwendigen<br />
Umrüstung und dem Aufbau der Infrastruktur.<br />
Die Abrechnung erfolge beispielsweise in<br />
Kombination mit dem Biomethan,<br />
das Landwärme unter anderem<br />
an CNG-Tankstellen liefert.<br />
Durch den Verkauf des<br />
„Mit der CO 2<br />
-Abscheidung<br />
in der Biogasanlage Dresden<br />
erreichen wir erstmals eine<br />
Negativemission“<br />
Biokraftstoffs als Ersatz<br />
für fossiles Benzin<br />
und Diesel entstehen<br />
gemäß der in der EU<br />
gültigen Erneuerbare-Energien-Richtlinie<br />
(RED II) THG-<br />
Minderungsquoten.<br />
Der Handelswert dieser<br />
THG-Quoten, zu deren<br />
Erwerb die Mineralölkonzerne<br />
in einem festgelegten<br />
Umfang verpflichtet sind, richtet<br />
sich vornehmlich nach dem Input<br />
bei der Biogasproduktion (Rest- und Abfallstoffe<br />
werden bevorzugt).<br />
Es gibt jedoch noch ein weiteres Bewertungskriterium:<br />
die klimafreundliche Erzeugung. Dies ist hier<br />
von Bedeutung, weil sich der THG-Wert und damit<br />
der Quotenpreis verbessert, wenn das bei der Gasreinigung<br />
ohnehin frei werdende CO 2<br />
in Produkte gebunden<br />
oder anderweitig dauerhaft der Atmosphäre<br />
entzogen wird. Dieser Anreiz schlägt sich letztlich in<br />
einem höheren Erlös für das Biomethan nieder. „Für<br />
Dr.-Ing. Michael Hofmann, MVV,<br />
Technischer Leiter<br />
Business Unit Biogas<br />
Die Bioabfallvergärungsanlage<br />
Dresden<br />
verwertet jährlich bis<br />
zu 46.500 Tonnen<br />
Bioabfall aus der<br />
Sächsischen Landeshauptstadt<br />
und deren<br />
Umland.<br />
die Betreiber ist das stabiler und berechenbarer als<br />
die selbstständige Teilnahme am ziemlich volatilen<br />
Zertifikats- Quotenmarkt“, meint Braun.<br />
Carbon-Removal-Zertifikate als Mittel zur<br />
Finanzierung von Negativemissionen<br />
Alternativ zur CO 2<br />
-Vermarktung über Zertifikate für<br />
das Inverkehrbringen von Biokraftstoffen eröffnen<br />
sich gegenwärtig weitere Vertriebswege über den<br />
freiwilligen Markt für Negativemissionen. Carbon-<br />
Removal-Zertifikate als Mittel zur Finanzierung von<br />
Negativemissionen werden nach Aussage von Braun<br />
auch im europäischen Umfeld immer wichtiger, wie<br />
die Einführung des „Carbon Removal Certification<br />
Frameworks“, eines europaweit einheitlichen Rahmens<br />
zur Zertifizierung von Negativemissionen, zeige.<br />
Das erleichtere es Erzeugungsanlagen, auch ohne<br />
die Vermarktung von Biomethan im Kraftstoffbereich,<br />
mit CO 2<br />
-Abscheidung klimapositiv zu wirtschaften.<br />
Interesse am Erwerb solcher Carbon-Removal-Zertifikate<br />
haben Unternehmen wie Microsoft oder UBS,<br />
die damit unvermeidbare THG-Emissionen ausgleichen<br />
und so ihrer Verantwortung für den Klimaschutz<br />
gerecht werden wollen. In diesem Bereich sind<br />
insbesondere innovative Technologien mit konkret<br />
Pfund der Klimaneutralitat<br />
weiter aufwerten<br />
Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie:<br />
„Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung die<br />
gesetzliche Grundlage für den Transport und die Speicherung<br />
von CO 2<br />
in Deutschland [...] schafft. Deutsche<br />
Bioenergie-Unternehmen sind grundsätzlich bereit, ihr<br />
bisheriges Pfund der Klimaneutralität weiter aufzuwerten<br />
und künftig negative Emissionen bereitzustellen. Die<br />
in Aussicht gestellte Förderung kann dabei helfen, den<br />
Unternehmen die Anschaffung und Integration der nötigen<br />
Technologien zu finanzieren.“<br />
Text: Wolfgang Rudolph<br />
FOTOS: CARMEN RUDOLPH<br />
58
BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
PRAXIS / TITEL<br />
Oben: Anlieferung von Bioabfall<br />
aus Dresden und Umgebung in der<br />
Annahmehalle der Biogasanlage.<br />
Unten: Die Vergärung des Bioabfalls<br />
erfolgt in zwölf Garagenfermentern<br />
von Eggersmann bei einer<br />
Verweilzeit von rund 21 Tagen.<br />
nachweisbarer Entnahme von CO 2<br />
aus dem Kreislauf<br />
gefragt, wie sie beispielsweise neustark mit der Bindung<br />
des Klimagases in stabilen kristallchemischen<br />
Verbindungen entwickelt hat. Bei der Ermittlung des<br />
Klimaeffekts werden Emissionen gegengerechnet, die<br />
etwa durch die Verflüssigung und den Transport des<br />
bei der Gasreinigung aufgefangenen CO 2<br />
entstehen.<br />
Doch zunächst zum Projektpartner, der das biogene<br />
CO 2<br />
beim Gasreinigungsprozess abzweigt, speichert<br />
und für die Negativemission bereitstellt.<br />
Die Bioabfallvergärung (BAV) Dresden-Klotzsche,<br />
die in zwölf Garagenfermentern und der daran anschließenden<br />
Intensivrotte sämtliche in der sächsischen<br />
Hauptstadt und dem Umland erfassten Bioabfälle<br />
verwertet, ist eine von sechs Biomethananlagen<br />
des Mannheimer Energieunternehmens MVV. Dass<br />
sie für das CDR-Pilotvorhaben ausgewählt wurde, ist<br />
kein Zufall, denn CO 2<br />
wird hier bereits seit 2020<br />
verflüssigt, wenn auch in kleinerem Maßstab.<br />
