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ELFSECHZIG - Ottakring | Mensch & Bezirk

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elfsechzig<br />

<strong>Ottakring</strong> – <strong>Mensch</strong> & <strong>Bezirk</strong><br />

Michael Haitszinger<br />

Klaus Prokop


elfsechzig<br />

<strong>Ottakring</strong> – <strong>Mensch</strong> & <strong>Bezirk</strong><br />

Michael Haitszinger<br />

Klaus Prokop


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„Der Himmel ist weiter nichts<br />

als der große Schlafsaal der Erde,<br />

der allen <strong>Mensch</strong>en offensteht.“<br />

Voltaire<br />

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uchstabensalat<br />

Es sind diese berühmten Gustomacher, die bewirken sollen, dass man<br />

sich für eine bestimmte Sache näher interessiert, sich damit eingehender<br />

beschäftigt. Dass man sich von diesem oder jenem intensiver<br />

angesprochen fühlt und gerne ein wenig mehr darüber erfahren<br />

möchte. Auch wir möchten Gusto machen. Wir wollen Appetit wecken<br />

und begeistern. Begeistern für einen <strong>Bezirk</strong>, der bunter und vielfältiger<br />

nicht sein könnte. Dessen Attraktivität und kreativer Spirit an jeder<br />

Ecke spürbar sind. Ein <strong>Bezirk</strong>, der es geschafft hat, sich wachküssen zu<br />

lassen und sich zu einem hippen Treffpunkt zu entwickeln. Und das<br />

jenseits des Gürtels. Es ist ein <strong>Bezirk</strong>, der entdeckt werden will, der<br />

uns seine Möglichkeiten präsentiert und uns seinen roten Teppich ins<br />

Innere seiner multikulturellen Seele ausrollt. Belebt von wunderbaren<br />

<strong>Mensch</strong>en, beliebt für sein geschäftiges Treiben und bewundert für sein<br />

vorbildhaftes Funktionieren. Begleiten Sie uns auf dieser Entdeckungsreise<br />

durch einen Wiener Vorstadtbezirk, den wir buchstäblich für sie<br />

auseinandergenommen haben. Lassen Sie sich auf einen kleinen Buchstabensalat<br />

einladen. Serviert werden neun überaus geschmackvolle<br />

Appetithäppchen. Leicht verdauliche, kurzweilige Kost. Anspruchsvoll<br />

zubereitet und mit Scharfsinn gewürzt. Ein Bildband, der seine<br />

Lebendigkeit in den <strong>Mensch</strong>en findet, die sich vorstellen und für uns<br />

aus dem Schatten der Anonymität heraustreten. Heraus ins Rampenlicht.<br />

Die Gespräche mit ihnen waren heiter bis tiefgründig. Sinnerfüllt<br />

bis amüsant. Berührend bis aufschlussreich. Aber allesamt einzigartig.<br />

Lernen Sie diese <strong>Mensch</strong>en kennen, die uns teilhaben lassen an ihren<br />

Geschichten – an ihrem Leben, ihren Träumen und Wünschen.<br />

Nun denn, es ist angerichtet. Herzlich Willkommen in <strong>Ottakring</strong>.<br />

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6Oobenansicht


„Das Leben an einem Ort ist erst dann schön, wenn<br />

die <strong>Mensch</strong>en ein gutes Verhältnis zueinander haben.“<br />

Konfuzius<br />

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obenansicht<br />

Schauen. Staunen. Genießen.<br />

Na gut, die Habsburgwarte am Hermannskogel<br />

ist mit ihren 542 Metern über dem Meeresspiegel<br />

zweifelsohne die höchste Stelle in Wien. Aber<br />

die Jubiläumswarte auf dem Gallitzinberg ist mit<br />

449 Metern auch nicht schlecht – und in puncto<br />

Ausblick auf unsere wunderschöne Stadt sowieso<br />

unschlagbar. 183 Stufen und 31 Höhenmeter sind<br />

bis zum obersten Aussichtsdeck zu überwinden.<br />

Der Lohn – wenn das Wetter mitspielt – ist ein<br />

atemberaubender Panoramablick auf Wien und<br />

das Umland. Aber der geübte Weitgucker hat den<br />

Wilhelminenberg ohnehin längst für sommerliche<br />

Picknickfreuden oder silvesterliche Raketengenüsse<br />

entdeckt. <strong>Ottakring</strong> hat also auch was die Obenansicht<br />

betrifft eindeutig die Nase vorn.<br />

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ausgezeichneterstadtchef<br />

Der Himmel strahlt über dem Gallitzinberg. Die Sonne blinzelt durch<br />

die Weinreben und taucht die Terrasse vom Schloss Wilhelminenberg<br />

in ein sanftes Morgenlicht. Ringsum frühstücken <strong>Mensch</strong>en. Deutsche,<br />

Engländer, Spanier und <strong>Ottakring</strong>er. Und auch wir sind hier mit einem<br />

ganz berühmten <strong>Ottakring</strong>er verabredet. „Dieser Ort ist einer meiner<br />

Lieblingsplätze im <strong>Bezirk</strong>“, begrüßt uns Wiens Bürgermeister, Dr.<br />

Michael Häupl, und ergänzt, dass hier „ein ganz wunderbares Ausflugsund<br />

Erholungsgebiet mit einem tollen Ausblick auf die Stadt entstanden<br />

ist“. Vor diesem atemberaubenden Hintergrund plaudern wir mit<br />

einem sichtlich gut gelaunten Wiener Stadtchef, der dieses Amt bereits<br />

seit 1994 ausübt und somit auch Wiens längstdienender Bürgermeister<br />

ist – zumindest seit Ende des 18. Jahrhunderts.<br />

Michael Häupl wurde 1949 im niederösterreichischen Altlengbach<br />

geboren und verbrachte dort auch Kindheit und Schulzeit. Ende der<br />

1960er-Jahre kam er zum Studium der Biologie nach Wien. Der Vater<br />

von zwei Kindern bezeichnet sich selbst als „Post-68er“, der immer<br />

genau wusste, was er wollte. Zielbewusst, umsetzungsorientiert und<br />

pragmatisch. Eigenschaften, die Michael Häupl auch in seine politische<br />

Arbeit mitnahm. Geprägt von Bruno Kreisky, fasziniert von den Ideen<br />

einer funktionierenden Großstadt und ausgestattet mit einem guten<br />

Mix an „positiver Streitkultur und Wiener Schmäh“ bekleidete der Bürgermeister<br />

in seiner politischen Karriere einige wichtige Ämter – erst<br />

auf studentischer, später auf <strong>Bezirk</strong>s- sowie schlussendlich auf Stadtund<br />

Landesebene. Im Rahmen seiner politischen Laufbahn wurde<br />

Michael Häupl mehrfach mit nationalen und internationalen Auszeichnungen<br />

bedacht. Blickt man heute auf Wien, so trägt vieles davon, was<br />

in den letzten Jahrzehnten umgesetzt und erreicht wurde, auch seine<br />

persönliche Handschrift. Besonders positiv bewertet er die Entwicklung<br />

seines Heimatbezirkes <strong>Ottakring</strong>, die in erster Linie der Anbindung an<br />

das U-Bahn-Netz, aber auch einer hervorragend durchdachten Aufwertung<br />

des öffentlichen Raumes, wie der gürtelnahen Bereiche rund um<br />

Brunnenmarkt und Yppenplatz, zu verdanken ist. Gemeinsam blicken<br />

wir mit Michael Häupl noch einmal hinunter auf „sein“ Wien, das für<br />

ihn persönlich „die schönste Stadt der Welt“ ist und das er gemeinsam<br />

mit seinem Team 2017 bereits zum achten Mal in Folge zum Titel<br />

„Lebenswerteste Stadt der Welt“ geführt hat. Chapeau!<br />

Dr. Michael Häupl<br />

elfsechzig - Sandleitengasse<br />

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„<strong>Ottakring</strong> wird immer mein<br />

Lebensmittelpunkt bleiben!“<br />

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obenansicht<br />

Hier am Gallitzinberg, hoch über <strong>Ottakring</strong>, thront das im Neo-Empirestil<br />

errichtete Schloss Wilhelminenberg. Benannt nach der Gattin des<br />

einstigen Besitzers, Moritz von Montléart, begleitete diesen einzigartigen<br />

Ort eine ungewöhnliche Vergangenheit im Besitz mehrerer Fürsten<br />

und Herzöge. Inmitten einer 120.000 m² großen Parkanlage gelegen,<br />

befindet sich heute ein 4-Sterne-Hotel inklusive Restaurant mit<br />

Aussichtsterrasse im Schloss. Den Gästen, aber auch den bewegungshungrigen<br />

Ausflüglern aus der Umgebung, erschließen sich weitläufige<br />

Spazier- und Wanderwege durch die Wälder und Weingärten dieses<br />

urbanen Naturjuwels sowie ein atemberaubender Ausblick über Wien.<br />

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obenansicht<br />

Kennen Sie eigentlich die <strong>Ottakring</strong>er Waldschule? Oder die Vogeltennwiese, die Schnepfenwiese und die Kreuzeichenwiese? Oben am<br />

Wilhelminenberg lässt sich die Natur hautnah erleben. Übrigens neben Auto und Bus auch zu Fuß über die Stadtwanderwege 4 und 4a erreichbar.<br />

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obenansicht<br />

Wer wirklich ganz nach oben schauen möchte, dem sei die Kuffner-<br />

Sternwarte in der Johann-Staud-Straße 10, gleich gegenüber<br />

dem <strong>Ottakring</strong>er Bad, zu empfehlen. Benannt nach ihrem Gründer<br />

Moriz von Kuffner, dem damaligen Besitzer der <strong>Ottakring</strong>er Brauerei,<br />

wurde sie 1884 eröffnet. Seit 1995 wird das Haus als Zweigstelle der<br />

Volkshochschule <strong>Ottakring</strong> geführt und seither von dieser gemeinsam<br />

mit dem Verein Kuffner-Sternwarte betrieben. Neben den klassischen<br />

Sternführungen wird dem Interessierten ein abwechslungsreiches<br />

Bildungs- und Kulturprogramm geboten.<br />

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eiselustigerjungmanager<br />

Wer hoch hinaus will, muss nicht zwingend in einer Aufzugsfirma<br />

arbeiten – schaden kann es aber auch nicht, wie man am Beispiel<br />

von Robert Wagner (geb. 1980) sieht. Der Absolvent der Wirtschaftsuniversität<br />

Wien arbeitet bei der Firma Kone, einem weltweit tätigen<br />

Unternehmen für Aufzüge und Rolltreppen. Bereits während seines<br />

Studiums der Betriebswirtschaft war Robert im Vertriebsmanagement<br />

des Unternehmens tätig. Nach mehreren Stationen ist er heute im<br />

Bereich Projekt- und Prozess- bzw. Changemanagement tätig und<br />

berichtet direkt an den Vorstand.<br />

„Mein Job ist es, Dinge zum Positiven zu verändern“, meint Robert, der<br />

neue Herausforderungen liebt und sich selbst als lösungsorientierten<br />

<strong>Mensch</strong>en sieht. Die Freiheit und Eigenständigkeit in seinem Job bieten<br />

ihm zudem das perfekte Umfeld für seine Kreativität. Der ausgebildete<br />

Rettungssanitäter, der seinen Zivildienst beim Arbeiter-Samariterbund<br />

absolvierte, wohnt in der Hasnerstraße.<br />

Obwohl ihn eine jahrelange Flugangst begleitete, liebt es Robert heute<br />

auf Reisen zu gehen. Sowohl beruflich als auch privat zieht es ihn<br />

immer wieder in die Ferne. „Ansonsten gehe ich gerne Snowboarden,<br />

bin viel mit Freunden unterwegs oder genieße die Zeit in meinem<br />

Garten unweit der Jubiläumswarte“, ergänzt Robert. Als begeisterter<br />

Eishockey-Fan versucht er auch, bei möglichst vielen Heimspielen der<br />

Vienna Capitals dabei zu sein.<br />

Das äußere <strong>Ottakring</strong> bezeichnet er als „sein Grätzl“. An seinem Heimatbezirk<br />

gefallen ihm die vielen Gesichter, die sich in den Erholungsgebieten,<br />

einer vielfältigen Gastronomie sowie einer idealen Infrastruktur<br />

zeigen. Die Nähe zu U3 und S45 bietet ihm sehr gute Anbindungen<br />

quer durch Wien. „Und außerdem haben wir eine eigene Brauerei im<br />

<strong>Bezirk</strong>“, freut sich Robert, der ergänzt, „am liebsten gehe ich zu Fuß<br />

durch <strong>Ottakring</strong>, weil der <strong>Bezirk</strong> einfach wirkt.“ Dem können wir uns<br />

nur anschließen.<br />

Mag. Robert Wagner<br />

elfsechzig - Hasnerstraße<br />

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„Ich schaue mal,<br />

wie und wo es<br />

mich hintreibt!“<br />

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obenansicht<br />

Von den exponierten Plätzen <strong>Ottakring</strong>s lässt sich oft ein guter Blick über die Stadt erhaschen.<br />

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22<br />

Ttribünenmix


„Wer in schönen Dingen<br />

einen schönen Sinn entdeckt,<br />

der hat Kultur.“<br />

Oscar Wilde<br />

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tribünenmix<br />

Singen. Tanzen. Musizieren.<br />

Abwechslung ist gefragt. Auch oder gerade in<br />

künstlerischer Hinsicht. Treten Sie näher, kommen<br />

Sie herein und nehmen Sie Platz. Lassen Sie sich<br />

besingen und bespielen. Kramen Sie tief in den<br />

Kunstkisten der Maler und Bildhauer. Lachen Sie mit<br />

den Gauklern oder lauschen Sie den Musikanten.<br />

Sie entscheiden, wonach Ihnen gerade ist. Galerie,<br />

Theater, Kabarett, Wienerlied oder Folklore aus aller<br />

Herren Länder? Lasset die Spiele beginnen.<br />

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26<br />

„Unsere Lebensweise darf kein<br />

Selbstverständnis sein!“


sozialengagiertekunstschaffende<br />

Ula Schneider wurde 1960 in Wien geboren. Als sie sieben Jahre alt<br />

war, zog sie mit ihrer Familie in die Vereinigten Staaten. Der Job ihres<br />

Vaters verschlug die Familie nach Washington, D.C., wo sie ihre Kindheit<br />

verbrachte. Ula besuchte dort die Deutsche Schule. Die Zeit in Amerika<br />

sieht sie heute wie das „Leben auf einer Insel“. Auf den Straßen ihres<br />

amerikanischen Vorortes tat sich kaum etwas. Es gab kein Zentrum der<br />

Begegnung. Einzig diese riesige Shopping-Mall. Als „kulturelles Brachland“<br />

bezeichnet sie ihren damaligen Wohnort in der amerikanischen<br />

Hauptstadt. Diese Zeit war sicherlich sehr prägend für Ula Schneider.<br />

Und es war wohl auch diese Erfahrung, die den Wunsch in ihr reifen<br />

ließ, später in einem urbanen, lebendigen Umfeld leben zu wollen.<br />

Sich dort mit ganzer Kraft einzubringen und ihren Lebensraum aktiv<br />

mitzugestalten. Nach dem Abitur kehrte sie nach Wien zurück und<br />

begann Kunstgeschichte zu studieren. Ein paar Semester hielt sie<br />

durch, ehe es sie als freie Künstlerin nach Deutschland zog. Sie malte,<br />

arbeitete viel mit Metall und produzierte zum Teil sehr aufwendige<br />

Installationen, in denen sie unterschiedliche Materialien verband.<br />

1992 kehrte sie abermals nach Wien zurück und konnte fortan auch<br />

dem Wiener Publikum ihre Arbeiten zeigen. Im Brunnenmarktviertel<br />

fand Ula rasch ihr neues Zuhause. Besonders faszinierte sie der<br />

Kontrast, die kurzen Wege, die beeindruckende Infrastruktur und<br />

vor allem die <strong>Mensch</strong>en auf der Straße.<br />

1999 gründete sie SOHO in <strong>Ottakring</strong>, ein Kunstprojekt und -festival,<br />

das bis heute einen festen Platz im <strong>Ottakring</strong>er Kulturleben hat. Alle<br />

zwei Jahre findet das Festival nun statt. In Zusammenarbeit mit vielen<br />

Künstlerinnen und Künstlern werden zahlreiche Projekte und Initiativen<br />

realisiert. Im Fokus dabei steht, die <strong>Mensch</strong>en mit künstlerischen<br />

Interventionen zu begeistern und sie zur aktiven Partizipation und<br />

Mitgestaltung im öffentlichen Leben zu ermutigen. Im Brunnenviertel<br />

begonnen, konzentriert sich die Arbeit von SOHO seit 2013 schwerpunktmäßig<br />

auf Sandleiten. „Die Festivals sind laut, aktiv und voll<br />

Energie“, bestätigt uns Ula und ergänzt, „wir wollen aber auch die Stille<br />

dazwischen füllen.“ Gemeint sind damit die Pausen zwischen den biennalen<br />

Veranstaltungen. Ganzjahresangebote sollen realisiert werden,<br />

an unterschiedlichen Orten im Grätzl, wo sich die <strong>Mensch</strong>en treffen<br />

können, um gemeinsam zu erleben und zu gestalten.<br />

In ihrem zweiten Job engagiert sich Ula bei „Kreative Räume Wien<br />

(KRW) - Büro für Leerstandsaktivierung“. Ein Schwerpunkt von KRW<br />

sind Aktivitäten in zwei Fokusgebieten Wiens, in denen Leerstand ein<br />

großes Thema ist. Ula und ihr Team beraten Raumsuchende und bemühen<br />

sich um Möglichkeiten einer Zwischennutzung.<br />

Die Mutter von drei Kindern schätzt die Offenheit der <strong>Mensch</strong>en in<br />

<strong>Ottakring</strong>. Besonders mag sie diesen Mix aus Urbanität und Grünem.<br />

Sie liebt die Ruhe im Sandleitenhof, schätzt den Kongresspark und die<br />

Lebendigkeit im Brunnenviertel. „Ich höre gerne orientalische Musik<br />

vom Markt“, lächelt Ula und scheint fast unermüdlich zu sein, wenn es<br />

darum geht, Vorurteile abzubauen, Begegnung zu ermöglichen und<br />

andere Blickwinkel auf unser gemeinsames Leben zu schaffen.<br />

Ula Schneider<br />

elfsechzig - Brunnengasse<br />

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tribünenmix<br />

Die kulturellen Begegnungsorte <strong>Ottakring</strong>s bieten ganzjährig ein interessantes Programm.<br />

Ein Blick in die Veranstaltungskalender lohnt sich und informiert über das breite Angebot.<br />

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„Die Leute<br />

haben meinen<br />

Spontanschmäh<br />

geliebt!“


pensioniertervollblutentertainer<br />

Gemeinsam mit seiner charmanten Gattin Grete empfängt uns Hannes<br />

Patek (geb. 1941) in seinem Schrebergarten auf der Schmelz. Begleitet<br />

von einem Gläschen Sekt, beginnen wir locker zu plaudern und sind<br />

uns bereits nach wenigen Minuten sicher, dass wir es hier mit einem<br />

ganz großen Entertainer vergangener Zeiten zu tun haben. Sein Talent<br />

zur Unterhaltung schien ihm sprichwörtlich in die Wiege gelegt worden<br />

zu sein, und so begeisterte er bereits im Alter von fünf Jahren die<br />

Kickerkollegen seines Vaters im Stammlokal des <strong>Ottakring</strong>er Fußballclubs<br />

