Kleine-Zeitung-Sonntag
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5. Mai 2024<br />
sonntag<br />
<strong>Kleine</strong><br />
Detektive<br />
Bienen liefern nicht nur<br />
fleißig Honig,<br />
sondern unfreiwillig<br />
auch Daten zur<br />
Umweltverschmutzung.<br />
Seite 10/11<br />
D I E S C H Ö N E N S E I T E N D E S L E B E N S<br />
APA/PATRICK PLEUL<br />
KUNST & KULTUR<br />
Hollywoodstar Ryan Gosling im Interview über<br />
seinen spektakulären Stunt-Film „The Fall Guy“.<br />
Seite 4/5<br />
POLITIK & DEMOKRATIE<br />
Teil 4 unserer Reportagenserie zur EU-Wahl:<br />
Tradition und Moderne von bosnischen Holzschnitzern.<br />
Seite 12–15<br />
RÄTSEL | Sudoku und Kreuzworträtsel finden Sie auf Seite 28 bis 30.
2|SONNTAG<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
AUFTAKT|3<br />
MENSCHEN<br />
Inger Nilsson feierte<br />
gestern ihren 65er.<br />
Ein Porträt der<br />
Schwedin, die Pippi<br />
Langstrumpf war.<br />
Seite 6/7<br />
INHALT<br />
SINN & SUCHE<br />
Der Soziologe Armin<br />
Nassehi sprach mit uns<br />
über Erwartungen, Hoffnungen<br />
und Probleme<br />
unserer Gesellschaft.<br />
Seite 26/27<br />
Kurz & gut<br />
MENSCHEN<br />
Richard Branson von<br />
ungewöhnlicher Seite:<br />
25 Fragen an den<br />
britischen Konzernchef<br />
und Multimilliardär.<br />
Seite 8/9<br />
Was wir wissen, ist ein Tropfen,<br />
was wir nicht wissen, ein Ozean.<br />
IMAGO (2), VIRGIN<br />
Aus unserer Reihe: „Ozeanografie<br />
einmal anders“. Mit Dank an den großen<br />
Naturwissenschaftler Isaac Newton (1643–1727)<br />
75<br />
sei für ihn eine „gute Zahl“, sagt Billy Joel.<br />
Aber nicht nur, weil er am Donnerstag<br />
(9. Mai) so alt wird. Der Sänger und „Piano<br />
Man“ nimmt das auch zum Anlass, sein<br />
vorerst letztes Konzert im New Yorker<br />
Madison Square Garden zu geben. Seit zehn<br />
Jahren klettert der Joel einmal pro Monat<br />
vor seiner Villa auf Long Island in den<br />
Hubschrauber, singt knapp drei Stunden<br />
lang in der berühmten Arena in Manhattan<br />
seine Hits vor vollen Rängen und fliegt<br />
wieder zurück. Mehr als 1,6 Millionen Fans<br />
verzückte er auf diese Art. Nun will er sein<br />
Anwesen auf Long Island verkaufen.<br />
„Aber ich verlasse New York nicht.<br />
Ich verbringe nur mehr Zeit unten in<br />
Florida, wie alte jüdische Männer aus<br />
New York das eben so machen.“<br />
UNSER LIEBLINGSFOTO<br />
GLASS BEACH<br />
Vom Schrott<br />
zum Schatz<br />
Der Glass Beach nahe Fort<br />
Bragg in Kalifornien besteht<br />
streng genommen aus Müll, der<br />
dort seit 1906 deponiert wurde.<br />
Erst 1967 wurde die Halde geschlossen.<br />
Die biologischen<br />
Abfälle verrotteten, der Unrat<br />
wurden bei Aufräumaktionen<br />
über die Jahre entsorgt. Mit<br />
dem Glas vollbrachte Mutter<br />
Natur ein Meisterwerk: Der<br />
Wellengang des Meeres hat die<br />
Scherben von Glas und Keramik<br />
in unermüdlicher Kleinarbeit<br />
geschliffen. Heute zählt der<br />
Glass Beach zu den schönsten<br />
der Welt. Davon mehr in unserer<br />
Grafik auf den Seiten 16/17.<br />
UNSERE LIEBLINGSGESCHICHTE<br />
Tiereals<br />
Ärzte<br />
Ein Orang-Utan heilte<br />
eine im Kampf erlittene<br />
Wunde mit einer<br />
Pflanze. Auch andere<br />
Tiere nutzen einfache<br />
Formen der Medizin.<br />
Von Miriam Al Kafur<br />
Bei einer Verletzung greifen<br />
Menschen zu Salben,<br />
Pflastern und Medizin.<br />
Doch nicht nur<br />
der Mensch hat die Fähigkeit,<br />
sich teilweise selbst zu kurieren.<br />
Auch einige Tiere wissen, zu welchen<br />
Mitteln sie greifen, um den<br />
Heilungsprozess einzuleiten.<br />
Von Forschern wurde nun erstmals<br />
dokumentiert, dass ein Sumatra-Orang-Utan<br />
eine Wunde<br />
in seinem Gesicht aktiv mit einer<br />
Heilpflanze behandelt hat.<br />
Das Männchen mit dem Namen<br />
„Rakus“ hatte einige Tage nach<br />
einer Verletzung, die es im<br />
Kampf mit einem Artgenossen<br />
erlitten hatte, Blätter einer Liane<br />
abgerissen, darauf herumgekaut<br />
und den Saft mehrere Minuten<br />
lang wiederholt auf die<br />
Gesichtswunde aufgetragen.<br />
Die zur Heilung verwendete<br />
Liane (Fibraurea tinctoria) ist für<br />
ihre schmerzstillende und fiebersenkende<br />
Wirkung bekannt<br />
und wird in der traditionellen<br />
Medizin zur Behandlung verschiedener<br />
Krankheiten wie etwa<br />
Malaria eingesetzt. „Als letzten<br />
Schritt bedeckte er die Wunde<br />
vollständig mit den zerkauten<br />
Blättern“, berichtet die Biologin<br />
Isabelle Laumer. Die Wunde habe<br />
sich in fünf Tagen geschlossen<br />
und sei binnen eines Monats<br />
vollständig verheilt.<br />
Auch andere Menschenaffen nutzen<br />
die Heilkraft von Pflanzen.<br />
Wenn Schimpansen Darmparasiten<br />
haben, fressen sie etwa die<br />
Blätter der Aspilia-Pflanze, die<br />
Kluger Bursche: Orang-Utan<br />
Rakus<br />
ARMAS / SUAQ PROJECT<br />
mit dem Gänseblümchen verwandt<br />
ist. Im Verdauungstrakt<br />
verwickeln sich die Würmer<br />
dann in den Haaren der Blätter<br />
und können so ausgeschieden<br />
werden. Die Affen nutzen die<br />
Blätter, die sie ungekaut hinunterschlucken,<br />
vor allem zur Regenzeit,<br />
wenn die Infektionsgefahr<br />
mit Parasiten besonders<br />
hoch ist. Weiters wurde vor Kurzem<br />
beobachtet, wie eine Schimpansengruppe<br />
Insekten auf<br />
Wunden auftrug.<br />
Delfine wissen ebenfalls sich<br />
selbst zu helfen. Bei Hautkrankheiten<br />
reiben sie sich an einer<br />
Koralle, die einen speziellen<br />
Schleim absondert. Dieser wirkt<br />
wie eine Hautcreme gegen Irritationen.<br />
Für diese Art von Pflege<br />
reihen sie sich hintereinander<br />
ein und schwimmen über die Koralle.<br />
Der Schleim der Gorgonie<br />
hat antibakterielle, antioxidante,<br />
aber auch hormonell wirksame<br />
Substanzen. Für Delfine ist<br />
eine gesunde Haut unerlässlich.<br />
Eine elastische Schicht hilft außerdem<br />
dabei, den Reibungswiderstand<br />
kleinzuhalten.<br />
Um einen angenehmen Winterschlaf<br />
zu haben, fressen Alaskas<br />
Braunbären scharfkantiges<br />
Riedgras. Damit versuchen sie,<br />
Bandwürmer loszuwerden. Würmer<br />
sind aber nicht die einzigen<br />
Parasiten, mit denen die Bären<br />
zu kämpfen haben. Damit sie vor<br />
Fliegen oder Gelsen geschützt<br />
sind, graben die Tiere die Osha-<br />
Wurzel aus und zerkauen sie.<br />
Das Gemisch aus Wurzel und<br />
Speichel wird dann im Pelz verteilt.<br />
Ein selbstgemachter Mückenschutz,<br />
der das Ungeziefer<br />
fernhält.<br />
EDITORIAL<br />
Michael Tschida,<br />
Leiter der<br />
<strong>Sonntag</strong>sbeilage<br />
42<br />
Manchmal sitzt man vor einer köstlichen<br />
Buchstabensuppe und selbst da<br />
fällt einem einfach nicht das richtige Wort<br />
ein. Manchmal reißt einem das Schuhband<br />
und schon denkt man über den Sinn des<br />
Lebens nach. Ja, manchmal hat man’s nicht<br />
schwer, das Leben nicht leicht zu finden.<br />
Science-Fiction-Leser wissen, dass die<br />
endgültige Antwort auf die Frage nach dem<br />
Leben, dem Universum und dem ganzen<br />
Rest „42“ ist. Sie kommt nach einer Rechenzeit<br />
von 7,5 Millionen Jahren vom Supercomputer<br />
Deep Thought. In der Romanreihe<br />
„Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas<br />
Adams nämlich, der damit die Eigenschaft<br />
der Menschheit karikiert, ständig<br />
nach dem Sinn des Lebens zu suchen.<br />
Um diese Zahl 42 ranken sich zahlreiche<br />
Mythen, ihretwegen zerbrachen zig Mathematikerköpfe.<br />
Die Antwort, warum<br />
gerade die 42, ist aber denkbar einfach und<br />
kam vom 2001 verstorbenen britischen<br />
Autor selbst: „Ich saß am Schreibtisch,<br />
starrte in den Garten hinaus und dachte:<br />
‚42 passt‘. Ich tippte es hin. Das ist alles.“<br />
An diesem kleinen Beispiel sieht man:<br />
Das Leben kann so einfach sein und muss<br />
nicht immer Sinn ergeben. Schönen <strong>Sonntag</strong>!<br />
POESIE AM SONNTAG<br />
Allein<br />
durchs Dorf.<br />
Im Finstern<br />
ächzen Reblatten –<br />
Die Bora klettert<br />
über Mauern, ans Fenster<br />
schlägt sie: „Wer?“<br />
Das Fenster erhellt<br />
die Finsternis.<br />
Und am Dorfende<br />
rauscht die Föhre auf –<br />
erzittert,<br />
da sie mich erkennt.<br />
Srečko Kosovel (1904–1926)<br />
Gedicht des „slowenischen Rimbaud“,<br />
der mit 22 Jahren an Meningitis starb.<br />
Aus dem Band „Mein Gedicht ist mein<br />
Gesicht“ (Otto-Müller-Verlag, 2023).<br />
Übersetzung von Ludwig Hartinger.
4|SONNTAG<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
KUNST & KULTUR|5<br />
LINZ<br />
Harnoncourt<br />
zu Ehren<br />
Bruckner-Universität<br />
eröffnete das Nikolaus-<br />
Harnoncourt-Zentrum.<br />
Ein Jahr nach Bekanntgabe<br />
der Gründung eines<br />
Nikolaus-Harnoncourt-Zentrums<br />
an der Anton-Bruckner-Privatuniversität<br />
in Linz<br />
wurde dieses während der<br />
Harnoncourt-Tage in St.<br />
Georgen im Attergau am<br />
Freitag feierlich eröffnet. Die<br />
Familie Harnoncourt hatte<br />
den Nachlass des Dirigenten<br />
und Musikforschers zur<br />
Verfügung gestellt. Dieser<br />
besteht aus audiovisuellen<br />
Medien, rund 50 Regalmetern<br />
Notenmaterial, knapp<br />
zwei Kubikmetern Korrespondenzen,<br />
Essays, Notizen<br />
zu Werken und zur Aufführungspraxis<br />
Harnoncourts.<br />
Das Zentrum mache<br />
es sich zur Aufgabe, das über<br />
sieben Jahrzehnte angelegte<br />
Archiv des 2016 in St.<br />
Georgen im Attergau gestorbenen<br />
Dirigenten zu<br />
digitalisieren und der Öffentlichkeit<br />
zugänglich zu<br />
machen. Zudem lädt eine<br />
kulturphilosophische Denkwerkstatt<br />
in St. Georgen<br />
immer wieder „Persönlichkeiten<br />
unserer Zeit zur Auseinandersetzung<br />
mit den<br />
aktuell brennenden gesellschaftlichen<br />
Themen ein“.<br />
Ausstellung „Nikolaus und<br />
Alice Harnoncourt: Musik ist<br />
eine Sprache“ bis 15. 9. in der<br />
Musikschule St. Georgen,<br />
von 21. 10. bis 6. 12. an der<br />
Bruckner-Universität Linz.<br />
www.bruckneruni.at<br />
Das Musiker-Ehepaar Harnoncourt<br />
im Jahr 2015<br />
APA<br />
„Ich hatte<br />
schon immer<br />
Stunt-Doubles“<br />
INTERVIEW. Ryan Gosling verneigt sich in<br />
„The Fall Guy“, neu im Kino, vor Stuntfrauen<br />
und -männern. Der Hollywoodstar sinniert<br />
über Liebesbriefe, Idealpartnerin Emily Blunt<br />
und einen „französischsprachigen“ Hund.<br />
The Fall Guy“ basiert auf<br />
der gleichnamigen, sehr<br />
erfolgreichen Fernsehserie<br />
aus den 1980er-Jahren<br />
mit Lee Majors in der Hauptrolle.<br />
Der Film unter der Regie von David<br />
Leitch („John Wick“, „Bullet<br />
Train“) erzählt die Geschichte<br />
des vom Kampf gezeichneten<br />
Stuntman Colt Seavers (Ryan<br />
Gosling), der, nachdem er ein<br />
Jahr zuvor aus dem Geschäft<br />
ausgestiegen ist, wieder in Aktion<br />
tritt, als der Star eines großen<br />
Studiofilms plötzlich verschwindet.<br />
Während das Geheimnis<br />
um den verschwundenen<br />
Schauspieler immer dunkler<br />
wird, findet sich Colt bald in eine<br />
finstere Verschwörung verwickelt,<br />
die ihn an den Rand eines<br />
Absturzes treibt, der gefährlicher<br />
ist als jeder Stunt. Emily<br />
Blunt spielt Colts Ex-Freundin<br />
Judy Moreno, in weiteren Rollen<br />
sind Aaron Taylor-Johnson,<br />
Winston Duke, Hannah Waddingham,<br />
Stephanie Hsu und<br />
Teresa Palmer zu sehen.<br />
Bei Ihrem Auftritt bei der Oscar-Gala<br />
haben wir beim „Barbenheimer“-Battle,<br />
dem augenzwinkernd<br />
frechen verbalen Schlagabtausch,<br />
einen Vorgeschmack darauf<br />
bekommen, wie sehr die<br />
Chemie zwischen Ihnen und Emily<br />
Blunt stimmt. Nun spielen sie gemeinsam<br />
in „The Fall Guy“.<br />
RYAN GOSLING: Ich konnte es<br />
kaum erwarten, dass die Leute<br />
Von Lucy Allen<br />
diesen Film sehen. Es hat so viel<br />
Spaß gemacht. Wir haben die<br />
ganze Zeit an das Publikum gedacht<br />
und immer wieder überlegt:<br />
Was würde es sehen wollen,<br />
was hat es schon gesehen,<br />
was ist die ideale Mischung?<br />
Und Emily: Sie könnte selbst in<br />
einem Mülleimer die richtige<br />
Chemie und Dynamik herstellen,<br />
ihre „Blunt-Kraft“ ist der<br />
Schlüssel zu diesem Film.<br />
Es war Ihre Idee, auch eine Liebesgeschichte<br />
in „The Fall Guy“<br />
einzubauen?<br />
Ich war so inspiriert von Regisseur<br />
David Leitch und Produzentin<br />
Kelly McCormick. Es ist wunderschön<br />
zu sehen, wie sie selbst<br />
als Paar sind und wie sie zusammenarbeiten.<br />
Außerdem behandeln<br />
sie die gesamte Crew wie<br />
ihre Familie.<br />
Was hat Sie an diesem Projekt<br />
gereizt?<br />
Endlich die Stuntfrauen und<br />
-männer entsprechend zu würdigen,<br />
eben mit David Leitch, der<br />
selbst ein ehemaliger Stuntman<br />
ist. Ich habe seinerzeit in einer<br />
Action- und Abenteuer-Fernsehserie<br />
namens „Young Hercules“<br />
angefangen, also hatte ich<br />
quasi mein ganzes Schauspielerleben<br />
lang Stunt-Doubles. Die<br />
machen die coolsten Stunts für<br />
uns, und dann treten wir so auf,<br />
als ob wir die geschafft hätten.<br />
Es ist an der Zeit hervorzustreichen,<br />
dass erst sie uns Schauspielerinnen<br />
und Schauspieler<br />
in solchen Filmen zu Stars machen.<br />
Es gibt in „The Fall Guy“ Stunts,<br />
die man schon lang nicht mehr<br />
ohne Computersimulation gesehen<br />
hat.<br />
Ja, jedes Mal, wenn ich von einem<br />
Auto angefahren wurde<br />
oder Feuer legen musste oder irgendetwas<br />
anderes Gefährliches<br />
tat, das war Ben Jenkin.<br />
Zur Person<br />
Ryan Gosling, geboren am<br />
12. November 1980 in<br />
London, Ontario/Kanada.<br />
Schauspieler, „Blue Valentine“,<br />
„The Ides of March“,<br />
„Crazy, Stupid, Love“, „La La<br />
Land“ (Golden Globe 2017),<br />
„Barbie“. Seit 2011 mit<br />
Schauspielkollegin Eva<br />
Mendes liiert, zwei Töchter.<br />
Haben Sie denn irgendeinen<br />
Stunt im Film selber gemacht?<br />
Nun, ich wäre froh, wenn ich sagen<br />
könnte, dass ich keine eigenen<br />
Stunts in diesem Film gemacht<br />
habe. Aber da waren ein<br />
paar, ein Sturz aus dem zwölften<br />
Stockwerk etwa. Aber die wirklich<br />
heiklen Stunts machten natürlich<br />
die großartigen Profis.<br />
Was mussten Sie tun, um sich<br />
körperlich auf den Dreh vorzubereiten?<br />
Auf jeden Fall Pilates (lacht).<br />
Wie war die Zusammenarbeit<br />
mit dem mittlerweile 85-jährigen<br />
Lee Majors, der „The Fall Guy“ zwischen<br />
1981 und 1986 in einer TV-<br />
Serie spielte?<br />
Lee war großartig und wir<br />
schreiben uns jetzt die ganze<br />
Zeit SMS. Es hat so viel Spaß gemacht,<br />
ihn zu treffen. Meine<br />
Mutter liebte diese Fernsehserie<br />
und ich auch. Er ist eine Legende,<br />
sehr cool und sehr nett.<br />
Ryan Gosling<br />
mit Emily<br />
Blunt in einer<br />
Drehpause und<br />
auf dem Set<br />
von „The Fall<br />
Guy“ UNIVERSAL (2),<br />
AFP<br />
Und wie war es, mit einem<br />
Hund zu spielen, der Kommandos<br />
nur auf Französisch versteht?<br />
Auch Ihre Idee?<br />
Meine Frau Eva hatte früher einen<br />
Hund namens Hugo, einen<br />
Malinois, einen belgischen Schäferhund,<br />
und er verstand nur<br />
Französisch. Er ist jetzt verstorben,<br />
also ist das meine Hommage<br />
an ihn, an Hugo. Ich vermisse<br />
den Kerl. Er war ein bon<br />
garçon.<br />
Wie würden sie dem Publikum<br />
„The Fall Guy“ zusammenfassend<br />
beschreiben?<br />
Wenn „Barbie“ eine Party war, zu<br />
der jeder eingeladen war, dann<br />
ist dies die After-Party, zu der jeder<br />
danach kommen kann. Der<br />
Film ist für jeden. Er ist unterhaltsam,<br />
lustig, romantisch. Er<br />
ist ein Liebesbrief an das Publikum,<br />
das Filmemachen, an die<br />
Crews und an jene, die jeden Tag<br />
ihr Leben riskieren, um Filme zu<br />
dem zu machen, was sie sind.<br />
MEIN<br />
FAVORIT<br />
!<br />
Wen oder was<br />
wir besonders<br />
schätzen. !Paul Austers Sound.<br />
Sein Freund Spiegelmann<br />
pflegte auf die<br />
Frage, warum er rauche,<br />
stets zu antworten: „Weil<br />
ich gern huste.“ Paul<br />
Auster liebte Menschen<br />
mit absurdem Humor.<br />
Samuel Beckett war einer<br />
seiner Helden. Im Paris<br />
der 70er-Jahre trafen sich<br />
die beiden – Auster in<br />
seinen Sturm-und-Drang-<br />
Zeiten und Beckett im<br />
Herbst seines Lebens –<br />
und debattierten stundenlang<br />
in verrauchten<br />
Cafés. Die Zeit in Frankreich<br />
war prägend für den<br />
US-Autor, auch oder vielleicht<br />
gerade weil er sich<br />
damals einsam wie nie<br />
gefühlt habe, wie er in<br />
seiner 2012 erschienenen<br />
Autobiografie „Winterjournal“<br />
gestand. Er war<br />
auf sich selbst zurückgeworfen.<br />
Sein eigenes Leben<br />
diente ihm häufig als<br />
„Ersatzteillager“ für seine<br />
Bücher, sagte er einmal<br />
der „New York Times“.<br />
Auch in seinem Opus<br />
magnum „4321“ hatte Paul<br />
Auster die Courage, sich<br />
selbst zu entblättern,<br />
auch wenn man spürte,<br />
wie er mit sich rang, den<br />
richtigen Sound für die<br />
Eckpunkte seiner eigenen<br />
Existenz zu finden. Da<br />
war er wieder, der fehlende<br />
Vater. Intensiver hatte<br />
er diese Sehnsucht nur in<br />
„Die Erfindung der Einsamkeit“<br />
beschrieben.<br />
Diese Woche starb der<br />
große Erzähler im Alter<br />
von 77 Jahren in New<br />
York an den Folgen einer<br />
Lungenkrebserkrankung.<br />
Sein Sound wird fehlen.<br />
Manuela Tschida-Swoboda
6|SONNTAG<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
MENSCHEN|7<br />