CO 2<br />
bereits für die Spülung der<br />
Fermenterboxen genutzt<br />
„Seit der Umstellung von der reinen Verstromung<br />
des Biogases auf die vornehmliche Produktion und<br />
Einspeisung von Biomethan nutzen wir einen Teil<br />
des bei der Gasreinigung verbleibenden CO 2<br />
für die<br />
Spülung der Fermenterboxen“, erläutert Betriebsleiterin<br />
Uta Neumann. Beim Anfahren der Batchprozesse<br />
verdränge das CO 2<br />
den Sauerstoff, um anaerobe<br />
Verhältnisse im Gärraum zu schaffen, und beim<br />
Abfahren nach etwa 21 Tagen die Methanreste. So<br />
werde vermieden, dass Stickstoff ins System gelangt<br />
und die Gasaufbereitung stört, was bei einer Spülung<br />
mit Luft kaum zu vermeiden wäre.<br />
Bei einer Jahresproduktion von etwa 3,9 Millionen<br />
(Mio.) Kubikmetern (m³) Biogas mit einem Methangehalt<br />
von 53 bis 55 Prozent fällt während der Gasreinigung<br />
allerdings deutlich mehr Kohlendioxid an.<br />
Seit dem Projektstart im Herbst 2023 entweicht<br />
dieses nun nicht mehr in die Atmosphäre, sondern<br />
„Alles CO 2<br />
, das wir nicht zur<br />
Spülung der Boxenfermenter<br />
benötigen, wird jetzt dauerhaft<br />
der Atmosphäre entzogen“<br />
wird aufgefangen,<br />
verflüssigt und in einem<br />
neu errichteten<br />
Tank mit 30.000 Litern<br />
Fassungsvermögen<br />
bei 15 bar und<br />
-30 Grad Celsius (°C)<br />
gelagert. Von hier aus<br />
transportieren Tankfahrzeuge<br />
das CO 2<br />
regelmäßig<br />
zu einem Recyclinghof für<br />
Abbruchbeton in Berlin-Marzahn,<br />
übers Jahr insgesamt etwa 1.000 Tonnen.<br />
Zufrieden mit den bisherigen Ergebnissen des Pilotvorhabens<br />
und der positiven Klimabilanz der Dresdener<br />
Anlage zeigt sich Dr.-Ing. Michael Hofmann,<br />
Technischer Leiter des Biogasbereiches (Business<br />
Unit Biogas) bei MVV: „Durch die permanente Speicherung<br />
des bei der Gasreinigung aufgefangenen<br />
CO 2<br />
in Abbruchbeton entziehen wir der Atmosphäre<br />
mehr Kohlendioxid, als wir emittieren. Damit rücken<br />
wir unserem Unternehmensziel, über die Klimaneutralität<br />
hinaus eine THG-Negativemission zu er<br />
Uta Neumann, Betriebsleiterin<br />
BAV Dresden<br />
59
PRAXIS / TITEL BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
„Grundsätzlich kann jede<br />
Biomethananlage durch CO 2<br />
-<br />
Vermarktung einen zusätzlichen<br />
Gewinn erwirtschaften“<br />
Caroline Braun, Landwärme-<br />
Teamleiterin Geschäftsfeldentwicklung<br />
und CO 2<br />
-Märkte<br />
reichen,<br />
ein ganzes Stück<br />
näher. Gleichzeitig<br />
rechnet es sich wegen<br />
des höheren Methanabnahmepreises<br />
aufgrund der<br />
parallel generierten THG-Quoten“,<br />
so Hofmann.<br />
Nicht zuletzt im Sinne der Zukunftssicherung<br />
werde gegenwärtig erwogen, weitere<br />
MVV-Anlagen mit einer CO 2<br />
-Verflüssigung<br />
nachzurüsten. Parallel arbeitet das Unternehmen<br />
an Effizienzverbesserungen,<br />
beispielsweise durch die Integration der<br />
Verflüssigung in den ersten Verfahrensabschnitt<br />
der Gasreinigung.<br />
Zementindustrie gehört zu<br />
Hauptemittenten von CO 2<br />
Dies dürfte den ehrgeizigen Plänen von<br />
neustark in die Karten spielen. Das Ende<br />
2019 gegründete Unternehmen mit<br />
Sitz in Bern hat eine Lösung zur dauerhaften<br />
Speicherung von CO 2<br />
in recycelten<br />
mineralischen Abfällen entwickelt.<br />
Eine Schlüsselrolle spielt dabei Beton.<br />
Der Baustoff ist vielseitig einsetzbar,<br />
hat aber vor allem wegen des darin<br />
enthaltenen Zements einen<br />
miserablen Ruf hinsichtlich des<br />
CO 2<br />
-Fußabdrucks. Denn für die<br />
Zementherstellung müssen die<br />
fein gemahlenen Rohstoffe,<br />
vornehmlich Kalkstein (Calziumkarbonat),<br />
zum Sintern auf<br />
1.450 °C erhitzt werden.<br />
Dabei entweicht das geologische<br />
CO 2<br />
aus dem Kalkstein in die Atmosphäre.<br />
Calziumkarbonat (CaCO 3<br />
) wird<br />
zu Branntkalk (CaO). Deswegen ist die<br />
Zementindustrie eine der Hauptemittenten<br />
von Kohlendioxid. Jährlich setzt sie<br />
weltweit etwa 3 Milliarden Tonnen des<br />
Klimagases frei, was dem Drei- bis Vierfachen<br />
der Emissionen des gesamten<br />
Luftverkehrs entspricht. Beim Anrühren<br />
des Betons mit Wasser und Kies reagiert<br />
der Branntkalk zu Calciumhydroxid<br />
[Löschkalk, Ca(OH) 2<br />
].<br />
Doch ausgehärteter Beton verfügt auch<br />
über die Eigenschaft, das abgespaltene<br />
CO 2<br />
erneut zu binden und sich zurück in<br />
Kalkstein zu verwandeln. Für den Beton<br />
selbst ist das zunächst weniger ein Problem,<br />
wohl aber für die Stahlbewehrung.<br />
Nur dem Umstand, dass der CO 2<br />
-Anteil<br />
in der Luft lediglich etwa 0,04 Prozent<br />
beträgt, ist es zu verdanken, dass Beton<br />
nicht schnell altert und zerbröselt. Für<br />
eine stärkere Rückumwandlung (Carbonatisierung)<br />
steht einfach nicht genug<br />
CO 2<br />
zur Verfügung.<br />
Eine Tonne Abbruchbeton bindet<br />
