Stadtbuch Schwaz 2024

12.05.2024 Aufrufe

(links:) Arbeitsraum mit Kachelofen aus Agricola „De re metallica“, 1556; (rechts:) Ofenkacheln aus der Johann Krame. Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum. Foto: Beatrix Nutz. Georgius Agricola, erschienen 1556, finden sich etliche Holzschnitte, die Arbeitsräume mit Kachelöfen zeigen Das Mathoi-Haus Das Haus Mathoi in der Innsbrucker Straße 17 in Schwaz bildet ein Ensemble aus dem dreigeschossigen Hauptgebäude, dem hofseitigen Nebengebäude mit rundem Treppenturm sowie einer eingeschossigen, frei im Hof stehenden ehemaligen Waschküche. Um das Jahr 1500 erbaut, wurde es im Lauf der Jahrhunderte kaum verändert. Lediglich der runde Treppenturm kam gegen Ende des 16. Jahrhunderts hinzu, und die straßenseitige grüne Fassade mit dem ornamentalen Verputz stammt aus dem Spätbarock. Im Zuge der Sanierung des Mathoi-Hauses 2015 wurde der Innenhof archäologisch untersucht. Neben Resten älterer Steinpflasterungen, die zeitlich in etwa mit der Errichtung der bestehenden Gebäude um 1500 zusammenfallen dürften, wurden Mauerfragmente, ein Brunnenschacht und ein ganzer Raum entdeckt. Bei den Mauern handelt es sich wohl um ältere, mittelalterliche Vorgängerbauten des Mathoi-Hauses; der Brunnen dürfte älter oder spätestens zeitgleich mit dem Mathoi- Haus errichtet worden sein. Als besonders interessant erwies sich der sogenannte Raum A. Die Mauern dieses einst mit einer Gewölbedecke versehenen Raums waren rund 2,2 m hoch und bis zu 80 cm dick mit einem 20 cm breiten Gewölbeansatz in 1,6 m Höhe. Der Raum war an der Westseite über einige Stufen zu erreichen. Zwei höher gelegene Mauern verbinden nur scheinbar den Raum A mit der Mauer des Mathoi-Hauses. Der als schräger Korridor erscheinende Raum zwischen diesen beiden Mauern kann kaum als der ursprüngliche, noch als späterer Zugang konzipiert gewesen sein, sondern ist durch das Zusetzen der Mauerenden von Raum A mit dem Mathoi-Haus zufällig entstanden. Bei Raum A könnte es sich entweder um einen mittelalterlichen Vorratsraum oder um eine große Latrine gehandelt haben. Später wurde der Raum mit Erde und diversem Abfall verfüllt. Die Auffüllung besteht von oben nach unten zunächst aus einer gut ein Meter dicken Schicht aus mittelgrau bis braunem sandigen, zum Teil auch lehmigen Material mit vielen Bachsteinen, in der sich eine große Zahl von zerbrochenen Gefäßen, Schüsselkacheln, geschmiedeten Eisennägel, Kupferblechen, Tierknochen, wenige Glasgefäße, Butzenscheiben, eine Kugel aus Granit, eine Messerklinge und ein Fingerhut befanden. Darunter lagen eine 4 bis 30 cm dicke Schicht aus rötlichem weichen und lehmigen Material mit kleinen Steinchen und eine gräuliche schluffige Schicht mit Mörtelstückchen von 2 bis 40 cm Dicke, die eine Lage 20

Übersichtsplan über die im Innenhof des Mathoi-Hauses ausgegrabenen Steinstrukturen. Plan: Ardis Archaeology, Umzeichnung: Beatrix Nutz. von Holzbrettern bedeckten. Die einzelnen Holzbretter lagen nicht regelmäßig über einer 3 bis 15 cm dicken Schicht von schwarzbrauner Farbe mit einer Vielzahl von pflanzlichen Samen und Quecksilberperlen. Keramikfragmente von ober- und unterhalb der Bretterlage, die zu demselben Gefäß gehörten und sich wieder zusammensetzen ließen, deuten darauf hin, dass all diese Schichten zur selben Zeit in den Raum eingebracht worden waren. Unter den Keramikfunden von Raum A fanden sich Fragmente von Töpfen sogenannte „Schwarzware“ oder „Graphitkeramik“ aus dem 16. Jahrhundert. Diese Keramik stammt aus der Region Passau und wurde wohl wegen ihrer größeren Hitzebeständigkeit importiert. Schon der Zolltarif für Rattenberg von 1506 vermerkt: „Ofenkacheln und ander erden geschirr, so die durch inlendisch oder gerichtsleut hie gefuert werden, hundert geben 2 stuck, pringen solche war aus der Zell unter Passau an den scheffen“. 35 Töpfe dieser Art wurden gern zum Kochen verwendet, weil man sie direkt auf den Herd stellen konnte. Es gelang, einen 12,5 cm hohen Topf aus etlichen Scherben wieder komplett zusammenzusetzen, dessen im oberen Rand eingedrückte Töpfermarken die Herkunft aus Obernzell östlich von Passau belegen. Abplatzungen an der Gefäßwand dieses Topfes zeigen, dass er trotz seiner Hitzebeständigkeit zu heiß wurde und zersprang. Die ins 16. Jahrhundert zu datierenden Funde aus der Verfüllung von Raum A belegt, dass der Raum selbst zu dieser Zeit nicht mehr in seiner ursprünglichen Funktion in Verwendung war, nur noch der Müllentsorgung diente, daher älter sein muss und mindestens bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht. Von besonderem Interesse sind die Quecksilberkügelchen, die in der untersten Schicht von Raum A gefunden wurden. Quecksilber wird unter anderem zur Gewinnung von Silber genutzt. Dieses Verfahren nennt sich Amalgamation oder auch Patio-Prozess. 36 Das Erz wird mit Quecksilber gemischt, und das Quecksilber bildet mit dem im Erz enthaltenen Silber eine Legierung. Beim Erhitzen dieser Legierung entweicht das Quecksilber, sodass das Silber übrigbleibt. Der Patio-Prozess wurde erstmals 1557 von Bartolomé de Medina, von dem es heißt, er hätte das Verfahren von einem gewissen „Maestro Lorenzo“ („Meister Lorenz“) aus Deutschland gelernt, in Mexiko in größerem Maßstab eingesetzt. Aber Geschirr aus Raum A. Links: 12,5 cm hoher Topf aus Obernzell östlich von Passau. Rechts: Innen grün glasierter Henkeltopf mit Ausguss. Foto: Beatrix Nutz. 21