ASTRID LINDGREN<br />
Trost und<br />
Rat für alle<br />
Mit Pippi, Michel und Co<br />
schuf sie Kultfiguren.<br />
Pippi Langstrumpf ist auf<br />
der ganzen Welt die<br />
beliebteste Figur von Astrid<br />
Lindgren. Eine Figur für<br />
Trost und Rat. Laut „Astrid<br />
Lindgren Company“ gibt es<br />
aber Ausnahmen: In Russland<br />
ist es „Karlsson vom<br />
Dach“, in Polen und Tschechien<br />
„Wir Kinder aus Bullerbü“.<br />
Mehr als 70 Bücher<br />
hat die Schwedin geschrieben.<br />
Neben „Pippi“ sind „Ronja<br />
Räubertochter“, „Kalle<br />
Blomquist“, „Mio, mein Mio“<br />
und ihre persönlichen Lieblinge<br />
„Michel aus Lönneberga“<br />
und „Die Kinder aus<br />
Bullerbü“ die bekanntesten<br />
ihrer Werke,<br />
die in 60<br />
Sprachen<br />
übersetzt<br />
wurden.<br />
Astrid Lindgren<br />
hat im<br />
Laufe ihres<br />
Lebens<br />
Astrid Lindgren<br />
(1907–2002)<br />
außerdem<br />
mehr als<br />
100 Preise<br />
erhalten,<br />
den Nobelpreis für Literatur<br />
bekam sie nicht. Aber als<br />
80-Jährige den „Brustpreis<br />
der Stillhilfe“, für einen speziellen<br />
Satz in ihrem „Ronja“-Buch:<br />
„Sie nahm ihm das<br />
Kind weg und legte es an<br />
ihre Brust und dann gab es<br />
kein Wimmern mehr.“<br />
Astrid Lindgren kam im<br />
November 1907 bei Vimmerby<br />
im Småland auf die Welt,<br />
im März 2002 wurde sie dort<br />
auch beerdigt. Am Trauergottesdienst<br />
in Stockholm<br />
nahm die schwedische Regierung<br />
teil, wie auch König<br />
Carl Gustaf und Königin<br />
Silvia sowie ein Millionenpublikum<br />
bei der Liveübertragung<br />
vor den Fernsehern.<br />
Manuela Tschida-Swoboda<br />
Auf<br />
ewig<br />
Pippi<br />
Inger Nilsson in ihrer Paraderolle IMAGO (3)<br />
Inger Nilsson, seit<br />
gestern 65, will nicht<br />
immer als Pippi<br />
Langstrumpf gelten.<br />
Bleibt sie aber wohl.<br />
Die Schwedin hat<br />
trotzdem noch<br />
einiges vor, denn<br />
„Schauspieler gehen<br />
nicht in den<br />
Ruhestand“.<br />
Ihr voller Name lautet Pippilotta<br />
Viktualia Rollgardina<br />
Schokominza Efraimstochter<br />
Langstrumpf. In Astrid<br />
Lindgrens Roman steht Pfefferminz<br />
statt Schokominza. Aber<br />
alle sagen am liebsten: Pippi.<br />
Inger Nilsson wurde in der<br />
Rolle des Mädchens mit den roten<br />
abstehenden Zöpfen weltberühmt.<br />
Sie spielte die Piratentochter<br />
von Kapitän Efraim<br />
Langstrumpf, „früher Schrecken<br />
der Meere, jetzt Südseekönig“,<br />
wie’s im Buch heißt, die alleine<br />
in der Villa Kunterbunt lebt –<br />
mit ihren engsten Vertrauten,<br />
dem Affen namens Herr Nilsson<br />
und einem Pferd mit Namen<br />
<strong>Kleine</strong>r Onkel. Und die mit siebentem<br />
Namen durchaus auch<br />
Eigensinna heißen könnte:<br />
„Zwei mal drei macht vier, widdewiddewitt<br />
und drei macht<br />
neune. Ich mach mir die Welt,<br />
widdewidde wie sie mir gefällt<br />
…“<br />
Der einstige Kinderstar Inger<br />
Nilsson hat mittlerweile einiges<br />
mehr an Lebenserfahrung. Aber<br />
auch heute kann man in ihrem<br />
Gesicht noch die Züge der neunjährigen<br />
Pippi sehen, die Grübchen,<br />
das verschmitzte Lächeln.<br />
Gestern feierte die schwedische<br />
Schauspielerin ihren 65. Geburtstag.<br />
Beinahe 55 Jahre ist es her, dass<br />
die erste Langstrumpf-Geschichte<br />
nach der Romanvorlage<br />
von Astrid Lindgren ins Kino<br />
kam und sich damit in die Köpfe<br />
und Herzen vieler Kindergenerationen<br />
einbrannte. „Es war natürlich<br />
etwas Besonderes“, sagt<br />
Nilsson über ihre Zeit als Pippi.<br />
Damals sei es eine Sensation gewesen,<br />
dass jemand in der <strong>Zeitung</strong><br />
oder im Fernsehen vorkam.<br />
Eine andere Zeit, besonders für<br />
jemanden aus dem Irgendwo in<br />
Östergötland. In einem Interview<br />
mit dem „Spiegel“ erklärte<br />
Nilsson einmal, dass sie als Kind<br />
das genaue Gegenteil von Pippi<br />
gewesen sei: „Ich war ein eher<br />
ängstliches, schüchternes Mädchen<br />
aus einem kleinen Dorf namens<br />
Kisa.“<br />
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In der Welt des Bikefittings ist Präzision entscheidend.<br />
Die Positionsanalyse von Andreas Knapp misst und<br />
verbessert die Aerodynamik auf dem Rad.<br />
Es sei für sie nicht immer<br />
leicht gewesen, ewig als Pippi zu<br />
gelten. Das Image der sommersprossigen<br />
Kultfigur pickte wie<br />
ein Kaugummi an ihr und tut es<br />
noch. „Jeder will, dass es die fantastischste<br />
Rolle der Welt ist.<br />
Aber es war etwas, das ich als<br />
Kind gemacht habe. Man kann<br />
es nicht mit dem vergleichen,<br />
was man als Erwachsene<br />
macht“, stellt sie fest. Denn auch<br />
Bei der Positionsanalyse<br />
ist höchste Präzision gefragt.<br />
Mit seinem Unternehmen<br />
„Positionsanalyse“ findet<br />
Andreas Knapp für seine<br />
Kund:innen die ideale Sitzposition<br />
– und das stets mit Exklusivität,<br />
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Sensor der Firma Windpuls aus<br />
Österreich ersetzt den Weg<br />
zu einem kostspieligen Aero-<br />
Testverfahren im Windkanal<br />
und liefert dabei umfassende<br />
Messdaten. Nicht nur die<br />
Windgeschwindigkeit sowie<br />
-richtung, sondern auch Temperatur,<br />
Luftdruck und Vibrationen<br />
werden berechnet und<br />
ermöglicht dadurch eine präzise<br />
Anpassung der Sitzposition<br />
an verschiedene Windverhältnisse.<br />
Dies steigert Effizienz<br />
und Komfort für alle Radfahrer:innen,<br />
ganz unabhängig<br />
vom Erfahrungsgrad.<br />
Andreas Knapp, Bikefitting-<br />
Experte, nutzt Windpuls, um<br />
die Leistung von Fahrer:innen<br />
zu maximieren. So können Aerodynamik<br />
optimiert und langfristig<br />
Ziele erreicht werden.<br />
Zusätzlich beugt die bessere<br />
Position auf dem Rad Schmerzen<br />
und Verletzungen vor.<br />
Der Windpuls-Sensor kann gemeinsam<br />
mit unterschiedlichen<br />
Carbonlaufrädern der österreichischen<br />
Firma Xentis von<br />
9. bis 12. Mai exklusiv im Hotel<br />
Seepark Wörthersee Resort<br />
in Klagenfurt getestet werden.<br />
INFOS: Andreas Knapp,<br />
Positionsanalyse<br />
Tel.: (0664) 52 28 063<br />
www.positionsanalyse.at<br />
Zur Person<br />
Inger Nilsson, geb. am 4. 5.<br />
1959 in Kisa, unweit von Astrid<br />
Lindgrens Heimatstadt<br />
Vimmerby. Ihr Vater meldete<br />
sie zum Casting für die Rolle<br />
der Pippi an, Inger setzte sich<br />
unter 8000 Kindern durch.<br />
Weitere Filme: „Gripsholm“<br />
(2000), „Der Kommissar und<br />
das Meer“ (TV-Serie).<br />
als Erwachsene habe sie für sich<br />
bedeutsame Rollen gespielt. Unter<br />
anderem spielte sie viele Jahre<br />
in der ZDF-Krimireihe „Der<br />
Kommissar und das Meer“ die<br />
Gerichtsmedizinerin Ewa Svensson<br />
an der Seite von Walter Sittler<br />
und Andy Gätjen.<br />
„Ich will nicht in der Vergangenheit<br />
leben“, sagt Nilsson. „Ich<br />
möchte, dass das, was ich jetzt<br />
mache, fantastisch ist, aber auf<br />
eine andere Art und Weise.“ Dass<br />
sie ständig auf ihre Paraderolle<br />
angesprochen werde, nerve mitunter:<br />
„Ich möchte einfach nicht<br />
immer mit jeder wildfremden<br />
Person reden.“<br />
Sie hat in ihrem Job weiter viel<br />
vor. „Ich liebe es wirklich, vor der<br />
Kamera und auf der Bühne zu<br />
stehen. Und ich hoffe, dass ich<br />
noch viele, viele Jahre weiterarbeiten<br />
kann“, schwärmt sie von<br />
ihrem Beruf. „Schauspieler gehen<br />
nicht in den Ruhestand.“<br />
Ihre Geburtstagsfeier hielt Inger<br />
Nilsson wie immer schlicht.<br />
„Ich treffe mich einfach mit ein<br />
paar Freunden in einem Restaurant,<br />
wie ich es immer an Geburtstagen<br />
gemacht habe“, sagte<br />
die Schauspielerin im Vorfeld.<br />
Für sie war es also ein ganz normaler<br />
Geburtstag. Ganz ohne<br />
Äffchen und Pferd. Und ohne<br />
Pippi.<br />
Mit seinen<br />
Analysen und<br />
dem<br />
Windpuls-<br />
Sensor hilft<br />
Andreas<br />
Knapp dabei,<br />
Ziele beim<br />
Radsport zu<br />
erreichen<br />
NIKE PAYER
8|SONNTAG<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
MENSCHEN|9<br />
„Ich bin der Erste,<br />
der aufsteht und tanzt“<br />
Man kennt<br />
1<br />
Mein Lieblingssong<br />
„Legalize It“ von Peter Tosh.<br />
Ich bin der festen Überzeugung,<br />
dass Drogenkonsum entkriminalisiert<br />
werden sollte und dass<br />
man den Abhängigen besser<br />
helfen müsste. „Legalize It“<br />
bringt diese starke Botschaft<br />
perfekt zum Ausdruck.<br />
Der Song, der mich rettete<br />
„Tubular Bells“ von Mike<br />
2<br />
Oldfield. Es war die erste Platte<br />
unseres Labels Virgin Records<br />
und brachte uns auf die Landkarte.<br />
Sie kam 1973 heraus und<br />
bestand eigentlich aus zwei<br />
Songs. Sie wurde zu einer der<br />
meistverkauften Platten des<br />
Jahrzehnts. Danke, Mike!<br />
3<br />
Musik, die mich aufmuntert<br />
Boy George singt „Karma<br />
Chameleon“ und macht damit<br />
einfach Freude, die mich in die<br />
Vergangenheit versetzt und<br />
mich zum Lächeln bringt.<br />
4<br />
Das Musikstück, das mich zuletzt<br />
zum Weinen brachte<br />
„Colours Fade“ von meinem Sohn<br />
Sam, das von seiner Großmutter<br />
handelt – meiner Mutter Eve. Er<br />
schrieb es, nachdem er sie zum<br />
letzten Mal gesehen hatte. Sie<br />
starb 2021.<br />
5<br />
Ein Konzert, das ich gerne besuchen<br />
würde<br />
Eines auf der „Hackney Diamonds“-Tournee<br />
der Rolling<br />
Stones. Ich habe sie im Laufe der<br />
Jahre etwa 15 bis 20 Mal gesehen.<br />
Ich war 1969 sogar bei dem<br />
großen Gratiskonzert im Hyde<br />
Park in London dabei. Als wir sie<br />
1992 bei Virgin unter Vertrag<br />
nahmen, sagte einer meiner Manager:<br />
„Die sind ja total verrückt.<br />
Die sind zu alt. Wir werden den<br />
Richard Branson<br />
als Konzernchef,<br />
Multimilliardär,<br />
Investor,<br />
Abenteurer und<br />
Wohltäter. In diesem<br />
Fragebogen zeigt<br />
sich der 73-jährige<br />
Brite aber noch von<br />
ganz anderen Seiten.<br />
Vorschuss nicht zurückbekommen,<br />
und Keith Richards wird<br />
kein weiteres Jahr durchhalten.“<br />
6<br />
Mein Instrument ist<br />
Leider ist jede Faser meines<br />
Körpers unmusikalisch. Aber ich<br />
bin der Erste am Tisch, der aufsteht<br />
und tanzt, wenn die Musik<br />
losgeht.<br />
7<br />
Das Instrument, das ich gerne<br />
erlernt hätte<br />
Mit 13 habe ich versucht, Gitarre<br />
selbst aus einem Buch zu lernen,<br />
weil ich dachte, das sei der beste<br />
Weg, um eine Freundin zu finden.<br />
Hoffnungslos.<br />
8<br />
Meine liebste TV-Serie<br />
„Bad Sisters“ ist fesselnd.<br />
Sie hat mir so gut gefallen, dass<br />
ich Bono eine kleine Nachricht<br />
geschickt habe, um ihm zu sagen,<br />
wie toll seine Tochter Eve<br />
darin ist.<br />
9<br />
Von Rob McGibbon<br />
Die Fernsehsendung, die ich<br />
aufgegeben habe<br />
„The Apprentice“, die Fernseh-<br />
Show mit Donald Trump.<br />
10<br />
Eine Dokumentation, nach<br />
der ich süchtig bin<br />
„20 Tage in Mariupol“ ist ein erschütternder<br />
Blick auf die russische<br />
Invasion. Die Ukrainer<br />
kämpfen und sterben für die gesamte<br />
freie Welt, durch ihre Tapferkeit<br />
und Aufopferung fühlt<br />
man sich ganz klein.<br />
11<br />
Ich habe ein Wochenende<br />
damit verschwendet<br />
„Friends“ zu schauen. Mit meinen<br />
Kindern. Wir haben nicht<br />
aufgehört und sehr viel gelacht,<br />
also war es nicht ganz umsonst.<br />
Mein Lieblingsfilm<br />
„1984“, der letzte Auftritt<br />
12<br />
des großen Richard Burton. Ich<br />
traf ihn bei den Dreharbeiten in<br />
den berühmten Shepperton Studios<br />
und er war einfach wunderbar.<br />
In der George-Orwell-Verfilmung<br />
spielte auch der großartige<br />
John Hurt mit. Wir wurden<br />
sehr gute Freunde und verbrachten<br />
viele lange Nächte in Irland.<br />
13<br />
Wenn ich ein Gemälde besitzen<br />
könnte, wäre es<br />
Ich bin ein großer Beatles-Fan,<br />
deshalb würde ich gern das Originalgemälde<br />
von Peter Blake<br />
und Jann Haworth für das Cover<br />
von „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts<br />
Club Band“ besitzen. Es ist ikonisch.<br />
14<br />
Der Ort, an dem ich mich<br />
am glücklichsten fühle<br />
Auf meiner Privatinsel Necker<br />
Island, Teil der Virgin Islands in<br />
der Karibik – mit meiner Frau Joan<br />
und der ganzen Familie. Wir<br />
versuchen, mindestens einmal<br />
im Jahr mit allen Enkelkindern<br />
dorthin zu fahren. Das sind die<br />
Momente, die ich am meisten<br />
genieße.<br />
15<br />
Ein Vergnügen, von dem ich<br />
nicht lassen kann<br />
Ich bin süchtig nach Schach und<br />
nach Pickleball, das Elemente<br />
von Tennis, Tischtennis und<br />
Badminton verbindet. Beides<br />
kann ich stundenlang spielen.<br />
Dann merke ich, dass ich mich<br />
damit einfach nur vor der Arbeit<br />
drücke.<br />
16<br />
Ich veranstalte eine Dinnerparty<br />
mit Wunschgästen<br />
aus der Geschichte<br />
Ich würde Persönlichkeiten aus<br />
jenen Bereichen einladen, die<br />
mich am meisten interessieren.<br />
Unter den Entdeckern Sir<br />
Francis Drake und Polarforscher<br />
Robert Falcon Scott. Unter Politikern<br />
Winston Churchill und<br />
Barack Obama. Und für die Luftfahrt<br />
würde ich die Gebrüder<br />
Wright und Buzz Aldrin nehmen.<br />
Stellen Sie sich einmal diese<br />
Unterhaltung vor!<br />
17<br />
Und dabei lege ich folgende<br />
Musik auf<br />
Ich würde die Spice Girls und<br />
John Lennon dazu bringen, in<br />
der Ecke ein akustisches Livekonzert<br />
zu geben.<br />
18<br />
Mein favorisiertes Bühnenstück<br />
„Come from Away“ von Irene<br />
Sankoff und David Hein ist eine<br />
faszinierende Geschichte über<br />
Flugpassagiere, die während des<br />
Terroranschlags von 9/11 auf<br />
Neufundland gestrandet sind.<br />
Das Musical ist eine Geschichte<br />
der Hoffnung, weil es zeigt, wie<br />
Menschen im Angesicht des<br />
Schreckens zusammenhalten.<br />
19<br />
Der Text, den ich gerne geschrieben<br />
hätte<br />
„Wenn du nicht tust, was du<br />
willst, wirst du verblassen / Du<br />
wirst mich nicht bei der Arbeit<br />
finden / Es macht zu viel Spaß,<br />
am Leben zu sein“ aus „Problems“<br />
von den Sex Pistols.<br />
Wenn ich die Sex Pistols höre,<br />
löst das immer noch ein rebellisches<br />
Gefühl in mir aus.<br />
20<br />
Ich las zuletzt<br />
Meine eigenen Memoiren,<br />
schonungslos. Ich<br />
musste sie für ein Hörbuch laut<br />
vorlesen, was bedeutete, dass<br />
ich tagelang in einem brütend<br />
heißen, provisorischen Studio<br />
auf Necker Island verbringen<br />
musste. Ich hatte eine alte Matratze<br />
und Decken zur Schallisolierung.<br />
Es war anstrengend,<br />
aber es hat auch großen Spaß<br />
gemacht, einige fantastische<br />
Erinnerungen wieder aufleben<br />
zu lassen. Manchmal dachte ich:<br />
„Der Typ ist total verrückt, was<br />
zum Teufel macht er da?“ Abgesehen<br />
davon habe ich gerade<br />
„Tisch für zwei“ von Amor<br />
Towles begonnen und es gefällt<br />
mir sehr gut.<br />
21<br />
Mein Lieblingsbuch<br />
„21 Lektionen für das 21.<br />
Jahrhundert“ von Yuval Noah<br />
Harari. Der israelische Historiker<br />
befasst sich mit einigen der<br />
komplexesten Fragen, denen die<br />
Welt gegenübersteht, und hat<br />
ein Händchen dafür, beängstigende,<br />
komplexe Themen nachvollziehbar<br />
und verständlich zu<br />
machen. Seine Bücher lesen sich<br />
wie Krimis.<br />
22<br />
Das Buch, von dem ich<br />
wünschte, ich hätte es<br />
selber geschrieben<br />
„In 80 Tagen um die Welt“ von<br />
Jules Verne. Es hat meine Abenteuerlust<br />
geweckt und viele<br />
Jahrzehnte später einen großen<br />
Einfluss auf meine Entscheidung<br />
gehabt, unsere rekordverdächtigen<br />
Ballonfahrten anzutreten.<br />
23<br />
Man soll seinem<br />
Instinkt vertrauen<br />
und seinem Herzen<br />
folgen, rät Richard<br />
Branson (73)<br />
Das Buch, das ich nicht zu<br />
Ende lesen konnte<br />
„Middlemarch“ von George Eliot,<br />
Pseudonym für die Schriftstellerin<br />
Mary Ann Evans, war zu<br />
schwer für mich, als ich noch zur<br />
Schule ging. Ich habe vor, all die<br />
großartigen Bücher zu lesen, die<br />
ich verpasst habe, wenn ich endlich<br />
weniger umtriebig werde<br />
VIRGIN GROUP<br />
und gezwungen bin, in einem<br />
Sessel zu sitzen, aber dieser Tag<br />
kann warten.<br />
24<br />
Ein leider unterschätztes<br />
Buch<br />
„The Art of Pollination: The Irrepressible<br />
Jane Tewson“. Das<br />
Buch von Martin Flanagan über<br />
die hoch engagierte britische<br />
Philanthropin und Gründerin<br />
mehrerer gemeinnütziger Organisationen<br />
zeigt, wie Empathie<br />
die Welt verändern kann, wenn<br />
eine ungewöhnliche Kombination<br />
von Menschen zusammenkommt.<br />
25<br />
Zur Person<br />
Richard Branson,<br />
geboren am 18. 7.<br />
1950 in Blackheath,<br />
London/<br />
England. Sein<br />
Mischkonzern<br />
Virgin Group ist<br />
in der Musikindustrie,<br />
Telekommunikation,<br />
Luftfahrt und der<br />
Eisenbahnbranche<br />
tätig.<br />
Abenteurer bei<br />
Atlantiküberquerungen<br />
und<br />
Erdumrundungen.<br />
Branson ist<br />
verheiratet und<br />
hat drei Kinder.<br />
virgin.com<br />
Ein sehr überbewertetes<br />
Buch<br />
Alle Business-Ratgeber. Sie sind<br />
trocken und selbstgerecht und<br />
ziehen sich einfach über Hunderte<br />
von Seiten mit sinnlosen<br />
Plattitüden hin. Ich sage: Vertrauen<br />
Sie Ihrem Instinkt, folgen<br />
Sie Ihrem Herzen und arbeiten<br />
Sie ohne Unterlass, bis Sie<br />
Erfolg haben!