Red Star mit perfekt interpretierten Wienerliedern.<br />

1955 begann er die Lehre des Schriftsetzers und übte seinen Beruf auf<br />

Wunsch der Eltern auch einige Jahre aus. Getrieben davon, sein Leben<br />

ausschließlich der Unterhaltungskunst zu widmen, hängte er im Alter<br />

von 23 Jahren seinen Job endgültig an den Nagel. Was dann begann,<br />

schildert uns Hannes als eine „mehr als 35 Jahre andauernde und<br />

wunderbare Reise durch das Showbusiness“.<br />

Er begeisterte sein Publikum in Österreich, Deutschland und der<br />

Schweiz als Conférencier, Sänger und Imitator vieler berühmter<br />

Persönlichkeiten wie Hans Moser, Beppo Brem, Dean Martin, Louis<br />

Armstrong, Frank Sinatra und vielen mehr. Sein längstes Auslandsengagement<br />

führte ihn nach Deutschland und dauerte fünf Jahre.<br />

„Die Deutschen lieben unseren Charme und den Wiener Schmäh“,<br />

strahlt Hannes und erzählt, dass ihn der berühmte Star-Club Hamburg,<br />

in dem ab Anfang der 1960er-Jahre Größen wie Bill Haley, Chuck Berry<br />

oder Little Richard gastierten, zur Gründung des legendären Star-Club<br />

Wien animierte. Viele Jahre brachte er in seinen wöchentlichen Shows,<br />

die regelmäßig bis zu 600 <strong>Mensch</strong>en zum Tanz in den Albert-Seever-<br />

Saal zogen, unzählige nationale und internationale Stars auf die<br />

Bühne.<br />

Heute lebt der zweifache Familienvater und leidenschaftliche <strong>Ottakring</strong>er<br />

immer noch gemeinsam mit seiner Frau im Sechzehnten. Eigentlich<br />

wollte er auch nie woanders leben, denn allein die Möglichkeit, in 20<br />

Minuten im Zentrum und in 10 Minuten im Grünen zu sein, hat ihn seit<br />

jeher begeistert. Fragt man Hannes Patek heute nach seinen Wünschen<br />

für die Zukunft, so meint er bescheiden: „Ich möchte gesund bleiben<br />

und noch viele schöne Tage mit meiner Gretl und der Familie erleben.“<br />

Dafür wünschen wir ihm alles Gute.<br />

Hannes Patek<br />

elfsechzig - Gablenzgasse<br />

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tribünenmix<br />

Hinsetzen und genießen. In der Tschauner Bühne erwartet Sie von Juni<br />

bis September ein buntes Programm. Vom klassischen Stegreiftheater<br />

über Kabarett- und Musikveranstaltungen bis hin zu Matineen und<br />

einem lustigen Kinderprogramm bietet das Traditionshaus in <strong>Ottakring</strong><br />

für jeden Geschmack und jedes Alter kurzweilige Unterhaltung.<br />

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sozialengagiertekulturlady<br />

Ihre Sporen, was den Theaterbetrieb betrifft, hat sich Monika Erb bei<br />

ihrer langjährigen Tätigkeit für die Vereinigten Bühnen Wien verdient.<br />

Insgesamt war sie dort zehn Jahre lang in unterschiedlichen Positionen<br />

tätig und leitete die letzten Jahre das technische Betriebsbüro.<br />

Im Juni 2016 übernahm sie die Geschäftsführung der Basis.Kultur.Wien,<br />

einem Dachverband mit über 300 Mitgliedsvereinen aus dem Amateurkultur-<br />

und Bildungsbereich, der diese Vereine bei ihrer ehrenamtlichen<br />

Tätigkeit unterstützt. Gemeinsam mit ihrem Team setzt sich die 1965 in<br />

Ybbsitz geborene Kulturmanagerin für offene Zugänge zu Kultur- und<br />

Bildungsveranstaltungen sowie neue Formen der Kulturvermittlung<br />

ein. Im Rahmen seiner Projekt- und Veranstaltertätigkeit tritt der<br />

Verband Basis.Kultur.Wien auch als Impulsgeber für den aktiven Zugang<br />

zu Kunst und Kultur auf. Gleichzeitig wurde Monika Erb auch zur<br />

Direktorin der berühmten Tschauner Bühne in <strong>Ottakring</strong> bestellt.<br />

Die Mutter zweier Kinder, die heute Teil einer großen Patchworkfamilie<br />

ist, hat ihre beruflichen Wurzeln aber eigentlich fernab der<br />

Bretter, die die Welt bedeuten. Nach einer Ausbildung im Sozialbereich<br />

arbeitete sie in der Krankenpflege und Altenhilfe. Über ihr Studium<br />

der Europäischen Ethnologie und ihre Tätigkeit im Bildungswerk<br />

Niederösterreich kam sie zur Kulturarbeit und Erwachsenenbildung.<br />

Hier sieht Monika Erb eine große Chance, „die <strong>Mensch</strong>en für ein aktives<br />

und kreatives soziales Leben zu begeistern.“ Soziales Engagement war<br />

und ist ihr bis heute ein großes Anliegen.<br />

Ihr primäres Ziel für die Tschauner Bühne ist, das Traditionshaus<br />

auf der Maroltingerstraße mit neuen Ansätzen und zusätzlichem<br />

Angebot ins 21. Jahrhundert zu führen. So hat unter anderem das<br />

Tschauner-Reloaded-Ensemble zwischenzeitlich ein neues, schwungvolles<br />

und unterhaltsames Programm etabliert. „Mit der Tschauner<br />

Bühne bedienen wir in erster Linie das Genre des klassischen Stegreiftheaters,<br />

bieten aber auch sonst ein abwechslungsreiches und<br />

kurzweiliges Sommerprogramm an einem sehr coolen Ort in unserer<br />

Stadt. <strong>Ottakring</strong> bietet den perfekten Rahmen für die Tschauner<br />

Bühne“, so Monika Erb. Kein Wunder, dass ihr der <strong>Bezirk</strong> so gut gefällt,<br />

hat sie doch schließlich bei einer Veranstaltung im Bockkeller auf der<br />

Gallitzinstraße auch ihren Mann kennengelernt. Ihre Freizeit verbringt<br />

die ambitionierte Hobbyläuferin gerne mit der Familie. Sie liebt es zu<br />

kochen, mag das Tanzen, die Oper und Jazz.<br />

Mag. a Monika Erb<br />

elfsechzig - Maroltingergasse<br />

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„Die Tschauner Bühne<br />

ist ein Juwel in der<br />

Wiener Kulturszene!“<br />

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schwimmbegeistertetheaterschreiberin<br />

Claudia Tondl wohnt in der Paletzgasse, also ganz in der Nähe des<br />

Kongressbades, wo es sie im Sommer regelmäßig hinzieht. „Ich mag<br />

das Wasser“, erzählt uns Claudia, die schon ihr ganzes Leben lang<br />

schwimmt. Im Wasser liebt sie diesen „Schwerelosigkeitszustand“.<br />

Allein zu schwimmen bezeichnet sie zwar als „brutal langweilig“,<br />

gleichzeitig holt sie sich dabei aber auch Ruhe und Ausgleich für ihre<br />

Arbeit. Der Name ihrer Internetseite lässt schon erahnen, was Claudia<br />

beruflich macht: „tondl schreibt.“ Genau das tut sie – vor allem fürs<br />

Theater. Claudia ist Dramatikerin, Dramaturgin und Stückentwicklerin.<br />

Weil derart umfangreich, übernehmen wir die Stationen ihrer Ausbildung<br />

gerne aus ihrer Vita: „Lehramtsstudium der Anglistik sowie<br />

Psychologie und Philosophie, Ausbildung zur Werbedesignerin,<br />

Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität<br />

Wien, der Dramaturgie am iTi Internationales TheaterInstitut und des<br />

Szenischen Schreibens im Rahmen von uniT FORUM Text.“<br />

Ja, das alles hat sich die charmante junge Frau, die 1980 im Wilhelminenspital<br />

das Licht der Welt erblickte, an Wissen und Fertigkeit<br />

angeeignet.<br />

Seit 2009 schreibt Claudia Theaterstücke. Ihre Arbeit wurde bereits<br />

mehrmals mit Einladungen zu namhaften AutorInnenwettbewerben<br />

und der Zuerkennung von Stipendien belohnt. Aus ihrer Feder stammen<br />

Werke wie „Entkörperung.Zwei.Null“, „leben lügen lagern“ oder<br />

„Wo verdammt ist Frau Wermes?“. Für Letzteres, das 2015 am Landestheater<br />

Niederösterreich uraufgeführt wurde, erhielt Claudia das Peter<br />

Turrini-DramatikerInnenstipendium. Mit den künstlerischen Kollaborationen<br />

„theaternyx*“ und dem „aktionstheater ensemble“ entwickelt<br />

sie immer wieder neue Theaterprojekte. Sie mag das „gemeinsame<br />

Denken“ sowie die direkte Arbeit mit SchauspielerInnen und<br />

RegisseurInnen. Ihr Ding ist es, „alles zu ordnen und zu strukturieren“.<br />

Das Theater ist für Claudia ein Ort der Begegnung von <strong>Mensch</strong>en.<br />

Durch neue Aufgaben will sie für sich auch „andere Blickwinkel“ auf das<br />

Theater erschließen. So plant sie in naher Zukunft die Gründung eines<br />

eigenen Theatervereins und kann sich vorstellen, auch einmal Regie zu<br />

führen.<br />

Für ihren Heimatbezirk wünscht sich die <strong>Ottakring</strong>erin mehr Orte wie<br />

den Yppenplatz. Mit ihrem Hund Haiku erobert sie gerne die Grünbereiche,<br />

durchstreift die Weingärten und liebt den Ausblick über Wien.<br />

Der Austausch mit unterschiedlichen <strong>Mensch</strong>en und das Miteinander<br />

sind für sie sehr wichtig. „Vor lauter Reizüberflutung und Informiertheit<br />

sehen wir die <strong>Mensch</strong>en nicht mehr“, gibt uns Claudia noch mit auf den<br />

Weg und möchte uns mit ihren Werken „raus aus unseren Sehgewohnheiten“<br />

holen. Und wenn auch nur für zwei kurze Stunden im Theater.<br />

Claudia Tondl<br />

elfsechzig - Paletzgasse<br />

36


„Theater darf kein<br />

Guckkastenformat sein.<br />

Es ist ein Ort, der zum<br />

Denken animieren soll!“<br />

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38


tribünenmix<br />

Die kreative Szene in <strong>Ottakring</strong> boomt und gerade der Raum rund<br />

um Yppenplatz und Brunnenmarkt hat sich längst als das Zentrum<br />

für Künstlerinnen und Künstler aller Stilrichtungen etabliert.<br />

In zahlreichen Galerien sowie auf Kunst- und Kulturveranstaltungen<br />

werden Exponate wie auch Fertigkeiten angeboten und gezeigt.<br />

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40<br />

„Kunst muss immer<br />

provozieren, sonst rutscht<br />

sie sehr schnell ins<br />

Design oder die<br />

Schönfärberei ab!“


pianomeisterlicherkunstprovokateur<br />

1959 im deutschen Ebermannstadt, auf halber Strecke zwischen Nürnberg<br />

und Bayreuth, geboren, wuchs Christoph Theiler in der Fränkischen<br />

Schweiz − diesem wunderschönen Flecken Deutschlands − auf. Seine<br />

Liebe zur Musik zeigte sich bereits im zarten Knabenalter. Mit sechs<br />

Jahren begann er mit dem Klavierspiel. Sein Ziel damals war, den Vater<br />

in dessen Klavierspielfertigkeit zu übertrumpfen, was ihm auch bald<br />

gelingen sollte. Grundschule und Gymnasium absolvierte Christoph in<br />

Nürnberg, wo er dann an der Hochschule für Musik auch sein Klavierstudium<br />

in Angriff nahm. Nach dem ersten Abschnitt wechselte er an<br />

die Hochschule in Stuttgart und schloss dort seine Ausbildung zum<br />

Musiklehrer ab. 1982 kam Christoph nach Wien. Am Konservatorium<br />

nahm ihn kein geringerer als der russische Pianist Leonid Brumberg<br />

unter seine Fittiche und begleitete ihn bis zur Meisterklasse.<br />

Doch Kunst war für Christoph seit jeher keine einsilbige Phrase, nichts,<br />

das sich in Schubladen oder vorgefertigte Rahmen pressen lässt.<br />

Immer schon mochte er künstlerische Mischformen – beispielsweise<br />

das Verbinden von Tönen und Klängen mit Licht und Farben.<br />

„Synästhetische Effekte oder neue Formen interaktiver Klanggestaltung“<br />

nennt er das und zeigt uns in seiner „Galerie Wechselstrom“ in<br />

der Grundsteingasse, wie sich elektrische Schwingungen im Wasser zu<br />

Tönen und Klangfolgen verarbeiten lassen. Im Laufe der Jahre folgten<br />

zahlreiche Werke in den Bereichen Klanginstallation, Media Art oder<br />

Social Sculpture, die er unter anderem auch mit seiner Frau, die Theaterwissenschaften<br />

und Germanistik studierte, realisierte.<br />

Im Laufe seiner Karriere arbeitete er auch als Komponist und musikalischer<br />

Arrangeur für zahlreiche Radio- sowie Fernsehformate im Bereich<br />

Kunst und Kultur. Außerdem zeichnet er unter anderem auch für<br />

zahlreiche Kompositionen für Orchester, Kammer- oder elektronische<br />

Musik verantwortlich.<br />

„Großen Anteil an meiner Liebe zu Wien hatten sicherlich auch die<br />

Wiener Aktionisten“, meint Christoph, der bewundert, wie sich Leute<br />

wie Hermann Nitsch, Günter Brus oder Otto Muehl auch international<br />

Anerkennung und Gehör verschafften. Er selbst wollte diesen Aktionismus<br />

„weiterdenken“. So folgten künstlerische Provokationen wie seine<br />

berühmt-berüchtigte „Kalbsembryonenverkostung“, wo er via Internet<br />

um kreative Rezeptvorschläge bat und so eine wütende Demonstration<br />

vor seiner Galerie hervorrief, oder auch der erneute Versand Mozarts<br />

berühmter „Bettelbriefe“, in denen er unter eigenem Namen zahlreiche<br />

<strong>Mensch</strong>en, Firmen und Institutionen in Österreich sowie Deutschland<br />

um Geldspenden ersuchte und die Reaktionen darauf künstlerisch<br />

dokumentierte. Die Galerie ist heute noch Christophs Lieblingsraum.<br />

Hier finden immer wieder Ausstellungen und Aufführungen statt. Dass<br />

sich in seiner Umgebung „so viele Kreativleute“ angesiedelt haben,<br />

freut ihn natürlich besonders. Mit Kollegen wird da schon mal bei dem<br />

einen oder anderen Gläschen Rotwein am Yppenplatz fachgesimpelt<br />

und über neue kreative Konzepte nachgedacht.<br />

Christoph Theiler<br />

elfsechzig - Grundsteingasse<br />

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kunstaffinewunscherfüllerin<br />

Ulla Bartel wurde 1987 in Linz geboren. Nach der Matura kam sie zum<br />

Studium der Betriebswirtschaftslehre sowie der Theater-, Film- und<br />

Medienwissenschaft nach Wien. Ein interdisziplinäres Forschungsprojekt<br />

führte sie unter anderem auch an die New York University.<br />

Nach Jobstationen als PR-Beraterin sowie in der Projektbegleitung für<br />

Unternehmen und Start-ups gründete sie Ende 2016 „ARCC.art“, eine<br />

Galerie und Online-Kunstplattform. Auf ihrer Homepage heißt es: „Hier<br />

gibt es junge, außergewöhnliche Kunst zu entdecken und ganz einfach<br />

im ARCC.art Open Space sowie online zu kaufen.“<br />

Klingt interessant und wir entdecken tatsächlich aufregende Exponate<br />

in der Galerie. Ulla selbst kümmert sich um das Onlinegeschäft in der<br />

Firma. „Der Kunstmarkt ist noch sehr konservativ und analog“, erzählt<br />

uns Ulla, die ihre Leidenschaft gerne weitergeben möchte, „ich will<br />

den <strong>Mensch</strong>en einen einfachen und günstigen Zugang zur Kunst<br />

ermöglichen.“ Natürlich weiß sie, dass der Geschäftsaufbau ein harter<br />

und steiniger Weg sein kann. In einem Interview mit der Universität<br />

Wien meinte sie sehr treffend: „Es gibt keine Abkürzung zum Erfolg.<br />

Bis er sich einstellt, gibt es viele Hindernisse zu überwinden. Aber<br />

wenn man durchhält und den Mut nicht verliert, ist es ein wunderbares<br />

Gefühl, etwas geschafft zu haben.“<br />

Ulla arbeitet nebenbei auch noch ehrenamtlich für die „Make-A-Wish<br />

Foundation“. Dort hilft sie mit, schwerkranken Kindern ihre sehnlichsten<br />

Wünsche zu erfüllen. „Es ist schön, Kindern eine Freude zu machen“,<br />

sagt Ulla, der es aber manchmal schwerfällt, die Schicksale dahinter<br />

auszublenden.<br />

Die Galeristin hat noch eine Zwillingsschwester, die als Tierärztin in Linz<br />

arbeitet und zu der sie eine „besonders starke Verbindung“ hat.<br />

In ihrer Freizeit ist sie eine leidenschaftliche Kletterin, trifft sich mit<br />

Freunden, geht gerne ins Kino, Museum oder Theater und liebt es,<br />

draußen in der Natur zu spazieren. „An <strong>Ottakring</strong> mag ich den<br />

Wilhelminenberg und die Nähe zum Grünen“, meint Ulla, die täglich<br />

mit ihren beiden Hunden, Rüdiger und Nell, unterwegs ist. Hin und<br />

wieder trifft man sie auch schon mal beim Heurigen oder in einem<br />

der hippen Lokale am Yppenplatz.<br />

Mag. a Ulla Bartel<br />

elfsechzig - Thaliastraße<br />

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„Ich habe ein großes<br />

Durchhaltevermögen und<br />

gebe nicht so schnell auf!“<br />

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44<br />

Tterminfreiheit


„Doch sind die Pausen,<br />

wo der Geist ruht,<br />

wohl nicht ganz<br />

zu verachten.“<br />

Christian Friedrich Hebbel<br />

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46


terminfreiheit<br />

Freizeit. Ferien. Feierabend.<br />

Nichts zu tun. Zumindest nichts Berufliches.<br />

Heute sind Entspannung, Hobby oder Sport<br />

angesagt. Sie treffen sich mit Freunden, fahren<br />

ins Bad oder laufen genüsslich Ihre Waldrunde.<br />

Sie flanieren durch die Straßen oder über den<br />

Markt. Vielleicht suchen Sie sich aber auch nur ein<br />

ruhiges Platzerl auf einer Parkbank, zücken Ihren<br />

längst überfälligen Jerry Cotton oder Ihre Vogue<br />

und verschlingen Seite um Seite. Diese Zeit gehört<br />

Ihnen. Und <strong>Ottakring</strong>.<br />

47


terminfreiheit<br />

<strong>Ottakring</strong> verfügt über 33 Kilometer Radwege, 38 Spielplätze mit 14<br />