10 kg CO 2<br />
„Genau an diesem Punkt setzen wir an“,<br />
sagt neustark-Chefingenieur Marcel Eckstein.<br />
Denn immer, wenn Brücken, Straßen<br />
und Gebäude aus Beton abgerissen<br />
werden – und dies geschieht täglich in<br />
großem Umfang –, entsteht Abbruchbeton.<br />
Das Recyclingmaterial wird in aller<br />
Regel zerkleinert und ist ein gefragter<br />
Baustoff für den frostschützenden Unterbau<br />
von Straßen oder als Kiesalternative<br />
zur Herstellung von Recycling-Beton<br />
(RC-Beton). „Vor der Verarbeitung kann<br />
allerdings jede Tonne Abbruchbeton um<br />
die 10 Kilogramm CO 2<br />
dauerhaft aufnehmen.<br />
Unser Unternehmen hat dafür ein<br />
Verfahren entwickelt und stellt die entsprechende<br />
Technik bereit“, so Eckstein.<br />
Dazu werden an den Recyclingstandorten<br />
spezielle Container jeweils zur Hälfte<br />
mit etwa 18 Tonnen Betongranulat befüllt<br />
und luftdicht verschlossen. Bei der<br />
anschließenden Injektion mit CO 2<br />
über<br />
verteilt angeordnete Düsen entstehen<br />
im gesamten Behälterinnenraum hochreaktive<br />
Bedingungen, unter denen das<br />
Calziumhydroxid durch Nutzung des nun<br />
reichlich zur Verfügung stehenden CO 2<br />
zu Calziumcarbonat reagiert. In Abhängigkeit<br />
von der Körnung des Betongranulats<br />
ist der Carbonatisierungsprozess<br />
nach etwa zwei Stunden weitestgehend<br />
abgeschlossen. Das heißt, mehr als 95<br />
Prozent des eingefluteten Kohlendioxids<br />
sind nun dauerhaft als Kalkstein gebunden.<br />
Nur Temperaturen über 600 °C oder<br />
starke Säuren könnten diese Reaktion<br />
rückgängig machen.<br />
CO 2<br />
-Betongranulat mit höherer<br />
Dichte und Druckfestigkeit<br />
Nützlicher Nebeneffekt: Da die Mineralisierung<br />
auf der Oberfläche der Partikel<br />
abläuft und deren Poren verschließt, hat<br />
das Betongranulat nach der CO 2<br />
-Injekti-<br />
Sensoren am Speicherbehälter für die Flüssigkeit<br />
zur Berieselung in den Boxenfermentern. Überschüssiges<br />
Perkolat wird nach der Hygienisierung<br />
als Dünger in die Landwirtschaft verwendet.<br />
Die beiden BHKW mit einer Leistung von je 400<br />
kW laufen zur Eigenversorgung der Anlage mit<br />
Wärme in der Regel auf Minimallast.<br />
Mit dieser Spezialpumpe werden die Tankzüge<br />
über einen an dem Übergabestutzen angeschlossenen<br />
Panzerschlauch mit flüssigem CO 2<br />
beladen.<br />
60
BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
PRAXIS / TITEL<br />
Die drei Kolonnen der Gasaufbereitung in der BAV<br />
Dresden, rechts die Tanks für die Lagerung des<br />
abgetrennten und verflüssigten Kohlendioxids.<br />
Enormes<br />
CO 2 -Abscheidungspotenzial<br />
Jährlich 30,1 Mio. Tonnen CO 2<br />
und damit 61 Prozent<br />
der trotz aller Anstrengungen unvermeidbaren Restemissionen<br />
von voraussichtlich 49 Mio. Tonnen pro Jahr<br />
könnten unter Berücksichtigung einer realistischen<br />
Ausbau-Prognose durch die CO 2<br />
-Abscheidung aus Biomasseanlagen<br />
dem Kohlenstoffkreislauf entnommen<br />
werden. Aktuell liegt das CO 2<br />
-Abscheidungspotenzial in<br />
deutschen Holzenergie-, Biogas- und Biokraftstoffanlagen<br />
in Summe bei 13,1 Mio. Tonnen CO 2<br />
pro Jahr. Dies<br />
ergab eine vom Bundesverband Bioenergie e.V. (BBE)<br />
beauftragte Studie zur Potenzialabschätzung für die<br />
CO 2<br />
-Abscheidung in Biomasseanlagen.<br />
Text: Wolfgang Rudolph<br />
on eine höhere Dichte und Druckfestigkeit. Außerdem<br />
sind die in dem Recyclingmaterial enthaltenen<br />
Schwermetalle in dem Kalksteinmantel eingeschlossen<br />
und können nicht mehr ausgewaschen werden.<br />
Der behandelte Betonbruch ist dadurch als Bauoder<br />
Zuschlagstoff breiter einsetzbar.<br />
„Im Gegensatz zu dem, was gegenwärtig im Zusammenhang<br />
mit Carbon Dioxide Removal viel diskutiert<br />
wird, nämlich die CO 2<br />
-Abtrennung aus der Luft, verbunden<br />
mit einer geologischen Einlagerung, etwa in<br />
ausgeförderten Gasfeldern, entsteht durch die Entnahme<br />
von biogenem, also auf natürlicher Weise aus<br />
der Luft gefiltertem CO 2<br />
in Abbruchbeton zusätzlich<br />
ein wirtschaftlicher Mehrwert“, fasst Eckstein die<br />
Vorteile des Mineralisierungsverfahrens zusammen.<br />
Die ersten elf Reaktoren zur CO 2<br />
-Speicherung in<br />
Gesteinsform errichtete neustark in der Schweiz.<br />
Ende September 2023 eröffnete das Unternehmen<br />
in Kooperation mit der HEIM-Gruppe eine Anlage<br />
in Berlin-Marzahn. Sie verwandelt die jährlich in<br />
der Abfallvergärungsanlage Dresden dem Kreislauf<br />
entnommenen 1.000 Tonnen Klimagas in Kalkstein.<br />
Weitere 22 Anlagen sind nach Aussage des Unternehmens<br />
im Bau, davon vier in Deutschland. Der<br />
Baustoffproduzent Holcim hat vertraglich zugesagt,<br />
diese CO 2<br />
-Speichertechnologie an seinen Recycling-<br />
Standorten weltweit einzuführen.<br />
Wichtigste Säule des Geschäftsmodells von neustark<br />