10|SONNTAG<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
NATUR & WISSEN|11<br />
BODENSEE<br />
Attrappen für<br />
Waldrappe<br />
Attrappen aus dem 3D-<br />
Drucker animieren elf<br />
Waldrappe zu nisten.<br />
Einst bevölkerten Waldrappe<br />
große Teile des<br />
Alpen- und Mittelmeerraums.<br />
Über die Jahrhunderte<br />
verschwanden die gänsegroßen<br />
Zugvögel jedoch vom<br />
europäischen Kontinent.<br />
Dank eines Auswilderungsprojekts<br />
sind mittlerweile<br />
wieder einige Exemplare in<br />
unseren Breitengraden heimisch.<br />
Nun gab es die nächste<br />
Erfolgsmeldung.<br />
Elf Waldrappe haben in<br />
einer Felsnische am Bodensee<br />
bei Überlingen/Deutschland,<br />
rund 60 Kilometer von<br />
der österreichischen Grenze<br />
entfernt, zu nisten begonnen<br />
– dank zweier Attrappen.<br />
Diese wurden mit einem<br />
3D-Drucker erzeugt und<br />
entsprechend an den Felsen<br />
positioniert. Die echten Artgenossen<br />
wurden dadurch<br />
animiert. „Der Platz wurde<br />
sehr gut aufgenommen“,<br />
sagte Anne-Gabriela Schmalstieg<br />
vom sogenannten<br />
Waldrapp-Team. „Wir sind<br />
sehr optimistisch, dass in<br />
der Felswand auch gebrütet<br />
wird.“<br />
Noch seien keine Eier in<br />
den Nestern. Die Hoffnung<br />
auf Küken sei bei aktuell<br />
drei Brutpaaren und einem<br />
potenziell vierten allerdings<br />
auch in diesem Jahr hoch.<br />
„Nächste Woche könnte es<br />
schon losgehen mit dem<br />
Brüten“, glaubt Schmalstieg.<br />
Der Waldrapp, eine markante<br />
Erscheinung<br />
IMAGO<br />
Auch wenn der Kälteeinbruch<br />
zuletzt wertvolle<br />
Nahrungsquellen<br />
zerstört hat, sind seit<br />
einigen Tagen millionenfach<br />
Bienen unterwegs, um wertvollen<br />
Blütenstaub einzusammeln.<br />
Die fleißigen Insekten fliegen<br />
dabei mancherorts auch im<br />
Dienst der Wissenschaft. Denn<br />
Forscher haben herausgefunden,<br />
dass die Honigbienen<br />
längst nicht nur Pollen und<br />
Nektar aufnehmen, sondern<br />
auch Schadstoffe aller Art. Dafür<br />
interessieren sich Wissenschaftlerinnen<br />
wie Daniela Haluza<br />
von der Abteilung für Umwelthygiene<br />
und Umweltmedizin<br />
des Zentrums für Public<br />
Health an der MedUni Wien.<br />
Zusammen mit einem Team hat<br />
Haluza zuletzt eine groß angelegte<br />
Übersicht über die entsprechenden<br />
Forschungsarbeiten in<br />
Europa erstellt. Dafür wurden 19<br />
Studien unter anderem aus Italien,<br />
Frankreich, Serbien, Spanien,<br />
den Niederlanden und Polen<br />
gesichtet und deren Kernaussagen<br />
zusammengefasst.<br />
Bienen als<br />
Detektive für<br />
Schwermetalle<br />
Bienen sammeln bei<br />
ihrer Nahrungssuche<br />
mit den Pollen auch<br />
Schadstoffe aus Luft,<br />
Boden und Wasser<br />
ein. Forscher leiten<br />
davon Details über<br />
die Umweltverschmutzungen<br />
ab.<br />
Von Klaus Höfler<br />
„Wir konnten mit unserer Analyse<br />
zeigen, dass die Bienen einen<br />
herausragenden Indikator<br />
für das Ausmaß der Umweltverschmutzung<br />
in einer bestimmten<br />
Region darstellen“, resümiert<br />
Haluza. Zu den Arten von<br />
Schadstoffen, die von Bienen<br />
aufgenommen werden können,<br />
gehören Schwermetalle wie Blei<br />
und Quecksilber, Pestizide und<br />
Herbizide, Luftschadstoffe wie<br />
Stickstoffdioxid und Feinstaub<br />
sowie organische Chemikalien<br />
aus verschiedenen Quellen.<br />
Wie man zu diesen Daten kommt?<br />
Die Forscherinnen und Forscher<br />
nehmen die von ihren Sammelflügen<br />
zurückkehrenden Honigbienen<br />
und streifen deren sogenannte<br />
Pollenhöschen ab oder<br />
sammeln verendete Bienen ein.<br />
„Die Pollen werden untersucht,<br />
um Informationen über Luftund<br />
Bodenqualität, Schadstoffbelastung,<br />
Pflanzengesundheit<br />
und andere Umweltfaktoren zu<br />
liefern“, erklärt Haluza, die sich<br />
beeilt hinzuzufügen, dass bei<br />
diesem Analyseverfahren keine<br />
Biene zu Schaden kommt.<br />
Da sich das Monitoring auf die<br />
ganze Biene oder die Pollenhöschen<br />
fokussiert, ist die Quantität<br />
des Honigs bei dieser Analysevariante<br />
kein Maß für die<br />
Aussagekraft. Etwas anders<br />
war eine Untersuchung in Kanada<br />
vor fünf Jahren aufgebaut.<br />
Wissenschaftler der University<br />
of British Columbia<br />
nutzten ebenfalls Bienen, um<br />
Verschmutzungsquellen im<br />
Großraum Vancouver zu identifizieren.<br />
Verglichen wurde dafür<br />
allerdings der Honig – einerseits<br />
aus dem Stadtzentrum, andererseits<br />
aus abgelegeneren Gebieten.<br />
Aus den Daten hat man eine<br />
kleinteilige Karte der Schadstoffbelastung<br />
erstellt. Honig<br />
aus den Arealen mit größerer<br />
städtischer Dichte wies demnach<br />
eine höhere Konzentration<br />
an Spurenelementen wie Blei,<br />
Kupfer, Cadmium, Zink und Titan<br />
auf als Honig aus ländlichen<br />
Gebieten. Klingt naheliegend.<br />
Überraschender waren die Ergebnisse<br />
einer Analyse der jeweiligen<br />
Bleiisotopenzusammensetzung.<br />
Als Quelle der<br />
Schadstoffe wurde nämlich zum<br />
einen verbleites Benzin ausgemacht,<br />
das in Nordamerika zwar<br />
in den 1990er-Jahren verboten<br />
wurde, dessen Emissionen aber<br />
heute noch in der Umwelt – und<br />
damit im Honig – zu finden sind.<br />
Zum anderen rückte der Schiffsverkehr<br />
im Hafen Vancouvers in<br />
den Fokus. Mehr als 70 Prozent<br />
der Schiffe kommen aus Asien.<br />
Sie bunkern dort asiatische Erdölprodukte<br />
als Treibstoff, dessen<br />
geochemische Spuren dann<br />
in Kanada im Honig auftauchen.<br />
Globalisierung der anderen<br />
Art.<br />
Aber auch in Europa herrscht Ungemach.<br />
Hier sind die für ihren<br />
Fleiß bekannten Tiere massiven<br />
Staatsfläche<br />
Ein Bienenvolk besteht aus<br />
bis zu 80.000 Bienen und<br />
sucht in einem Umkreis<br />
von etwa zwei bis fünf<br />
Kilometern um seinen<br />
Bienenstock Nahrung.<br />
Daniela<br />
Haluza,<br />
Umweltwissenschaftlerin<br />
in Wien IMAGO,<br />
UNIVERSITÄT WIEN/PUIU<br />
Bedrohungen ausgesetzt. Neben<br />
der Varroamilbe, die die Bienenlarven<br />
und -puppen, aber<br />
auch erwachsene Tiere tödlich<br />
schädigt, ist es vor allem auch<br />
die vermehrte Verbreitung von<br />
Pestiziden und Insektiziden auf<br />
den Feldern. Diese Gifte stören<br />
das Orientierungsvermögen<br />
und Gedächtnis der Bienen und<br />
schwächen ihr Immunsystem.<br />
In der Folge finden die Tiere<br />
nicht mehr zu ihrem Stock zurück<br />
und werden anfälliger für<br />
Krankheiten, die zum Kollaps<br />
des ganzen Bienenvolkes führen<br />
können.<br />
Dazu kommt das Fehlen von<br />
Blühpflanzen aufgrund von Bodenversiegelung,<br />
Monokulturen<br />
in der Landwirtschaft oder<br />
akkurat gestutzten Rasenflächen.<br />
Dieser Rückgang beim<br />
Vorkommen bremst auch deren<br />
noch gezieltere Nutzung als<br />
Schadstoffanzeiger, die der Umweltmedizinerin<br />
in Verbindung<br />
mit anderen Messnetzwerken,<br />
Überwachungssystemen und<br />
Datenplattformen vorschwebt.<br />
Die gesammelten Daten können<br />
dazu verwendet werden, um<br />
Umweltverschmutzung zu<br />
überwachen, Entwicklungen zu<br />
verfolgen und gesetzte Umweltschutzmaßnahmen<br />
zu evaluieren.<br />
„Denn Bienen helfen als Biomonitore,<br />
die Auswirkungen<br />
menschlicher Aktivitäten auf<br />
die Umwelt besser zu verstehen<br />
und darauf zu reagieren“, erklärt<br />
Haluza.<br />
IN SECHS STÄDTEN<br />
Auf ein<br />
Bier mit<br />
Forschenden<br />
Das Festival „Pint of<br />
Science“ bringt Wissenschaft<br />
in Lokale.<br />
Wie wir mit Nanotechnologie<br />
die Welt verändern<br />
können“ und dazu<br />
ein Seidel. „Winzige Helden<br />
der Neurowissenschaften:<br />
von Bakterien bis Zebrafische“<br />
und dazu ein Krügel.<br />
„Denken, Verdauen, Handeln:<br />
die Verbindung von Geist<br />
und Körper entschlüsselt“<br />
und dazu ein Pfiff …<br />
Wissenschaft herauszuholen<br />
aus dem Elfenbeinturm,<br />
hin an jene Orte,<br />
wo sie in der Regel eher<br />
weniger ein Thema ist, nämlich<br />
in die Lokale der Stadt,<br />
das ist das Ziel des Wissenschaftsfestivals<br />
„Pint of<br />
Science“.<br />
Von 13. bis<br />
15. Mai ist<br />
es wieder<br />
so weit. In<br />
Lokalen in<br />
Wien, Innsbruck,<br />
Graz,<br />
Salzburg,<br />
Kufstein<br />
und Krems<br />
präsentieren<br />
Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftler „bei<br />
einem Glas Bier modernste<br />
Forschung, aktuelle wissenschaftliche<br />
Erkenntnisse<br />
und deren gesellschaftliche<br />
Auswirkungen“, wie es in<br />
einer Aussendung der Veranstalter<br />
heißt.<br />
Das ursprünglich 2013 in<br />
England von zwei Medizinern<br />
lancierte Festival gibt<br />
es nun schon in 24 Ländern<br />
und 400 Städten und fand<br />
bereits mehrmals in Österreich<br />
statt. Heuer gibt es in<br />
den sechs ausgewählten<br />
Städten 50 Veranstaltungen<br />
mit mehr als 100 Vortragenden.<br />
pintofscience.at
12|SONNTAG<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
POLITIK & DEMOKRATIE|13<br />
EUROPA<br />
WAHLT<br />
Die alte<br />
Steinbrücke in<br />
Konjic ist eine<br />
der schönsten<br />
Brücken der<br />
osmanischen<br />
Zeit<br />
IMAGO<br />
Der preisgekrönte<br />
Ombra-Tisch<br />
wird noch<br />
heute von<br />
Besim Nikšić<br />
gebaut<br />
Die<br />
Schnitzer<br />
am Fluss<br />
In Konjic in Bosnien ist das<br />
Holzschnitzen eine Volkskunst.<br />
Drei Kriege überstand die<br />
Manufaktur von Besim Nikšić.<br />
Seine Söhne schafften nun den<br />
Aufbruch in die Moderne.<br />
Schlüsselthemen<br />
Europas:<br />
In einer<br />
Serie von<br />
Reportagen<br />
vor der<br />
EU-Wahl<br />
leuchten<br />
wir Themen<br />
aus, die für<br />
die Zukunft<br />
Europas<br />
entscheidend<br />
werden.<br />
Heute:<br />
Aufbruch im<br />
Wartesaal<br />
Europas<br />
Von Nina Koren<br />
Die vierte<br />
Generation:<br />
Orhan Nikšić<br />
arbeitet heute<br />
mit Topdesignern<br />
aus<br />
aller Welt<br />
zusammen<br />
Bosnien-Herzegowina<br />
Republika<br />
Srpska<br />
Bosniakisch-Kroatische<br />
Föderation<br />
Kroatien<br />
Banja<br />
Luka<br />
Quelle: APA<br />
Adria<br />
Konjic<br />
Serbien<br />
Bosnien-<br />
Herzegowina<br />
Sarajevo Srebrenica<br />
Montenegro<br />
Was einem Fischer<br />
das Meer, ist Besim<br />
Nikšić der Wald.<br />
Holz. Dort sind seine<br />
Hände zu Hause. Sie sind faltig<br />
und alt, doch wenn<br />
Nikšić von seinem langen Leben<br />
erzählt, sind es seine Finger, die<br />
sprechen. Lebendig, geschmeidig,<br />
sie scheinen freundlich in<br />
die Welt zu lachen wie das Gesicht<br />
des alten Mannes. 89 Jahre<br />
hat er in seiner Heimatstadt<br />
verbracht und er tut, was er immer<br />
schon tat: Kunstwerke mit<br />
seinen Händen erschaffen.<br />
Wir befinden uns 40 Kilometer<br />
südlich von Sarajevo. Tief<br />
eingeschnitten zwischen den<br />
faltigen Rücken des Dinarischen<br />
Gebirges, am Ufer der türkisblauen<br />
Neretwa, liegt Konjic. Die<br />
Neretwa rauscht hier, aus der<br />
Schlucht kommend, unter der<br />
geschwungenen alten Steinbrücke<br />
hindurch, die einst noch von<br />
den Osmanen erbaut, im Zweiten<br />
Weltkrieg beschädigt und<br />
dann wieder aufgebaut wurde.<br />
Konjic: Wie keine andere Stadt<br />
steht sie für die traditionelle<br />
Schnitzkunst Bosniens. Nirgendwo<br />
sonst sieht man so viele<br />
Werkstätten auf einem Fleck.<br />
Viel hat der Fluss gesehen,<br />
viel hat Besim Nikšić gesehen.<br />
Vor mehr als 100 Jahren erlernte<br />
sein Großvater Gano in Konjic<br />
die Kunst der Holzschnitzer. Seine<br />
Söhne bauten eine Werkstatt<br />
auf. Es folgte der Erste Weltkrieg,<br />
der ausbrach, nachdem<br />
der österreichische Thronfolger<br />
Franz Ferdinand in Sarajevo angeschossen<br />
worden war und im<br />
alten Konat, der Villa des Gouverneurs,<br />
verblutete.<br />
Die Schnitzerei der<br />
Nikšić überstand die<br />
Wirren des Ersten<br />
Weltkriegs, erholte<br />
sich, überstand die Wirren des<br />
Zweiten Weltkriegs. Im kommunistischen<br />
Tito-Jugoslawien lief<br />
es mehr schlecht als recht, als<br />
Besim Nikšić die Holzschnitzerei<br />