Ballspielplätzen, 30 Parks sowie sechs Großsportanlagen und bietet<br />

mit seinen Stadtwanderwegen eine direkte fußläufige Anbindung<br />

vom Herzen des <strong>Bezirk</strong>es bis hinauf auf den Wilhelminenberg. Oben<br />

angelangt, eröffnet sich den Besuchern ein besonderes Erholungs- und<br />

Wandergebiet, welches im urbanen Umfeld nur selten zu finden ist.<br />

Sammeln Sie in Ihren arbeitsfreien Zeiten neue Kraft und Energie und<br />

verwöhnen Sie Ihre Lungen wieder einmal mit frischer und kostenloser<br />

Luft aus dem Wienerwald.<br />

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50<br />

„Der Brunnenmarkt hat für<br />

mich schon in meiner Jugend die<br />

mir so selbstverständliche, vertraute<br />

und internationale Vermischung dargestellt!“


sozialaktivermedienprofi<br />

Als Peter Blau 1978 in Wien ankam, hatte er bereits eine lange Reise<br />

hinter sich gebracht. Durch den Beruf des Vaters, der als deutscher<br />

Diplomat unter anderem auch in Japan eingesetzt war, kam Peter<br />

1965 in Tokyo zur Welt. Im Drei-Jahres-Rhythmus folgten weitere<br />

Stationen: Bonn, London, abermals Tokyo und schlussendlich Wien.<br />

„Ende der 70er-Jahre war Wien eine graue Stadt“, erzählt uns Peter,<br />

der aufgrund der vielen Umzüge ein Schuljahr überspringen und im<br />

Alter von 17 Jahren bereits das Gymnasium abschließen konnte.<br />

Danach inskribierte er Japanologie & Publizistik an der Universität Wien<br />

und machte sich gemeinsam mit seinem älteren Bruder auf die Suche<br />

nach einer günstigen Wohnung. Im <strong>Ottakring</strong>er Brunnenmarktviertel<br />

sollten die Blau-Brüder fündig werden. „500 Schilling Miete, Klo am<br />

Gang, keine Heizung, aber cool und unsere“, lacht Peter heute und<br />

berichtet, wie er live und hautnah den Aufstieg des Viertels zu einem<br />

bunten und trendigen Grätzl mitverfolgen konnte. Rasch stand fest,<br />

dass ihn hier nichts und niemand mehr rausholen würde. „Es hat alles<br />

gepasst – Sicherheit, Infrastruktur und dieses Gefühl von Heimat“, ist<br />

Peter, der unter anderem auch die Farbigkeit und Multikulturalität des<br />

<strong>Bezirk</strong>es schätzt, heute rundum zufrieden. Als „unfassbaren Vorteil“<br />

bezeichnet er die Verbindung von Großstadt und Natur in <strong>Ottakring</strong>.<br />

Nach diversen Studentenjobs kam Peter 1987 als Redakteur, Moderator<br />

und Reporter zum ORF. Besonders gern erinnert er sich an die Zeit in<br />

den 90ern, als er im Ö3-Nachtradio einen Versuchsballon nach dem<br />

anderen in den Äther steigen lassen konnte, und an die Jahre bei Radio<br />

Wien, in denen er zusammen mit Willi Resetarits 200 Folgen der legendären<br />

Live-Radio-Show „Trost & Rat“ produzierte. Aktuell arbeitet er<br />

vorrangig für Ö1, wo er zunächst als Redakteur des populären Talk-Magazins<br />

„Café Sonntag“ fungierte und derzeit Sendungen für die Kulturredaktion<br />

gestaltet, sowie für die TV-Unterhaltung: Seit 2004 zeichnet<br />

er als Autor für das Comedy-Quiz „Was gibt es Neues?“ verantwortlich.<br />

Weiters arbeitete Peter auch als freier Kulturjournalist fü r Printmedien<br />

wie den Standard, das profil oder – aktuell – den Falter.<br />

Seit 2010 engagiert er sich im Verein „Purple Sheep“ für die Einhaltung<br />

der Rechte von AsylwerberInnen und Fremden. Gemeinsam war es<br />

möglich, schon mehr als 800 gut integrierten <strong>Mensch</strong>en zu legalen<br />

Aufenthalten in Österreich zu verhelfen.<br />

Peter hat aus erster Ehe zwei mittlerweile erwachsene Töchter. Die Familie<br />

hat für den begeisterten Snooker-Spieler, Läufer und Snowboarder<br />

absoluten Vorrang. Selbstironisch meint er zum Schluss unseres<br />

Gespräches noch, dass es für ihn „nichts Peinlicheres gibt, als wenn<br />

ein Piefke versucht, Dialekt zu sprechen“, lacht und verabschiedet sich<br />

dennoch bei uns mit einem charmanten „Servus und baba!“.<br />

Peter Blau<br />

elfsechzig - Ganglbauergasse<br />

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52


terminfreiheit<br />

Lassen Sie heute doch einfach Ihre Seele im Kongresspark baumeln. Oder treffen Sie Freunde, flanieren über den Markt und genießen danach ein<br />

gutes Achterl unserer heimischen Weinbauern. <strong>Ottakring</strong> bietet Ihnen viele Möglichkeiten, Geist und Körper für kurze Zeit auf Urlaub zu schicken.<br />

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54<br />

„Mit dem Ritter<br />

habe ich mir einen<br />

Lebenstraum<br />

erfüllt!“


geschäftstüchtigeneogastronomin<br />

Wenn sie ihre Freunde zum „Christbaumschauen“ oder anderen Anlässen<br />

in ihre Wiener Stadtwohnung bittet, ist sie mit jeder Faser ihres<br />

Körpers Gastgeberin. Sie schmeißt Abendessen und Cocktails im ganz<br />

großen Stil, und nichts bereitet ihr mehr Freude, als ihre Gäste rundum<br />

glücklich zu machen. Martina Postl, die 1962 in Zwettl geboren wurde,<br />

wusste immer schon, dass sie eines Tages Kaffeesiederin sein wird.<br />

Doch es sollte bis zum Herbst 2016 dauern, bis sich ihr Traum erfüllte.<br />

„Als ich das Angebot erhielt, das Café Ritter zu übernehmen, habe ich<br />

in der Sekunde zugesagt“, erzählt uns die quirlige Topmanagerin, die<br />

in Wien und Amerika Wirtschaftswissenschaften studierte. Bereits<br />

während ihrer Studienzeit arbeitete sie als Kellnerin und kümmerte<br />

sich in weiser Voraussicht schon 1991 um ihre Gastronomiekonzession<br />

– und das in ihrer Zeit als höchsterfolgreiche Bankmanagerin.<br />

Liebevoll und im Look der alten Wiener Traditionskaffeehäuser wurde<br />

das Café Ritter, das seit 110 Jahren durchgehend ein Kaffeehaus ist,<br />

binnen kürzester Zeit restauriert und im Dezember 2016 neu eröffnet.<br />

Martina Postl setzte von Anfang an auf die Zusammenarbeit mit<br />

<strong>Ottakring</strong>er Firmen.<br />

So steuerte die Möbel-Börse ums Eck fehlendes Mobiliar bei, Fleischhauer<br />

Gissinger von schräg vis-á-vis sorgt für allerbeste Fleisch- und<br />

Wurstqualität und der 1a-Installateur Seppi Berndl kümmert sich in<br />

professioneller Manier um funktionierende Gas- und Wasserinstallationen.<br />

„Unser Kaffee kommt von Meinl, die <strong>Ottakring</strong>er Brauerei liefert<br />

einige ausgesuchte Biersorten und die Marmeladen sind natürlich von<br />

Staud‘s“, ist Martina Postl stolz.<br />

Die Neo-Kaffeehausbesitzerin schätzt den <strong>Bezirk</strong>. „Nach und nach sind<br />

die alten Stammgäste zurückgekehrt. Viele waren dankbar, dass ich das<br />

Café übernommen habe“, berichtet uns Martina Postl, die ihren Gästen<br />

heute „beste Qualität zu <strong>Ottakring</strong>er Preisen“ bietet. Neben ihrer<br />

geliebten Tätigkeit als Kaffeesiederin ist sie auch in einigen namhaften<br />

Unternehmen als Aufsichtsrätin tätig.<br />

Der berühmte Ernst Happel, zu Lebzeiten Stammgast im Ritter, lacht<br />

herab von seinem Platz an der Wand und scheint die Tarock- und<br />

Schachrunden genauest unter die Lupe zu nehmen. Auch ihm würde<br />

das „neue“ Ritter gefallen, das es geschafft hat, altes Flair mit neuem<br />

Wind und frischem Schwung zurückzuholen. Zurück nach <strong>Ottakring</strong>.<br />

Dr. Martina Postl<br />

elfsechzig - <strong>Ottakring</strong>er Straße<br />

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56


terminfreiheit<br />

Pack‘ die Badehose ein. Wer am oder im Wasser Ruhe und Entspannung vom Alltag sucht, dem seien die <strong>Ottakring</strong>er Bäder wärmstens empfohlen.<br />

Das Kongressbad, als reines Sommerbad mit Erlebnis- und Sportbecken, Wasserrutschen sowie zahlreichen Sportmöglichkeiten, oder das<br />

<strong>Ottakring</strong>er Bad, das als Kombibad auch über ein Hallenbad verfügt, bieten Spaß und Erholung für Jung und Alt.<br />

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58<br />

„Wir fördern und begleiten<br />

junge Talente!“


oxingbrothers<br />

„Lets get ready to rumble!“ Betritt man das Boxstudio „Bounce“ in<br />

der Enenkelstraße 26, so glaubt man, Michael Buffers berühmte<br />

Begrüßungsworte vor großen Boxkämpfen zu hören.<br />

Glücklicherweise finden wir eine Lücke im dicht gedrängten Terminkalender<br />

von Daniel und Marcos Nader und nehmen Platz in einem<br />

geräumigen Besprechungszimmer. Die zahlreichen Pokale, Auszeichnungen,<br />

Medaillen und Trophäen, welche auf einer meterlangen<br />

Anrichte präsentiert werden, zeugen von einer äußerst erfolgreichen<br />

Sporteinrichtung. Und es sind zwei Brüder, die maßgeblich am Erfolg<br />

des Bounce beteiligt sind. Daniel und Marcos Nader, die eine serbische<br />

Mutter und einen österreichischen Vater haben, erzählen uns stolz über<br />

die Entwicklung ihres Boxvereins im Herzen <strong>Ottakring</strong>s.<br />

Daniel (geb. 1982) erkannte bereits im Alter von 20 Jahren, dass sein<br />

Platz wohl eher am als im Ring zu finden ist. „Als Amateurboxer“,<br />

bestätigt er uns, „habe ich immer dieses professionelle Umfeld<br />

vermisst, das einen begabten Boxer erkennt, fördert und im richtigen<br />

Timing bis an die Spitze bringen kann.“ Seine Gedanken drehen sich<br />

seit damals um eine allumfassende Boxausbildung auf Basis definierter<br />

Standards im technischen, physischen und mentalen Bereich sowie<br />

perfekt ausgebildete Betreuer. Und tatsächlich sollte er seine Vorstellung<br />

vom modernen Boxen in den folgenden Jahren auch realisieren<br />

können. Diszipliniert arbeitete sich Daniel in seiner eigenen Ausbildung<br />

zum 3-Stern-Trainer des Welt-Boxverbandes AIBA hoch, womit er in<br />

Österreich als einziger diese international anerkannte Lizenz besitzt.<br />

Mit dem Bounce, das er 2005 als kleinen Boxclub eröffnete, schaffte er<br />

Schritt für Schritt das perfekte Boxumfeld und konnte mit seinem Trainerstab<br />

bereits zahlreiche Talente hervorbringen sowie unzählige Titel<br />

erringen. Als Bundestrainer für den Nachwuchs ist Daniel mittlerweile<br />

in ganz Österreich für die Förderung von jungen Boxern verantwortlich<br />

und stellt seine Ausbildungskonzepte bundesweit zur Verfügung. Sein<br />

Verein zählt derzeit etwa 1.000 Mitglieder, stellt aktuell mehr als 80%<br />

des österreichischen Nationalteams und ist heute Österreichs größter<br />

und erfolgreichster Boxclub.<br />

Im Trainerstab bei Bounce ist unter anderem auch Bruder Marcos zu<br />

finden. Marcos Nader (geb. 1990), dem Daniel bereits von Kindesbeinen<br />

an als Mentor und Trainer zur Seite stand, legte im wahrsten<br />

Sinne des Wortes eine Bilderbuchkarriere hin. In seinen über 100 Boxkämpfen<br />

als Amateur- und Profiboxer konnte er, bis auf einige wenige,<br />

alle zu seinen Gunsten entscheiden. Der österreichische Ausnahmesportler<br />

krönte seine Karriere im April 2014 mit dem Titel zum EU-Meister<br />

im Mittelgewicht. Ab dann gab es nur mehr eine Zielrichtung: die<br />

Olympischen Spiele 2016 in Rio. Doch bereits im Herbst 2014 erlitt<br />

Marcos zwei unvorhergesehene Niederlagen und verletzte sich zudem<br />

Ende 2014 noch am Ellenbogen, was dem sympathischen Wiener ein<br />

vorläufiges Karriereende bescherte. „Wie auch immer es weitergeht,<br />

mein Leben gehört zweifelsohne dem Boxen“, bestätigt uns Marcos,<br />

und ist mit seiner Rolle als Trainer im Bounce sehr glücklich.<br />

Beim Verlassen des Bounce begegnen wir einigen jungen <strong>Mensch</strong>en,<br />

die sich bereits sichtlich auf das bevorstehende Training freuen. Es sind<br />

dies <strong>Mensch</strong>en aus allen möglichen Kulturkreisen und unterschiedlichstem<br />

sozialen Umfeld, die sich hier treffen, um friedlich einen Sport<br />

auszuüben. Einen Sport, der für die meisten von ihnen Zusammenhalt,<br />

Gemeinschaft und Perspektive bietet. „Politik und Religion bleiben<br />

bei uns vor der Türe“, gibt uns Daniel noch auf unseren Weg mit und<br />

ergänzt, „wer bei uns trainiert, hat keine Lust auf Straßenraufereien.“<br />

Von uns gibt es jedenfalls ein dickes Lob für dieses herausragende<br />

Beispiel an gelungener und gelebter Integration in <strong>Ottakring</strong>.<br />

Daniel und Marcos Nader<br />

elfsechzig - Enenkelstraße<br />

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60<br />

Aarbeitgeber


„Meine Mitarbeiter sind mit mir<br />

durch dick und dünn gegangen!“<br />

Hans Staud<br />

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arbeitgeber<br />

Denken. Machen. Werken. Tun.<br />

Das Gesicht der Arbeitgeber in <strong>Ottakring</strong> kann wohl<br />

unterschiedlicher nicht sein. Da gibt es einerseits<br />

die vielen kleinen Geschäfte und Gewerbebetriebe,<br />

Restaurants sowie Lokale, Marktstände oder<br />

Imbissstände, die ihr Business mit ein, zwei oder<br />

einer Handvoll Mitarbeitern betreiben. Es gibt<br />

unzählige Dienstleister wie Ärzte, Anwälte, Banken,<br />

Friseure, Übersetzer, Grafiker und Steuerberater,<br />

die auf Fachpersonal setzen. Und da gibt es noch<br />

die großen Produktionsbetriebe, die in ihren<br />

industriellen Fertigungen bis zu 150 <strong>Mensch</strong>en Jobs<br />

bieten. Eine verkehrstechnisch gute Anbindung<br />

sowie eine tolle Infrastruktur erleichtern das<br />

Arbeiten in <strong>Ottakring</strong>. Meinte doch schon der große<br />

Aristoteles einst völlig zu Recht: „Die Freude an der<br />

Arbeit lässt das Werk trefflich geraten.“<br />

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63


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arbeitgeber<br />

Seit 1837 wird im Herzen <strong>Ottakring</strong>s Bier gebraut – und zwar auf<br />

Basis des Reinheitsgebotes von 1516. Die Brauerei verfügt über einen<br />

eigenen Wasserbrunnen mit einer Tiefe von 118 Metern. Der jährliche<br />

Bierausstoß der <strong>Ottakring</strong>er Brauerei beträgt rund 530.000 Hektoliter.<br />

Als Wiens letzte große Brauerei beschäftigt das mittelständische<br />

Unternehmen aktuell etwa 150 Mitarbeiter. 2016 wurde <strong>Ottakring</strong>er<br />

zu Europas bester Brauerei gekürt und die Sorten „<strong>Ottakring</strong>er Helles“<br />

wie auch „Gold Fassl Pils“ erzielten jeweils Gold in ihren Kategorien.<br />

Im Laufe der letzten Jahre hat sich die Brauerei auch als beliebte<br />

Event- und Konzertlocation in Wien etabliert.<br />

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„Ich möchte jeden Tag<br />

zumindest einmal lachen<br />

oder jemanden zum<br />

Lachen bringen!“<br />

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schmähsichererspeichenprofi<br />

2017 feierte das Fahrrad seinen 200. Geburtstag. Als der deutsche<br />

Forstbeamte Karl Drais im Jahr 1817 sein erstes einspuriges, auf zwei<br />

Rädern konstruiertes Laufrad präsentierte, war er wohl einer der wenigen,<br />

die an einen derartigen Siegeszug des neuen Fortbewegungsmittels<br />

glaubten. Wenn auch nicht von Anfang an, so aber seit über<br />

60 Jahren, hat einer diesen erfolgreichen Weg mitbegleitet: Wolfgang<br />

Brunner begann im Alter von 14 Jahren seine Lehre zum Fahrradmechaniker<br />

und blieb dem Drahtesel sowie all seinen Wehwehchen<br />

seit damals treu. Der freundliche, ältere Herr, der 1942 im deutschen<br />

Haldensleben, einer Kreisstadt in Sachsen-Anhalt, das Licht der Welt<br />

erblickte, kam bereits mit vier Jahren nach Wien, genauer gesagt nach<br />

<strong>Ottakring</strong>, wo er bei seinem Vater und der Großmutter aufwuchs.<br />

1966 legte Wolfgang Brunner seine Meisterprüfung ab. Stolz wird<br />

uns das eigenhändig gefertigte Meisterstück, ein Messuhrhalter, der<br />

heute noch im Einsatz ist, präsentiert. Und so wie dieses Stück, scheint<br />

alles in der kleinen, verträumten, nach Schmiermittel riechenden und<br />

doch in jeder Ecke lebendigen Werkstatt die Jahrzehnte überdauert zu<br />

haben. Felgen, Schläuche, Mäntel, Sättel, Gabeln, Ventile und Tausende<br />

kleinere und größere Ersatzteile verharren tapfer in Laden, baumeln<br />

von der Decke oder verstecken sich in diversen Behältnissen – immer<br />

bereit, sich für den nächsten Kunden aufs Fahrrad zu schwingen.<br />

Zwischen abholbereiten sowie ganz oder teilweise zerlegten Fahrrädern,<br />

die auf eine Behandlung durch des Meisters Hand warten,<br />

dringen wir tief ins Herz der Werkstatt vor. In einem Nebenzimmer<br />

begrüßt uns Klemens, Wolfgang Brunners einziger und langjährig treuer<br />

Mitarbeiter. „Und das hier ist Guki, er hört auch auf Blader“, lächelt<br />

uns Wolfgang Brunner zu und deutet auf ein durchaus gut genährtes<br />

Hasenmännchen, das uns aus seinem stets geöffneten Käfig auf der<br />

Fensterbank anschmatzt.<br />

Der Fahrradmechanikermeister, der sein Geschäft in der Degengasse im<br />

Jahr 1975 eröffnete, legt größten Wert auf Genauigkeit. „Die Kunden<br />

müssen begeistert sein von unserer Arbeit“, meint Wolfgang Brunner,<br />

der seiner Schätzung nach in seinem Arbeitsleben schon mehr als<br />

10.000 Fahrradreparaturen durchgeführt hat. Und an Pension denkt der<br />

eloquente Mitt sieb zi ger noch lange nicht. Solange er gesund ist und<br />

ihm seine Arbeit Spaß macht, möchte er gerne weitermachen.<br />

Da ihm sehr viel an den kleinen Geschäften und Handwerksbetrieben<br />

im <strong>Bezirk</strong> liegt, engagiert er sich seit Langem bereits im Händlerverein<br />