ist der Verkauf von Carbon-Removal-Zertifikaten<br />
an Unternehmen mit<br />
ambitionierten Nachhaltigkeitszielen.<br />
So<br />
erwirbt Microsoft in den<br />
nächsten sechs Jahren<br />
Klimagas-Entfernungszertifikate<br />
im Umfang von 27.600<br />
Tonnen CO 2<br />
.<br />
„Bis 2030 wollen wir jedes Jahr 1<br />
Million Tonnen CO 2<br />
aus der Atmosphäre entfernen<br />
und dauerhaft speichern“, nennt Eckstein als Unternehmensziel.<br />
Ausreichend biogenes CO 2<br />
ließe<br />
sich dafür gemäß einer Potenzialstudie des Bundesverbandes<br />
Bioenergie e.V. auftreiben (siehe Kasten).<br />
Und auch am Recyclingmaterial dürfte es nicht<br />
scheitern. Mit über 1 Milliarde Tonnen pro Jahr ist<br />
Abbruchbeton der größte Abfallstrom der Welt.<br />
Autor<br />
Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />
Freier Fachjournalist<br />
Rudolph Reportagen – Landwirtschaft,<br />
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„Bis 2030 wollen wir jedes<br />
Jahr eine Million Tonnen CO 2<br />
aus der Atmosphäre entfernen<br />
und dauerhaft speichern“<br />
Marcel Eckstein, neustark,<br />
Lead Engineer<br />
61
BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
KAMBODSCHA<br />
Viele Kleinanlagen,<br />
wenig Großanlagen<br />
Nicht nur kleine Farmen nutzen in Kambodscha Biogas, sondern auch die<br />
wachsende Lebensmittelindustrie. Zu wenig Know-how und technische<br />
Mittel aber begrenzen die Möglichkeiten in dem südostasiatischen Land.<br />
Von Klaus Sieg<br />
Kleine Reisfelder und<br />
kleine Farmen: Hausanlagen<br />
passen zur<br />
ländlichen Struktur in<br />
Kambodscha.<br />
Bun Heang und Bun Houn sind sichtlich<br />
gut gelaunt. Die beiden Schwestern sitzen<br />
auf der Holztreppe von Houns Haus in der<br />
kambodschanischen Provinz Seam Reap<br />
und strahlen um die Wette. Nur für wenige<br />
Sekunden verdüstern sich ihre Mienen, weil sie<br />
mit Houns Enkel schimpfen müssen, der mal wieder<br />
der Katze am Schwanz zieht und eine der zahlreichen<br />
Enten jagt, die schnatternd über den Hof flüchtet.<br />
Schließlich sollen die Tiere fett werden, damit sie einen<br />
guten Preis auf dem Markt bringen.<br />
Der Grund für die trotzdem ausgezeichnete Laune<br />
der Schwestern steht im Schatten einiger Bananenstauden,<br />
eine Tonne aus grünem Kunststoff,<br />
mit Einfüllstutzen, Gasleitung und Überlauf.<br />
Houns Mann kippt gerade einen Eimer mit Wasser<br />
angerührtem Kuhdung hinein, die Hinterlassenschaft<br />
der beiden Zeburinder, die im Hausstall in<br />
der Hitze vor sich hin dämmern.<br />
Feuerholz wird nicht mehr gebraucht<br />
„Mehr brauchen wir nicht, um alle drei Mahlzeiten<br />
des Tages mit Biogas zu kochen“, sagt Bun Heang<br />
und zeigt auf den Gaskocher vor dem großen Farmhaus<br />
aus dunklem Tropenholz. „Das spart Zeit und<br />
schont unsere Gesundheit, wir müssen kein Feuerholz<br />
mehr suchen und brauchen nicht mehr im<br />
Qualm den Reis umzurühren.“ Deshalb haben nicht<br />
nur die beiden Schwestern Heang und Houn jeweils<br />
eine eigene Anlage gekauft, sondern auch die dritte<br />
Schwester im Bunde, die aber zurzeit auf dem Markt<br />
Gewürze aus ihrem Garten verkauft. Drei Schwestern.<br />
Drei kleine Farmen. Drei Biogasanlagen. Dreimal<br />
gute Laune.<br />
FOTOS: MARTIN EGBERT<br />
110
BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
INTERNATIONAL<br />
Mini-Biogasanlage<br />
des australischen<br />
Anbieters ATEC<br />
Zwei von drei glücklichen Schwestern: Hean und Bun Houn.<br />
Der Mann von Bun Houn füllt Kuhdung in die Anlage.<br />
Die Provinz Siem Reap im Norden Kambodschas<br />
ist vor allem bekannt durch das beeindruckende<br />
Tempelareal Angkor Wat. Die vom Dschungel überwucherten<br />
Tempel aus der Hochzeit der Khmer haben<br />
dem Tourismus in dem Land zu einer enormen<br />
Entwicklung verholfen. Der Großteil der Menschen<br />
hier lebt aber nach wie vor von der Landwirtschaft.<br />
Davon zeugt ein unendlicher Flickenteppich kleiner<br />
Reisfelder in verschiedensten Reifestadien. Sie<br />
leuchten in einer ganzen Palette frischer Grüntöne.<br />
Gelbgrau und staubig dagegen sind die Farben der<br />
abgeernteten Felder, auf denen Bündel aus Reisstroh<br />
stehen. Knochige Zeburinder werden zum<br />
Fressen über die verbliebenen Stoppeln getrieben.<br />
Viele Farmer bauen Reis für den Eigenverbrauch<br />
an. Geld verdienen sie meistens mit Obst und<br />
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INTERNATIONAL<br />
BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
Kambodscha kurz und knapp<br />
Im Vietnamkrieg wurden Teile Kambodschas massiv<br />
durch die USA bombardiert. Nach Kriegsende fiel ein<br />
Viertel der Bevölkerung der Schreckensherrschaft der<br />
Roten Khmer zum Opfer. Die Bildungselite wurde fast<br />
vollständig ausgelöscht, die Infrastruktur großteils<br />
zerstört. Trotz der weitgehenden Befreiung von den<br />
Roten Khmer durch die Besetzung Vietnams 1979<br />