in den 50er-Jahren in dritter<br />
Besim Nikšić<br />
(89): In dritter<br />
Generation<br />
übernahm er<br />
in den 50er-<br />
Jahren die<br />
Schnitzerei<br />
IRFAN REDŽOVIĆ (4)<br />
Er ließ sich auf<br />
die Zukunftsvisionen<br />
seiner<br />
Söhne ein<br />
Generation übernahm. Das Ende<br />
des Sozialismus mündete in das<br />
Grauen der Jugoslawienkriege;<br />
auch Konjic, strategisch eine<br />
Schlüsselstelle, wurde schwer<br />
getroffen.<br />
1995 endete der Krieg mit dem<br />
Dayton-Abkommen, Besim öffnete<br />
den Betrieb wieder und versuchte<br />
der Werkstatt in den<br />
Nachkriegsjahren unter schwierigen<br />
Bedingungen wieder Leben<br />
einzuhauchen. 2016 stiegen<br />
schließlich seine beiden Söhne<br />
ein, Orhan und Adem.<br />
Mittlerweile ist Bosnien erneut<br />
im Umbruch. Das Land<br />
kämpft mit einer komplizierten<br />
Staatsstruktur, immer noch<br />
ethnonationalistisch orientiertem<br />
politischen Personal und<br />
starker Emigration. Doch im<br />
März erhielt Bosnien grünes<br />
Licht für EU-Beitrittsgespräche;<br />
viele im Land atmen erleichtert<br />
auf.<br />
Orhan Nikšić etwa, Besims<br />
Sohn. Er ist Rückkehrer.<br />
Und was für einer.<br />
Als Jugendlicher<br />
ging er an ein College in den USA,<br />
„ich wollte die Welt sehen“. Als<br />
in seiner Heimat Bosnien der<br />
Krieg ausbrach, hängte Orhan<br />
an der Universität in Stanford<br />
sein Doktorat in Wirtschaftswissenschaften<br />
an. Es folgte eine<br />
steile internationale Karriere<br />
als Analyst und Senior Economist<br />
bei der Weltbank, Projekte<br />
von Palästina bis Kosovo. Und<br />
dann: Konjic. Orhan kehrte zurück<br />
in die Kleinstadt seiner<br />
Kindheit, aus der sein Vater nie<br />
hinausgekommen war. Und<br />
stieg ein in die Schnitzerei. „Ich<br />
habe meine Heimat vermisst,<br />
unsere Familie“, sagt Orhan.<br />
Generation vier übernahm das<br />
Ruder. Orhan und sein Bruder<br />
Adem entwickelten eine neue<br />
Vision für den Familienbetrieb.<br />
„Wir wollten unsere Liebe zu modernem<br />
Design mit der Tradition<br />
der Handwerkskunst in Konjic<br />
und in unserer Familie verbinden“,<br />
erklärt Orhan Nikšić.<br />
„Und wir wollten zeigen: Auch in<br />
Bosnien kann man erfolgreich<br />
sein, Arbeitsplätze schaffen, vorankommen.“<br />
Man dürfe nicht<br />
darauf warten, dass der hiesige<br />
Staat die eigenen Projekte sonderlich<br />
unterstütze – „aber mit<br />
Eigeninitiative ist hier sehr viel<br />
möglich“.<br />
Bosnien sieht er in der<br />
Zukunft eindeutig in<br />
der EU: „Wir sind Teil<br />
Europas, wir sollten<br />
auch offiziell in die europäische<br />
Familie aufgenommen werden“,<br />
sagt Orhan Nikšić. Und was ist<br />
mit den Nationalisten, die eine<br />
gemeinsame Zukunft hintertreiben?<br />
„Ich denke, auch sie<br />
wissen, dass ihre Ansichten<br />
letztlich der Vergangenheit angehören;<br />
auch sie merken, dass<br />
Fortsetzung auf Seite 14
14|SONNTAG<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
POLITIK & DEMOKRATIE|15<br />
EUROPA<br />
WAHLT<br />
Aufbruch Bosniens<br />
Im März erhielt Bosnien grünes<br />
Licht für EU-Beitrittsgespräche;<br />
bis zu einem Beitritt<br />
ist es noch weit, doch die<br />
Aussicht macht vielen Hoffnung.<br />
Konflikte mit der serbischen<br />
Teilrepublik haben<br />
jahrelang für Spannungen in<br />
dem Vielvölkerstaat gesorgt<br />
und Reformen erschwert. Der<br />
heutige Staat ging aus dem<br />
Dayton-Abkommen hervor,<br />
das 1995 den Bosnienkrieg<br />
beendete (100.000 Tote). Es<br />
schuf einen einheitlichen,<br />
stark dezentralisierten Staat,<br />
bestehend aus: Föderation<br />
Bosnien Herzegowina (mehrheitlich<br />
von Bosniaken und<br />
bosnischen Kroaten bewohnt),<br />
Republika Srpska (mehrheitlich<br />
bosnische Serben).<br />
DOSSIER<br />
QR-Code<br />
scannen und<br />
unser Dossier<br />
zu den<br />
wichtigsten<br />
Institutionen<br />
der EU lesen.<br />
Fortsetzung von Seite 13<br />
der Weg nach Europa für uns alle<br />
besser ist.“<br />
Zu behaupten, der Plan der<br />
Nikšić-Brüder sei aufgegangen,<br />
ist eine Untertreibung. Heute arbeitet<br />
„Zanat“ (zu Deutsch:<br />
„Handwerk“), wie die Brüder den<br />
Betrieb nun nennen, mit den<br />
weltbesten Designern zusammen<br />
– von Monica Förster über<br />
Michele de Lucchi bis zum japanischen<br />
Stardesigner Naoto Fukasawa.<br />
Quer über den Erdball<br />
sind Designertische oder Stühle<br />
von Zanat zu finden. Auch Kastner<br />
& Öhler hat Interieur aus<br />
dem Hause Zanat in seinen Verkaufsräumen<br />
aufgestellt. „Ich<br />
hätte mir nicht träumen lassen,<br />
dass möglich ist, was meinen<br />
Söhnen da gelungen ist“, strahlt<br />
Besim Nikšić stolz.<br />
Der Duft nach Holz: Er<br />
durchdringt hier alles.<br />
Wenn man den Raum<br />
der Schnitzer betritt,<br />
herrscht Stille; eine Stille, die<br />
nicht leise ist; sie kommt von<br />
der Konzentration. Durchbrochen<br />
vom kratzenden Geräusch<br />
der Hohlbeitel, mit denen Kerben<br />
ins Holz geritzt werden, muschelförmig,<br />
blumig, dann wieder<br />
geometrisch-linear; zwischendurch<br />
ein gezieltes Schlagen<br />
mit dem Hammer, ein<br />
zufriedener Seufzer der Schnitzer,<br />
wenn das Ornament auf ihrem<br />
Werkstück gelungen ist.<br />
„Ich arbeite am liebsten mit<br />
Walnussholz“, sagt Amira. „Es<br />
ist etwas weicher, kommt mir<br />
entgegen“, sagt die 25-Jährige.<br />
Sie hat hier ihre Kunst erlernt.<br />
Auch Dzejna, am großen Fenster,<br />
ist völlig vertieft in das Blumenmuster,<br />
das sie in ein Stück<br />
Esche zaubert. Fortgehen, ins<br />
Ausland? „Das kam mir noch nie<br />
in den Sinn“, sagt die 23-Jährige.<br />
Tatsächlich herrscht dank Zanat<br />
und anderen Unternehmern<br />
hier in Konjic Vollbeschäftigung<br />
in der Stadt. „Es ging uns nie nur<br />
ums Geld“, sagt Orhan Nikšić,<br />
„wir wollen auch lebenswertes<br />
Leben für die Menschen hier erschaffen.“<br />
Es ist ein Markenzeichen von<br />
Zanat, dass hier die Generationen<br />
zusammengreifen. Das Lob<br />
kommt von Jasna Mujkić. Sie<br />
hat den Ombra-Tisch entworfen,<br />
der mit dem Interior Innovation<br />
Award 2012 ausgezeichnet wurde,<br />
und sie war die erste Designerin,<br />
die mit Orhan und seinem<br />
Bruder begann, die traditionellen<br />
Muster neu aufzugreifen<br />
und moderne Ausdrucksformen<br />
zu entwickeln.<br />
Jasna Mujkić sitzt in ihrem<br />
Kreativbüro an der Akademie<br />
der bildenden Künste<br />
in Sarajevo – im „Dom“, wie<br />
sie sagt, direkt unter dem halbrunden<br />
Dach der Kuppel des imposanten<br />
Gebäudes im Zentrum<br />
der Stadt. „Solange ich die Stiegen<br />
hier herauf schaffe, werde<br />
ich hier unterrichten“, sagt die<br />
international erfolgreiche Designerin,<br />
die hier Studenten aus<br />
allen Landesteilen Bosniens<br />
ausbildet. „Ich habe immer<br />
schon geometrische Formen geliebt“,<br />
sagt Mujkić. Für die Platte<br />
des Ombra-Tisches werden kleine<br />
Würfel aus massivem Walnussholz<br />
verwendet und zu sogenannten<br />
„Penrose-Kachelstrukturen“<br />
verbunden.<br />
„Innerhalb der Penrose-Struktur<br />
ist keine Form wiederholbar,<br />
Titos Konferenzzimmer<br />
im Atombunker<br />
in Konjic KOREN<br />
jede ist einzigartig, eine Formel,<br />
die auf die Unendlichkeit verweist“,<br />
sagt Jasna Mujkić. „Dies<br />
über Holz auszudrücken, hat<br />
mich fasziniert.“ Ombra, Schatten,<br />
habe sie den Tisch genannt,<br />
weil die Oberfläche wirke wie<br />
ein fließender Fluss und zugleich<br />
wie die beweglichen<br />
Schattenbilder, die Blätter eines<br />
Baumes erzeugen. Zusammengebaut<br />
zu dem komplexen Muster<br />
werden die Holzstücke noch<br />
heute vom 89-jährigen Besim<br />
Nikšić.<br />
Die Frage, wie sie auf die<br />
Zukunft ihres Landes<br />
blicke, erstaunt die Designerin.<br />
„Optimistisch<br />
natürlich“, erklärt Jasna Mujkić.<br />
„Wir haben so viele kreative Leute<br />
im Land, die etwas Neues erschaffen<br />
wollen.“ Stolz zeigt sie<br />
Arbeiten der Nachwuchsdesigner<br />
an der Akademie – kubistisch<br />
anmutende Karosseriedesigns<br />
für ein E-Auto etwa. Im<br />
Ausland halte sich ein Bild des<br />
Nachkriegsbosniens, das zum<br />
Teil überholt sei. „Das ist wie mit<br />
dem Licht der Sterne, das wir sehen:<br />
Es ist so lange unterwegs,<br />
dass wir nur das Abbild des Sternes<br />
sehen, den es in dieser Form<br />
gar nicht mehr gibt. Wenn eines<br />
Tages die Tür Europas für uns<br />
aufgeht, wird man das erkennen.“<br />
Ein paar Gehminuten<br />
weiter unterrichtet Valida<br />
Repovac-Nikšić an<br />
der Akademie für Politikwissenschaft.<br />
Auch sie hat<br />
an Universitäten im Ausland<br />
studiert und unterrichtet; auch<br />
sie ist zurückgekehrt. Natürlich<br />
gebe es Probleme mit einigen<br />
Vertretern des politischen Personals,<br />
sagt sie. „Aber es gibt so<br />
viele Initiativen der Zivilgesellschaft<br />
in Bosnien, die sich da-<br />
Völlig vertieft<br />
in die Schnitzarbeit:<br />
Dzejna<br />
(23). Sie fühlt<br />
sich hier zu<br />
Hause<br />
IRFAN REDŽOVIĆ (4)<br />
von nicht aufhalten lassen.“ Gerade<br />
die Frauen, die oftmals ihre<br />
ganze Familie im Krieg verloren<br />
haben, hätten beim Wiederaufbau<br />
Enormes geleistet. Und wieder<br />
fällt der gleiche Satz: „Wie<br />
sonst als optimistisch könnte<br />
ich in die Zukunft blicken?“,<br />
fragt sie.<br />
Ja, es mache sie wütend, wenn<br />
manche die alte Kriegsrhetorik<br />
und ethnische Klischees bedienten.<br />
Dennoch: „Wenn man im Alltag<br />
mit den Menschen spricht,<br />
sieht man, dass sie in allen Landesteilen<br />
eines wollen: Arbeit,<br />
von der man leben kann. Und sie<br />
Hier braucht es<br />
vollste Konzentration<br />
kommen miteinander aus.“ In<br />
beiden Teilen Bosniens sei die<br />
Unterstützung für einen EU-<br />
Beitritt hoch.<br />
Auch Konjic selbst, die<br />
Stadt an der Brücke,<br />
hat sich mit dem unternehmerischen<br />
Aufbruch<br />
seiner Bewohner gewandelt.<br />
Wie sehr, zeigt ausgerechnet<br />
das über Jahrzehnte geheimste<br />
Bauwerk der Stadt: Ab<br />
1953 ließ Tito hier seinen Kommando-Atombunker<br />
bauen. Versteckt<br />
unter den Wäldern und<br />
Bergen nahe dem Fluss, ist er<br />
heute noch original eingerichtet<br />
und zu besichtigen. Im Fall eines<br />
Atomkriegs hätte die gesamte<br />
jugoslawische Staatsführung<br />
hier unten überleben sollen.<br />
6500 m 2 Tunnelsystem hätten<br />
im Ernstfall Platz für 350<br />
Menschen geboten. Noch heute<br />
kann man, 280 Meter unter der<br />
Erde, Titos mit ockerfarbenen<br />
Stoffsitzen ausgestatteten Konferenzraum,<br />
sein schlichtes<br />
Schlafzimmer oder die Stockbetten<br />
für die Offiziere besichtigen.<br />
„Es erschüttert mich zu sehen,<br />
wie sehr Tito dachte, die Gefahr<br />
würde von außen kommen –<br />
In der<br />
Werkstatt<br />
verbinden sich<br />
die alten Traditionen<br />
mit<br />
den Formen<br />
modernen<br />
Designs<br />
Die Schnitzer<br />
dürfen sich<br />
keine Schnitzer<br />
erlauben<br />
nicht ahnend, dass Jugoslawien<br />
von innen zerbrechen würde<br />
und alles in diesem entsetzlichen<br />
Krieg endet“, sagt eine Besucherin.<br />
Die Abschottung, für<br />
die der Bunker steht, die Angst<br />
vor dem Außen: Sie machen<br />
deutlich, wie sehr sich die Zeiten<br />
seit damals verändert haben.<br />
Wir stehen heute mit<br />
der Welt im Austausch“,<br />
sagt Orhan<br />
Nikšić, „nur so können<br />
wir erfolgreich sein.“ Das<br />
gilt auch für Konjic selbst: Die<br />
jahrhundertealte Schnitzkunst<br />
der Stadt wurde 2017 von der<br />
Unesco auf die Liste des immateriellen<br />
Weltkulturerbes aufgenommen.<br />
„Wir sind glückliche<br />
Menschen“, sagt Orhan Nikšić:<br />
„Wir erschaffen Schönheit.“ Sein<br />
Vater sieht das ähnlich. „Kommt<br />
im Sommer wieder, wenn das<br />
Wetter besser ist“, sagt Besim<br />
Nikšić, „dann angle ich euch einen<br />
Fisch aus der Neretwa und<br />
wir essen zusammen.“ Tische<br />
und Sessel dafür hat er ja reichlich.<br />
Dieser Beitrag wurde von der EU im<br />
Rahmen eines Förderprogramms des<br />
Europäischen Parlaments kofinanziert.