„Alt-<strong>Ottakring</strong>“, der zahlreiche Maßnahmen und Aktionen zur Festigung<br />

von Regionalität und Tradition für Handel und Gewerbe setzt.<br />

Wolfgang Brunner hat es vorgezogen, „ehefrau- und kinderlos“ zu<br />

bleiben. Er spaziert gerne auf den Wilhelminenberg, liebt die großen<br />

Klassiker und die schönen Künste. Theater, Oper und das Ballett haben<br />

es ihm besonders angetan.<br />

Sein Wunsch wäre es, noch einmal mit dem Zug nach London zu fahren,<br />

das Flair der Stadt zu genießen und sich in den Pubs dort unter die<br />

Einheimischen zu mischen. Klingt sehr verlockend.<br />

Cheers Wolfgang!<br />

Wolfgang Brunner<br />

elfsechzig - Degengasse<br />

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arbeitgeber<br />

Bei der letzten Erhebung im Jahr 2013 wurden in <strong>Ottakring</strong> 6.346<br />

Arbeitsstätten gezählt, die dauerhaft einer oder mehreren Personen<br />

Arbeit bieten. Im <strong>Bezirk</strong> selbst gibt es mehr als 44.000 Erwerbstätige.<br />

Im Einzelhandel ist <strong>Ottakring</strong> von einer Kleingeschäftsstruktur geprägt.<br />

Initiativen wie der Wirtschaftsverein „Alt-<strong>Ottakring</strong> - Das Einkaufs-8el“<br />

versuchen mit zahlreichen werbewirksamen Aktivitäten den Grätzlcharakter<br />

zu festigen sowie Kunden und Wertschöpfung im <strong>Bezirk</strong> zu<br />

halten.<br />

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70<br />

„Wir sind<br />

Problemlöser!“


gutsortiertesschwesternduo<br />

Ob Hektortrichter, Teppichpracker, Ananasschneider, saisonale Badeschuhe<br />

oder Keksausstechformen – wenn Sie auf der Suche nach<br />

etwas ganz Speziellem sind, etwas, das Sie schon in einigen Geschäften<br />

vergeblich gesucht haben, dann hätten wir einen Tipp für Sie: Die Drogerie<br />

Mayerhofer in der Enenkelstraße ist eine wahre Fundgrube. Über<br />

10.000 Produkte aus 150 unterschiedlichen Produktgruppen werden<br />

hier geführt. Und jeder einzelne Artikel ist bereits durch die Hände der<br />

beiden Schwestern Andrea Winkler und Barbara Herrmann-Preschnofsky<br />

gegangen. Gemeinsam führen sie das Geschäft, das übrigens eines<br />

von drei in Wien ist, die allesamt ihrer Familie gehören.<br />

Während sich im vorderen Teil ihres Ladens die Klassiker befinden, also<br />

Drogerie- und Reformbedarf, Chemikalien sowie Kosmetika, findet<br />

man im hinteren Teil des Geschäftes die Abteilung für Geschenke und<br />

Accessoires. Wer sich alles genau anschauen möchte, sollte sich Zeit<br />

nehmen. Lustige bis exklusive Kaffeetassen, Aufbewahrungsdosen in<br />

Keramik und Plastik, Vasen, Spielwaren, Kinderbücher, Sandspielzeug,<br />

Dekomaterial, Kerzen und noch Tausende andere Sachen mehr sind<br />

hier übersichtlich und liebevoll in den Regalen verstaut.<br />

„Was wir nicht lagernd haben, können wir binnen weniger Tage besorgen“,<br />

berichtet uns Andrea Winkler, die ältere der beiden Schwestern,<br />

die 1963 in Wien geboren wurde und ihre Ausbildung an der „Berufsschule<br />

für Drogistinnen und Drogisten“ in der Wiener Hütteldorferstraße<br />

samt Konzessionsprüfung abgeschlossen hat. Barbara, zwei<br />

Jahre später und ebenfalls in Wien geboren, unterstreicht, wie wichtig<br />

die Beratungskompetenz in ihrem Geschäft ist. Durch ihre Ausbildung<br />

zur Diät- und Ernährungsberaterin im Wiener AKH und ihre Liebe zur<br />

Natur – samt deren reichhaltigem Schatz – ist sie die Ansprechperson,<br />

wenn es um gesundheitsrelevante Themen und den passenden Einsatz<br />

von Tees, Kräutern oder Salben geht. „Wir sind eine Art Anlaufstelle für<br />

<strong>Mensch</strong>en und ihre Probleme im Alltag“, ergänzt Andrea Winkler und<br />

es scheint tatsächlich so, als hätte das Schwesternduo „für jedes Wehwehchen<br />

und jedes Fleckerl“ etwas in ihrem umfangreichen Sortiment.<br />

Je nach Saison wird das Geschäft entsprechend dekoriert und sortimentsmäßig<br />

ausgerichtet. Die beiden Drogistinnen ergänzen sich<br />

perfekt. Gemeinsam mit einer Mitarbeiterin teilen sie sich ihre Arbeitszeiten<br />

gut ein, um auch noch Zeit für ihre Familien zu finden. „Und wir<br />

sind fast immer einer Meinung“, lächeln die sympathischen Schwestern,<br />

deren Wunsch ist, dass die Kunden mit einem guten Gefühl aus<br />

dem Geschäft rausgehen und gerne wiederkommen.<br />

Andrea Winkler und Barbara Herrmann-Preschnofsky<br />

elfsechzig - Enenkelstraße<br />

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72


arbeitgeber<br />

Anpacken. Hand anlegen. Zugreifen.<br />

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unningmodel<br />

Den folgenden Satz muss man sich einfach auf der Zunge zergehen<br />

lassen: Wir treffen eine der erfolgreichsten österreichischen Leichtathletinnen,<br />

die 26 Staatsmeistertitel ihr Eigen nennt, ausgebildete<br />

Sportwissenschafterin ist, mehrere Musikinstrumente spielt, drei<br />

Sprachen perfekt spricht, drei weitere fließend, ein Unternehmen mit<br />

insgesamt zehn Mitarbeitern leitet, einen eigenen Wikipediaeintrag hat<br />

und gleichzeitig so bildhübsch ist, dass sie nebenbei auch noch modeln<br />

kann. Jawohl – und außerdem lebt sie seit vielen Jahren sehr glücklich<br />

in <strong>Ottakring</strong>, denn der <strong>Bezirk</strong>, so meint sie, bietet mit seinen Anbindungen<br />

ins Grüne tolle Voraussetzungen für ihre sportlichen Aktivitäten.<br />

Wir sprechen von Elisabeth Niedereder, die von allen liebevoll „Lissi“<br />

genannt wird und sich auch bei uns gleich so vorstellt. 1985 wurde Lissi<br />

in Schwaz in Tirol geboren, übersiedelte aber bereits als Einjährige nach<br />

Oberösterreich. Im Gymnasium im Wels wurde ihr Lauftalent entdeckt,<br />

wodurch ihr bereits mit 13 Jahren der Eintritt in die Sportunion Wels<br />

ermöglicht wurde. Rasch war klar, dass ihre Disziplinen in den Mittelstreckendistanzen<br />

800 und 1.500 Meter zu finden waren. Ihr Hang zum<br />

konsequenten Training, asketischen Leben und zu gesunder Ernährung<br />

war nicht nur ein guter Talentbegleiter, sondern bescherte ihr im Laufe<br />

der Jahre auf nationaler und internationaler Ebene viele sportliche<br />

Erfolge. 2015 erreichte sie im 1.500-Meter-Lauf bei den European<br />

Olympic Games Baku den hervorragenden vierten Platz.<br />

2013 gründete sie ihr Unternehmen „Tristyle“, arbeitet seither als Personal<br />

Coach und betreut Amateure ebenso wie Profis. Dabei begleitet sie<br />

Sportler in Praxis und Theorie, erstellt Trainings- und Ernährungspläne<br />

und bildet selbst auch zukünftige Trainer in ihrer Tristyle Academy aus.<br />

Diese zertifizierte Ausbildung auf universitärem Niveau schließt mit<br />

einem anerkannten Diplom ab. „Mit unserer Academy möchten wir<br />

junge <strong>Mensch</strong>en nicht nur für Sport und Bewegung begeistern,<br />

sondern ihnen auch eine berufliche Basis mit tollen Zukunftschancen<br />

bieten“, bestätigt uns Lissi Niedereder zufrieden.<br />

Gemeinsam mit ihrem Freund und Hund „Arco“, einem Weimaraner,<br />

spaziert sie gerne durch den <strong>Bezirk</strong>. Dabei zieht es sie unter anderem<br />

auf den Brunnenmarkt oder den Wilheminenberg. Lissi liebt die Nähe<br />

zum Grünen und die optimale Lage ihrer Wohnung als perfekten<br />

Ausgangspunkt für Sport, Freizeit und Beruf. Besonders schön findet sie<br />

auch das Kongressbad in der Julius-Meinl-Gasse.<br />

Ob Lissi wieder auf die Laufbahn geht, möchte sie sich offenhalten.<br />

Die Sportwissenschafterin hält sich mit täglichen Laufeinheiten fit und<br />

nimmt begeistert an Publikums-, Hindernis- und Crossläufen teil.<br />

Perfekt beherrscht Lissi auch das Handwerk der Selbstvermarktung und<br />

medialen Präsenz – „ein gutes Marketingtool für meine Firma“, wie sie<br />

meint. Sich selbst beschreibt sie als zielstrebig, ehrgeizig und mittlerweile<br />

mit der notwendigen Reife und Erfahrung ausgestattet. „Ich gehe<br />

immer ein hohes Tempo“, lächelt sie zum Schluss unseres Interviews,<br />

nimmt ihre Tasche und verlässt strahlend das Cafe Ando am Brunnenmarkt.<br />

Laufend, versteht sich.<br />

Elisabeth „Lissi“ Niedereder<br />

elfsechzig - Hyrtlgasse<br />

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„Ich habe mich<br />

immer nur an<br />

meinen eigenen<br />

Leistungen orientiert.“<br />

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traditionsbewussterbuchhändler<br />

Spaziert man die <strong>Ottakring</strong>er Straße stadteinwärts, so findet man<br />

gleich ein paar Schritte nach dem Café Ritter die Buchhandlung<br />

„Mayer“. Der Inhaber, Edea Massimo Margaritella, begrüßt uns und<br />

man wäre geneigt, ihn mit „Grüß Gott, Herr Mayer“ anzusprechen.<br />

Wir erfahren aber, dass der ursprüngliche Name des Geschäftes, das<br />

seit 1924 im 16. <strong>Bezirk</strong> in der <strong>Ottakring</strong>er Straße 109 zu finden ist, auf<br />

das Gründerehepaar – seine Urgroßeltern Friederike und Karl Mayer –<br />

zurückgeht und aus familiärer Tradition beibehalten wird. Die damalige<br />

Firmenbezeichnung lautete „Musikalienverlag, Sortiment, Antiquariat<br />

und Leihbibliothek“. Bis in die 1970er-Jahre gab es zusätzlich noch ein<br />

umfangreiches Schreib- und Papierwarensortiment sowie ein Theaterund<br />

Kinokartenbüro.<br />

Edea Margaritella, Jahrgang 1960, übernahm das Geschäft von seinem<br />

Vater nach dessen Pensionierung und führt es zusammen mit einer<br />

sympathischen Mitarbeiterin aus Salzburg. Die Auswahl an Büchern,<br />

die im Geschäft geboten werden, spiegelt die „ureigene“ Handschrift<br />

der beiden wider und soll auch Interesse für besondere, nicht so häufig<br />

anzutreffende Titel wecken. So finden sich neben Kinder- und Jugendliteratur,<br />

Sachbüchern, Belletristik und Taschenbüchern auch zahlreiche<br />

Regionalia sowie für alle Musikinteressierte Noten und CDs.<br />

Die Gattin des Inhabers zeichnet für die liebevolle Dekoration der<br />

Schaufenster und Innenräumlichkeiten verantwortlich. Der ältesten<br />

Buchhandlung in <strong>Ottakring</strong> ist auch ein umfangreiches Antiquariat<br />

mit Büchersuchdienst und weltweitem Bestellservice lieferbarer und<br />

gebrauchter Bücher angeschlossen. Des Weiteren finden hier immer<br />

wieder Lesungen und Vorträge statt. In der kalten Jahreszeit lädt ein<br />

gemütlicher Holzofen zum Verweilen im Laden ein.<br />

Ein besonderes Anliegen des Buchhändlers ist, darauf hinzuweisen,<br />

dass es bislang keinen besseren „Datenträger“ für das Wissen der Welt,<br />

die Ideen der <strong>Mensch</strong>en sowie die niedergeschriebenen Fantasien gibt<br />

als Papier und somit kaum Wertvolleres, das wir künftigen Generationen<br />

hinterlassen können.<br />

Edea Margaritella lebt seit seiner Geburt in <strong>Ottakring</strong>. Am <strong>Bezirk</strong><br />

schätzt er den dörflichen Grätzelcharakter sowie die kleine Geschäftsstruktur<br />

und hofft, dass die Bewohner durch ihr lokales Einkaufsverhalten<br />

zur Erhaltung dieser beitragen. Er ist glücklich, sein eigener Chef zu<br />

sein und meint zum Abschied noch: „Solange ich gesundheitlich kann<br />

und solange Kunden meine Tätigkeit schätzen, werde ich für sie da sein.“<br />

Edea Massimo Margaritella<br />

elfsechzig - <strong>Ottakring</strong>er Straße<br />

76


„Lesen ist Eintauchen<br />

in die Gedankenwelt<br />

eines anderen!“<br />

77


Kkulturmelange<br />

„Das Lebenserhaltende<br />

ist die Vielfalt.“<br />

Richard Freiherr von Weizsäcker<br />

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79


80


kulturmelange<br />

Auf die richtige Mischung kommt es an.<br />

Der <strong>Ottakring</strong>er Kaffeeproduzent Julius Meinl<br />

schreibt auf seiner Internetseite folgendes: „Eine<br />

Melange ist die typische Wiener Kaffeespezialität.<br />

Dabei handelt es sich um einen kleinen Espresso, der<br />

in einer großen Kaffeetasse mit cremig geschäumter<br />

Milch und einem Schaumhäubchen serviert wird.“<br />

So viel zur Volksbildung. Mit anderen Worten,<br />

es handelt sich also um eine Vermischung von<br />

einzigartigen Bestandteilen, die erst in ihrer<br />

Gemeinsamtkeit zum perfekten Ergebnis führen.<br />

Einfach zum Nachdenken.<br />

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82<br />

„Wir alle sollten die<br />

Momente mehr genießen!“


multitalentierterchorleiter<br />

Wir sind froh, dass er Zeit für uns gefunden hat und platzieren uns zum<br />

Interview genau in der Mitte der Brunnenpassage. Scheinwerfer an der<br />

Decke, ein Klavier in der einen Ecke, Requisiten in einer anderen. An<br />

der Wand entlang stehen Dutzende Stapel mit bunten Sesseln, die in<br />

wenigen Stunden für die wöchentliche Chorprobe wieder ihren Einsatz<br />

finden werden. In diesem atmosphärischen Raum – diesem einzigartigen<br />

Kulturtreff in <strong>Ottakring</strong>. Uns gegenüber sitzt der <strong>Mensch</strong>, der diesen<br />

berühmten Brunnenchor leitet. Und das schon seit seiner Gründung<br />

im Jahr 2007. Ilker Ülsezer wurde 1979 in der Schweiz geboren. Seine<br />

Eltern arbeiteten dort, nahmen ihn im Alter von sechs Jahren aber<br />

wieder mit zurück nach Istanbul. Nach Grundschule und Gymnasium<br />

studierte er an der Universität in Istanbul Geige und Komposition.<br />

2001 holte ihn ein Freund nach Wien. Mit einem Stipendium in der Tasche,<br />

einer soliden musikalischen Grundausbildung und vor allem dem<br />

Drang, Neues zu lernen und zu erfahren, kam Ilker zum Studium der<br />

Komposition und Musikwissenschaft an die Universität Wien. Er spielt<br />

Klavier, Geige, Klarinette und Bandoneon, einem „Handzuginstrument,<br />

das aus der Konzertina entwickelt wurde“ (Quelle: Wikipedia). Dieses<br />

Instrument spielt er mit Leidenschaft und Begeisterung, vor allem als<br />

Orchestermitglied im „Band-O-Neon, Orquesta Típica de Tango“, das<br />

sich dem Tango „in seinen ursprünglichen Ausdrucksformen“ verschrieben<br />

hat.<br />

„Wenn ich zur Chorprobe komme, dann grüßen mich die Leute schon<br />

auf der Straße und winken mir freundlich zu“, ist Ilker vom Brunnenviertel<br />

und dessen <strong>Mensch</strong>en begeistert. Er meint, dass er das „in<br />

dieser Form bislang nur in <strong>Ottakring</strong> erlebt hat“. Die Buntheit des<br />

Viertels spiegelt sich auch in der Zusammensetzung des Brunnenchors<br />

wider. So findet man – in dem aktuell an die 90 Köpfe umfassenden<br />

Gesangsverein – Sängerinnen und Sänger aus etwa 20 verschiedenen<br />

Herkunftsländern. „In den letzten zehn Jahren haben wir Lieder in den<br />

unterschiedlichsten Sprachen gesungen“, freut sich der Musiker und<br />

ergänzt, „neben den Klassikern auch in Arabisch, Hebräisch, Zulu oder<br />

Wienerisch und wir haben auch gejodelt.“ Ilker selbst spricht Deutsch,<br />

Englisch und Türkisch. Seine Frau ist aus Polen und zu Hause wird<br />

Deutsch, Türkisch und Polnisch gesprochen. Das Wandern ist eine<br />

gemeinsame große Leidenschaft der beiden und er selbst ist auch in<br />

Wien meistens zu Fuß unterwegs.<br />

Der Komponist und Chorleiter, der seit 2016 österreichischer Staatsbürger<br />

ist, arbeitet hauptberuflich seit 2009 für das Musikinformationszentrum<br />

„mica – music austria“, einer Interessensvertretung und Beratungsstelle<br />

für Musikerinnen und Musiker in Österreich. Als Mitarbeiter<br />

im Notenshop und in der Datenbankbetreuung kümmert sich Ilker<br />

aktuell um die Verwaltung von etwa 40.000 Werken. Sein Wunsch ist<br />

es, „noch viele kreative <strong>Mensch</strong>en kennenzulernen, neue Stücke zu<br />

komponieren und weiterhin mit Musik zu arbeiten.“<br />

Vielen Dank – Teşekkürler!<br />

Mag. Ilker Ülsezer<br />

elfsechzig - ArtSocialSpace Brunnenpassage<br />

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84


kulturmelange<br />

Das Gesicht der großen Metropolen hat sich verändert. In puncto „funktionierendes Zusammenleben“ hat <strong>Ottakring</strong> den zeitlichen Vorsprung<br />

eindeutig zu seinem Vorteil genutzt. Gegenseitige Akzeptanz, Toleranz und Wertschätzung anderen Kulturen gegenüber sind vorbildhaft.<br />

85


86<br />

„Was du dir<br />

vornimmst,<br />

das ziehe<br />

auch durch!“


fremdsprachenaffinevolkstänzerin<br />

Wir stehen vor dem Restaurant „Thaliagrill“ in der Lorenz-Mandl-<br />

Gasse. Eine bildhübsche junge Dame lässt uns noch vor der regulären<br />

Öffnungszeit ins Lokal, bietet uns Kaffee an und serviert ihn, als hätte<br />

sie ihr Leben lang nichts anderes gemacht. Der Schein trügt, denn<br />

Suzana Radosevic studiert seit 2015 „Internationale Betriebswirtschaftslehre“<br />

und hat große Ziele. Aber der Reihe nach.<br />

Suzi – wir dürfen sie so nennen – wurde 1996 in Mödling geboren.<br />

Sieben Jahre zuvor sind ihre Eltern von Serbien nach Österreich ausgewandert.<br />