fanden nach einem langen Bürgerkrieg erst 1993 die<br />
ersten freien Wahlen statt. Erst Anfang 1999 haben<br />
sich die letzten Kämpfer der Roten Khmer ergeben.<br />
38 Jahre lang hat in Kambodscha der Autokrat Hun<br />
Sen geherrscht. Im Sommer 2023 hat er die Macht an<br />
seinen Sohn übergeben.<br />
Gemüse, das dank tropischer Temperaturen und guter<br />
Bewässerung in ihren Gärten gedeiht sowie mit<br />
kleinteiliger Viehhaltung. So halten es auch die drei<br />
Schwestern. „Seit wir unsere Gärten mit den Reststoffen<br />
aus der Biogasanlage düngen, wächst alles<br />
noch viel besser“, freut sich Bun Heang.<br />
Kleinstbiogasanlagen aus Australien<br />
Nur 1,4 Kubikmeter ist die Anlage des australischen<br />
Anbieters ATEC groß, dafür reicht der Dung von zwei<br />
bis drei Kühen oder fünf bis sechs Schweinen. Die<br />
Kunststoff-Tanks mit ihren zwei Kammern und den<br />
Stutzen fertigt ein kambodschanischer Hersteller.<br />
Die Kocher kommen aus China. „Die Kapazität der<br />
Anlage passt zu der durchschnittlichen Größe der<br />
meisten Farmen in Kambodscha“, erklärt Nikolai<br />
Schwarz, Head of Global Operations bei ATEC. Der<br />
Deutsche lebt seit elf Jahren in Kambodscha. Seit<br />
drei Jahren arbeitet er für ATEC.<br />
Er empfängt den Verfasser dieses Textes und den<br />
mitgereisten Fotografen in den Geschäftsräumen, die<br />
das Startup in der Hauptstadt Phnom Penh in einer<br />
ehemaligen Textilfabrik angemietet hat. Mit seinen<br />
Galerien, Co-Working-Spaces, Kindergärten, Cafés,<br />
Unisextoiletten und Yoga-Studios könnte The Phnom<br />
Penh Factory in Berlin stehen. Besucher können mit<br />
gelben Gratisbikes über das weitläufige Gelände radeln.<br />
„Mit diesem Ort ziehen wir die für uns passenden<br />
Mitarbeiter an, um die wir mit anderen Unternehmen<br />
konkurrieren“, erklärt Nikolai Schwarz.<br />
Die Farmküche<br />
von Yourn Samnang<br />
soll mit Biogas<br />
auskommen.<br />
Komsan Neo und Nikolai Schwarz von ATEC.<br />
ATEC Mitarbeiterinnen: Das Unternehmen setzt vor allem auf<br />
den Vertrieb durch soziale Medien.<br />
112
BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
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113
INTERNATIONAL<br />
BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
Der Direktor des Biogas Technology & Information Center (BTIC) an<br />
der Royal University of Agriculture in Phnom Penh.<br />
Das Institut verfügt über das einzige<br />
Methan-Analysegerät im Land.<br />
Im Vordergrund der Forschung steht der Test<br />
verschiedener Substrate.<br />
Hinter ihm sitzen junge Menschen mit Headsets vor<br />
Laptops und telefonieren. ATECs Geschäftsfeld ist<br />
sauberes Kochen. In der Hauptsache verkauft das<br />
15-köpfige Team energieeffiziente Induktions-Kochplatten<br />
in Kambodscha. Eine weitere Niederlassung<br />
mit mehr Mitarbeitern ist auf dem weit größeren<br />
Markt in Bangladesh tätig.<br />
Bisher konnte ATEC in Kambodscha 2.500 Biogasanlagen<br />
und -kocher absetzen. Das Team verkauft mit<br />
für diese Kundschaft eher ungewöhnlichen Methoden.<br />
„Das meiste läuft über soziale Medien und Telefon, für<br />
uns fahren keine Vertreter übers Land.“ Die meisten<br />
Kunden beziehungsweise deren berufstätige Kinder<br />
werden über Anzeigen auf Facebook auf die Biogasanlagen<br />
von ATEC aufmerksam. Mit Online-Befragungen<br />
filtern die Mitarbeiter diejenigen heraus, für die eine<br />
Biogasanlage überhaupt in Frage kommt. Erst dann<br />
findet ein Verkaufsgespräch am Telefon statt.<br />
Ratenzahlungen finanzieren<br />
Anschaffungskosten<br />
Knapp 800 US-Dollar kostet eine Anlage, inklusive<br />
Leitungen, Kocher und Montage. Das entspricht<br />
dem Vierfachen des monatlichen Mindestlohnes<br />
oder in etwa dem Doppelten des durchschnittlichen<br />
Haushaltseinkommens pro Monat in Kambodscha.<br />
Bezahlt wird meistens über monatliche Raten von<br />
knapp 30 Dollar. Etwa 10 Prozent der Kunden hängen<br />
mit den Zahlungen hinterher, kommen letztlich<br />
aber meistens doch ihren Verpflichtungen nach. Ein<br />
geringer Anteil zahlt gar nicht.<br />
Am Anfang hatte das Startup mit der Biogasanlage<br />
noch eine Box installiert, die bei ausbleibenden<br />
Raten die Anlage blockieren kann. Mittlerweile<br />
setzt das Unternehmen auf intensive Betreuung,<br />
am Telefon sowie durch Besuche durch das technische<br />
Team. Die Strategie der engen Betreuung ist<br />
Geben macht glücklich.<br />
In Deutschland generieren rund 9.600 Biogasanlagen<br />
eine elektrische Kapazität von über<br />
5.600 Megawatt. Diese Anlagen versorgen<br />
mehr als neun Millionen Haushalte mit Strom<br />
und decken etwa 5,4 Prozent des deutschen<br />
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BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
INTERNATIONAL<br />
Aber auch Equipment für Hausanlagen wird<br />
am Institut getestet.<br />
auch zum Vorteil der Kunden. Wie etwa im Falle<br />