16|SONNTAG<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
DIE WELT IN ZAHLEN UND DATEN|17<br />
4,8<br />
Kilometer ist<br />
der rosarote Pink<br />
Sands Beach auf<br />
Harbour Island,<br />
Bahamas. Der Farbton<br />
stammt von den<br />
Gehäusen winziger<br />
Meeresorganismen.<br />
254<br />
R<br />
Welcher Strand der schönste ist,<br />
das muss jeder für sich selbst<br />
herausfinden. Hier gibt es als<br />
Anregung eine unverbindliche<br />
Auswahl von Traumstränden<br />
aus dem aktuellen Reiseführer<br />
von „Lonely Planet“:<br />
A<br />
B<br />
C<br />
D<br />
E<br />
F<br />
G<br />
H<br />
I<br />
J<br />
K<br />
L<br />
M<br />
N<br />
O<br />
P<br />
Q<br />
Die schönsten Strände<br />
der Welt (1 (Auswahl)<br />
Chesterman Beach, Kanada<br />
Sand Harbor, USA<br />
Venice Beach, USA<br />
Grayton Beach, USA<br />
Playa Holbox, Mexiko<br />
Frenchman’s Cove, Jamaika<br />
Bottom Bay, Barbados<br />
Gardner Bay, Ecuador<br />
Máncora Beach, Peru<br />
Baía dos Porcos, Brasilien<br />
Mahmya Island, Ägypten<br />
Mnemba, Sansibar, Tansania<br />
Le Morne Beach, Mauritius<br />
Palolem Beach, Indien<br />
Diamond Beach, Indonesien<br />
Squeaky Beach, Australien<br />
Cathedral Cove, Neuseeland<br />
C<br />
Strände: Das große Glück, auf Sand gebaut<br />
Für viele ist es ohne Strand kein richtiger Urlaub: Hier finden Sie eine Auswahl der schönsten oder spannendsten Strände der Welt.<br />
A<br />
Kanada<br />
7 B<br />
USA<br />
D<br />
R<br />
Mexiko E<br />
F<br />
Jamaika<br />
H Ecuador<br />
S<br />
I<br />
Peru<br />
Pink Sands<br />
Beach,<br />
Bahamas<br />
G<br />
Barbados<br />
Brasilien<br />
4<br />
Copacabana<br />
Kilometer lang misst der<br />
längste Strand der Welt. Die Praia do Cassino<br />
liegt in Brasilien zwischen Molhes da Barra und Barra do Chuí an der Grenze zu<br />
Uruguay. Seine Ausmaße bescherten dem Strand einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde.<br />
Sandige Sehnsuchtsorte<br />
des Menschen<br />
Für nicht wenige sind Strände der<br />
Inbegriff von Urlaub. Viele lieben<br />
die flachen Küstenabschnitte mit<br />
weißem oder goldenem Sand, sehr<br />
selten ist er auch rosa oder gar rot.<br />
Vulkanische Aktivitäten können<br />
den Sand auch schwarz färben.<br />
Galapagosinseln<br />
Fernando-de-<br />
Noronha-<br />
Nationalpark<br />
J<br />
Island<br />
A<br />
6<br />
Irland<br />
Portugal<br />
B<br />
C<br />
D<br />
Berneray,<br />
Schottland<br />
UK<br />
10<br />
Frankreich<br />
E<br />
Spanien<br />
Die schönsten Strände<br />
in Europa (1 (Auswahl)<br />
Eine unverbindliche Auswahl von<br />
Traumstränden in Europa aus der<br />
„Lonely-Planet“-Liste gibt es hier:<br />
1) „Best Beaches: 100 of the World’s Most Incredible Beaches“ von Lonely Planet ist eine als Reiseführer erschienene Auflistung von 100 ausgewählten Stränden weltweit.<br />
2) Der "Golden Beach Award 2024" ist ein Ranking des Onlineportals „Beachatlas“, das nicht nur nach den klassischen Badekriterien bewertet, sondern sozialen Nutzen, Diversität, Inklusion berücksichtigt.<br />
S<br />
Praia do Cassino,<br />
der längste Strand<br />
der Welt.<br />
A<br />
B<br />
C<br />
D<br />
E<br />
F<br />
G<br />
H<br />
I<br />
J<br />
Rauðasandur, Island<br />
West Beach, Schottland<br />
Keem Bay Beach, Irland<br />
Praia do Camilo, Portugal<br />
Platja Illetes, Spanien<br />
Sylt, Deutschland<br />
Baia di Ieranto, Italien<br />
Zlatni Rat, Bol, Kroatien<br />
Sarakiniko, Griechenland<br />
Kabak Beach, Türkei<br />
Von Karin Riess und Günter Pichler<br />
F<br />
Italien<br />
H<br />
G<br />
9<br />
Kroatien<br />
I<br />
Namibia<br />
Reynisfjara –<br />
der schwarze<br />
Strand auf<br />
Island.<br />
2<br />
J<br />
Türkei<br />
Griechenland<br />
Südafrika<br />
8<br />
K<br />
Ägypten<br />
L<br />
Der Strand<br />
auf der Insel<br />
Mnemba in<br />
Tansania<br />
L<br />
Tansania<br />
Kilometer Wanderung<br />
muss einem der<br />
Anblick des Papakōlea<br />
Beachs auf Hawaii wert<br />
sein. Der Sand ist grün,<br />
gefärbt vom Mineral Olivin.<br />
U<br />
6<br />
8<br />
Mauritius<br />
Dubai<br />
V.A.E.<br />
M<br />
Baia di leranto an<br />
der italienischen<br />
Amalfiküste.<br />
Österreich<br />
N<br />
Indien<br />
G<br />
Für einen schönen Strand<br />
braucht es nicht unbedingt<br />
ein Meer: Österreich hat dafür<br />
Strände an Seen und Flüssen<br />
zu bieten. Einer hat es im<br />
aktuellen Ranking von<br />
Beachatlas sogar unter die<br />
besten 100 der Welt geschafft –<br />
die Esplanade in Zell am See<br />
in Salzburg rangiert auf<br />
Platz 94. Das Onlineportal lobt<br />
besonders die Szenerie der<br />
Promenade zwischen hohen<br />
Bergen und dem Zeller See.<br />
5<br />
374 Urlauber dürfen<br />
sich aufgrund des<br />
Touristenansturms<br />
maximal eine Stunde<br />
in der Maya-Bucht in<br />
Thailand aufhalten.<br />
Der Film „The Beach“<br />
mit Leonardo DiCaprio<br />
machte den Strand<br />
weltberühmt.<br />
Thailand<br />
T<br />
O<br />
Shell Beach<br />
Indonesien<br />
Australien<br />
P<br />
Meter dick ist die<br />
Schicht von Herzmuscheln,<br />
die den Shell<br />
Beach in Australien bildet.<br />
Die Muscheln kommen<br />
in der Shark Bay<br />
häufig vor, ihre Schalen<br />
werden angeschwemmt.<br />
Golden Beach<br />
Award 2024 (2<br />
Neuseeland<br />
Q<br />
10<br />
Ein anderes Ranking bietet das<br />
Onlineportal Beachatlas mit den<br />
„besten Stränden der Welt“.<br />
Bora Bora, Franz.-Polynesien<br />
3<br />
Hawaii (USA)<br />
1<br />
Französisch-<br />
Polinesien<br />
628<br />
Die Esplanade am<br />
„Blaue Flaggen“ und damit die meisten wehten<br />
Zeller See.<br />
2023 an den Stränden in Spanien. Auf Platz 2 lag Griechenland (596),<br />
gefolgt von der Türkei (551), Italien (457) und Frankreich (403). Die Stiftung für<br />
Umwelterziehung vergibt „Blaue Flaggen“ für besonders schöne und saubere Strände.<br />
5<br />
Datenrecherche: Karin Riess und Günter Pichler; Illustrationen: AdobeStock (5), Imago (2) Getty (1);<br />
Quellen: <strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong>/Lonely Planet und Golden Beach Award 2024<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
8<br />
9<br />
10<br />
T<br />
Boulders Beach, Südafrika<br />
Waikiki Beach, Hawaii, USA<br />
Copacabana, Brasilien<br />
Maya Beach, Thailand<br />
Reynisfjara Strand, Island<br />
Glass Beach, USA<br />
JBR Beach, Dubai, V. A. E.<br />
Skelettküste, Namibia<br />
Omaha Beach, Frankreich<br />
U
18|SONNTAG<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
EINST & JETZT|19<br />
{<br />
Heute: der Pallawatsch<br />
Es gibt Begriffe, bei<br />
denen die Zunge<br />
angesichts der atemberaubend<br />
entschlossenen<br />
Wortmelodie beinahe<br />
reflexartig schnalzen<br />
will: Der „Pallawatsch“<br />
(auch Ballawatsch), den<br />
der Duden als Durcheinander,<br />
Wirrwarr bzw.<br />
Unsinn definiert, gehört<br />
dazu. Und: Dieses schöne<br />
Wort scheint, obwohl<br />
nicht mehr sehr geläufig,<br />
gut in unsere bewegten<br />
Zeiten zu passen.<br />
Der Ursprung des Begriffes<br />
dürfte mit ziemlicher<br />
Sicherheit im italienischen<br />
„balordaggine”<br />
liegen, das eine Dummheit<br />
oder Tölpelei bezeichnet.<br />
Häufig dem<br />
Wiener Raum zugeordnet,<br />
scheint er im östlichen<br />
Bundesgebiet<br />
Anwendung und Zuflucht<br />
gefunden zu haben.<br />
Das wie eine schöne<br />
Antiquität wirkende<br />
Wort erinnert nicht zuletzt<br />
an jene ferne Ära,<br />
als Österreich noch bis<br />
zur Adria reichte. Keine<br />
Querverbindung besteht<br />
indes zur „Watsche“.<br />
P<br />
allawatsch<br />
ARTENSCHUTZ<br />
Begriffe, die<br />
auf der roten<br />
Liste stehen.<br />
ist heute<br />
so einiges – wohl<br />
auch die nervös-wackelige<br />
Welt, obgleich der<br />
Begriff angesichts des<br />
geopolitischen Chaos zu<br />
verniedlichend wirkt.<br />
Wer will, kann auch noch<br />
ein passendes Adjektiv<br />
bilden – „pallawadschert“<br />
bedeutet wirr, schräg<br />
oder durcheinander. Von<br />
ähnlichem Schlag scheinen<br />
„Tamtam“ und „Tohuwabohu“<br />
zu sein, auch<br />
wenn keine unmittelbare<br />
Verwandtschaft besteht.<br />
Thomas Golser<br />
{<br />
Bild 1: Das<br />
Fotoalbum der<br />
Hopes. Bild 2:<br />
Die Ausstellung<br />
im hdgö<br />
LAURENZ PAULUS<br />
Sommerfrische<br />
(nicht nur) aus<br />
dem Bilderbuch<br />
Der Sommer kommt näher, damit auch die<br />
Hauptreisesaison. Wo der Tourismus in<br />
Österreich seine Ursprünge und auch welche<br />
Schattenseiten er hat, sieht man in zwei<br />
Ausstellungen in Wien.<br />
Von Miriam Al Kafur<br />
Daheim ist es doch am<br />
schönsten, besagt ein<br />
bekanntes Sprichwort.<br />
So schön, dass sich österreichweit<br />
gleich vier Ausstellungen<br />
mit dem Thema „Tourismus<br />
in Österreich“ auseinandersetzen,<br />
zwei davon in Wien.<br />
„Über Tourismus“ heißt die<br />
neue Schau im Architekturzentrum<br />
Wien (AzW). Das Wortspiel<br />
ist gewollt: Besucherinnen und<br />
Besucher erfahren mehr über die<br />
Geschichte des Tourismus, aber<br />
auch über seine Schattenseiten.<br />
Die Kuratorinnen Katharina Ritter<br />
und Karoline Mayer haben<br />
sich in den letzten zwei Jahren<br />
die wachsende Branche angesehen;<br />
inklusive Kehrseiten.<br />
Wer die Ausstellung betritt,<br />
wähnt sich auf einer Ferienmesse<br />
mit Stationenbetrieb. Am Beispiel<br />
des Grazer Hotel Daniel<br />
wird gezeigt, wie fortschrittlich<br />
der Nachkriegsbau seinerzeit gestaltet<br />
worden war und wie dieser<br />
saniert wurde, bevor er unter<br />
Denkmalschutz gesetzt wurde.<br />
Wie unterschiedlich die Reiselust<br />
im städtischen und ländlichen<br />
Bereich ist, wird ebenso<br />
thematisiert. Besonders der urbane<br />
Bereich leidet unter dem<br />
Kurzzeitvermieter Airbnb: „Es<br />
kommt zu Verwerfungen auf<br />
dem Immobilienmarkt, oft sind<br />
davon Städte mit schwachem<br />
Mieterschutz betroffen“, erklären<br />
die Kuratorinnen. Die Stadt<br />
Wien will mit einer Verordnung<br />
die Vermietung auf Airbnb einschränken.<br />
Der Klimawandel – „der Elefant<br />
im Raum“ – bekommt unter dem<br />
Schlagwort „Sonne“ seine eigene<br />
Station. Dort werden mögliche<br />
Klimaszenarien der Zukunft<br />
dank künstlicher Intelligenz visualisiert.<br />
„Es wird davon ausgegangen,<br />
dass die schmelzenden<br />
Gletscher zu Seen werden und<br />
damit ein neues Ziel für Touristen“,<br />
wagt Mayer einen Blick in<br />
die Zukunft. Und weiter: „Die Urlaubsziele<br />
Lignano und Bibione<br />
könnten zu Inseln werden und<br />
damit eine ähnlich exklusive<br />
Destination wie die Malediven.“<br />
Ferienimmobilien sind als Anlagen<br />
interessant, das ist nicht<br />
neu. Zuletzt wurde durch den<br />
Bau von Chalet-Dörfern ein Plus<br />
an Arbeitsplätzen versprochen.<br />
Ein leeres Versprechen, viele von<br />
ihnen gleichen nun Geisterorten.<br />
Ein weiterer Aspekt sei das Versäumnis,<br />
freie Seezugänge zu garantieren.<br />
„Erst nach massivem<br />
öffentlichen Druck wurden Maßnahmen<br />
in die Wege geleitet“, erklärt<br />
Mayer.<br />
Die fehlenden Seezugänge werden<br />
auch wenige Hundert Meter<br />
weiter im Haus der Geschichte<br />
Österreich (hdgö) thematisiert.<br />
Viele der Grundstücke am Wörthersee<br />
etwa wurden während<br />
der Nazizeit enteignet und kamen<br />
dann in die Hände der NS-<br />
Familie Hope bei ihrem Urlaub in Österreich in den 1950ern HDGÖ/HOPE<br />
Führungsriege. Doch so dunkel<br />
arrangiert ist die Ausstellung<br />
„Holidays in Austria“ am Wiener<br />
Heldenplatz nicht, beruht sie<br />
doch auf zwei Fotoalben der englischen<br />
Familie Hope, die in den<br />
frühen 1950er-Jahren Urlaub in<br />
Österreich machte. Viel mehr gewährt<br />
sie einen spannenden<br />
Blick von außen in das damals<br />
neu gegründete Österreich.<br />
Anders als beim AzW wird im<br />
hdgö gezeigt, wie die Grenzen<br />
zwischen öffentlichem und privatem<br />
Raum verschwinden. Die<br />
Aufnahmen der Hobbyfotografen<br />
Joyce und Eric Hope sind der<br />
rote Faden, der durch die Schau<br />
führt, Souvenirs und Gebrauchsgegenstände<br />
machen die Reise<br />
des Paares begreifbar. Die damals<br />
noch junge Republik vermarktete<br />
sich im Ausland als<br />
„billige Reisedestination“, erklärt<br />
Kurator Stefan Benedik.<br />
Grund genug für das junge Paar,<br />
den Jahresurlaub dort zu verbringen.<br />
Bild 3: Kurzzeitvermietungen<br />
als Problem<br />
Bild 4:<br />
Die Ausstellung<br />
im AzW<br />
ANA GAGO, LISA RASTL<br />
Zu den<br />
Ausstellungen<br />
„Holidays in Austria“<br />
ist bis 6. Jänner<br />
2025 im Haus der<br />
Geschichte Österreich<br />
am Heldenplatz zu<br />
sehen.<br />
hdgoe.at/holidays<br />
„Über Tourismus“<br />
läuft bis 9. September<br />
2024 im Architekturzentrum<br />
Wien im Museumsquartier.<br />
azw.at<br />
„Dass der Tourismus erhalten und<br />
gefördert werden muss, war eine<br />
Entscheidung, die in den ersten<br />
Wochen nach der Gründung der<br />
Zweiten Republik gefällt wurde“,<br />
sagt Benedik. Man versuchte,<br />
das Land von der Abschottung<br />
im NS-Regime zu lösen und öffnete<br />
die Türen für internationale<br />
Gäste. Interessantes Detail: Es<br />
wurden „Erziehungsfilme“ für<br />
die Österreicher gedreht, in denen<br />
veranschaulicht wurde, welche<br />
Werte vertreten werden sollen,<br />
um Gäste aus dem Ausland<br />
anzulocken. Historische Werbematerialien<br />
vermitteln ein Gefühl<br />
dafür, wie sich Österreichklischees<br />
über den Tourismus<br />
verfestigen konnten.<br />
Kulturtourismus steckte in<br />
den frühen 1950ern noch in den<br />
Kinderschuhen. Die Hopes besuchten<br />
trotzdem mehrere<br />
Staatsoper-Aufführungen pro<br />
Woche. Obwohl es noch keine<br />
Bildbearbeitungsprogramme<br />
gab, trickste Eric Hope bei der Zusammenstellung<br />
seiner Fotoalben:<br />
Die Auswirkungen des<br />
Kriegs ignorierte er gekonnt.<br />
Beim Blättern durch die schwarzen<br />
Seiten des Albums würde<br />
man nicht auf die Idee kommen,<br />
dass ein paar Jahre zuvor noch<br />
Gewalt die Straßen beherrschte.<br />
WIEN<br />
Handschrift<br />
der „Neunten“<br />
Originalblätter von Beethovens<br />
letzter Symphonie<br />
im Theatermuseum.<br />
Große Kunstwerke umweht<br />
stets die Aura des<br />
Unsterblichen, der Hauch der<br />
Geschichte, den keine noch<br />
so gute Reproduktion evozieren<br />
kann. Dies gilt auch<br />
für die handschriftliche<br />
Partitur von Ludwig<br />
van Beethovens 9. Sinfonie,<br />
die sich überwiegend in der<br />
Staatsbibliothek zu Berlin<br />
befindet. Normalerweise.<br />
Anlässlich des übermorgigen<br />
200. Jahrestags der Uraufführung<br />
ist es den Wiener<br />
Philharmonikern gelungen,<br />
einige Blätter temporär ins<br />
Wiener Theatermuseum zu<br />
holen.<br />
Dort sind nun bis 1. Juli<br />
wichtige Teile des 1. und<br />
4. Satzes zu sehen. Diese<br />
stammen aus dem einstigen<br />
Besitz des Wiener Musikverlegers<br />
Domenico Artaria,<br />
der diese nach dem<br />
Tod Beethovens 1827 aus<br />
dem Nachlass ersteigert<br />
hatte. Die Artaria-Blätter<br />
werden flankiert von einem<br />
Exemplar der Erstausgabe<br />
aus dem Besitz der Wiener<br />
Philharmoniker. Und Stardirigent<br />
Riccardo Muti, der das<br />
Orchester auch durch die<br />
Serie von Jubiläumskonzerten<br />
im Musikverein führen<br />
wird, steuerte zur Verdeutlichung<br />
der Rezeptionsgeschichte<br />
eine seltene Faksimile-Ausgabe<br />
aus 1924 bei.<br />
www.theatermuseum.at<br />
Teil von Beethovens Partitur<br />
der 9. Sinfonie THEATERMUSEUM
20|SONNTAG<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
ALPEN & ADRIA|21<br />
VENEDIG<br />
Erfolgreich<br />
abkassiert<br />
Eintritt bringt Venedig<br />
mehr Geld als erwartet.<br />
Als erste Metropole der<br />
Welt verlangt ja Venedig<br />
an ausgewählten Tagen Geld<br />
für den Eintritt in die Altstadt.<br />
Klassische Tagestouristen<br />
mussten fünf Euro<br />
zahlen, um Markusplatz und<br />
Co zu sehen. Den Auftakt<br />
machte der 25. April, bis zum<br />
heutigen 5. Mai galt die<br />
Regelung jeden Tag. Anschließend<br />
wird die Gebühr<br />
an allen Samstagen und<br />
<strong>Sonntag</strong>en von 11. Mai bis<br />
zum 14. Juli eingehoben, eine<br />
Ausnahme bildet wegen des<br />
„Tags der Republik“ nur das<br />
erste Juli-Wochenende.<br />
Eine erste Bilanz können<br />
die Verantwortlichen bereits<br />