Ihr erstes Lokal eröffnete das strebsame Ehepaar im Süden<br />

Wiens, ehe sie 2012 die Chance ergriffen und das Lokal in <strong>Ottakring</strong><br />

übernahmen. Im Familienbetrieb arbeiten alle mit, auch Suzis Bruder<br />

und ihre Schwester. „Bei uns soll man sich als Gast wie zu Hause fühlen“,<br />

sagt sie und fügt hinzu, „wir bieten viele internationale Gerichte<br />

und tolle Spezialitäten.“ Die junge Studentin ist im Lokal ihrer Eltern<br />

angestellt und hat regelmäßigen Dienst. Vor Beginn ihres Studiums<br />

schloss sie die „Höhere Lehranstalt für Mode, Produktmanagement und<br />

Präsentation“ in Mödling ab. Neben Deutsch und Serbisch beherrscht<br />

das Sprachentalent Französisch, Spanisch und Englisch – schon alleine<br />

deswegen möchte sie gerne einmal im Ausland arbeiten. Am liebsten<br />

vielleicht in der Schweiz oder in Asien.<br />

An <strong>Ottakring</strong> schätzt Suzi die vielfältige Kultur sowie das Shoppingund<br />

Gastronomieangebot. „Ich mag den Wilhelminenberg sehr“,<br />

vertraut sie uns an, „besonders in der Abenddämmerung ist der Blick<br />

über die Stadt wunderschön.“<br />

Ihre große Liebe gehört dem Folkloretanz. 2011 begann Suzi im<br />

serbischen Volkstanzverein „Bambi“, der seine Heimat natürlich im<br />

Sechzehnten hat. Ihr Hobby übt sie bis heute mit ungebrochener<br />

Leidenschaft aus. Gemeinsam mit ihrer Gruppe tritt sie regelmäßig<br />

bei Wettbewerben und Veranstaltungen auf. Durch die Folklore hat sie<br />

nach wie vor auch viel Bezug zu ihrem Heimatland. Die Familie reist<br />

ein paar Mal im Jahr zu Freunden und Bekannten nach Serbien. Suzi<br />

mag Belgrad und schätzt das „Jugendliche“ an der Stadt. Sie liebt es, in<br />

beiden Welten zu Hause zu sein.<br />

„Ich habe etwa gleich viele österreichische wie serbische Freunde“, ist<br />

Suzi stolz und unterstreicht, wie wichtig aus ihrer Sicht Integration und<br />

der Respekt gegenüber anderen Kulturen ist.<br />

Suzana „Suzi“ Radosevic<br />

elfsechzig - Lorenz-Mandl-Gasse<br />

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lebenserfahrenesammelkaiserin<br />

Ein Buch über <strong>Ottakring</strong> ohne sie wäre undenkbar. Sie ist ein Unikat,<br />

ein seltener Schatz, jemand, der sich trotz unzähliger Schicksalsschläge<br />

Humor, Eloquenz und eine Liebenswürdigkeit bewahrt hat, die man<br />

heute nur mehr selten antrifft. Sie ist Diabetikerin, hat zwei behinderte<br />

Töchter großgezogen und viele schwere Krankheiten überstanden.<br />

„Meiner tiefen Gottgläubigkeit ist es wohl zu verdanken, dass ich heute<br />

noch immer da bin“, lacht Elisabeth und erzählt uns auch von ihren vier<br />

Nahtoderfahrungen. Trotz alledem hat sie ihr Leben gemeistert und nie<br />

aufgegeben zu kämpfen.<br />

Elisabeth Durkal-Weishaar kam 1957 in Wien zur Welt. Seitdem sie<br />

denken kann lebt sie in <strong>Ottakring</strong>. „Meine Familie ist seit 1870 im<br />

<strong>Bezirk</strong>“, erzählt sie uns und wir erfahren, dass ihr Urgroßvater ein<br />

berühmter Baumeister war und mehr als 40 Häuser in <strong>Ottakring</strong><br />

gebaut hat. Ihre Großeltern, Olga und Alois Weishaar, eröffneten 1927<br />

die „Römergarage“ in der Arnethgasse. An der Wand finden wir ein<br />

Werbeplakat, das anlässlich der Eröffnung die „Garagisten“ informierte,<br />

was nebst der Einstellung ihres Wagens noch zu erwarten wäre:<br />

„Großer Raum für Selbst-Reparaturen, Montiergrube, Telephon und<br />

Rüstwagen. Benzin und Öl in bester Qualität. Prima Waschung der Autos<br />

und Reinigung der Motorräder. Fachmännische Ratschläge und Leitung!“<br />

Die Römergarage gibt es heute noch. Werkstätte und Tankstelle sind<br />

längst nicht mehr existent, aber die hohen ausgekalkten Hallen erzählen<br />

noch von den alten lebendigen Zeiten der Garage – als hier noch<br />

Pferdefuhrwerke eingestellt waren oder Alois Weishaar mit vorgehaltener<br />

Waffe Panzerfahrzeuge der Russen reparieren musste.<br />

Elisabeth reißt uns mit dem Satz „Ich wollte schon immer im Stiegenhaus<br />

des Kunsthistorischen Museums wohnen“ aus unserer Nachdenklichkeit<br />

und breitet ihre Sammelleidenschaft vor uns aus. Als „Monarchistin“<br />

sieht sie sich und berichtet stolz von ihrer Begeisterung für<br />

das österreichische Kaiserhaus sowie ihre Regenten. „Meine Wohnung<br />

ist ein Museum“, sagt Elisabeth und zeigt uns einen Teil ihrer Schätze:<br />

Knöpfe von Uniformen, Hunderte Postkarten, Porzellan, Dutzende<br />

Bilder mit den Konterfeis von Sissi, Franz oder dem Kaiseradler sowie<br />

unzählige Bücher überall in der Wohnung. „Ich besitze über 5.000<br />

Bücher, 2.500 Videokassetten, 10.000 DVDs und bin seit 42 Jahren<br />

Mitglied der „National Geographic Society“, erzählt uns Elisabeth stolz,<br />

die Literatur über Esoterik oder Weltverschwörungstheorien sowie<br />

Biografien von Künstlern und Adeligen bevorzugt. „In einigen Esoterikkreisen<br />

werde ich als Herrscherin des Universums angesehen“, lacht sie.<br />

Ihr umfangreicher Sammelfundus wird nebenbei noch von etwa 2.000<br />

Barbiepuppen ergänzt. Dem Guinness-Buch der Rekorde war dies vor<br />

einigen Jahren übrigens schon einen Eintrag wert.<br />

Nur ungern beenden wir dieses aufregende, geistig und emotional<br />

hochstehende Gespräch. Elisabeths Wunsch, „dass wir uns alle gut<br />

verstehen, egal wo wir herkommen, welche Hautfarbe, Religion oder<br />

politische Einstellung wir haben“, platzieren wir gerne an dieser Stelle<br />

und schließen unseren Besuch mit des Kaisers Worten: „Es war sehr<br />

schön, es hat uns sehr gefreut!“<br />

Elisabeth Durkal-Weihshaar<br />

elfsechzig - Arnethgasse<br />

90


„Die Herrscherin<br />

des Universums<br />

lebt in <strong>Ottakring</strong>!“<br />

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92


kulturmelange<br />

93


fußballnarrischerschneidergeselle<br />

Ion Kirica wurde 1947 in Straza nahe der rumänischen Grenze, im<br />

heutigen Serbien, geboren. In seiner Heimatstadt besuchte er die<br />

rumänisch-serbische Schule und kam unmittelbar nach seinem<br />

Bundesheerdienst 1968 nach Wien, wo er eine Lehre zum Herren-<br />

Maßschneider absolvierte. „Ich konnte damals kein Wort Deutsch“,<br />

erzählt uns Ion, den ein Freund für den Job nach Österreich holte.<br />

Ion arbeitete als Lederschneider und lernte sehr rasch. Er nähte Mäntel,<br />

Jacken und sogar Hotpants und war Anfang der 80er-Jahre ein Profi in<br />

der Produktion von Persianer-Nerz-Wendemäntel.<br />

So hatte beispielsweise auch Walther Reyer rote Maßlederhosen von<br />

ihm im Schrank und Sir Karl Popper trug einen eleganten Lederlammmantel<br />

aus seiner Fertigung.<br />

1992 ergriff Ion die Chance und wechselte in den Gemeindedienst zur<br />

MA48. Bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2009 arbeitete er fleißig in<br />

der Straßenreinigung, gab aber seine alte Leidenschaft, das Nähen,<br />

nie ganz auf. „Ich nähe bis heute für meine Familie und liebe es immer<br />

noch“, freut er sich und zeigt uns ein paar wahre Kunstwerke aus<br />

seinen Händen, die in seinem und im Schrank seiner Gattin hängen.<br />

Seine Frau lernte er schon 1971 kennen. Die beiden haben zwei Kinder<br />

und mittlerweile auch schon vier Enkelkinder.<br />

Seit 1981 wohnen Ion und seine Frau in <strong>Ottakring</strong>. Die beiden gehen<br />

gerne und regelmäßig Essen und schätzen die vielen guten Wirtshäuser<br />

im <strong>Bezirk</strong>.<br />

Noch während seiner beruflichen Tätigkeit war er bereits leidenschaftlich<br />

als Fußball-Nachwuchstrainer tätig. Er betreute Kinder- und<br />

Jugendmannschaften bei Helfort, Fortuna Wien oder Slovan. „Ich habe<br />

die Jungs von der Straße und aus den Parks geholt und zum Verein<br />

gebracht“, ist Ion stolz und ergänzt, „für meine Arbeit am Fußballplatz<br />

habe ich nie Geld genommen.“<br />

Heute ist Ion ein zufriedener <strong>Mensch</strong>, der seine Pension in vollen Zügen<br />

genießt. Am liebsten ist er im Kreise seiner Familie und verwöhnt<br />

gerne alle mit seiner Kochkunst. Mit einem leichten Glänzen in den<br />

Augen erzählt er uns vom Auszug seines Sohnes, der damals meinte:<br />

„Kein <strong>Mensch</strong> hat solche Eltern wie ihr seid.“<br />

Ion Kirica<br />

elfsechzig - Neumayrgasse<br />

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„Der Wiener Schmäh<br />

ist der beste, den es gibt!“<br />

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„Die Musik hat mir<br />

viele Türen geöffnet!“<br />

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teeverliebtervollblutmusiker<br />

Felix Okon kam in Nigeria zur Welt. Seine Eltern waren erst kurz zuvor<br />

von England in die Heimat seines Vaters zurückgekehrt. Als er zwei Jahre<br />

alt war, trennten sich die Eltern, weshalb er gemeinsam mit seiner<br />

Mutter, die in England geboren wurde, und seinen beiden Schwestern<br />

wieder zurück nach London übersiedelte. „Wir haben dort in einem<br />

sehr grünen und lebendigen Stadtteil gewohnt“, erinnert sich Felix, der<br />

nicht zuletzt deshalb noch heute dieses Open-Market-Feeling und das<br />

bunte Treiben im <strong>Ottakring</strong>er Marktviertel schätzt.<br />

Es war die Musik, die ihn 1991 nach Österreich verschlug. Felix performte<br />

damals als Rapper und Sänger und trat in Szene-Clubs wie dem<br />

„Montevideo“ oder „Take Five“ auf. Dort traf er auch auf das Wiener<br />

Dance-Trio „Bingo Boys“. Ab da ging es steil bergauf für den Musikprofi<br />

und die 90er-Jahre waren musikalisch gesehen sein Jahrzehnt.<br />

Neben den Bingo Boys verzeichnete Felix auch große musikalische<br />

Erfolge mit „Beat 4 Feat“ oder Österreichs erfolgreichster Dance-Pop-<br />

Formation „Unique II“. Letztere verhalf ihm zu weltweiter Bekanntheit<br />

und Top-Chartplatzierungen in Österreich, Kanada, Australien oder<br />

Skandinavien. Acht Millionen verkaufte Tonträger und eine musikalische<br />

Reise rund um den Erdball waren die Folge. Der damalige Erfolg<br />

und die Popularität der Band ermöglichte es, mit internationalen<br />

Größen wie Prince, Inner Circle oder dem großen Michael Jackson auf<br />

Tour zu gehen und als deren Vorband aufzutreten. Die Musik war und<br />

ist in Felix‘ Leben ständiger Begleiter. „Ich stehe mit Musik auf und<br />

gehe mit Musik schlafen“, erzählt er uns. Heute begleitet Felix, der<br />

Wien niemals mehr verlassen hat, als Produzent junge Künstler. Die<br />

vielen Demobänder von motivierten und vielversprechenden Künstlern<br />

häufen sich in seinem kleinen Tonstudio auf der Hernalser Hauptstraße.<br />

„Es gibt so viel musikalisches Potenzial in Österreich“, ist Felix sicher.<br />

Seit 2009 betreibt Felix auch einen kleinen und sehr feinen Teeladen<br />

namens „TeaPlease“. Der Eheman einer Japanerin und Vater von zwei<br />

Kindern importiert das edle Aufgussgetränk teilweise aus Japan. Er<br />

ist überzeugt, „dass dieses Naturprodukt eine heilende Wirkung auf<br />

Körper und Geist hat“. Gemeinsam genießen wir eine Tasse köstlichen<br />

Kräutertee und Felix ist überzeugt: „Tee ist Leidenschaft“.<br />

Der studierte Betriebswirt, durch dessen Adern aufgrund der königlichen<br />

Herkunft seines Vaters ebenfalls royales Blut fließt, ist heute<br />

rundum zufrieden mit seinem Leben. „Ich habe so vieles erlebt und<br />

so vieles bekommen. Ich habe meinen Traum gelebt und bin ein sehr<br />

glücklicher <strong>Mensch</strong>.“<br />

Felix Okon<br />

elfsechzig - Roterdstraße<br />

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98<br />

Rrüstzeug


„Eine Stadt muss funktionieren,<br />

gemütlich bin ich selber!“<br />

Karl Kraus<br />

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100


üstzeug<br />

Und was darf <strong>Ottakring</strong> für Sie tun?<br />

Einrichtungen wie die thermische Abfallbehandlungsanlage<br />

Flötzersteig, das Wilhelminenspital<br />

oder das Pensionistenwohnheim Liebhartstal<br />

erbringen Leistungen, die nicht nur der <strong>Ottakring</strong>er<br />

Bevölkerung zugute kommen, sondern weit über<br />

die <strong>Bezirk</strong>s- und Stadtgrenzen hinaus Abnehmer<br />

finden. Aber auch Bäder, Sport-, Kunst-, Kulturund<br />

Bildungseinrichtungen sowie zahlreiche<br />

Dienstleister zählen zu den Exportschlagern des<br />

Sechzehnten. Blicken Sie doch mal ein wenig ins<br />

Innere dieses aktiven <strong>Bezirk</strong>es und entdecken Sie<br />

das vielseitige Angebot.<br />

101


102


üstzeug<br />

Eine funktionierende Infrastruktur ist Rückgrat und Genick einer Stadt.<br />

Im zunehmend dichter werdenden Stadtverkehr spielen öffentliche<br />

Verkehrsmittel eine immer bedeutendere Rolle. Der Anschluss <strong>Ottakring</strong>s<br />

an das U3-Netz darf an dieser Stelle als ein sehr wichtiger Schritt<br />

zur Verbesserung der individuellen Mobilität im <strong>Bezirk</strong> genannt werden.<br />

Neben der U-Bahn steht Öffi-Freunden mit S45 sowie zahlreichen<br />

Straßenbahn- und Buslinien ein nahezu flächendeckendes Angebot<br />

an öffentlichen Transportmitteln zur Verfügung. Übrigens mit Beginn<br />

2015 konnten die Wiener Linien 33.676 Jahreskartenbesitzer aus<br />

<strong>Ottakring</strong> zählen.<br />

103


104<br />

„Ich bin glücklich, in dem<br />

was ich tue und höre erst<br />

auf, wenn es mir keinen<br />

Spaß mehr macht!“


kinderpädagogischerockröhre<br />

Ihre Begeisterung für die Musik hat sie sicherlich von ihrem Vater<br />

mitbekommen, der bis 2006 bei der österreichischen Rock ‘n‘ Roll-<br />

Band „Rockmonsters“ spielte und jetzt die <strong>Mensch</strong>en mit Austropop<br />

und Schlager begeistert. Außerdem betreibt er auch ein eigenes kleines<br />

Tonstudio in Wien. „Ich habe sechs Jahre privaten Gesangsunterricht<br />

genommen“, erzählt uns Tanja Bruckner (geb. 1987), die in dieser Zeit<br />

auch Sängerin bei der Pop-Rock-Band „Majola“ war und ihre eigenen<br />

Lieder komponierte. Schon als kleines Kind träumte sie davon, Karriere<br />

als Sängerin oder Schauspielerin zu machen. Gleich nach der Matura<br />

versuchte sie daher am Max Reinhardt Seminar und am Konservatorium<br />

Wien ihr Glück. Leider ohne Erfolg. „Damals ist eine Welt für mich<br />

zusammengebrochen“, so Tanja, die ihre Enttäuschung aber längst<br />

weggesteckt hat. Bei der österreichischen Kinofilmproduktion „Böse<br />

Zellen“ von Barbara Albert konnte sie aber zumindest dann doch eine<br />

kleine Rolle ergattern.<br />

Ihre wirkliche Berufung hat sie aber erst später gefunden. „Bevor ich<br />

auf die Pädagogische Hochschule gekommen bin, war ich Verkäuferin<br />

bei H&M und habe eine Ausbildung in der Bank begonnen“, lacht Tanja,<br />

die heute glücklich über ihre schlussendliche Berufswahl ist.<br />

Als Lehrerin arbeitet sie heute in einer <strong>Ottakring</strong>er Volksschule und hat<br />

erst kürzlich wieder mit einer ersten Klasse begonnen. Sie erzählt uns<br />

von „diesem unglaublichen Geschenk“, auf einen Schlag 25 neue <strong>Mensch</strong>en<br />

kennenlernen zu dürfen, sie vier Jahre lang mit all ihren Stärken<br />

und Schwächen zu begleiten und sie auf die Welt da draußen vorzubereiten.<br />

Es ist ihr wichtig, dass „die Kinder gerne in die Schule gehen,<br />

denn nur dann ist Lernen und Entwicklung wirklich möglich“. Als sehr<br />

bereichernd bezeichnet sie die unterschiedliche Herkunft ihrer Schüler<br />

und versucht vieles in ihren Unterricht einzubauen. „Wir sprechen über<br />

Brauchtum, unterschiedliche Feste und Sprachen oder andere Religionen“,<br />

berichtet Tanja stolz. Mit ihren Schülern geht sie sehr gerne in<br />

den Kongress- oder Stillfriedpark.<br />

Ansonsten genießt sie es auch gerne mal, zu Hause zu sein und einfach<br />

von ihrem Balkon aus hinein in den Sechzehnten zu blicken. Sehr früh<br />

am Morgen, erzählt uns Tanja, würden sich hin und wieder sogar ein<br />

paar Füchse in ihren Garten verlaufen. Das Fuchs-Tattoo auf ihrem Unterarm<br />

hat damit aber gar nichts zu tun, versichert sie uns und meint:<br />

„Ich bin halt ein sehr spontaner <strong>Mensch</strong> und mache manchmal Dinge,<br />

weil sie mir gerade in diesem Moment Freude bereiten.“<br />

Tanja Bruckner<br />

elfsechzig - Heigerleinstraße<br />

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üstzeug<br />

1888 stiftete Fürstin Wilhelmine Montléart-Sachsen-Curland der<br />

Gemeinde <strong>Ottakring</strong> 300.000 Kronen zum Bau eines Spitals. Auf<br />

einem 15.000 m 2 großen Grundstück an der Ecke Flötzersteig und der<br />

heutigen Montleartstraße wurde 1891 ein Krankenhaus mit 142 Betten<br />

eröffnet. Heute stehen dem Wilhelminenspital etwa 1.000 Betten zur<br />

Verfügung. 2016 waren 3.155 Personen beschäftigt, die etwa 400.000<br />

ambulante und an die 50.000 stationäre Fälle betreuten. Im selben Jahr<br />

wurden auch 1.865 Kinder im Wilhelminenspital geboren.<br />

In <strong>Ottakring</strong> gibt es zudem noch etwa 200 Praxen von Allgemeinmedizinern,<br />