des Obstbauern Yourn Samnang, der Durian und<br />
Cashewnüsse anbaut.<br />
Mit vierzig Hektar Land zählt der ehemalige Restaurantbetreiber<br />
zu den großen Farmern in der Region.<br />
Vor dem Farmhaus parkt ein neuer Pickup. An der<br />
grob verputzten Wand in der offenen Küche stehen<br />
mit Filzstift geschrieben die Telefonnummern von<br />
Ausliefer-Fahrern, Freunden und Kunden. Daneben<br />
hängt eine Visitenkarte von ATEC. Yourn Samnang<br />
hat angerufen. Die Anlage produziert zu wenig Biogas.<br />
Komsan Neo ist mit einem Kollegen gekommen.<br />
Haben die Farmarbeiter zu wenig Kuhdung<br />
eingefüllt? Stimmt etwas mit der Mischung des Substrates<br />
nicht? Oder ist die Leitung defekt?<br />
Komsan Neo sperrt die Gasleitung am Fermenter.<br />
Drücken in den nächsten Tagen die Reststoffe aus<br />
der Anlage, ist dies in Ordnung. Dann muss es an<br />
Jedes Semester lernen bis zu 15 Studentinnen Grundwissen<br />
zur Biogastechnologie.<br />
der Leitung liegen. Drücken sie nicht heraus, stimmt<br />
etwas im Fermenter nicht. „Ich rufe zeitnah an, wir<br />
finden eine Lösung“, sagt er zum Abschied und<br />
nickt mit gefalteten Händen dem Farmer zu. „Ist<br />
er nicht zufrieden, spricht sich das auf dem Land<br />
schnell herum – das können wir uns nicht leisten“,<br />
erklärt der Agrarökonom auf der Rückfahrt.<br />
Nationales Biogasprogramm hat 28.000<br />
Hausanlagen realisiert<br />
Eine Biogasanlage ist kein Selbstgänger. Service<br />
und Betreuung sind wichtig. Mit dem National Biogas<br />
Programm hat das Ministerium für Landwirtschaft,<br />
Forstwirtschaft und Fischerei rund 28.000<br />
Hausanlagen in Kambodscha installiert, unterstützt<br />
unter anderem von der niederländischen Entwicklungsorganisation<br />
SNV, der GIZ und dem deutschen<br />
Energieunternehmen Polarstern.<br />
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INTERNATIONAL<br />
BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
Futtersilos bei<br />
M’s Pig, die zu den<br />
größten Schweine-<br />
Produzenten<br />
Kambodschas zählen.<br />
Prall gefüllte Lagunen<br />
auf einer der Farmen<br />
von M’s Pig.<br />
Links unten:<br />
Tra Hean, zuständig<br />
für die Generatoren,<br />
kann Schwierigkeiten<br />
meistern.<br />
Rechts untem: Auch<br />
sein Kollege kennt<br />
sich mittlerweile mit<br />
Generatoren aus.<br />
Nicht immer aber ist gewährleistet,<br />
dass diese funktionieren und dauerhaft<br />
genutzt werden. Die Farmer brauchen<br />
Know-how. Manche verfügen nicht das<br />
ganze Jahr über ausreichend Substrat,<br />
weil sie Tiere verkauft haben. Wichtig ist<br />
auch, dass die Größe der Anlage passt.<br />
Der überwiegende Teil der durch das Programm<br />
installierten Anlagen ist gemauert<br />
und eingegraben, in Größen von 4, 6 und<br />
8 Kubikmetern. Nicht immer sind diese<br />
sogenannten Fixed Dome Digester dicht.<br />
Kontrolle und Wartung sind schwierig.<br />
Die Anlagen lassen sich nicht einfach öffnen und<br />
reinigen. Erst seit neuestem bietet das Programm<br />
auch kleinere Anlagen aus Kunststoff, die überwiegend<br />
über der Erde installiert werden.<br />
Auch Tra Hean hat Schwierigkeiten meistern müssen.<br />
Er ist für die Generatoren der Lagunen-Biogasanlage<br />
auf einer der Farmen von M’s Pig ACMC<br />
zuständig, einem der größten Schweineproduzenten<br />
des Landes.<br />
Erst allmählich<br />
entwickelt sich<br />
in Kambodscha<br />
eine nationale<br />
Food Industry.<br />
Viele Lebensmittel<br />
werden importiert<br />
aus Vietnam<br />
oder China. Mit<br />
mehreren Farmen<br />
und einer eigenen<br />
Futterproduktion<br />
ist M’s Pig ACMC<br />
seit seiner Gründung<br />
2008 stark<br />
gewachsen.<br />
Generatoren-Halle bei<br />
M’s Pig. Aufgrund der<br />
schlechten Qualität<br />
des Biogases wurden<br />
hier schon einige<br />
Motoren verschlissen.<br />
Die beiden aktuellen<br />
Maschinen liefern<br />
212.000 Kiowattstunden<br />
(kWh) pro Jahr<br />
und sollen dank neuer<br />
Filter länger leben.<br />
Gasqualität macht BHKW zu schaffen<br />
Eine der Farmen liegt an der Autobahn zwischen<br />
Phnom Penh und Sihanoukville. In langen Reihen<br />
großer Ställe werden 45.000 Tiere gehalten. Am<br />
Rande dieser Schweine-Stadt steht eine offene Halle.<br />
Sie sieht ein bisschen aus wie ein Gebrauchtmarkt<br />
für Generatoren. Der Lärm zerreißt die Ohren,<br />
stammt aber nur von einer der Maschinen. In den<br />
letzten zehn Jahren wurden hier die Modelle verschiedener<br />
internationaler Hersteller zur Stromproduktion<br />
genutzt. Viele blieben auf der Strecke. Bis<br />
vor zwei Jahren mit der Unterstützung unter anderem<br />
der United Nations Industrial Development Organization<br />
(UNIDO) eine verbesserte Filteranlage installiert<br />
werden konnte, um das Biogas zu reinigen.<br />
Die beiden aktuellen Generatoren mit jeweils 550<br />
Kilowatt (kW) installierter Leistung laufen nun<br />
zuverlässig im Wechselbetrieb. „Mit 212.000 Kilowattstunden<br />