ziehen, und sie ist durchaus<br />
überraschend: 700.000 Euro<br />
erwarteten sich die Verantwortlichen<br />
als Erlös aus dem<br />
gesamten Zeitraum von<br />
April bis Juli. Wie die Tageszeitung<br />
„Corriere della Sera“<br />
berichtet, wurde dieser Wert<br />
aber bereits nach den ersten<br />
acht Tagen übertroffen. Bis<br />
inklusive Donnerstag, 2. Mai,<br />
bezahlten 144.645 Personen<br />
die Eintrittsgebühr.<br />
Die Probezeit in diesem<br />
Jahr gilt als Test für eine<br />
generelle Einführung von<br />
Gebühren für Tagestouristen.<br />
2025 soll der Eintritt<br />
darüber hinaus bereits zehn<br />
Euro kosten. Das Geld soll in<br />
die Sanierung der Lagunenstadt<br />
investiert werden.<br />
Der Protest gegen den Eintritt<br />
verhallte ungehört LUKAS MOSER<br />
Früher fürchteten<br />
Seefahrer die Piraten<br />
aus der kroatischen<br />
Stadt Omiš. Heute<br />
belächelt man den<br />
Ort. Schuld ist eine<br />
spektakuläre Brücke.<br />
Von Marko Petelin<br />
und Georg Lux<br />
Wenn viele Touristen<br />
durch die Altstadt<br />
von Omiš schlendern<br />
(also im Sommer<br />
so gut wie immer), muss<br />
man sich anstrengen, um das<br />
„Haus des glücklichen Mannes“<br />
zu finden. Mit dem Tipp, dass es<br />
an das Restaurant „König“ angrenzt,<br />
klappt es aber doch. Die<br />
Sehenswürdigkeit ist in knapp<br />
30 Sekunden abgefrühstückt.<br />
Das „Haus des glücklichen Mannes“<br />
heißt nämlich nur wegen<br />
der lateinischen Inschrift über<br />
dem Portal so. Sie besagt: „Herr,<br />
ich danke dir, dass ich auf dieser<br />
Welt sein durfte.“ Leider ist<br />
nicht überliefert, wer der glückliche<br />
Mann war und ob er glücklich<br />
darüber wäre, dass sein<br />
schönes Portal heute in einen<br />
Souvenirshop führt.<br />
Glücklich machen die rund 15.000<br />
aktuellen Einwohner von Omiš<br />
seit vielen Jahren vor allem zahlungskräftige<br />
Besucher. Die<br />
Kleinstadt 25 Kilometer westlich<br />
von Split an der kroatischen<br />
Adriaküste lebt vom Tourismus,<br />
der nicht nur die malerischen<br />
Gassen als Attraktion verkauft,<br />
sondern vor allem das Image des<br />
Ortes als Piratennest. Vom 12.<br />
bis zum 14. Jahrhundert war<br />
Omiš ein Stützpunkt von Seeräubern,<br />
die für ihre Beutezüge<br />
hier perfekte geografische Bedingungen<br />
vorfanden. In der<br />
Stadt mündet der Fluss Cetina<br />
in die Adria. Er kommt aus einer<br />
Schlucht, die er in die Bergkette<br />
hinter den Häuserzeilen gegraben<br />
hat. Wer dort ums Eck segelt,<br />
wird vom offenen Meer aus<br />
nicht gesehen, kann aber gleichzeitig<br />
vorbeikommende Schiffe<br />
schnell angreifen.<br />
Geschäften dieser Art geht<br />
mittlerweile natürlich niemand<br />
Das „Haus des glücklichen Mannes“<br />
STYRIA/WEICHSELBRAUN<br />
mehr nach. Auf Bootstouren in<br />
den Canyon wird, zumindest im<br />
kriminellen Sinn, niemand mehr<br />
ausgeraubt. Mittlerweile ist für<br />
Touristen gratis eine Attraktion<br />
dazugekommen. Über den Fluss<br />
spannt sich in 70 Metern Höhe<br />
die Brücke der neuen Umfahrungsstraße,<br />
frei schwebend<br />
zwischen zwei Tunnelportalen.<br />
Sie macht seit mehr als einem<br />
Jahr international Schlagzeilen,<br />
auch in der <strong>Kleine</strong>n <strong>Zeitung</strong>.<br />
Denn zunächst schienen die aus<br />
beiden Richtungen aufeinander<br />
zugebauten Brückensegmente<br />
nicht zusammenzufinden. Am<br />
Ende aber doch.<br />
Die<br />
Piraten<br />
waren<br />
schneller<br />
Omiš<br />
Sehenswert ist neben der<br />
Cetina-Mündung vor allem<br />
die Festung Mirabella. Sie<br />
entstand rund um einen<br />
Turm, der einst Piraten als<br />
Aussichtspunkt diente.<br />
Erreichbar ist sie – gut<br />
beschildert – direkt aus<br />
der Altstadt.<br />
Im März 2023 gelang die Vereinigung,<br />
die „Hochzeit“ wurde<br />
in Omiš groß gefeiert. Immerhin<br />
hatte die Bevölkerung mehr als<br />
30 Jahre auf den Bau der Umfahrungsstraße<br />
gewartet. Ende<br />
2023 sollte sie eröffnet werden.<br />
Aber dann wurde die Freigabe<br />
der Brücke zunächst auf Februar,<br />
dann auf März und schließlich<br />
auf unbestimmte Zeit verschoben.<br />
„Sie haben keinen<br />
Windschutz gebaut und werden<br />
die Brücke nun bei jedem Sturm<br />
schließen müssen“, erzählt man<br />
sich im Ort. Die offizielle Version<br />
klingt laut dem Autobahnbetreiber<br />
„Hrvatske ceste“ so: „Die<br />
Ausrüstung von Straßen und<br />
Anlagen und damit auch die<br />
technischen Kontrollen sind<br />
recht komplex und dauern noch<br />
an“.<br />
In den vergangenen Wochen<br />
führte man Tests im Windkanal<br />
und Modellrechnungen durch.<br />
„Da es am Standort keine zuverlässigen<br />
meteorologischen Daten<br />
gibt, werden nun Wetterstationen<br />
installiert und mit Messgeräten<br />
auf der Brücke verbunden.“<br />
Damit wolle man<br />
realistische Daten zum Verhalten<br />
des spektakulären Bauwerks<br />
erhalten. „Danach werden<br />
Projekte mit modifiziertem<br />
Windschutz sowie zusätzliche<br />
Arbeiten zur Stabilisierung des<br />
Bauwerks in Auftrag gegeben.“<br />
Das nährt den Verdacht, dass es<br />
sich bei den zuständigen Ingenieuren,<br />
um beim Beispiel aus<br />
Omiš zu bleiben, im Moment<br />
eher nicht um glückliche Männer<br />
beziehungsweise Frauen<br />
handelt.<br />
Die Touristen bleiben glücklich.<br />
Fotografieren kann man<br />
die Brücke ja schon. Und wenn<br />
sie irgendwann einmal endlich<br />
für den Verkehr geöffnet wird,<br />
hat man wenigstens einen<br />
Grund, um wiederzukommen.<br />
In Omiš mündet<br />
der Fluss<br />
Cetina in die<br />
Adria. Er<br />
kommt aus<br />
einer Schlucht,<br />
die er in die<br />
Berge hinter<br />
der Stadt<br />
gegraben hat<br />
IMAGO/TAMBOLY<br />
Fotos wie<br />
dieses gingen<br />
kurz vor<br />
Bauende der<br />
Brücke um die<br />
Welt IMAGO/PIXSELL<br />
POST AUS GRADO<br />
Stefan Maiwald lebt seit<br />
Jahren in Grado. Auch sein<br />
Buch „Meine Bar in Italien“<br />
(Styria-Verlag) spielt dort.<br />
Ein Geheimtipp<br />
für Wagemutige<br />
Seit dieser Woche ist die Schiffslinie<br />
Grado–Triest wieder in Betrieb, was uns<br />
alle freut. Das neue Schiff ist auch endlich<br />
hochseetüchtig (sagen die Betreiber), im<br />
Gegensatz zum Vorgänger, was aber über<br />
die Jahre niemanden groß zu stören<br />
schien. Die Fahrtzeit beträgt eineinhalb<br />
Stunden. Das neue Schiff trägt den Namen<br />
„Audace“ – kühn, wagemutig. Das ist dann<br />
doch wieder etwas beunruhigend.<br />
Touristen fragen sich oft, warum es<br />
keine Schiffsverbindung von Grado nach<br />
Venedig gibt. Ja, das ist tatsächlich ein<br />
paar Mal versucht worden. Aber es rechnet<br />
sich einfach nicht, denn die Fahrt dauert<br />
dreieinhalb Stunden. Selbst bei einem Aufbruch<br />
frühmorgens kommt man erst am<br />
späten Vormittag an und dann muss man<br />
ja auch bald die Rückfahrt antreten, was<br />
wenig Zeit für einen Bummel lässt.<br />
Schiffsdiesel ist außerdem teuer. Aber wer<br />
weiß? Vielleicht findet sich ja ein Unternehmer,<br />
der es noch einmal wagen will.<br />
Auch der Fahrradbus hat seinen Betrieb<br />
aufgenommen, der zwei Mal am Tag von<br />
Udine über Palmanova, Aquileia und Grado<br />
und wieder zurück fährt. Das ist eine feine<br />
Sache; wie in der letzten „Post aus Grado“<br />
geschrieben, soll in den nächsten Jahren<br />
zudem ordentlich in die Radwege rund um<br />
die Insel investiert werden.<br />
Am 1. Mai war die feierliche Eröffnung<br />
der Strandsaison, wo sich Italien so<br />
prächtig und behäbig präsentiert, wie es<br />
bei solchen Anlässen sein muss (finden<br />
jedenfalls die Italiener.) Der kommissarische<br />
Bürgermeister, der noch bis zu den<br />
Neuwahlen Anfang Juni im Amt ist, trägt<br />
stolz die grün-weiß-rote Schärpe, das Ortsorchester<br />
spielt auf, Reden werden gehalten,<br />
die „bandiera blu“ wird gehisst, die<br />
blaue Flagge, die Grado als besonders gepflegten<br />
Strand auszeichnet.<br />
Schirme und Liegen sollen ab 17. Mai<br />
offiziell aufgestellt und vermietet werden.<br />
Das Baden vorher ist selbstverständlich<br />
erlaubt. Derzeitige Wassertemperatur nach<br />
dem empfindlich kühlen April (wer über<br />
Ostern vor Ort war, weiß, wovon der Autor<br />
redet): 14 Grad.
22|SONNTAG<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
LEBEN & GESELLSCHAFT|23<br />
Die dunkle Seite der<br />
Maria Montessori<br />
In einer aktuellen Monografie wird die Ikone der<br />
Reformpädagogik erneut entzaubert: Die Italienerin<br />
Maria Montessori (1870–1952) vertrat rassistisches<br />
Denken und stand dem Faschismus nahe.<br />
Dreimal war sie für den<br />
Friedensnobelpreis nominiert.<br />
Ihr Credo:<br />
„Konflikte zu vermeiden,<br />
ist Werk der Politik; den<br />
Frieden aufzubauen, ist Werk<br />
der Erziehung.“<br />
Maria Montessori wurde 1870<br />
in Italien geboren und war eine<br />
der ersten Frauen, die Medizin<br />
studierten. Zur Pädagogik kam<br />
die Ärztin laut Biografin Rita<br />
Kramer nach dem Besuch einer<br />
psychiatrischen Einrichtung in<br />
Rom: Sie sah Kinder, die in dunkle,<br />
kahle Zimmer gesperrt waren,<br />
wo sie völlig apathisch vor<br />
sich hindämmerten. Montessori<br />
war entsetzt.<br />
1907 eröffnete sie das erste<br />
„Kinderhaus“ in einem römischen<br />
Armenviertel, wo Kinder<br />
nicht nur verwahrt, sondern gefördert<br />
wurden. Sie schaffte es,<br />
die oft so schwierigen, auffälligen<br />
Kinder zu lernfreudigen<br />
Menschen zu machen. Montessoris<br />
pädagogische Grundgedanken<br />
waren, vereinfacht ausgedrückt:<br />
Freiheit statt Zwang,<br />
Lernen durch Begreifen, vom<br />
Sinnlichen zum Abstrakten.<br />
Raum, um eigene Erfahrungen<br />
zu machen, und Zeit für Übung.<br />
„Hilf mir, es selbst zu tun“, lautete<br />
eine Maxime Montessoris. Eine<br />
Revolution zu einer Zeit, in<br />
der Kinder nur Druck, Drill und<br />
Zwang ausgesetzt waren. 1910<br />
veröffentlichte Montessori ihr<br />
wissenschaftliches Hauptwerk<br />
unter dem Titel „Antropologia<br />
pedagogica“. Der weltweite<br />
Hype darum war enorm. Als<br />
Montessori 1913 damit auch<br />
nach New York reiste, kündigte<br />
die „New York Tribune“ sie als<br />
Von Manuela Tschida-Swoboda<br />
„interessanteste Frau Europas“<br />
an. Sie hielt einen Vortrag in der<br />
übervollen Carnegie Hall, wurde<br />
von Erfinder Thomas Alva Edison<br />
zum Essen eingeladen und<br />
von Präsidententochter Margaret<br />
Wilson durch Washington<br />
geführt.<br />
Mehr als 100 Jahre später, im Jahr<br />
2019, erschien Maria Montessoris<br />
Buch auch auf Deutsch. Für<br />
Sabine Seichter, Professorin für<br />
Allgemeine Erziehungswissenschaft<br />
an der Universität Salzburg,<br />
war diese 600-Seiten-<br />
Schrift mit dem Titel „Pädagogische<br />
Anthropologie“ der Anlass,<br />
Montessoris geistigen Nährboden<br />
zu Erziehungszielen und<br />
-methoden anhand ihrer Schriften<br />
unter die Lupe zu nehmen.<br />
Die Erziehungswissenschaftlerin<br />
stieß dabei allerdings auf<br />
kein humanistisches Welt- und<br />
Menschenbild, sondern auf ein<br />
rassistisch und eugenisch<br />
durchdrungenes, wie sie der<br />
Austria Presse Agentur (APA)<br />
erklärte.<br />
Statt Vielfalt zu respektieren,<br />
galt Montessoris Aufmerksamkeit<br />
der Hervorbringung des perfekten<br />
Menschen, der ästhetisch<br />
vollkommen, körperlich<br />
gesund, moralisch und intellektuell<br />
vollkommen zu sein hat,<br />
sagt die Forscherin. „Ich wollte<br />
mit meinem Buch nicht einen<br />
Mythos zerstören, sondern – anhand<br />
von Montessoris Schriften<br />
– einen erhellenden Blick auf die<br />
scheinbare Lichtgestalt der Reformpädagogik<br />
werfen. Wissenschaftliche<br />
Forschung ist der<br />
wertfreien Aufklärung verpflichtet<br />
und ich denke, dass<br />
Sabine<br />
Seichter.<br />
Der lange<br />
Schatten<br />
Maria<br />
Montessoris.<br />
Der Traum<br />
vom perfekten<br />
Kind. Beltz<br />
Verlag,<br />
198 Seiten,<br />
30,50 Euro.<br />
”<br />
Montessoris Denken hat<br />
nichts mit einer kinderlieben<br />
Erzieherin zu tun.<br />
Ihre Überzeugungen<br />
speist sie aus der<br />
Rassenanthropologie.<br />
Sabine Seichter<br />
Erziehungswissenschaftlerin<br />
“<br />
diese in der Montessori-Rezeption<br />
bis heute vielfach fehlt.“<br />
Die Studienautorin moniert,<br />
„dass man Maria Montessori anscheinend<br />
nicht kritisieren darf.<br />
Das wird von ihrer eingeschworenen<br />
Anhängerschaft beinahe<br />
wie Blasphemie geächtet. Montessori<br />
wird im Gegenteil geradezu<br />
wie eine Heilige verehrt. Es<br />
gibt Wundererzählungen, Erfolgsgeschichten<br />
und werbeträchtige<br />
Wohlfühlslogans.<br />
Dunkle biografische Details wie<br />
zum Beispiel, dass sie ihr eigenes<br />
Kind weggegeben hat oder<br />
dass ihr rassenanthropologisches<br />
Denken alles andere als<br />
inklusiv war, werden dann gerne<br />
ausgeblendet.“ Maria Montessori<br />
verheimlichte tatsächlich<br />
ihre Schwangerschaft und<br />
gab ihren Sohn Mario direkt<br />
nach der Geburt zu einer Amme.<br />
Ein uneheliches Kind war zur<br />
damaligen Zeit ein gesellschaftlicher<br />
Skandal. Erst mit 15 Jahren<br />
nahm sie ihr Kind wieder zu<br />
sich.<br />
Zur Person<br />
Maria Montessori, geboren<br />
am 31. 8. 1870 in Chiaravalle/<br />
Ancona, gestorben am<br />
6. 5. 1952 in Südholland.<br />
Ärztin, Reformpädagogin<br />
und Philosophin.<br />
1907 leitete sie ihr erstes<br />
Kinderhaus in Rom. Ihren<br />
Sohn Mario nahm sie erst<br />
mit 15 zu sich.<br />
„Das Besondere an meiner Studie<br />
ist“, so erläutert Seichter, „dass<br />
Montessoris Denken nichts mit<br />
einer kinderlieben Erzieherin zu<br />
tun hat, wie es oft völlig verkitscht<br />
dargestellt wird, sondern<br />
mit einer Naturwissenschaftlerin,<br />
die ihre ‚pädagogischen‘<br />
Überzeugungen voll und<br />
ganz aus der Rassenanthropologie<br />
speist. Und davon ist sie zeitlebens<br />
auch nie abgerückt.“<br />
Maria Montessori sei es nie um<br />
das einzelne individuelle Kind<br />
gegangen, „ihr schwebte vielmehr<br />
der Aufbau einer besseren<br />
Menschheit vor, genauer gesagt:<br />
der sogenannten weißen Rasse.<br />
Maria Montessoris<br />
pädagogischer<br />
Ansatz:<br />
selbstständiges<br />
Lernen<br />
fördern<br />
GETTY/ULLSTEIN<br />
Alles, was sie tat, zum Beispiel<br />
ihr enger Schulterschluss mit<br />
dem italienischen Faschismus<br />
Benito Mussolinis, passierte,<br />
weil sie eine kalkulierte Strategin<br />
war, die genau wusste, wie<br />
sie sich für die Verbreitung ihrer<br />
Gedanken inszenieren musste,<br />
von der Kleidung bis zur Rhetorik.<br />
Ihr Traum war der Traum<br />
vom neuen Menschen, vom perfekten<br />
Kind, das sie dann vollmundig<br />
als den neuen Messias<br />
ankündigte“, sagt Seichter.<br />
Auf die Frage, wie es Eltern in der<br />
Praxis nun mit Montessori-Einrichtungen<br />
halten sollen, erklärt<br />
die Erziehungswissenschaftlerin<br />
Seichter im APA-Science-Talk:<br />
„Salopp würde ich sagen,<br />
man muss eigentlich froh<br />
sein, wenn in einer Montessori-<br />
Einrichtung nicht viel von jener<br />
Montessori drin ist, die ich analysiert<br />
habe.“<br />
Ich plädiere auf Gassigeherrouten<br />
– und wo wäre<br />
in unserer hundelieben<br />
Stadt keine? – für eine allgemeine<br />
Gacksisackerlpflicht.<br />
Das kam so: Ich gehe,<br />
Kopfhörer an den Ohren, um<br />
über die neuesten Weltkatastrophenneuigkeiten<br />
informiert zu sein, mit meinem<br />
Vollmops Paul an der<br />
Mur spazieren, wo eine von<br />
der Stadt in den Boden gerammte<br />
Tafel ein „gedeihliches<br />
Miteinander“ einmahnt.<br />
Ein Bild auf der Mahntafel<br />
zeigt uns als ineinander<br />
verkeilte heitere Menagerie.<br />
Wir sind rüstige Wanderer<br />
und Tierfreunde, die ihre<br />
Lieblinge äußerln führen,<br />
und Kinder auf Dreiradlern<br />
(ich habe hier noch nie ein<br />
Kind auf einem Dreiradler<br />
gesehen) und Mamas und<br />
Papas mit ihrem Nachwuchs<br />
in Kinderwagerln.<br />
Folgendes passiert nun:<br />
Ich höre gerade, dass<br />
überall auf der Welt geschossen,<br />
gestochen, gefoltert,<br />
gestreikt und hungers<br />
gestorben wird, während<br />
mein Paul sanftmöpsisch<br />
röchelt. Er dürfte sich, ginge<br />
es nach den Tierschützern,<br />
gar nicht seines Lebens<br />
erfreuen, weil er eine „Qualzuchtkreatur“<br />