Fach- und Zahnärzten sowie 16 Apotheken.<br />

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tierheilendelangzeitfreunde<br />

Wussten Sie eigentlich, dass es alleine in <strong>Ottakring</strong> über 2.000 Hunde<br />

gibt? Oder dass in jedem vierten Haushalt eine oder mehrere Katzen<br />

leben? Natürlich bevölkern die <strong>Ottakring</strong>er Wohnungen auch Vögel,<br />

Fische, Meerschweinchen, Hasen und Mäuse. Und Chinchillas, Schildkröten<br />

und Schlangen. Und Gekos, Eidechsen und Frettchen. Und so<br />

weiter. Die Zahl der Haustiere in Wien liegt jenseits jeglicher Vorstellungsgabe.<br />

Dass diese zum Überleben nicht nur Streicheleinheiten,<br />

Fressen und hin und wieder vielleicht einen coolen Hundefriseur brauchen,<br />

sondern in erster Linie auch medizinische Versorgung, leuchtet an<br />

dieser Stelle ein. Laut Österreichischer Tierärztekammer gab es im Jahr<br />

2015 in Wien über 600 ausgebildete Tierärzte. Zwei davon besuchen<br />

wir in ihrer „Tierärztlichen Ordinationsgemeinschaft“ in der Wattgasse.<br />

Dr. Christian Haider (geb. 1960) und Dr. Andreas Schöpf (geb. 1961)<br />

kennen sich aus ihrer Studienzeit und sind mehr als nur Partner in ihrer<br />

Praxisgemeinschaft. Seit vielen Jahren verbindet sie eine Freundschaft,<br />

die ihnen auch 1993 geholfen hat, die richtige Entscheidung zu treffen.<br />

„Wir haben uns den Wiener Stadtplan hergenommen und einfach<br />

markiert, wo es überall Tierärzte in der Stadt gibt beziehungsweise wo<br />

nicht“, erzählt uns Andreas Schöpf, der sich erinnert, dass Tierarzt durch<br />

die Fernsehserie Daktari für ihn zum Traumberuf wurde.<br />

Nachdem es gerade in <strong>Ottakring</strong> ein paar Lücken gab, haben sich die<br />

gleichberechtigten Partner für den Standort in der Wattgasse entschieden.<br />

Seither betreuen sie in ihrer 110 m 2 großen Praxis alles was bellt,<br />

miaut oder sonstige Laute von sich gibt. Die beiden Tierärzte haben<br />

sowohl gemeinsame „Patienten“ als auch eigene. „Manche Tiere wollen<br />

nur zu mir oder nur zu Andreas“, bestätigt uns Dr. Haider. Sympathie<br />

oder Antipathie sind also nicht zwingend nur menschlich.<br />

Ursprünglich wollte Christian Haider eigentlich immer schon Archäologie<br />

studieren und hält sich das für seine Pension noch offen. Ansonsten<br />

liebt er es zu reisen, läuft, spielt gerne Volleyball und Saalhockey.<br />

Kollege Schöpf betreibt eine eigene Kanarienvogelzucht und konnte<br />

mit seinem prächtigen Federvieh auch schon einige Preise einfahren.<br />

„Es gibt keinen Neid zwischen uns beiden. Wir sind gleichberechtigte<br />

Partner, entscheiden alles gemeinsam und können uns blind aufeinander<br />

verlassen“, so die beiden Tierdoktoren über das Erfolgsgeheimnis<br />

ihrer langjährigen Zusammenarbeit.<br />

2018 feiern die Freunde, die beide auch glücklich verheiratete Familienväter<br />

sind, das 25-jährige Bestehen ihrer Ordination. Keinen einzigen<br />

Tag dieser langen Zeit möchten sie missen und wir spüren, dass ihr<br />

Verhältnis von gegenseitigem Respekt und Vertrauen getragen ist.<br />

Dr. Andreas Schöpf und Dr. Christian Haider<br />

elfsechzig - Wattgasse<br />

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„Wir ergänzen<br />

uns perfekt!“<br />

109


tierliebendephysiolady<br />

Erika Kronbichler (geb. 1972) lebt gemeinsam mit ihrem Sohn Enea,<br />

ihrem syrischen Gastsohn Eliou und Hündin Nelly in der Hasnerstraße.<br />

Zum erweiterten Familienkreis zählte auch ihr Pferd Nikita, welches<br />

Erika viele Jahre sehr erfolgreich in der Hippotherapie zur Seite stand,<br />

aber leider im Winter 2016 verstarb. „Das Pferd als Therapiepartner<br />

öffnet viele Möglichkeiten – gerade für Kinder und Jugendliche“,<br />

erzählt uns Erika, die auch auf Erfahrungen in der Kinderneurologie<br />

und Geriatrie zurückgreifen kann und 1994 ihre therapeutische Arbeit<br />

startete. Im Erdgeschoß ihres Hauses betreibt Erika ihre Praxis für<br />

Physiotherapie. Ihr hervorragendes Netzwerk und gut funktionierende<br />

Mundpropaganda waren von Anfang an Garant für eine florierende<br />

Praxis und ausreichend Auslastung.<br />

Ihre Freizeit verbringt Erika sehr oft in der Natur. Gemeinsam mit den<br />

Jungs betätigt sie sich gerne auch sportlich beim Schwimmen oder<br />

Skifahren. „In <strong>Ottakring</strong> genießen wir die Kombination aus Stadt und<br />

Wald sehr“, meint Erika, die fast ihr ganzes Leben im <strong>Bezirk</strong> verbrachte.<br />

Besonders genießt sie die Spaziergänge mit Nelly hinauf zur Jubiläumswarte.<br />

Erika erinnert sich, als sie als Kind gemeinsam mit ihren<br />

Freundinnen vor dem leer stehenden Schloss am Wilhelminenberg<br />

spielte und dachte, dass dieses Haus mit seiner Lage wohl ein ganz<br />

tolles Hotel sein müsste. Viele Jahre später wurde das Objekt tatsächlich<br />

sehr aufwendig umgebaut und in einen Hotelbetrieb umfunktioniert.<br />

Heute schätzt Erika das vielfältige kulinarische Angebot im <strong>Bezirk</strong><br />

und gibt uns auch gleich ihre Favoriten bekannt: Stelze beim Heurigen<br />

Leitner oder Pizza in der Cipollino.<br />

Zum Schluss lässt uns Erika noch einen kurzen Blick auf ihre persönliche<br />

Wunschliste werfen. Darauf zu finden sind unter anderem Klavier<br />

spielen und Französisch lernen sowie ein Buch schreiben. „Außerdem<br />

freue ich mich schon sehr auf meine Enkel“, lächelt uns Erika zu – und<br />

wir nehmen ihr jedes Wort ab.<br />

Erika Kronbichler<br />

elfsechzig - Hasnerstraße<br />

110


„Nelly ist meine<br />

treue Assistentin<br />

bei vielen meiner<br />

Patienten!“<br />

111


112


üstzeug<br />

Aus etwa 200.000 Tonnen Restmüll werden in der Energieerzeugungs-<br />

Anlage Flötzersteig jährlich 470.000 Megawattstunden umweltfreundliche<br />

Fernwärme erzeugt. Gut gerüstet und mit einem breiten<br />

Angebot auch über seine Grenzen hinaus zeigt sich der <strong>Bezirk</strong> ebenso<br />

bei Bildungseinrichtungen wie der Volkshochschule, der Musikschule<br />

<strong>Ottakring</strong> oder der Mode- und Kunstschule in der Herbststraße.<br />

Erwähnung finden sollte noch der Friedhof <strong>Ottakring</strong>, der auf einer<br />

Fläche von über 173.000 m 2 27.552 Grabstellen beherbergt.<br />

113


114<br />

„Ich schminke<br />

<strong>Mensch</strong>en<br />

glücklich!“


humorvolleschminkkünstlerin<br />

Schon so manche Solistin der Wiener Staatsoper hat sich unter ihre<br />

fachfrauischen Hände begeben. Sie hat den Wildecker Herzbuben schon<br />

die Näschen gepudert und einige glänzende Häupter von Parlamentsabgeordneten<br />

fernsehtauglich geschminkt.<br />

Anita „Anny“ Springer ist ausgebildete Visagistin und Make-up Artist.<br />

Die Quereinsteigerin, die 1979 in der Nähe von Passau bei Untergriesbach<br />

zur Welt kam, absolvierte ursprünglich eine Ausbildung zur<br />

Arzthelferin und wechselte danach in die Gastronomie. Letztere führte<br />

sie nach Österreich, wo sie über einen Abstecher im Tiroler Wintertourismus<br />

schließlich 2005 in Wien landete. Genauer gesagt in <strong>Ottakring</strong>.<br />

Begeistert durch eine Freundin, welche Anny, die auch selbst modelte,<br />

immer wieder schminkte, gefiel ihr die Make-up Artist-Szene<br />

zusehends. Seit 2010 verschönert sie nun selbst Models, Schauspieler,<br />

Künstler, Politiker aber auch Bräute und Bräutigame für Foto- und<br />

Filmaufnahmen jeglicher Art. Gebucht wird sie dafür von Fotografen<br />

und Agenturen oder auch direkt über ihre eigene Homepage.<br />

Der wienerischen Grantigkeit, meint Anny, hat sie sich zwar auch nach<br />

so vielen Jahren noch nicht angepasst, dennoch fühlt sie sich absolut<br />

wohl in Wien. Besonders mag sie diese „Urlaubsstimmung am<br />

Yppenplatz sowie dem Brunnenmarkt“ und liebt es, am Wilhelminenberg<br />

querfeldein durch den Wald zu gehen. Die sympathische<br />

Süddeutsche fährt eine schwarze Vespa mit weißen Punkten – aber nur<br />

bei Schönwetter, wie sie betont. Das Fotografieren zählt zu einem ihrer<br />

absoluten Lieblingshobbys, das aufgrund ihrer Arbeit aber leider viel zu<br />

kurz kommt. Außerdem liest und wandert sie gerne.<br />

Sich selbst bezeichnet Anny als harmoniebedürftig und konfliktscheu,<br />

absolut zuverlässig, empathisch und romantisch. „Und ein wenig<br />

sportlich“, ergänzt die Hobbyläuferin noch. Ihr sehr charmanter Humor<br />

verbreitet gute Stimmung. „Sag nie, dass du aus Deutschland kommst“,<br />

lacht Anny und schießt gleich nach: „Bayern geht!“<br />

Anita Maria Springer<br />

elfsechzig - Heigerleinstraße<br />

115


116<br />

Iinnenleben


„Heimat,<br />

das bist Du<br />

und ich!“<br />

Robert Kroiß<br />

117


118


innenleben<br />

Arbeiter. Multikulti. Kunst. Natur.<br />

Auf einer Gesamtfläche von 867 Hektar − oder<br />

etwa 1.000 Fußballfeldern − nimmt <strong>Ottakring</strong><br />

rund 2% der Gesamtfläche Wiens ein. 30% der<br />

<strong>Bezirk</strong>sfläche ist Grünland, wovon wiederum<br />

drei Viertel bewaldet sind. Die verbaute Fläche<br />

beträgt 444 Hektar und weitere 160 Hektar sind<br />

Verkehrsflächen.<br />

Mit Stichtag 1. Jänner 2015 wurden im sechzehnten<br />

Wiener Gemeindebezirk 100.738 <strong>Mensch</strong>en<br />

gezählt − genauer gesagt 51.194 Frauen und<br />

49.544 Männer. 44.317 <strong>Mensch</strong>en im <strong>Bezirk</strong> haben<br />

Migrationshintergrund und von der Gesamtzahl<br />

sind 67.915 österreichische Staatsbürger.<br />

Laut Hochrechnung der Statistik Austria werden<br />

2025 über 107.000 <strong>Mensch</strong>en in <strong>Ottakring</strong> leben.<br />

Und so heterogen die Bevölkerungsstruktur auch<br />

sein mag, es ist wohl gerade dieser kulturelle<br />

Mix, der das charmante Erscheinungsbild dieses<br />

Wiener Vorstadtbezirkes prägt.<br />

119


120


innenleben<br />

17<br />

Heuberg<br />

Dornbacher Straße<br />

Hernalser Hauptstraße<br />

17<br />

<strong>Ottakring</strong><br />

Rosensteingasse<br />

Kalvarienberg<br />

Satzberg<br />

16<br />

Hernalser Gürtel<br />

Hüttelberg<br />

Steinhof<br />

Neulerchenfeld<br />

8<br />

14<br />

Flötzersteig<br />

Breitensee<br />

Schmelz<br />

Gablenzgasse<br />

Lerchenfelder Gürtel<br />

Burggasse<br />

15 7<br />

<strong>Ottakring</strong> ist der 16. Wiener Gemeindebezirk und liegt im Westen<br />

der Bundeshauptstadt. Der <strong>Bezirk</strong> setzt sich aus den <strong>Bezirk</strong>steilen<br />

Neulerchenfeld und <strong>Ottakring</strong> zusammen und erstreckt sich vom Gürtel<br />

bis hinauf zu den hügeligen Ausläufern des Wienerwaldes. Der eher<br />

flache Teil im Osten des <strong>Bezirk</strong>es ist von dichter Bebauung gekennzeichnet.<br />

Richtung Westen nimmt der <strong>Bezirk</strong> kontinuierlich an Höhe zu und<br />

findet mit 449 Metern am Wilhelminenberg seine höchste Stelle.<br />

<strong>Ottakring</strong> grenzt im Nordwesten und Norden an Hernals (17.), im Osten<br />

an die Josefstadt (8.) und Neubau (7.), im Süden an Rudolfsheim-Fünfhaus<br />

(15.) sowie ebenfalls im Süden bzw. Südwesten an Penzing (14.).<br />

Neben den bekannten Gürteleinfahrtsstraßen sind mit Flötzersteig,<br />

Maroltingergasse, Possingergasse und Wattgasse noch einige wichtige<br />

Ein- bzw. Ausfahrtsrouten zu erwähnen. Auch die öff entliche Anbindung<br />

an <strong>Ottakring</strong> kann sich sehen lassen. So führen U6, U3 und S45<br />

sowie zahlreiche Bus- und Straßenbahnlinien rein, raus bzw. durch den<br />

<strong>Bezirk</strong>. Erreichbarkeit auf vielen Wegen.<br />

121


122<br />

„Ich bin ein<br />

<strong>Bezirk</strong>svorsteher<br />

zum Anfassen!“


kontaktfreudigerottakringchef<br />

Wenn man sich unter dem Titel „Interview mit <strong>Bezirk</strong>svorsteher Franz<br />

Prokop“ eineinhalb Stunden im Terminkalender reserviert, dann sollte<br />

man tunlichst nicht mit der Frage beginnen: „Lieber Herr <strong>Bezirk</strong>svorseher,<br />

was macht <strong>Ottakring</strong> so besonders?“ Wer es dennoch tut, sollte<br />

jeglichen veranschlagten Zeitrahmen vergessen, denn Franz Prokops<br />

Wissen über <strong>Ottakring</strong>, dessen höchstes Amt er seit 2004 bekleidet,<br />

scheint an Tiefe nichts zu übertreffen. Gekonnt leitet er uns im Gespräch<br />

durch die bekannten Grätzl des sechzehnten Wiener Gemeindebezirkes,<br />

führt uns an Orte, die uns neugierig machen und breitet den<br />

<strong>Bezirk</strong> vom Gürtel bis hinauf auf den Gallitzinberg wie einen großen<br />

Liebesbeweis vor uns aus. Da er selbst auch schon einige Male in <strong>Ottakring</strong><br />

umgezogen ist, kennt er die unterschiedlichen Wohngegenden<br />

sehr genau.<br />

Franz Prokop (geb. 1958) ist Vater von zwei erwachsenen Töchtern.<br />

Der gelernte Versicherungskaufmann startete seine berufliche Karriere<br />

1979 bei den Wiener Kinderfreunden, in deren Diensten er mehr als<br />

25 Jahre stand, ehe der SPÖ-Politiker endgültig in die <strong>Ottakring</strong>er<br />

<strong>Bezirk</strong>spolitik wechselte. Von Anfang an wollte er „den <strong>Bezirk</strong> positiv<br />

weiterentwickeln und für eine friedliche Begegnung in <strong>Ottakring</strong> sorgen“,<br />

was er heute sogar als „Credo seiner politischen Arbeit“ bezeichnet.<br />

Besonders wichtig ist ihm dabei der Dialog untereinander und der<br />

ehrliche Umgang miteinander. Seit einigen Jahren wird der <strong>Bezirk</strong> an<br />

vielen Orten durch bauliche bzw. Begrünungsmaßnahmen umgestaltet<br />

und aufgewertet. Komplett erneuert wurde unter anderem auch<br />

die <strong>Ottakring</strong>er Straße, und zwar bis dato vom Gürtel bis hinauf zum<br />

Johann-Nepomuk-Berger-Platz, wo nach der endgültigen Fertigstellung<br />

ein Park mit einer Fläche von etwa 4.000 m 2 zur Verfügung stehen<br />

wird. Auch das Gebiet rund um Brunnenmarkt und Yppenplatz wurde<br />

verschönert und zu einer trendigen Begegnungszone umgestaltet.<br />

Neben dem bunten und multikulturellen Treiben im Marktviertel liebt<br />

Franz Prokop auch die traditionelle Gasthaus- und Heurigenkultur.<br />

„<strong>Ottakring</strong> ist ein Genussbezirk und ein <strong>Bezirk</strong> zum Genießen“,<br />

berichtet uns der Vorsteher. Und wer Glück hat, trifft ihn auch schon<br />

mal in einer der zahlreichen <strong>Ottakring</strong>er Locations.<br />

„Ich lache gerne, habe Spaß am Leben und freue mich auch immer,<br />

<strong>Mensch</strong>en zu treffen und mit ihnen zu plaudern“, ergänzt Prokop, der<br />

seit Jahren intensiv auf Bürgerbeteiligung in der Entscheidungsfindung<br />

wichtiger <strong>Bezirk</strong>smaßnahmen setzt. In den kommenden Jahren stehen<br />

zahlreiche Projekte an, um den Sechzehnten als Wohn- und Lebensraum<br />

kontinuierlich weiterzuentwickeln. Wir sind überzeugt, dass der<br />

sympathische <strong>Bezirk</strong>schef auch kommende Aufgaben zur Zufriedenheit<br />

„seiner“ <strong>Ottakring</strong>er bewältigen wird.<br />

Franz Prokop<br />

elfsechzig - Richard-Wagner-Platz<br />

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124


125


126


innenleben<br />

In <strong>Ottakring</strong> stehen insgesamt 6.623 Gebäude, davon sind 6.054 dem<br />

Wohnen vorbehalten. Seit Beginn 2015 leben mehr als 100.000<br />

<strong>Mensch</strong>en im <strong>Bezirk</strong>, die sich auf etwa 57.000 Wohnungen verteilen.<br />

Der Großteil lebt in Mehrparteienhäusern. Der größte Wohnverbund<br />

mit mehr als 1.500 Wohnungen ist die Gemeindewohnhausanlage<br />

Sandleiten. 2.372 Gebäude im <strong>Bezirk</strong> sind mit nur einer oder zwei<br />