(kWh) sind wir unserem Ziel von<br />
250.000 kWh pro Monat nähergekommen“, sagt<br />
Tra Hean. Das zahlt sich aus für die Schweinezüchter.<br />
Die kWh Strom kostet in Kambodscha 0,15<br />
Dollar. Elektrische Energie für Licht und Ventilatoren<br />
verursachen auf der Farm die höchsten Kosten,<br />
noch vor denen für das Futter.<br />
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BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
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„Mittlerweile decken wir die Hälfte unseres Strombedarfs<br />
mit den Biogas-Generatoren“, zeigt sich Tra<br />
Hean zufrieden. Neben den Kosten waren es vor allem<br />
aber auch die Umweltbelastungen, wegen denen<br />
sich das Management für eine Abdeckung der<br />
Gülle-Lagunen und die Nutzung des Biogases entschieden<br />
hat. So gelangt weniger klimaschädliches<br />
Methan in die Atmosphäre, die Geruchsbelästigung<br />
verringert sich und das Grundwasser wird weniger<br />
belastet. Tra Hean zeigt zwei Lagunen neben der Generatorenhalle,<br />
über denen sich graue Kunststoffplanen<br />
spannen. „In der Regenzeit ist es kühler und<br />
der Methanertrag geringer, dann ziehen wir die Taue<br />
straffer, die über den Planen liegen, um diese gegen<br />
den Wind zu schützen.“<br />
Neben den zwei abgedeckten Lagunen gibt es noch<br />
drei offene. Auch diese sollen abgedeckt werden, um<br />
noch mehr Methan nutzen zu können, um damit Generatoren<br />
anzutreiben. Die hellblauen Leitungen sind<br />
bereits verlegt. Weil die Fleischpreise zurzeit niedrig<br />
sind, wurde diese Investition jedoch verschoben.<br />
Viele Schweinefarmen<br />
fackeln Biogas ab<br />
Potenzial für Biogas ist in Kambodscha also vorhanden<br />
beziehungsweise es wächst gerade. Alleine<br />
zwanzig große Schweinefarmen gibt es mittlerweile<br />
im Land. Sie sammeln zwar ihre Gülle in Lagunen,<br />
fackeln das Methan aber meistens ungenutzt ab. Die<br />
Kirirom Food Production in der Kampong Speu Provinz<br />
nutzt ihr Potenzial. Die weiten Pinienwälder der<br />
Kirirom Mountains, nur zwei Stunden mit dem Auto<br />
von der Hauptstadt entfernt, erinnern eher an mediterrane<br />
Landschaften als an Südostasien. Der gleichnamige<br />
Nationalpark war der erste in Kambodscha.<br />
Obstbauer Yourn Samnang<br />
hat seine Biogasanlage<br />
bar bezahlt.<br />
Chiv Reaksmey, Managing<br />
Director bei der Kirirom<br />
Food Production.<br />
Die Kirirom Food Production liegt inmitten weiter<br />
Mango-Plantagen. Auf 600 Hektar bewirtschaftet<br />
das Unternehmen 120.000 Bäume. Da kommt<br />
etwas zusammen. Zur Erntezeit pflücken und verarbeiten<br />
bis zu eintausend Arbeitskräfte hier 100<br />
Tonnen Mango pro Tag zu Trockenfrüchten, überwiegend<br />
für den Export nach Europa, Japan, China und<br />
in die USA. Nicht einmal 10 Prozent verkaufen sich<br />
auf dem lokalen Markt. Kambodschaner ziehen den<br />
süßen Trocken-Mangos unreife und saure Früchte<br />
vor, die sie gerne mit Salz und Chillies als Snack<br />
zum Drink verspeisen.<br />
„Wir sind einer der größten Verarbeiter in Kambodscha“,<br />
sagt Chiv Reaksmey. Im Konferenzraum<br />
reicht der Deputy Managing Director getrocknete<br />
Mangos. Duft und Aroma sind umwerfend. Bis zu<br />
diesem leckeren Endprodukt braucht es große Mengen<br />
Wasser und Hitze zum Schälen, Blanchieren<br />
und Trocknen der Mangos. Übrig bleiben Kerne und<br />
Schalen, die zu Viehfutter zerhäckselt und getrocknet<br />
werden sowie große Mengen Abwasser.<br />
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BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
INTERNATIONAL<br />
Optimale Einbringung<br />
faseriger Inputstoffe<br />
Wir stellen aus: IFAT in München<br />
(13.-17.5. <strong>2024</strong>), Halle A2 Stand 247<br />
NEU<br />
SCFCE-M Größen von 40-150 cbm<br />
Umgeben von Mango-<br />
Plantagen: die Kirirom<br />
Food Production.<br />
Mangofarm nutzt<br />
Biogasanlage<br />
Im Gegensatz zu seinen<br />
Konkurrenten leitet die<br />
Kirirom Food Production<br />
dieses aber nicht unbehandelt<br />
in den Fluss.<br />
„Wir haben 300.000<br />
Dollar in eine Abwasserbehandlung<br />
investiert<br />
und zusätzlich 50.000<br />
Dollar in Biogastechnologie“,<br />
erklärt Chiv<br />
Reaksmey beim Rundgang.<br />
Auch bei der Kirirom<br />
Food Production<br />
wird das Biogas in über<br />
Lagunen gespannten<br />
Planen gesammelt. Gefüllt<br />
sehen sie aus wie<br />
die Buckel von Walen.<br />
Zur Hauptsaison, wenn<br />
alle drei Lagunen gut gefüllt sind, gewinnt<br />
das Unternehmen so 20.000 Kubikmeter<br />
Biogas pro Monat.<br />
Optimiert wird der Prozess durch Rückläufe<br />
aus den Lagunen in das Klärbecken.<br />
„So arbeiten wir mit einem kontrolliert<br />
gleichbleibendem Substrat“, erklärt Chiv<br />
Reaksmey. Da der Methangehalt<br />
Oben: Qualitätskontrolle, die getrockneten<br />
Mangos werden vor allem nach Europa<br />