sei. Ich finde<br />
diese Bezeichnung würdelos,<br />
aber die Weltverbesserer<br />
kennen kein Halten; die<br />
Würde meines Pauls ist<br />
ihnen sogar im Kant-Jahr<br />
schnuppe. Während derlei<br />
Untiefen meinen Spaziergang<br />
entlang der Mur-Auen<br />
zur Hochschaubahn der<br />
EINE FRAGE<br />
DER MORAL<br />
Peter Strasser<br />
ist Philosoph in Graz.<br />
Soll man<br />
eine allgemeine<br />
Gacksisackerlpflicht<br />
einführen?<br />
Gefühle machen, bleibt Paul<br />
stehen, schaut mich mit<br />
seinen basedowschen Äuglein<br />
bedürftig an – und setzt<br />
einen dampfenden Haufen<br />
ab, dessen Größe und Konsistenz<br />
von strotzender<br />
Gesundheit zeugen.<br />
Ich zücke mein Gacksisackerl,<br />
um Pauls Morgengabe<br />
ordentlich zu entsorgen,<br />
da kommt von hinten<br />
ein Rennradler angerauscht<br />
(ach, was waren das für<br />
Zeiten, als man noch auf<br />
dem Rad gemütlich durch<br />
die Gegend zockelte!) und<br />
rast, den schwarzbehelmten<br />
Kopf tief über die Rennradlenkstange<br />
gebeugt,<br />
blindlings in Pauls Zeugnis<br />
einer famosen Verdauung.<br />
Es macht ein quatschendes<br />
Geräusch, dann ein quietschendes<br />
wegen des Bremsmanövers,<br />
das der Rennradler<br />
einleitet, während<br />
sein Vorderreifen mit Pauls<br />
kernweicher Tretmine, die<br />
ordnungsgemäß ins Gacksisackerl<br />
gehörte, rundum<br />
eingegatscht wird.<br />
Der Rennradler reißt sich<br />
den Sturzhelm vom<br />
Kopf, um sich die Haare zu<br />
raufen, und, während aus<br />
meinen Kopfhörern laufend<br />
Kriegsgeräusche dringen,<br />
schreit er mich an, ich möge<br />
gefälligst „den Dreck“ von<br />
seinem „Radl“ wegmachen.<br />
Da kommt mir, des gedeihlichen<br />
Miteinanders eingedenk,<br />
über die Lippen: „Machen<br />
Sie’s doch selber, Sie<br />
Herrenradler, und nicht vergessen:<br />
Ordentlich rein damit<br />
ins Gacksisackerl!“
24|SONNTAG<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
FAMILIE & BEZIEHUNGEN|25<br />
MUTTER<br />
SEIN<br />
FAST VERLIEBT<br />
Claudia Schumacher. Die rätselhafte Welt<br />
der menschlichen Beziehungen –<br />
von wahren Begebenheiten inspiriert.<br />
Daniela Buchegger,<br />
Mutter von zwei Kindern<br />
Bitte<br />
aussteigen!<br />
Ich behaupte von mir,<br />
eine gute Autofahrerin<br />
zu sein. Zugegeben, das<br />
Stellen der Parkuhr gehört<br />
nicht zu meinen<br />
größten Stärken, aber<br />
meine Fahrkünste sind<br />
durchaus herzeigbar. Das<br />
sehen meine beiden Kinder<br />
jedoch offensichtlich<br />
anders. Vor allem mein<br />
bald vierjähriger Sohn<br />
fühlt sich regelmäßig<br />
dazu veranlasst, mir aus<br />
der zweiten Reihe mehr<br />
oder meist weniger gut<br />
gemeinte Anweisungen<br />
zu geben. „Überholen,<br />
Mama!“ „Schneller, Mama!“<br />
„Bremsen, Mama!“<br />
Nahezu frech wird er,<br />
wenn er bemerkt, dass<br />
ich mich verfahren haben<br />
könnte: „Falscher Weg,<br />
Mama.“ Oder fast boshaft:<br />
„Haha, verfahren, Mama.“<br />
Und ich übertreibe damit<br />
wahrlich nicht.<br />
Und meine sechsjährige<br />
Tochter? Die<br />
befürchtet anscheinend,<br />
dass ich die Bremsen<br />
nicht immer im Griff<br />
habe. Als ich jüngst meine<br />
beiden kleinen Mitfahrer<br />
auf dem Rücksitz<br />
liebevoll darauf hingewiesen<br />
habe, dass auf der<br />
Wiese vor uns ein paar<br />
Rehe stehen, sagte meine<br />
Tochter nur lapidar: „Gut,<br />
dass du sie nicht zusammengefahren<br />
hast.“<br />
Das letzte Wort habe<br />
aber noch immer ich:<br />
„Heute fahrt ihr Bus.“<br />
Mädchen<br />
können alles<br />
In ihrem aktuellen Buch „Mädchen stärken“<br />
erklärt Annette Oschmann,<br />
warum das immer noch notwendig ist.<br />
Auf dem Empfang und<br />
Vortragsabend für<br />
Mandanten einer Anwaltskanzlei<br />
wurden<br />
auch Snacks angeboten. Fragt<br />
der männliche Mandant die sehr<br />
attraktive 25-jährige Rechtsreferendarin<br />
mit Doktortitel: ‚Hier<br />
soll es irgendwo Häppchen geben.<br />
Sind Sie eins davon?‘“ Diese<br />
Szene schildert Annette<br />
Oschmann in ihrem soeben erschienen<br />
Buch „Mädchen stärken“.<br />
Dass die junge Frau mitlächelte,<br />
statt den Mann zurechtzuweisen,<br />
wertet sie als schweren<br />
Fehler.<br />
Die Rechtsanwältin, die seit mehreren<br />
Jahren auch als Mediatorin<br />
und Coachin arbeitet, erlebt<br />
immer wieder, dass unsere Gesellschaft<br />
Mädchen und Frauen<br />
auch nach Jahrzehnten der<br />
Emanzipation in bestimmte<br />
Rollen drängt und in Ecken<br />
zwängt. Viele Mädchen und<br />
Frauen würden das allerdings<br />
noch immer zulassen, „weil sie<br />
Von Manuela Tschida-Swoboda<br />
Autorin Annette Oschmann<br />
GOLDEGG VERLAG/MAISENHAELDER<br />
so zugänglich und anpassungsfähig<br />
sind, gerade weil das ‚Du‘<br />
und das ‚Wir‘ sowie das Erspüren<br />
der Bedürfnisse anderer für viele<br />
Mädchen und Frauen einen so<br />
hohen Stellenwert hat“, erklärt<br />
Oschmann im Interview.<br />
Unsere Gesellschaft, die so<br />
stark auf Leistung und Performance<br />
ausgerichtet sei, bringe<br />
aber gerade „die leistungsstarken<br />
Mädchen und Frauen dazu,<br />
sich dem zu entziehen“. All diese<br />
Beobachtungen aus ihrer<br />
Coaching-Tätigkeit haben die<br />
Mutter von drei Söhnen im Alter<br />
von 15, 19 und 21 Jahren zum<br />
Schreiben dieses Buchs veranlasst,<br />
denn Mädchen müssten<br />
auch heute noch gestärkt werden.<br />
Sie erlebe bei ihren Klientinnen<br />
immer wieder Muster, die<br />
sich über Generationen halten,<br />
die Frauen kleinmachen und<br />
kleinhalten würden. Es sei noch<br />
immer notwendig, Mädchen in<br />
ihrer Individualität zu fördern,<br />
sie in ihrem Selbstwert zu stärken<br />
und ihnen Mut zuzusprechen:<br />
„Damit kann gar nicht<br />
früh genug begonnen werden.“<br />
”<br />
Sie sind als Mutter<br />
das erste Rollenvorbild<br />
für Ihre Tochter.<br />
Nutzen Sie das!<br />
Annette Oschmann<br />
Autorin und Coachin<br />
“<br />
Attraktivität war für Frauen immer<br />
wichtig, für die heute heranwachsenden<br />
Mädchen ist es<br />
aber das alles überragende Topthema:<br />
„Egal wie intelligent, wie<br />
sportlich, wie kreativ oder wie<br />
kommunikativ sie sind, mit<br />
dem eigenen Aussehen steht<br />
und fällt alles“, sagt Oschmann.<br />
Hier gehe es darum, die Selbstakzeptanz<br />
zu stärken. „Ich darf<br />
so sein, wie ich bin. Ich bin genau<br />
richtig“, das seien Sätze, die<br />
vielen Mädchen und Frauen nur<br />
schwer über die Lippen kommen.<br />
„Mädchen haben andauernd<br />
das Gefühl, sie müssten es<br />
anderen recht machen, anderen<br />
gefallen“, erklärt die Expertin.<br />
Kinder brauchen<br />
Wurzeln, aber<br />
auch Flügel<br />
ADOBE/YUGANOV<br />
Information<br />
Annette<br />
Oschmann (54) ist<br />
Mediatorin und<br />
Coachin in Essen.<br />
Die Rechtsanwältin<br />
ist verheiratet<br />
und Mutter von<br />
drei Söhnen.<br />
Soeben erschienen:<br />
Mädchen stärken.<br />
Goldegg Verlag,<br />
252 Seiten, 22 Euro.<br />
Ihr Tipp: „Es gibt drei Prinzipien,<br />
die sich positiv auf die Entwicklung<br />
von Mädchen auswirken:<br />
Erstens: Vertrauen und Kontrolle.<br />
Zweitens: das rechte Maß.<br />
Drittens: Vorbild sein.“ Mit dem<br />
rechten Maß meint Oschmann,<br />
„nicht zu viel und nicht zu wenig<br />
behüten: Kinder brauchen<br />
Wurzeln, aber sie brauchen auch<br />
Flügel“. Kinder benötigen das<br />
Gefühl von Stabilität, aber auch<br />
genügend Raum, um sich entwickeln<br />
zu können. Das lernen sie<br />
im Übrigen nicht nur im Elternhaus,<br />
auch Großeltern, Kindergarten,<br />
Schule und der Freundeskreis<br />
würden dazu beitragen.<br />
Hier möchte die Coachin auch<br />
den Druck von Eltern und insbesondere<br />
von Müttern nehmen:<br />
„Ein afrikanisches Sprichwort<br />
lautet: Es braucht ein Dorf, um<br />
ein Kind zu erziehen.“<br />
„Mädchen müssen liebevoll gefördert<br />
werden“, sagt<br />
Oschmann. Man müsse ihnen<br />
ein Gespür für ihre eigenen Grenzen<br />
vermitteln: Was will ich?<br />
Was will ich nicht? Oschmann<br />
sieht immer wieder, dass just<br />
empathische und hochsensible<br />
Frauen Probleme hätten, einen<br />
Grenzzaun um sich zu ziehen,<br />
aber genau den brauche es, „um<br />
sie widerstandsfähig zu machen<br />
gegen den Wind, der Frauen<br />
immer noch entgegenschlägt“.<br />
Ein anderer Rat: „Sie<br />
sind als Mutter das erste Rollenvorbild<br />
für Ihre Tochter. Nutzen<br />
Sie das!“ Und es gehe dabei niemals<br />
darum, perfekt zu sein.<br />
Eifersucht<br />
Was es braucht, damit man sich<br />
vom dunkelsten aller Beziehungsgefühle<br />
befreien kann.<br />
Einer meiner guten Freunde<br />
erzählt oft von der<br />
Eifersucht seiner Partnerin.<br />
Sie fühle sich nicht wohl,<br />
wenn eine andere Frau zu<br />
laut über seine Witze lache.<br />
Abends dürfe er sich nicht<br />
allein mit anderen Frauen<br />
treffen. „Ich muss die ganze<br />
Zeit auf der Hut sein, um<br />
ihre Eifersucht nicht zu<br />
reizen“, sagt er bedrückt.<br />
Ich lasse das dunkle,<br />
schwere, kaltnasse Gefühl<br />
kurz auf mich wirken: Eifersucht,<br />
brrr! Sofort werfe ich<br />
sie zurück in den Giftschrank<br />
– und wundere<br />
mich. Lange her, dass ich so<br />
gefühlt habe. Dabei war ich<br />
doch früher einmal selbst<br />
Botschafterin der Eifersucht?<br />
Mit 20 machte ich meinem<br />
ersten Freund auf<br />
der Straße eine Szene, weil er<br />
angeblich einer anderen<br />
nachschaute – Verrat! Wie<br />
ein Klischee auf zwei Beinen<br />
zischte und heulte ich und<br />
rannte allein nach Hause.<br />
Später schrieb ich Artikel, in<br />
denen ich die Eifersucht<br />
lobte („Der Partner spürt<br />
jedenfalls: Er ist gewollt“),<br />
und solche, in denen ich<br />
Freundschaft zwischen<br />
Frauen und Männern als<br />
Phänomen „auf Zeit“ erklärte:<br />
„Teilweise hielten<br />
diese Freundschaften gerade<br />
so lange, bis der Mann oder<br />
ich in einer Beziehung verschwand.<br />
Vielleicht wollte ja<br />
doch insgeheim einer mehr.“<br />
Heute kommen mir diese<br />
Sätze sehr weit weg vor.<br />
Ich habe männliche Freunde,<br />
mein Mann hat Freundinnen<br />
– und das ist gut. Die Vorstellung,<br />
Freundschaft zwischen<br />
Mann und Frau sei<br />
nicht ohne Hintergedanken<br />
möglich, ist doch verstörend,<br />
oder?<br />
Man muss sich im Leben<br />
irgendwann entscheiden,<br />
wo es hingehen soll: auf<br />
die Sonnenseite oder die<br />
Schattenseite? Leider leidet<br />
der Eifersüchtige ja am allermeisten<br />
selbst unter seiner<br />
Eifersucht. Aber auch die<br />
Geliebten bekommen Liebe<br />
lieber durch Vertrauen, Romantik<br />
und Verbindung zu<br />
spüren als durch Gängelung,<br />
Vorschriften oder eine Szene<br />
auf offener Straße.<br />
Ich kenne die fiesen, hochnäsigen<br />
und widersprüchlichen<br />
Glaubenssätze der<br />
Eifersucht: „Die andere Frau<br />
will mich beklauen“, „Mein<br />
Mann liebt mich nicht und<br />
hält Ausschau nach anderen“.<br />
Dahinter versteckt sich<br />
Unsicherheit, ein schlechtes<br />
Selbstwertgefühl. Nur wer<br />
sich selbst nicht viel wert<br />
ist, glaubt, andere könnten<br />
einen jederzeit wegwerfen<br />
oder mit Füßen treten. Wer<br />
an sich selbst glaubt, wer<br />
anderen vertraut, den lässt<br />
auch die Eifersucht in Ruhe.<br />
Die eifersüchtige Partnerin<br />
meines guten<br />
Freundes möchte ich am<br />
liebsten in den Arm nehmen<br />
und ihr sagen: Ich weiß, wie<br />
es dir geht, aber befreien<br />
kannst du dich nur selbst.<br />
Aber das mache ich natürlich<br />
nicht. Ich würde damit<br />
nur ihre Eifersucht befeuern.
26|SONNTAG<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
SINN & SUCHE|27<br />
SCHRIFT-ZEICHEN<br />
„Ich nenne euch nicht mehr<br />
Knechte. Vielmehr habe ich<br />
euch Freunde genannt.“<br />
Joh 15,15<br />
Im intimen Gespräch mit<br />
den Jüngerinnen und<br />
Jüngern bringt Jesus den<br />
Sinn seiner Mission auf<br />
den Punkt. Er befreit sie<br />
und damit uns von falschen<br />
Gottesbildern. Wir<br />
stehen in keinem sklavischen<br />
Verhältnis zu Gott,<br />
auch nicht in einer knechtischen<br />
Lohnarbeiter-<br />
Beziehung, wo ich beständig<br />
leisten muss, um<br />
nicht gekündigt zu werden.<br />
Weder der Sklave<br />
noch der Knecht sind ab<br />
nun Modelle, die unser<br />
Verhältnis zu Gott abbilden<br />
sollen.<br />
Trotzdem sind unsere<br />
Religionsgeschichte und<br />
unsere eigene Spiritualität<br />
immer wieder in Gefahr,<br />
in diese alten, von<br />
Jesus abgeschafften Geleise<br />
zu geraten. Doch davon<br />
hat uns Jesus ja schon<br />
erlöst. Wir brauchen es<br />
nur zu realisieren, dass<br />
wir durch ihn in eine<br />
andere Dimension eingetreten<br />
sind. Er erhebt den<br />
Menschen aus einer minderwertigen<br />
Existenz zur<br />
Höhe der Freundschaft,<br />
die wohl der edelste und<br />
motivierendste Weg eines<br />
Miteinanders sein kann.<br />
In Freundschaft mit Gott<br />
zu leben, das müsste<br />
man uns als Menschen<br />
und als Kirche in der<br />
Realität aber auch anmerken<br />
können.<br />
Hans-Peter<br />
Premur,<br />
katholischer<br />
Priester in<br />
Krumpendorf<br />
„Menschen sind<br />
eigentlich<br />
zufrieden“<br />
INTERVIEW. Der Soziologe Armin Nassehi<br />
über Überforderung als Problem der Eliten,<br />
individuelle Zufriedenheit und allgemeine<br />
Unzufriedenheit, Hoffnung auf Kontinuität<br />
und Erwartungen an die KI.<br />
Sie beschäftigen sich intensiv<br />
mit dem Zusammenleben<br />
in unserer Gesellschaft.<br />
Gespalten,<br />
überfordert, überhitzt: Welche<br />
der Zuschreibungen trifft den aktuellen<br />
Zustand am ehesten?<br />
ARMIN NASSEHI: Diese Zuschreibungen<br />
gelten natürlich alle.<br />
Krise und Transformation sind<br />
aber die beiden Worte, die alles<br />
überlagern. Es zeigt sich, dass<br />
wir mit klassischen Formen Krisen<br />
nicht mehr bewältigen können.<br />
Von Wolfgang Fercher<br />
Sie haben schon 2021 in einem<br />
Buch über die „überforderte Gesellschaft“<br />
geschrieben. Ist die<br />
Gesellschaft mit ihrem Zusammenleben<br />
überfordert oder sehen<br />
wir eine Überforderung von<br />
Individuen?<br />
Dass einzelne Menschen überfordert<br />
waren, galt immer. Heute<br />
zeigen empirische Ergebnisse,<br />
dass die Menschen in unserem<br />
privilegierten Teil der Welt mit<br />
ihrem eigenen Leben eigentlich<br />
relativ zufrieden sind. Aber sie<br />
sagen, das Gesamtsystem ist<br />
ganz schrecklich. Das passt ja<br />
nicht so richtig zusammen.<br />
Überfordert sind also vor allem<br />
Eliten, die diese Probleme lösen<br />
müssen und feststellen, dass es<br />
permanent Zielkonflikte gibt,<br />
wie etwa in der Coronapandemie<br />
zwischen Freiheitsrechten und<br />
dem Recht auf Leben und Gesundheit.<br />
Beim Klimaschutz etwa<br />
müssen wir auf neue Technologien<br />
umstellen, das kostet<br />
viel Geld und kann Preise erhöhen<br />
– dann sinken die Zustimmungsraten<br />
für Klimaschutz.<br />
Früher wurden Zielkonflikte<br />
wegmoderiert, das geht heute<br />
nicht mehr. Dann versucht man<br />
es mit Nebenschauplätzen wie<br />
Leitkultur-Debatten.<br />
Sind die nicht Ausdruck eines<br />
Unbehagens gegenüber Migrationsströmen<br />
und deren Folgen für<br />
die Gesellschaft?<br />
Migrationsthemen waren eigentlich<br />
immer welche, an denen<br />
man besonders gut andocken<br />
und auf Probleme verweisen<br />
konnte. Europa sagt immer,<br />
wir müssen das begrenzen,<br />
Grenzen schließen. Aber alle, die<br />
sich damit auseinandersetzen,<br />
wissen genau, dass das so einfach<br />
nicht passieren wird. Und<br />
das produziert dieses Unbehagen.<br />
Und rechte Parteien haben die<br />
glaubwürdigeren Antworten?<br />
Sie tun sich zumindest leichter<br />
in der Argumentation. Rechtspopulisten<br />
geben vor, genau zu<br />
wissen, was man machen muss.<br />
Wenn es Donald Trump nicht<br />
gäbe, müsste man ihn literarisch<br />
erfinden. Der weiß zu jedem<br />
Problem eine eindeutige<br />
Lösung und es gibt keine Abweichung<br />
im Denken.<br />
Inwieweit sind die angesprochenen<br />
Zielkonflikte ausschlaggebend<br />
für die Spaltung der Gesellschaft?<br />
Ich würde die Diagnose der gespaltenen<br />
Gesellschaft gar nicht<br />
so teilen. Das Spaltungspotenzial<br />
liegt in der Politik und in der<br />
veröffentlichten Meinung. Was<br />