(links:) Arbeitsraum mit Kachelofen aus Agricola „De re metallica“, 1556; (rechts:) Ofenkacheln aus<br />

der Johann Krame. Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum. Foto: Beatrix Nutz.<br />

Georgius Agricola, erschienen 1556, finden sich etliche<br />

Holzschnitte, die Arbeitsräume mit Kachelöfen zeigen<br />

Das Mathoi-Haus<br />

Das Haus Mathoi in der Innsbrucker Straße 17 in<br />

<strong>Schwaz</strong> bildet ein Ensemble aus dem dreigeschossigen<br />

Hauptgebäude, dem hofseitigen Nebengebäude mit rundem<br />

Treppenturm sowie einer eingeschossigen, frei im<br />

Hof stehenden ehemaligen Waschküche. Um das Jahr<br />

1500 erbaut, wurde es im Lauf der Jahrhunderte kaum<br />

verändert. Lediglich der runde Treppenturm kam gegen<br />

Ende des 16. Jahrhunderts hinzu, und die straßenseitige<br />

grüne Fassade mit dem ornamentalen Verputz stammt<br />

aus dem Spätbarock.<br />

Im Zuge der Sanierung des Mathoi-Hauses 2015 wurde<br />

der Innenhof archäologisch untersucht. Neben Resten<br />

älterer Steinpflasterungen, die zeitlich in etwa mit der<br />

Errichtung der bestehenden Gebäude um 1500 zusammenfallen<br />

dürften, wurden Mauerfragmente, ein<br />

Brunnenschacht und ein ganzer Raum entdeckt. Bei<br />

den Mauern handelt es sich wohl um ältere, mittelalterliche<br />

Vorgängerbauten des Mathoi-Hauses; der Brunnen<br />

dürfte älter oder spätestens zeitgleich mit dem Mathoi-<br />

Haus errichtet worden sein.<br />

Als besonders interessant erwies sich der sogenannte<br />

Raum A. Die Mauern dieses einst mit einer Gewölbedecke<br />

versehenen Raums waren rund 2,2 m hoch und<br />

bis zu 80 cm dick mit einem 20 cm breiten Gewölbeansatz<br />

in 1,6 m Höhe. Der Raum war an der Westseite<br />

über einige Stufen zu erreichen. Zwei höher gelegene<br />

Mauern verbinden nur scheinbar den Raum A mit der<br />

Mauer des Mathoi-Hauses. Der als schräger Korridor erscheinende<br />

Raum zwischen diesen beiden Mauern kann<br />

kaum als der ursprüngliche, noch als späterer Zugang<br />

konzipiert gewesen sein, sondern ist durch das Zusetzen<br />

der Mauerenden von Raum A mit dem Mathoi-Haus zufällig<br />

entstanden.<br />

Bei Raum A könnte es sich entweder um einen mittelalterlichen<br />

Vorratsraum oder um eine große Latrine gehandelt<br />

haben. Später wurde der Raum mit Erde und<br />

diversem Abfall verfüllt. Die Auffüllung besteht von<br />

oben nach unten zunächst aus einer gut ein Meter dicken<br />

Schicht aus mittelgrau bis braunem sandigen, zum Teil<br />

auch lehmigen Material mit vielen Bachsteinen, in der<br />

sich eine große Zahl von zerbrochenen Gefäßen, Schüsselkacheln,<br />

geschmiedeten Eisennägel, Kupferblechen,<br />

Tierknochen, wenige Glasgefäße, Butzenscheiben, eine<br />

Kugel aus Granit, eine Messerklinge und ein Fingerhut<br />

befanden. Darunter lagen eine 4 bis 30 cm dicke Schicht<br />

aus rötlichem weichen und lehmigen Material mit kleinen<br />

Steinchen und eine gräuliche schluffige Schicht mit<br />

Mörtelstückchen von 2 bis 40 cm Dicke, die eine Lage<br />

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