Wohnungen ausgestattet und in den zwölf Kleingartensiedlungen im<br />

<strong>Bezirk</strong> gibt es aktuell 1.123 Parzellen.<br />

127


128


innenleben<br />

Fassadenkunst von anno dazumal. Von den über 6.000 Wohngebäuden im <strong>Bezirk</strong> wurden 2.143 vor 1919 errichtet.<br />

129


innenleben<br />

In Wien gibt es rund 2.000 Gemeindebauten, in denen etwa 500.000<br />

<strong>Mensch</strong>en wohnen. Alleine in <strong>Ottakring</strong> befinden sich aktuell mehr als<br />

10.000 Gemeindewohnungen. Die größten Gemeindewohneinheiten<br />

im <strong>Bezirk</strong> sind: Sandleitenhof, Franz-Novy-Hof, Wohnsiedlung Spiegelgrund,<br />

Fleminghof, Pirquethof, Gablenzgasse, Karl-Honay-Hof, Schuhmeierhof,<br />

Davidhof oder Dr.-Adolf-Schärf-Hof. Wussten Sie übrigens,<br />

dass in ganz Wien aktuell etwa 1.400 Hausbesorgerinnen und Hausbesorger<br />

beschäftigt sind, die 17.000 Stiegenhäuser in Schuss halten?<br />

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131


132<br />

„Ich arbeite nicht<br />

nur im Sandleitenhof,<br />

ich lebe auch hier!“


fußballinteressiertegemeindebauperle<br />

Sie ist die Herrin über 2.000 m 2 Gehsteig und 8.000 m 2 Grünfläche<br />

im Sandleitenhof. Von den insgesamt 21 Stiegen im Bau betreut<br />

Elisabeht Zika sieben ganz alleine. Die sympathische Hausbesorgerin,<br />

die 1972 geboren wurde und seit 1993 in <strong>Ottakring</strong> lebt, erzählt uns<br />

von ihrer Arbeit als „Stiegenhauskosmetikerin“, wie sie sich selbstironisch<br />

gerne bezeichnet, und von ihren Erlebnissen im Gemeindebau.<br />

„Mein Tag beginnt um fünf Uhr früh“, berichtet uns Elisabeth, die<br />

dann zuerst einmal mit ihren beiden Hunden eine Runde Gassi geht,<br />

bevor sie bei ihrer Freundin in der Trafik auf ein Plauscherl und einen<br />

Morgenkaffee vorbeischaut. Pünktlich um drei viertel sechs schwingt<br />

sie bereits gekonnt ihren Besen und kehrt den Hof.<br />

„Im Winter werfe ich bei Schneelage schon um vier Uhr meine Fräse<br />

an“, lacht Elisabeth und ist froh, dass die letzten Winter in der Stadt<br />

eher milde verlaufen sind. Nichtsdestotrotz war sie seit 24 Jahren nicht<br />

mehr auf Winterurlaub. Dass es sich bei derart großen Flächen um<br />

Schwerstarbeit für eine Frau handelt, muss wohl nicht weiter ausgeführt<br />

werden. Dennoch spürt man, dass Elisabeth ihren Job mit Freude<br />

macht. „Wir Wiener sind manchmal echt grantig, wenn ich meinen<br />

Mietern aber schon in der Früh mit einem Strahlen begegne, zaubere<br />

ich vielen ein Lachen ins Gesicht“, ist Elisabeth sichtlich zufrieden.<br />

Ihre betriebsrätliche Tätigkeit bei „Wiener Wohnen“ führt sie einmal im<br />

Monat zum „Infofrühstück“, wo über Neuigkeiten berichtet wird und<br />

Möglichkeit zum Gespräch mit Kollegen besteht. Als eine von derzeit<br />

etwa 1.400 Hausbesorgerinnen und Hausbesorger in Wien ist ihr der<br />

Austausch untereinander sehr wichtig – ebenso die Behandlung von<br />

Themen wie Kommunikation, Konfliktbewältigung oder Mobbing, um<br />

für die Herausforderungen, die das bunte Zusammenleben im Gemeindebau<br />

heute mit sich bringt, gut gerüstet zu sein.<br />

Begeistert durch ihren Mann, der lange Zeit selbst Fußball gespielt hat<br />

und heute als Trainer noch Jungs im Verein Austria 13 betreut, verbringt<br />

Elisabeth viel Zeit am Fußballplatz. Als „euphorische Fußballmama“<br />

sieht sie sich, da sie auch ihren Sohn immer lautstark beim Kicken<br />

unterstützt hat. Elisabeth, die auch noch eine Tochter hat, ist „Mama<br />

mit Leib und Seele“. Ihr Mann und ihre Kinder sind das Wichtigste in<br />

ihrem Leben und sie wünscht sich, dass es ihrer Familie weiterhin so<br />

gut geht.<br />

Elisabeth Zika<br />

elfsechzig - Steinmüllergasse<br />

133


134


innenleben<br />

Bei der letzten Erhebung wurden in <strong>Ottakring</strong> in allen Volksschulen, Hauptschulen, Neuen Mittelschulen, AHS und berufsbildenden Schulen<br />

insgesamt 455 Schulklassen sowie 237 Gruppen in Kinderkrippen, Kindergärten und Horten gezählt.<br />

135


136<br />

Nnachttrubel


„Der Tag voll Licht,<br />

die Nacht voll Lichter.“<br />

Otto Baumgartner-Amstad<br />

137


nachttrubel<br />

Und das ist wirklich in <strong>Ottakring</strong>?<br />

Wenn es ein Ort in das Top-Ranking der Sehenswürdigkeiten<br />

einer Metropole schafft und Einzug in die<br />

internationalen Reiseführer hält, dann darf man zu<br />

Recht seinen Hut ziehen. Das Brunnenmarktviertel,<br />

in Gürtelnähe zwischen Thaliastraße und <strong>Ottakring</strong>er<br />

Straße, zählt mittlerweile zu einem der buntesten<br />

und lebendigsten Plätze Wiens. Das pulsierende<br />

Herz ist zweifelsohne der Markt mit seinen etwa<br />

200 Marktständen. Der angeschlossene Yppenplatz,<br />

der übrigens auch kostenloses WLAN bietet, hat sich<br />

in den letzten Jahren durch seinen bunten Lokalmix<br />

Gehör in der Wiener Ausgehszene verschafft.<br />

Vom Café über Wiener Küche oder türkische Spezialitäten<br />

bis hin zu coolen Bars ist in diesem Grätzl<br />

alles zu finden. Die Antwort lautet also eindeutig<br />

„Ja“ − das ist wirklich in <strong>Ottakring</strong>.<br />

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139


serviersicheretierfanatikerin<br />

Zu Garfield, Rocky und Kaspar – den Katzen von Michaela Köckeis –<br />

wird sich in Kürze noch ein kleiner brauner Hase gesellen. Der Name<br />

steht noch nicht ganz fest, es wird aber entweder Buffalo oder Browny<br />

werden. Und alle wohnen dann gemeinsam mit Michaela, ihrem<br />

Freund und etwa 200 Fischen, vornehmlich Barschen, sowie einigen<br />

Fröschen unter einem Dach. Ja, die gelernte Restaurantfachfrau ist<br />

äußerst tierlieb und hätte gerne noch zwei Katzen und drei Hunde.<br />

„Ich mag Tiere, egal ob groß oder klein“, meint Michaela, deren Wohnung<br />

keinen Platz für weitere Tiere bietet. Glücklicherweise kann sie<br />

noch auf die Hunde ihrer Schwiegermutter in spe zurückgreifen, die sie<br />

auch regelmäßig Gassi führt.<br />

Die sympathische Kellnerin, die 1994 in Wien geboren wurde, ist in<br />

Meidling aufgewachsen, wohnt jetzt in der Brigittenau und arbeitet<br />

in <strong>Ottakring</strong>. „Hier verbringe ich auch die Hälfte meiner Zeit“, bestätigt<br />

uns Michaela, die im Restaurant „Nigls“, einem Altwiener Wirtshaus in<br />

der Rankgasse, abwechselnd Früh-, Mittags- oder Abenddienst macht.<br />

„Ich schätze das bodenständige Gasthaus mehr als noble Gastronomietempel“,<br />

sagt Michaela, die es auch selbst gewohnt ist, im Wirtshaus zu<br />

essen – war doch auch ihr Vater bereits 40 Jahre lang in der Gastronomie<br />

tätig. Selbst kocht sie gar nicht so gerne, falls doch, dann am<br />

liebsten Rindssuppe mit selbstgemachten Frittaten und Steakmedaillons<br />

mit Kroketten.<br />

Michaela steht auf Tattoos. Acht Stück hat sie bereits auf ihrem Körper,<br />

darunter ein Symbol, das Liebe und Lachen miteinander verbindet.<br />

„Genau das bin ich“, meint sie und erzählt uns, dass zwei wichtige Körperverzierungen<br />

noch fehlen: „Eines zur Erinnerung an meine Oma, mit<br />

der ich viel Zeit in meinem Leben verbracht habe und die 2016 gestorben<br />

ist, sowie eines mit dem Geburtsdatum meines noch ungeborenen<br />

Kindes.“ Die fröhliche junge Frau strahlt mit ihrem ganzen Wesen eine<br />

Herzlichkeit aus, die in der Gastronomie Gold wert ist. Aufgeben ist für<br />

Michaela niemals eine Option gewesen, lautet doch ihr Motto:<br />

„Head up. Stay strong. Fake smile. Move on!“<br />

Michaela Köckeis<br />

elfsechzig - Rankgasse<br />

140


„Ich brauche keinen Sport,<br />

ich mache Kilometer<br />

im Lokal!“<br />

141


142


nachttrubel<br />

Auch wenn es beim Dumser draußen in Neulerchenfeld schon lange<br />

keine Perfektion mehr gibt, so stehen dem tanzfreudigen Publikum<br />

in <strong>Ottakring</strong> dennoch zahlreiche Möglichkeiten offen. Von den hippen<br />

Clubs am Gürtel bis hinauf nach Neuottakring können sich Mann und<br />

Frau zu Livemusik oder Discoklängen nach Lust und Laune bewegen.<br />

Freilich spricht aber auch nichts gegen ein gemütliches Abendessen<br />

gefolgt von ein oder zwei chilligen Gute-Nacht-Drinks.<br />

Ganz nach Belieben.<br />

143


144


nachttrubel<br />

Frühschoppen, Rummelplatz-Feeling und ein tolles Musikprogramm bis in die späten Abendstunden −<br />

als Fixpunkt im Herbst bietet der „<strong>Ottakring</strong>er Kirtag“ alljährlich ein schwungvolles und unterhaltsames Programm.<br />

145


gottgläubigerevierinspektorin<br />

Für die EU-Grenzschutzagentur Frontex war sie 2017 insgesamt sechs<br />

Wochen als Beamtin auf der griechischen Insel Lesbos im Einsatz.<br />

„Unser Job war es, die Flüchtlinge quasi direkt von den Booten zu<br />

übernehmen und nach erfolgter Erstversorgung vor ihrer Einreise in<br />

die EU zu registrieren“, berichtet uns Katharina Jelinek, für die diese<br />

Erfahrung ein sehr tief gehendes Erlebnis war. Als besonders gläubiger<br />

<strong>Mensch</strong> ist ihr die Gleichbehandlung aller <strong>Mensch</strong>en ein wichtiges<br />

Anliegen. „Die Würde des <strong>Mensch</strong>en muss zu jeder Zeit gewahrt sein“,<br />

ist die sympathische Polizistin, die 1991 als waschechte <strong>Ottakring</strong>erin<br />

geboren wurde, überzeugt.<br />

Ihre ersten Lebensjahre verbrachte sie im <strong>Bezirk</strong>, ehe sie mit ihren<br />

Eltern nach Gablitz übersiedelte. „Meine Großeltern wohnen immer<br />

noch in Neuottakring“, freut sich Katharina, die so auch neben ihrem<br />

Dienst noch stark mit dem Sechzehnten verbunden ist.<br />

Dass sie eines Tages Polizistin sein würde, stand für Katharina schon<br />

als kleines Mädchen fest. Gleich nach der Matura im Jahr 2009 bewarb<br />

sich die strebsame junge Dame, wurde aufgrund ihrer Sehschwäche<br />

aber leider abgelehnt. „Ich habe dann gleich am Juridicum inskribiert<br />

und mit meinem Jus-Studium begonnen“, erzählt Katharina, die sich<br />

2010 ihre Augen lasern ließ und 2011 zu ihrer großen Freude an der<br />

„Sicherheitsakademie – Bildungszentrum Wien“ in der Marokkanergasse<br />

aufgenommen wurde. Nach zweijähriger Ausbildung war es<br />

dann so weit und Katharina konnte ihren langersehnten Dienst als<br />

Exekutivbeamtin in der Polizeiinspektion Rötzergasse antreten. Seit<br />

damals versieht sie regelmäßig Tag- und Nachtdienste in <strong>Ottakring</strong> und<br />

Hernals. Und das mit klaren Prinzipien. „Ich bin ehrlich, bodenständig<br />

und äußerst korrekt“, bekräftigt die Revierinspektorin, die bei Einsätzen<br />

in erster Linie auf die Kraft der Worte setzt. In Sachen Gewaltprävention<br />

besucht Katharina regelmäßig Schulklassen in ihrem Revier.<br />

Bereits mit sieben Jahren begann sie mit dem Zitherspiel, zu dem<br />

sie ihre Mutter brachte. Seit damals spielt sie das Saiteninstrument,<br />

welches sie natürlich in der Musikschule <strong>Ottakring</strong> erlernte, mit ungebrochener<br />

Leidenschaft und ist seit Jahren auch Mitglied im Verein der<br />

„Wiener Zitherfreunde Josef Haustein“.<br />

Die selbstsichere Polizistin will sich später einmal den Traum von einem<br />

Eigenheim erfüllen und gerne eine Familie gründen. Bis dahin geht sie<br />

konsequent ihren Weg und vertraut uns zum Schluss unseres Gesprächs<br />

noch an: „Ich möchte sehr zeitnah meine Karriere bei der Polizei als Juristin<br />

fortführen“, lächelt und macht sich wieder bereit für ihre nächste<br />

Runde durch die Gassen <strong>Ottakring</strong>s.<br />

Mag. a Katharina Jelinek<br />

elfsechzig - Stadtpolizeikommando Ottkaring<br />

146


„Natürlich steigt das<br />

Adrenalin bei manchen<br />

Einsätzen - aber ich<br />

habe keine Angst!“<br />

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150<br />

Ggaumenfreude


„Ich liebe zu tafeln am lustigen Ort,<br />

ich kost‘ und ich schmecke beim Essen.“<br />

Johann Wolfgang von Goethe<br />

151


gaumenfreude<br />

Bitte zu Tisch.<br />

Wer sich auf eine Feinschmeckerrunde durch<br />

<strong>Ottakring</strong> begibt, wird rasch feststellen, dass hier<br />

kulinarisch und genusstechnisch für alle etwas<br />

dabei ist. Und es müssen wohl um die tausend<br />

und eine Küche sein, die für die Frühstücker,<br />

die Bruncher, die Mittagspausensnacker, die<br />

Eisschlecker, die Kaffee und Kuchen-Freunde<br />

oder die Genießer eines sechsgängigen Candle-<br />

Light-Dinners tagtäglich frische Köstlichkeiten zubereiten.<br />

Vom Beisl bis zur gehobenen Gastronomie<br />

ist hier alles zu finden. Da ein Würstelstand, dort<br />

ein Asiate oder der Grieche ums Eck. Die Auswahl ist<br />

also groß und für den unentschlossenen Esser heißt<br />

es deshalb: „Wer die Wahl hat, hat die Qual.“<br />

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154


gaumenfreude<br />

Genussverwöhnte aufgepasst: Das Angebot an Köstlichkeiten in <strong>Ottakring</strong> ist groß, und schön verpackt schmeckt es nochmal so gut.<br />

155


156<br />

„Ich liebe mein<br />

Handwerk und<br />

wollte nie etwas<br />

anderes machen!“


computerlosemeisterbäckerin<br />

<strong>Ottakring</strong>s „Marzipanina“, Martina Hofkirchner, empfängt uns in<br />

ihrer – im wahrsten Sinne des Wortes – „zuckersüßen“ Konditorei im<br />

Sandleitenhof und überrascht uns mit einer ihrer berühmten Rosenackerschnitten.<br />

Was folgt, ist eine Geschmacksexplosion der besonderen<br />

Art. Wir sehen uns ein wenig um und entdecken noch weitere Köstlichkeiten,<br />

wie Martinas – ebenfalls bereits weit über die <strong>Bezirk</strong>sgrenzen<br />

hinaus bekannte – grüne Punschkrapferl oder die Marzipanbusserl.<br />

Martina Hofkirchner wurde 1970 im Wilhelminenspital geboren. Ihr<br />

gesamtes Leben verbrachte sie in <strong>Ottakring</strong>. Besonders gern mag sie<br />

den ländlichen Charakter und die Nähe zum Grünen. „Ich tausche meinen<br />

geliebten <strong>Bezirk</strong> höchstens für ein kleines Häuschen auf dem Land,<br />

mit eigener Kaffeekonditorei und einem Garten voller Apfelbäume,<br />

unter denen nur glückliche <strong>Mensch</strong>en sitzen“, träumt Martina, die seit<br />

1994 ihren „Meisterbrief für Konditoren und Zuckerbäcker“ in Händen<br />

hält. 2002 eröffnete sie ihr kleines Geschäft in der Rosenackerstraße.<br />

Ihr Bruder Michael beutelte dafür den Firmennamen, den er kurzerhand<br />

aus den Worten Marzipan und Martina mixte, aus dem Ärmel<br />

und Mama Elfi war im Geschäft sowieso von Anfang an eine ganz<br />

wichtige Stütze für Martina. Anfangs wollte sie „vom Striezel bis zum<br />

Eis“ alles machen, merkte aber rasch, dass dies unmöglich war. Heute<br />

ist ihre Produktpalette längst definiert. Am liebsten bäckt sie immer<br />

noch Torten für diverse Anlässe, die sie mit kleinen Marzipanfiguren<br />

verziert. Die Entwürfe dazu stammen allesamt aus ihrer Fantasie und<br />

kreativen Begabung. Lange Zeit ist Martina ohne Computer und Handy<br />

ausgekommen, musste sich dann aber schließlich auch der modernen<br />

Technik und der Registrierkassenpflicht beugen.<br />

Im Vordergrund steht für das vielseitige Energiebündel nach wie vor<br />

ihr Handwerk. „Ich verwende nur erstklassige und regionale Zutaten“,<br />

ist Martina stolz. Fertigprodukte wären gänzlich gegen ihre Philosophie.<br />

In starken Monaten plumpsen da schon mal an die 1.000 Eier<br />

aus Bodenhaltung in ihre leckeren Teigmischungen. Die sympathische<br />

Zuckerbäckermeisterin möchte ihre süßen Schätze künftig auch auf<br />

Veranstaltungen und Märkten anbieten. Unterstützt wird sie dabei von<br />

ihrem Freund Jürgen, Bruder Michael und dessen Freundin Uschi.<br />

Martina Hofkirchner<br />

elfsechzig - Rosenackerstraße<br />

157


gaumenfreude<br />

Bier gehört wahrscheinlich genauso zu <strong>Ottakring</strong> wie die Jubiläumswarte,<br />

das Kongressbad oder der Brunnenmarkt. Ob in der Gastronomie<br />

oder im privaten Kühlschrank – das blonde Braugetränk hat sich längst<br />

Zugang und Respekt verschafft und zeigt sich in vielfältiger Gestalt:<br />

stark, leicht, alt, naturtrüb, weiß, schwarz, als Schnitt, Stout, Pale Ale,<br />