und in die USA exportiert.<br />
Unten: In der Werkskantine werden<br />
200 hungrige Mitarbeiter mit Biogas bekocht.<br />
119<br />
Speedfloor mit Mischstern<br />
in Verbindung mit Prallzerkleinerer u. Spiralförderweg<br />
alternativ mit Prallzerkleinerer u. Flüssigfütterung<br />
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DER HUNING GRUPPE<br />
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INTERNATIONAL<br />
BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
Der Tonle Sap bei Siem Reap ist einer der größten und fischreichsten Seen der Welt.<br />
Aufbereitung von Prozesswasser bei der<br />
Kirirom Food Production.<br />
aber kaum über 50 Prozent liegt, ist es nicht für<br />
die Nutzung in Generatoren zur Stromerzeugung<br />
geeignet. Dafür wird es in einem großen Brenner<br />
für die Erzeugung von Prozesswärme genutzt. Bis<br />
zur Inbetriebnahme der Biogasanlage hat die Fabrik<br />
dafür 34 Kubikmeter Holz von ausgedienten<br />
Mango- und Cashewbäumen pro Tag verfeuert. Ein<br />
Kubikmeter dieses Holzes kostet 18 Dollar. „Wir<br />
konnten den Holzverbrauch dank Biogas um die<br />
Hälfte reduzieren.“<br />
In der Küche der Werkskantine ersetzt das Biogas<br />
das Holz sogar vollständig. „Schauen Sie mal“, ruft<br />
die Köchin und zeigt an die hohe Decke, die schwarz<br />
vor Ruß ist. „So hat es früher hier gequalmt.“ Dann<br />
wendet sie sich wieder ihren waschzubergroßen<br />
Woks zu, in denen Lauch, Knoblauch und Zwiebeln<br />
brutzeln. In großen Schüsseln liegen Tamarindenkerne,<br />
Wasserspinat und anderes Gemüse bereit.<br />
Auf einem Holzblock zerlegt eine Kollegin mit einem<br />
Beil Hühner.<br />
Viel Zeit für einen Plausch haben die Beiden nicht.<br />
In einer Stunde werden sich rund 200 hungrige<br />
Mitarbeiter an die langen Tische der Kantine setzen.<br />
Alle Zutaten für ihre Mahlzeiten erzeugt die<br />
Kirirom Food Production auf einer kleinen Farm.<br />
Diese liegt am Ende einer Reihe von sechs Teichen.<br />
In die Teiche fließt das behandelte Abwasser aus<br />
den Klärbecken und Lagunen. Propeller quirlen<br />
Sauerstoff in die Teiche. In den letzten beiden zeugen<br />
Wasserläufer, Fische und Kröten von der guten<br />
Wasser-Qualität.<br />
Behandeltes Abwasser lässt Gemüse<br />
und Obst wachsen<br />
„Zur Trockenzeit bewässern wir damit Gemüse und<br />
Obst unserer kleinen Farm, wo wir auch den Dünger<br />
aus den Reststoffen der Biogasanlage mit großem<br />
Erfolg einsetzen“, erklärt Chiv Reaksmey. Das gute<br />
und gesunde Essen, faire Löhne für die Arbeitnehmer<br />
sowie hohe Umweltstandards und eine nachhaltige<br />
Energieerzeugung nutzt die Kirirom Food<br />
Production für ihr Marketing auf den Exportmärkten<br />
Europas, Japans und der USA. Neben dem<br />
Abwasser hat das Management auch die Nutzung<br />
der Mangoschalen als Substrat erwogen. In einer<br />
Lagunen-Anlage ist das jedoch nicht möglich, weil<br />
die Feststoffe sich schwer entfernen lassen. Alle anderen<br />
technischen Lösungen aber mussten bislang<br />
als zu teuer verworfen werden.<br />
Auch der Besuch des 2016 gegründeten Biogas<br />
Technology & Information Center (BTIC) an der Royal<br />
University of Agriculture in Phnom Penh verdeutlicht<br />
die beschränkten Möglichkeiten in Kambodscha,<br />
trotz eines dynamischen Wirtschaftswachstums, das<br />
seit Corona allerdings einige Dellen bekommen hat.<br />
Neben der Erforschung verschiedener Substrate und<br />
anderer Projekte werden am BTIC 15 Studentinnen<br />
pro Semester ausgebildet. Das BTIC verfügt über<br />
das einzige Analysegerät für Biogas im ganzen Land.<br />
Alle großen Biogasprojekte in Kambodscha haben<br />
mit den Wissenschaftlern kooperiert. Auch hat das<br />
BTIC an der Entwicklung eines lokalen, preisgünstigen<br />
Biogasfilters gearbeitet. Das konnten die Wis-<br />
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A LL E S. LÄ U FT.<br />
BIOGAS JOURNAL | 3_<strong>2024</strong><br />
INTERNATIONAL<br />
Kläranlage der Kirirom Food Production.<br />
senschaftler aber nicht zu Ende führen,<br />
weil die Forschungsmittel ausliefen.<br />
Die beschränkten Möglichkeiten im Land<br />
können die großartige Laune der zwei<br />
Schwestern in Seam Reap nicht trüben.<br />
Ihre Biogasanlagen produzieren zuverlässig,<br />
vor allem dank regelmäßiger Befüllung<br />
mit der richtigen Mischung aus<br />
Dung und Wasser. Nach getaner Arbeit<br />
im Garten werden sie sich am Abend an<br />
ihre Gaskocher setzen und mit der Zubereitung<br />
des wEssens beginnen. Auch<br />
der wilde Enkel entspannt sich dann und<br />
setzt sich auf den Schoß von Bun Houn.<br />
Und die Enten haben ihre Ruhe.<br />
Reisfelder am Tonle Sap, der zur Regenzeit<br />
auf seine vierfache Größe anschwillt.<br />
Autor<br />
Klaus Sieg<br />
Freier Journalist<br />
Rothestr. 66 · 22655 Hamburg<br />
01 71/6 39 42 62<br />
klaus@siegtext.de<br />
www.siegtext.de<br />
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