Weizen, Craft oder Bock. Für Promillegegner hat der Markt zudem auch<br />

einige alkoholfreie Sorten zu bieten.<br />

2016 wurden in Österreich pro Kopf knapp über 100 Liter Bier getrunken.<br />

Und dieser Wert wird weltweit nur von den Tschechen übertroffen.<br />

Die <strong>Ottakring</strong>er Brauerei sorgt – gemeinsam mit dem Brauwerk, das<br />

am gleichen Standort betrieben wird und sich auf die Produktion von<br />

sogenannten Craft Bieren spezialisiert hat – mit über 20 unterschiedlichen<br />

Sorten und Geschmacksrichtungen für Abwechslung am Zapfhahn<br />

sowie im Bierregal.<br />

158


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visionärerbierallrounder<br />

Es war wohl einer der bedeutendsten Zufälle der <strong>Mensch</strong>heitsgeschichte,<br />

der uns zu einem Getränk verhelfen sollte, das in der Literatur nicht<br />

umsonst als „Göttertrunk“ bezeichnet wird. Ein paar Sumerer versuchten<br />

vor Tausenden von Jahren eher zufällig unter der Sonne, Brot mit<br />

Wasser weiterzuverarbeiten und brauten so das wahrscheinlich erste<br />

Bier auf unserem Planeten.<br />

Nicht ganz so lange her ist es, als Michael Neureiter (geb. 1980) sein<br />

erstes eigenes Bier braute. Im Alter von 17 Jahren fand er in seinem<br />

Elternhaus im salzburgischen Bad Vigaun, wo er seine Kindheit und<br />

Jugend verbrachte, die Liebe seines Lebens. Bereits in der Schulzeit<br />

war er als Ferialpraktikant in lokalen Brauereien tätig und begann sich<br />

dort für das goldgelbe Getränk zu interessieren. „Im vier Grad kalten<br />

Gärkeller habe ich die Faszination für Bier entdeckt“, lächelt Mike, wie<br />

er von allen freundschaftlich genannt wird. Und diese Faszination hat<br />

ihn bis heute nicht mehr losgelassen.<br />

Als er 2001 zum Studium nach Wien übersiedelte, heuerte er kurz<br />

darauf bei der <strong>Ottakring</strong>er Brauerei an. Als Teil des Eventteams führte<br />

er anfangs unzählige interessierte Besucher durch die Brauerei und<br />

begann sich immer mehr auch für den Veranstaltungsbereich im Hause<br />

<strong>Ottakring</strong>er zu begeistern. „Ich habe mir im Laufe der Zeit ein breites<br />

Wissen über Bier, die Brauerei und auch über <strong>Ottakring</strong> selbst angeeignet“,<br />

berichtet uns Mike, für den das Bierbrauen gleichermaßen<br />

Handwerk und Kunst ist. Die Öffnung der Brauerei zur Stadt und die<br />

Nähe zu den <strong>Mensch</strong>en war und ist ihm ein wichtiges Anliegen. Am<br />

Brauereigelände faszinierten ihn die alten, teilweise leer stehenden<br />

Gebäude. Gemeinsam mit Kollegen wurden neue Konzepte erdacht,<br />

um diese Bereiche nach und nach für die Brauerei zu erschließen und<br />

einige spezielle Ecken zu trendigen Eventlocations umzugestalten.<br />

Heute ist der Familienbetrieb im Herzen <strong>Ottakring</strong>s längst nicht mehr<br />

nur Bierproduzent, sondern auch eine beliebte Kulisse, die viele interessante<br />

Kultur- und Publikumsveranstaltungen bietet. Im „Brauwerk“, an<br />

dessen Realisierung Mike ebenfalls maßgeblich beteiligt war, werden<br />

tiefe Einblicke in die Kunst des Bierhandwerks gewährt. Dort entstehen<br />

auch neue und zeitgemäße Biere mit interessanten Geschmacksrichtungen<br />

und Ausprägungen.<br />

Mike Neureiter bezeichnet <strong>Ottakring</strong> als einen konträren <strong>Bezirk</strong> mit<br />

hoher gegenseitiger Akzeptanz, lebendigen Grätzln und toller Lebensqualität.<br />

Der Familienvater ist mittlerweile „absolut überzeugter<br />

<strong>Ottakring</strong>er“ und hat hier sein Zuhause gefunden – samt „Bier und<br />

Kegel“.<br />

Michael „Mike“ Neureiter<br />

elfsechzig - Familienplatz<br />

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„<strong>Ottakring</strong> ist bunt<br />

im Sinne von<br />

geistigen Inhalten!“<br />

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ierbegeistertelangzeitfreunde<br />

Die beiden Innviertler mit Jahrgang 1969 kennen sich schon von klein<br />

auf. Sie sind gemeinsam zur Schule gegangen und 1990 maturierten<br />

sie an der Bundeshandelsakademie Ried im Innkreis. Es ist anzunehmen,<br />

dass sie schon damals das eine oder andere Bier miteinander<br />

getrunken haben.<br />

Der Name des Bieres, das die beiden gemeinsam produzieren, ist<br />

dem zweiten Vornamen von Franz Lughofer zu verdanken. „Welch ein<br />

Glück, dass ihn seine Eltern Franz Xaver getauft haben“, lacht Thomas<br />

Haginger, der zweite im Bunde des Bierbrauerduos aus der Hasnerstraße.<br />

Und dieser Name also – in Kombination mit der Zeichnung eines<br />

jungen Mannes, der sich gerade genüsslich ein Krügerl durch die Kehle<br />

laufen lässt – führte schließlich zu einem stimmigen Logo, welches<br />

heute das Etikett von elf unterschiedlichen Biersorten ziert. Dabei handelt<br />

es sich um Spezialbiere wie Pale Ale, Witbier oder das pechschwarze<br />

Stout, die allesamt in handwerklicher Perfektion und traditioneller<br />

Braukunst produziert werden, auch als Craft Biere bekannt. Neben den<br />

klassischen Zutaten Wasser, Malz, Hopfen und Hefe wird beim Craft<br />

Bier auf neue und unkonventionelle Geschmacks- und Stilrichtungen<br />

Wert gelegt. Auf die Frage nach der Motivation, Bierbrauer zu werden,<br />

erzählt uns Franz, dass er damals, als er zum Studium nach Wien kam,<br />

„vom Bierangebot der Bundeshauptstadt nicht gerade begeistert“ war.<br />

Besonders interessierten ihn damals schon Sorten, die es bei uns noch<br />

nicht gab – speziell die englischen. „2009 habe ich zu Hause dann mein<br />

erstes eigenes Weißbier gebraut“, sagt Franz, der sich mit der Materie<br />

Bier immer mehr beschäftigte. Seit 2012 brauen die beiden Freunde<br />

nun gemeinsam ihr Bier und hatten großes Glück, als sie 2013 auch<br />

den Standort in <strong>Ottakring</strong> fanden. Bis auf ein kleines Schild draußen,<br />

deutet nur wenig darauf hin, dass in diesem Gassenlokal tatsächlich<br />

Bier gebraut wird. Zwei- bis dreimal pro Monat werfen Franz und<br />

Thomas ihre Biergerätschaft an.<br />

Je nach Saison und Auftragslage laufen hier unterschiedliche Köstlichkeiten<br />

in Fass und Flasche. Verkauft wird das Xaver-Bier an Gastronomie<br />

oder Handel, wobei entweder im 20-Liter-Fass oder in der<br />

Drittelliter-Flasche ausgeliefert wird. „Insgesamt haben wir derzeit<br />

eine Produktionsmenge von etwa 50 Hektolitern pro Jahr“, berichtet<br />

uns Franz. Für die Nebenerwerbsbrauer, die immer noch beide hauptberuflich<br />

in anderen Bereichen tätig sind, gar keine schlechte Menge.<br />

Immerhin sprechen wir von 5.000 Litern Bier, die seit ein paar Jahren<br />

den heimischen Biermarkt ergänzen. „Und die Tendenz ist steigend“,<br />

freut sich Thomas.<br />

Franz Lughofer und Thomas Haginger<br />

elfsechzig - Hasnerstraße<br />

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„Mit Spezialbieren<br />

wollen wir auch<br />

die Weintrinker<br />

erreichen!“<br />

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gaumenfreude<br />

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166<br />

„Gutes Dienstleistungsverständnis<br />

hat oberste Priorität bei uns!“


fleischverliebteschmähbrüder<br />

Es ist kein Geheimnis, dass die großen Supermarktketten dem Einzelhandel<br />

in den letzten Jahren massiv zugesetzt haben. Gerade im<br />

Fleischergewerbe ist ein enormer Rückgang bei inhabergeführten Geschäften<br />

zu verzeichnen. Auch im Sechzehnten hat es viele getroffen.<br />

Viele, aber nicht alle.<br />

Wie ein kleines gallisches Dorf erhebt sich das Geschäft der Klaghofers<br />

aus der <strong>Ottakring</strong>er Rankgasse und begeistert mit seinem Qualitätsbewusstsein<br />

sowie einer hervorragenden traditionellen Handwerkskunst<br />

seine Kunden heute weit über die <strong>Bezirk</strong>sgrenzen hinaus. Mit enormem<br />

Fleiß haben die beiden Fleischermeister Helmut und Herbert Klaghofer<br />

ihr vor den Toren des Wilhelminenspitals gelegenes Geschäft, das ihr<br />

Vater bereits 1962 übernommen hat, zu einem wahren Genusstempel<br />

ausgebaut. „Um wirklich gut zu sein, musst du die Liebe zum Produkt<br />

mitbringen“, bestätigt uns Helmut Klaghofer (geb. 1967) und ergänzt,<br />

„wir kaufen nur frisches Fleisch von österreichischen Bauern.“<br />

Aber es ist nicht nur die Qualität, die von den Kunden des <strong>Ottakring</strong>er<br />

Familienunternehmens so geschätzt wird. Im Hause Klaghofer wird<br />

auch der Schmäh großgeschrieben. So manche Wartezeit wird dann<br />

seitens der Brüder schon mal durch spontane Doppelconferencen oder<br />

lustige Anekdoten auf amüsante Art verkürzt. „Entertainment ist heute<br />

sehr wichtig in unserem Geschäft!“, lächelt auch Herbert Klaghofer<br />

(geb. 1961), der mehr als zehn Jahre seines Berufslebens mit dem<br />

Schiff die Welt durchquerte und – wie er meint –„als Patriot zurückgekehrt“<br />

ist. Die Brüder lernten das Fleischerhandwerk im elterlichen<br />

Betrieb und schlossen ihre Ausbildung beide mit der Meisterprüfung<br />

ab. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1996 und der Fortführung des<br />

Betriebes durch die Mutter haben Helmut und Herbert dann 2005<br />

das Geschäft zur Gänze übernommen sowie in den Folgejahren den<br />

Laden mit viel Liebe aus- bzw. umgebaut. Seit Herbst 2016 bietet<br />

Klaghofer seinen Kunden ein äußerst nettes wie auch angenehmes<br />

Ambiente und kümmert sich mit insgesamt sechs Mitarbeitern um den<br />

Frischwaren- und Imbissverkauf. „Der Menüverkauf und der Imbissbereich<br />

machen zwischenzeitlich bereits ein Viertel unseres Gesamtumsatzes<br />

aus“, berichtet uns Helmut stolz, der dies auf „den guten Mix aus<br />

Stamm- und Laufkundschaft“ zurückführt.<br />

So mancher Kunde, der bereits jahrzehntelang hier einkauft, kennt<br />

die „Klaghofer-Buben“ noch von damals. Viele haben der <strong>Ottakring</strong>er<br />

Fleischerei bis heute die Treue gehalten. Der Dank dafür zeigt sich in<br />

einer „ganz besonderen Wertschätzung für unsere Kunden“, so die<br />

beiden Fleischprofis.<br />

Herbert und Helmut Klaghofer<br />

elfsechzig - Rankgasse<br />

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kurdischerpizzabäcker<br />

Der Geburtsort von Sezgin Pekdas, der der Einfachheit halber von allen<br />

„Toni“ genannt wird, liegt von seinem heutigen Wohnort in <strong>Ottakring</strong><br />

exakt 2.694 Kilometer entfernt. Zu Fuß wäre man laut Google-Routenplaner<br />

ganze 23 Tage unterwegs. Und ankommen würde man dann im<br />

anatolischen Osten der Türkei, genauer gesagt in Kigi, wo Toni 1970<br />

das Licht der Welt erblickte.<br />

Als alevitischer Kurde wuchs er mit seinen fünf Geschwistern am<br />

elterlichen Hof auf. Bereits im Alter von sechs Jahren musste er bei der<br />

Arbeit im Stall und am Feld helfen. Mit 13 Jahren kam Toni mit seiner<br />

Familie nach Wien. In der Grundsteingasse beendete er seine schulische<br />

Laufbahn und war von Anfang an begeistert von diesem bunten<br />

Treiben in <strong>Ottakring</strong>.<br />

„Ich wollte und musste schnell arbeiten“, berichtet uns Toni, der es –<br />

wie so viele Migrationskinder – nicht leicht hatte. Herausgerissen aus<br />

der alten und hineingestoßen in die neue Welt, musste er auch schon<br />

während der Schulzeit seine Familie unterstützen. Wo sonst als am<br />

Brunnenmarkt heuerte er 1989 zum ersten Mal an. Bei einem Obstund<br />

Gemüsehändler fand er rasch einen Job. Seine Liebe zur Gastronomie<br />

entdeckte er dann später als Küchenhilfe in einer Pizzeria im ersten<br />

<strong>Bezirk</strong>. „Ich habe zugesehen, wie man eine Pizza macht – tausendmal,<br />

bis ich es selbst konnte“, erzählt uns Toni, der 2008 endlich sein eigenes<br />

Lokal in der <strong>Ottakring</strong>er Straße 166 eröffnete. Wir überzeugen uns<br />

selbst von seinen Kochkünsten und genehmigen uns ein Kebab-Sandwich<br />

in der Ausführung „scharf, mit alles“ in Tonis legendärem X-Large-<br />

Format. Sein Arbeitstag beginnt um kurz nach sechs Uhr in der Früh:<br />

Ware einkaufen, Küche vorbereiten, Lokal auf Hochglanz bringen –<br />

und pünktlich um 10 Uhr wird aufgesperrt, gekocht, angerichtet, eingepackt,<br />

serviert, kassiert und vor allem kommuniziert. Toni liebt die<br />

<strong>Mensch</strong>en und wir beobachten, dass es auch umgekehrt so ist.<br />

Die Hälfte seiner Lokalbesucher sind Stammkunden. „90% davon<br />

Österreicher“, lacht der Pizzabäcker, der seit 1996 selbst österreichischer<br />

Staatsbürger ist. Um 22 Uhr sperrt Toni sein Lokal zu und geht<br />

nach Hause. Mit seiner Frau, die er 1999 in Wien heiratete, hat er vier<br />

Kinder, auf die er besonders stolz ist. „Die Familie kommt an erster<br />

Stelle“, betont er und möchte gerne einmal ein kleines Grundstück<br />

samt Häuschen auf dem Lande kaufen. Er wünscht sich, dass sich die<br />

<strong>Mensch</strong>en besser verstehen und es keinen Hass mehr untereinander<br />

gibt. Im alevitischen Glauben heißt es an einer Stelle: „Beherrsche<br />

deine Hände. Begehe keinen Diebstahl, zerstöre nicht und nutze deine<br />

Hände für etwas Sinnvolles.“<br />

„Wenn mir der liebe Gott Gesundheit gibt“, so meint Toni, „dann arbeite<br />

ich mit meinen Händen noch solange es mir Spaß macht.“<br />

Sezgin „Toni“ Pekdas<br />

elfsechzig - <strong>Ottakring</strong>er Straße<br />

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„Das Kochen macht<br />

mir einfach Spaß!“<br />

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gaumenfreude<br />

Gerade kulinarisch zeigt sich die Vielfalt <strong>Ottakring</strong>s in einem<br />

unglaublichen Angebot. Wer keine Berührungsängste hat, schickt<br />

seinen Gaumen auf Reisen und tauscht sein Heurigen- oder Wirtshausplatzerl<br />

auch gerne einmal gegen den reichhaltig gedeckten Tisch der<br />

orientalischen, mediterranen, asiatischen oder veganen Küche.<br />

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„Verweile nicht in der Vergangenheit,<br />

träume nicht von der Zukunft.<br />

Konzentriere dich auf den<br />

gegenwärtigen Moment.“<br />

Buddha<br />

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teamwork<br />

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teamwork<br />

Michael Haitszinger (geb. 1968) arbeitet seit über 20 Jahren als selbstständiger Werber, Grafiker und Texter.<br />

„<strong>Ottakring</strong> hat uns im Sturm erobert“, ist er nach über 18-monatiger Arbeit am Buch immer noch begeistert.<br />

Für „elfsechzig“ führte er unzählige Gespräche mit den <strong>Mensch</strong>en im <strong>Bezirk</strong> und zeichnet für Layout und Text<br />

verantwortlich.<br />

Klaus Prokop (geb. 1964) fotografiert schon sein ganzes Leben lang. Er sieht ein Foto lange bevor es im<br />

Kasten ist. „Wir zeigen Bilder mit Charakter, Stil und Seele“, ist er überzeugt vom Ergebnis der Aufnahmen, die<br />

für „elfsechzig“ entweder als zufällige Schnappschüsse auf einem seiner vielen Spaziergänge oder als minutiös<br />

geplante und handwerklich perfekt umgesetzte Shootings entstanden.<br />

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elfsechzig<br />

elfsechzig I <strong>Ottakring</strong> - <strong>Mensch</strong> & <strong>Bezirk</strong><br />

Idee, grafisches Gesamtkonzept und Text: Michael Haitszinger<br />

<strong>Bezirk</strong>sbilder und Porträtaufnahmen: Klaus Prokop<br />

Fotos der Autoren: Noah Prokop<br />

Druck: Ueberreuter Print & Packaging GmbH, 2100 Korneuburg<br />

Im Sinne einer besseren Lesbarkeit der Texte wurde von uns entweder die männliche oder weibliche Form von personenbezogenen Hauptwörtern gewählt. Dies impliziert<br />

keinesfalls eine Benachteiligung des jeweils anderen Geschlechts. Frauen und Männer mögen sich vom Inhalt unseres Buches gleichermaßen angesprochen fühlen.<br />

Quellenangaben: wien.gv.at/statistik, wien.gv.at/freizeit/baeder, Statistik Austria - Gebäude-, Häuser- und Wohnungszählungen 1951-2001, Friedhöfe Wien GmbH,<br />

de.wikipedia.org/wiki/<strong>Ottakring</strong>, de.wikipedia.org/wiki/Kuffner-Sternwarte, Verein Kuffner-Sternwarte, Zentralverband der Kleingärtner GmbH, Stadt Wien - Wiener Wohnen,<br />

Wiener Linien GmbH & Co KG, Wiener Krankenanstaltenverbund.<br />

Das Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Reproduktion, ob vollständig oder auszugsweise, in jeglicher Form<br />

sowie die Einspeicherung, Verarbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung in elektronischen Systemen ist ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung der Autoren untersagt.<br />

www.elfsechzig.at<br />

Eigenverlag Wien – 1. Auflage 2017<br />

ISBN 978-3-200-05335-9<br />

© 2017 Michael Haitszinger & Klaus Prokop<br />

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Begleiten Sie Michael Haitszinger und Klaus Prokop auf einer gefühlvollen<br />

Entdeckungsreise durch <strong>Ottakring</strong>. Blicken Sie mit ihnen tief<br />

in die <strong>Bezirk</strong>sseele und erleben Sie hautnah die multikulturelle Vielfalt<br />

dieses charmanten Wiener Vorstadtbezirkes, dessen Attraktivität und<br />

kreativer Spirit an jeder Ecke spürbar sind.<br />

elfsechzig zeigt die vielen Gesichter des <strong>Bezirk</strong>es und findet seine<br />

Lebendigkeit in den <strong>Mensch</strong>en, die sich hier vorstellen.

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