Einstellungen und Lebensformen<br />
angeht, ist das gar nicht so<br />
stark. Was wir eher haben, ist,<br />
dass der Glaube an die Eliten<br />
verschwunden ist – egal, ob wissenschaftliche,<br />
politische, ökonomische<br />
oder medizinische.<br />
Einher geht das mit Ablehnung<br />
demokratischer Institutionen<br />
oder auch wissenschaftlicher Arbeit.<br />
Wie gefährlich ist das?<br />
Total gefährlich, und man kann<br />
es nicht durch gutes Zureden<br />
loswerden. Was hilft, sind Erfolge<br />
und kompetente Formen politischer<br />
und ökonomischer Entscheidungen.<br />
Zufrieden waren<br />
Leute immer dann, wenn sie<br />
Kontinuität verspürten. Die<br />
ökologische Transformation<br />
muss man mit Antworten auf<br />
soziale Fragen verbinden. Deutlich<br />
gestiegene Energiepreise<br />
können für unterste Gehaltsklassen<br />
zu einer Frage von sein<br />
oder nicht sein werden.<br />
Braucht es im Klimaschutz<br />
nicht trotzdem mehr Tempo oder<br />
Zur Person<br />
Armin Nassehi, geboren 1960<br />
in Tübingen, ist ein deutscher<br />
Soziologe und Autor mehrerer<br />
Bücher. Als Professor an der<br />
Ludwig-Maximilians-Uni München<br />
forscht er u. a. zu Gesellschaftstheorie<br />
und sozialen<br />
Systemen.<br />
vielleicht sogar radikale Antworten<br />
wie jene der Letzten Generation?<br />
Ich glaube nicht, dass es radikale<br />
Antworten braucht, sondern<br />
kleine Schritte. In den letzten<br />
Jahrzehnten ist fast nie etwas<br />
disruptiv passiert, sondern evolutionär,<br />
etwa die Veränderung<br />
von gesellschaftlichen Milieus<br />
oder Geschlechterrollen. Wenn<br />
es heißt, wir haben keine Zeit<br />
mehr, dann muss man es trotzdem<br />
langsamer machen, weil<br />
die Gesellschaften das nicht hergeben.<br />
Auch auf die Gefahr hin, dass<br />
man gewisse Klimaschutzziele<br />
nicht erreicht, mit allen möglichen<br />
Konsequenzen?<br />
Das lässt sich nun mal nicht ändern.<br />
Gesellschaften sind träge.<br />
Kein Mensch glaubt doch ernsthaft,<br />
dass die Pariser Klimaziele<br />
erreicht werden. Im <strong>Kleine</strong>n passiert<br />
vieles an Transformation.<br />
Sie haben einmal geschrieben,<br />
dass ein „Sich-gegenseitig-in-Ruhe-Lassen“<br />
schon eine „zivilisatorische<br />
Errungenschaft“ wäre,<br />
egal, ob es ums Geschlecht, Sexualität,<br />
Ethnizität oder Hautfarbe<br />
geht. Warum schaffen wir es<br />
nicht mehr, andere einfach so<br />
sein zu lassen, wie sie sind?<br />
Ich würde ja sagen, Zivilisation<br />
kann man daran erkennen, dass<br />
man nicht alles sagt, was einem<br />
gleich in den Kopf kommt. Einerseits<br />
haben wir eine nie dagewesene<br />
Pluralität, andererseits<br />
bekämpfen wir uns mit<br />
Fragen der Zugehörigkeit, Identität<br />
und richtiger Lebensform.<br />
Der Transformationsdruck ist<br />
groß, deshalb sehnt man sich<br />
nach Kontinuitäten. Diese dialektische<br />
Beziehung kann man<br />
Armin Nassehi.<br />
Unbehagen.<br />
Theorie der<br />
überforderten<br />
Gesellschaft<br />
C. H. Beck,<br />
384 Seiten,<br />
26,95 Euro.<br />
Armin Nassehi<br />
sieht nicht<br />
wirklich eine<br />
gespaltene<br />
Gesellschaft<br />
ADOBE<br />
nicht aufwiegen. In den 70er-<br />
Jahren wollten wir sozialen Aufstieg,<br />
raus in die Welt, neue<br />
Möglichkeiten, heute wollen wir<br />
eigentlich zurück in eine vergleichsweise<br />
starke Sicherheit.<br />
Ist all das, was wir gerade besprochen<br />
haben, nicht ohnehin<br />
bald Makulatur, weil künstliche<br />
Intelligenz unsere Gesellschaft<br />
radikal verändern wird?<br />
Sie wird sich verändern, aber<br />
nicht so radikal, dass es diese<br />
Zielkonflikte nicht mehr gibt.<br />
Diese Technologien duplizieren<br />
Strukturen der Gesellschaft. Sie<br />
müssen also auch träge sein.<br />
Aber wir werden Steuerungstechniken<br />
in einer Geschwindigkeit<br />
haben, die man sich mit natürlichem<br />
Bewusstsein nicht<br />
vorstellen kann.<br />
Wie groß ist Ihre Hoffnung,<br />
dass uns KI helfen wird, solidarischer<br />
zu werden?<br />
Ich glaube nicht, dass wir dadurch<br />
solidarischer werden, aber<br />
sie kann helfen, effizienter zu<br />
werden oder solidarische Lösungen<br />
für Verteilungskonflikte<br />
besser hinzukriegen. Gerechter,<br />
schlauer, vernünftiger können<br />
die Dinger nicht sein, weil sie<br />
weder gerecht noch schlau noch<br />
vernünftig sind.<br />
OBJEKT DER WOCHE<br />
Heute: der Maibuschen<br />
Die Kraft<br />
der Kräuter<br />
Nach altem Brauch<br />
werden für Christi<br />
Himmelfahrt Maibuschen<br />
gebunden. „Auffahrtskräuter“<br />
werden<br />
die Wiesenblumen auch<br />
genannt, die um diesen<br />
Feiertag, 40 Tage nach<br />
Ostern, blühen. Zu Maibuschen<br />
gebunden, sollen<br />
sie vor Unheil schützen.<br />
Sie werden in den Stall<br />
gehängt, sollen die Mäuse<br />
abhalten und das Vieh<br />
vor Krankheiten schützen.<br />
Im Haus kommen<br />
sie in den Herrgottswinkel.<br />
Maibuschen in<br />
Haus und Hof sollen<br />
außerdem vor Blitz und<br />
Donner schützen. Zum<br />
Maibuschen gehören auf<br />
alle Fälle die Wiesen-<br />
Margerite, die lilafarbene<br />
Acker-Witwenblume,<br />
vielleicht der gelbe Hahnenfuß,<br />
selten zu finden,<br />
aber wunderschön die<br />
Heide-Nelke, die pinkrosa<br />
blüht.<br />
Und natürlich das<br />
Gänseblümchen, das<br />
neben seiner unaufgeregten<br />
Schönheit auch noch<br />
ein wildwachsendes<br />
Superfood ist. Schon im<br />
Mittelalter galt es als<br />
Wunderkraut und bei<br />
Hildegard von Bingen<br />
brachte es Kranke wieder<br />
zu Kräften und sorgte für<br />
einen klaren Verstand.<br />
Manuela Tschida-Swoboda<br />
ADOBE
aufmerksam<br />
griech.<br />
Buchstabe<br />
österr.<br />
Skirennläuferin<br />
(Traudl) †<br />
poln.<br />
Politiker<br />
(Józef)<br />
† 1944<br />
Nebenhaus<br />
Pokal<br />
(engl.)<br />
bayer.<br />
Volksdichter<br />
† 1921<br />
lustige<br />
Darbietung<br />
(engl.)<br />
sagenh.<br />
weiser<br />
Ratgeber<br />
Odins<br />
Atomart<br />
eines<br />
chem.<br />
Elements<br />
Stadt an<br />
der<br />
Thaya<br />
Spaltwerkzeug<br />
Körperorgan<br />
Abk.:<br />
Doktor<br />
Doktor<br />
Gebirgsbach<br />
Andrang<br />
sandiges<br />
Badeufer<br />
altgriechischer<br />
Waldgeist<br />
Abbauform<br />
im<br />
Bergbau<br />
ugs.:<br />
stechen<br />
vorgeschichtl.<br />
Bewohner<br />
Italiens<br />
deshalb<br />
veraltet:<br />
Cousine<br />
frz.: nein<br />
Papa<br />
(engl.<br />
Kurzform)<br />
Übertragungsgerät<br />
f. digitale<br />
Daten<br />
span.<br />
Maler<br />
(Joan)<br />
† 1983<br />
Kurzwort<br />
für ein<br />
Urreptil<br />
Prüfer<br />
Anhänger<br />
einer<br />
Subkultur<br />
von geringer<br />
Wassertiefe<br />
stoßweise<br />
windig<br />
med.<br />
Vorsorgeuntersuchung<br />
lautm.<br />
für den<br />
Schluckauf<br />
(ugs.)<br />
Fruchtbrei<br />
Sauerstoffverbindung<br />
Gemüsepflanze<br />
plötzlicher<br />
Angriff<br />
Längsträger<br />
eines<br />
Schiffes<br />
türk.<br />
Sultansname<br />
Männerkurzname<br />
Argonautenführer<br />
(gr.<br />
Sage)<br />
gesamte<br />
Takelung<br />
eines<br />
Schiffes<br />
Einzahlung<br />
schweizerisch:<br />
Speiseeis<br />
arabisch:<br />
Sohn<br />
Säuger mit<br />
Hautfalte<br />
für den<br />
Nachwuchs<br />
Österr.<br />
Rundfunk<br />
(Kurzf.)<br />
Name<br />
vieler<br />
österr.<br />
Orte<br />
Aufgussgetränk<br />
Pueblobewohner<br />
in<br />
Arizona<br />
ugs.:<br />
gemein,<br />
widerwärtig<br />
behaarte<br />
Tierhaut<br />
gezogener<br />
Wechsel<br />
Hornzehe<br />
techn. Vorzeichnung<br />
Edelkastanie<br />
Teil<br />
Großbritanniens<br />
Digitalisiergerät<br />
(EDV)<br />
Himmelsbote<br />
Dichtungsmittel<br />
(Glaser)<br />
kurzärmeliges<br />
Trikothemd<br />
amerik.<br />
Jazzpianist<br />
(Count) †<br />
ugs.:<br />
billiges<br />
Taschenmesser<br />
türk.<br />
Anisbranntwein<br />
Süßwasserspeisefisch<br />
Achtelbogengröße<br />
(Buch)<br />
afrik.<br />
Rundplatzsiedlung<br />
Zahlwort<br />
Sittenlehre<br />
Gebirge<br />
auf<br />
Kreta<br />
ugs.:<br />
Männchen<br />
Abzählreim:<br />
..., mene,<br />
muh<br />
EUROMILLIONEN | ZIEHUNG VOM 3. MAI 2024<br />
6 9 10 30 49 | 3 4<br />
0 x 5 +2 17.000.000,00<br />
3 x 5 +1 211.741,00<br />
8 x 5 +0 18.557,70<br />
24 x 4 +2 1926,70<br />
816 x 4 +1 104,30<br />
1569 x 3 +2 57,30<br />
1610 x 4 +0 39,30<br />
21.715 x 2 +2 14,50<br />
35.764 x 3 +1 9,80<br />
LUCKY DAY<br />
zwei zusammengehörende<br />
Dinge<br />
dt. EDV-<br />
Pionier<br />
(Konrad)<br />
† 1995<br />
Schaukelreck<br />
Geliebte<br />
des Zeus<br />
Boot der<br />
Malaien<br />
75.020 x 3 +0 8,70<br />
109.236 x 1 +2 7,20<br />
508.536 x 2 +1 4,90<br />
1.027.342 x 2 +0 3,90<br />
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7 0 7 6 1 1 6 8 3 0<br />
In der nächsten Ziehung geht es um<br />
27 Millionen Euro.<br />
(Alle Angaben ohne Gewähr)<br />
XX-XX-X XXXXXXX, Ziehung vom DD. MMMM<br />
leichter<br />
Schlag<br />
franz.<br />
Männername<br />
(Peter)<br />
brav,<br />
artig<br />
Südosteuropäer<br />
Weil wir<br />
wollen,<br />
dass Kinder<br />
neugierig<br />
bleiben<br />
altrömischer<br />
Marktplatz<br />
tatkräftiges<br />
Streben<br />
südamerikanische<br />
Hochgrassteppe<br />
Die Auflösung finden Sie im Hauptblatt auf Seite 46<br />
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s2020-0018<br />
Impressum: KLEINE ZEITUNG gegründet 1904. Erscheinungsort Graz, Verlagspostamt 8020 Graz. – Medieninhaber (Verleger): <strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong> GmbH & Co KG. Geschäftsführung: Mag. Xenia Daum,<br />
Mag. Thomas Spann. Chefredakteur: Mag. Hubert Patterer. Alle: 8010 Graz, Gadollaplatz 1, Tel.: 0316/875-0. Digital: www.kleinezeitung.at. Redaktionen Graz: 8010 Graz,<br />
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<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
RÄTSEL|29<br />
Korbwurfart<br />
im Basketball<br />
auf mehrere<br />
verteilter<br />
Betrag<br />
nett,<br />
zierlich,<br />
possierlich<br />
Witterung,<br />
über lange<br />
Zeiträume<br />
betrachtet<br />
Abk.: Instrumentenlandesystem<br />
Wiener<br />
Schauspielerin<br />
† 1934<br />
lateinisch:<br />
ich<br />
weiches<br />
Gewebe<br />
keltischer<br />
Sänger,<br />
Dichter<br />
Stadt im<br />
Kanton<br />
Bern<br />
altgriech.<br />
Stadt<br />
wohlhabender<br />
Mensch<br />
Vorname<br />
der Schauspielerin<br />
Feiler †<br />
kaum<br />
hörbar<br />
Mittelsperson<br />
bei<br />
Seancen<br />
Abk.:<br />
Administration<br />
altgriech.<br />
Grabsäule<br />
frz. Autor †<br />
(Jean-Paul)<br />
Beurkundungsjuristen<br />
ein<br />
Handwerksberuf<br />
stark<br />
an sich<br />
ziehen<br />
rumän.<br />
Währungseinheit<br />
(Mz.)<br />
gurrender<br />
Vogel<br />
Paste;<br />
Salbe<br />
altgriech.<br />
Philosoph<br />
leichtathlet.<br />
Übung<br />
ein Teilgebiet<br />
der Mathematik<br />
Meine<br />
Zukunft.<br />
weibliches<br />
Raub-,<br />
Pelztier<br />
Name des<br />
Fuchses<br />
in der<br />
Fabel<br />
frühere<br />
landwirtsch.<br />
Gehilfin<br />
kurze<br />
Filmeinstellung<br />
(engl.)<br />
Verslehre<br />
fruchtbare<br />
Wüstenstelle<br />
Monatsmitte<br />
im röm.<br />
Kalender<br />
ferner,<br />
außerdem<br />
englischer<br />
Hochadliger<br />
Maßeinteilung<br />
an Messgeräten<br />
Vorname<br />
von<br />
Picasso<br />
† 1973<br />
Verfahrenslehre,<br />
-weise<br />
brit. u.<br />
amerik.<br />
Marine<br />
poetisch:<br />
darüber<br />
männl.<br />
Vorname<br />
Schriftstil<br />
Wasserkochgefäß<br />
Glanz-,<br />
Höhepunkt<br />
(frz.)<br />
Strom<br />
in Südamerika<br />
Flugsandhügel<br />
Haft,<br />
Gefängnis<br />
Missgunst<br />
Tortillachip<br />
aus<br />
Maismehl<br />
italienischer<br />
Frauenname<br />
Innzufluss<br />
in Tirol<br />
Weglassen<br />
eines<br />
Satz-<br />
Rolle<br />
zum Aufwickelgliedes<br />
ripsartiger<br />
Textilstoff<br />
Vorsilbe:<br />
Blut<br />
(griech.)<br />
gebratene<br />
Fleischschnitte<br />
Zweig<br />
der<br />
Medizin<br />
Barriere,<br />
Schlagbaum<br />
österr.<br />
Kabarettist<br />
(Gernot)<br />
kuban.<br />
Politiker<br />
(Che)<br />
† 1967<br />
lat.:<br />
Zorn<br />
Gliedmaßenteil<br />
dän.<br />
Ostseeinsel<br />
Bob-,<br />
Rodelbahn<br />
Grundform,<br />
Urgestalt<br />
Top-<br />
Berühmtheit<br />
Postschnellsendung<br />
Arbeitsferien<br />
exklusives<br />
Fest<br />
zweiter<br />
Präsident<br />
der USA<br />
† 1826<br />
Roman<br />
von Zola<br />
† 1902<br />
abgeschloss.<br />
Klosterbereich<br />
Dringlichkeitsvermerk<br />
span.<br />
Maler<br />
(Salvador)<br />
† 1989<br />
Fluss zur<br />
Weichsel<br />
Bankansturm<br />
(engl.)<br />
Elbe-<br />
Zufluss<br />
Cocktail<br />
mit Zitronensaft<br />
(engl.)<br />
Mutter<br />
der<br />
Helena<br />
Revue<br />
engl.<br />
Männername<br />
altmexikanischer<br />
Indianer<br />
Pferdekrankheit<br />
schneefrei<br />
orient.<br />
Gedichtform<br />
mustergültig<br />
Straßenzoll<br />
Frauenfigur<br />
in<br />
„Wiener<br />
Blut“<br />
Fechthieb<br />
Lausbub<br />
bei<br />
Wilhelm<br />
s1823-1264<br />
Busch<br />
Die Auflösung finden Sie im Hauptblatt auf Seite 46<br />
®
30|HOROSKOP<br />
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
IHRE STERNE<br />
Widder 21.3. – 20.4.<br />
Job:<br />
Ehrgeizig verfolgen Sie<br />
Ihre Ziele und schaffen das,<br />
was Sie sich vorgenommen<br />
haben. Liebe: Greifen Sie<br />
auf Ratschläge Ihrer Lieben zurück,<br />
und verzichten Sie auf Eigensinn.<br />
Allgemeines: Variieren Sie Ihr Trai-<br />
ningsprogramm.<br />
Krebs 22.6. – 22.7.<br />
Job: Fordern Sie sich und<br />
andere nur nicht zu sehr.<br />
Gehen Sie alles in Ruhe an.<br />
Das wird bereichern. Liebe:<br />
Nehmen Sie sich Zeit für die Liebe,<br />
und setzen Sie auf Genuss. Innigkeit<br />
beflügelt. Allgemeines: Schaffen Sie<br />
sich Ruheinseln.<br />
Waage 24.9. – 23.10.<br />
Job: Überlegen Sie in Ruhe,<br />
was Sie realisieren möch-<br />
ten, und überdenken Sie<br />
Ihre Prioritäten. Liebe: Es<br />
geht ein wenig hin und her. Versu-<br />
chen Sie, feinfühlig zu sein und Streit<br />
zu vermeiden. Allgemeines: Ernähren<br />
Sie sich ausgewogen.<br />
Steinbock 22.12. – 20.1.<br />
Job: Sie erkennen, wie sich<br />
Erfolge erzielen lassen.<br />
Unterstützen Sie auch die,<br />
die nicht weiterwissen.<br />
Liebe: Glücksgefühle schenkt Ihnen<br />
unter Venus auch die Liebe. Unter-<br />
nehmen Sie Schönes. Allgemeines:<br />
Konzentrieren Sie sich auf Wichtiges.<br />
Stier 21.4. – 20.5.<br />
Job: Handeln Sie nicht<br />
voreilig, und versuchen Sie,<br />
das Miteinander empa-<br />
thisch zu fördern. Liebe: Sie<br />
bezaubern charmant. Eifersüchte-<br />
leien sind aber möglich. Zeigen Sie,<br />
wem Ihr Herz gehört. Allgemeines:<br />
Halten Sie bewusst inne.<br />
Löwe 23.7. – 23.8.<br />
Job: Vieles kann nun aktu-<br />
ell werden und interessantsant<br />
sein. Sortieren Sie in Ruhe<br />
aus, was von Belang ist.<br />
Liebe: Sie beschäftigen sich mit vielem.<br />
Bleiben Sie auch zugewandt, und star-<br />
ten Sie Schönes zu zweit. Allgemeines:<br />
Überdenken Sie Gewohnheiten.<br />
Skorpion 24.10. – 22.11.<br />
Job: Erledigen Sie eine<br />
Aufgabe umgehend, und<br />
schauen Sie, ob frühere Me-<br />
thoden hilfreich sind. Lie-<br />
be: Singles erobern, und in Ihrer Zwei-<br />
samkeit knistert es herrlich. Venus<br />
schenkt ein Liebeshoch. Allgemeines:<br />
Setzen Sie besondere Akzente.<br />
Wassermann 21.1. – 19.2.<br />
Job: Ihre Ideen und Vorha-<br />
ben setzen Sie unter Mars<br />
zielstrebig und entschlos-<br />
sen in die Tat um. Liebe:<br />
Kommen Sie Pflichten und Verpflich-<br />
tungen nach. Zeigen Sie, dass auf Sie<br />
Verlass ist. Allgemeines: Prüfen Sie<br />
Angebote genau.<br />
Zwillinge 21.5. – 21.6.<br />
Job: Bleiben Sie geduldig,<br />
wenn ein Projekt nicht so-<br />
fort vorankommt. Nutzen<br />
Sie Ihren Elan überlegt.<br />
Liebe: : Seien Sie weiterhin achtsam,<br />
und nehmen Sie auf die Belange Ihrer<br />
Lieben Rücksicht. Allgemeines: Offen-<br />
heit für Hinweise kommt gut an.<br />
Jungfrau 24.8. – 23.9.<br />
Job: Sie können Schwieri-<br />
ges dank Jupiter meistern,<br />
und ausgeglichen faszi-<br />
nieren Sie. Liebe: Sie leben<br />
Ihre Gefühle unter Venus aus, und Sie<br />
zeigen, wie sehr Sie innige Momente<br />
genießen. Allgemeines: Gönnen Sie<br />
sich Auszeiten.<br />
Schütze 23.11. – 21.12.<br />
Job: Sie bringen sich unter<br />
Pluto und Mars intensiv<br />
in ein wichtiges Projekt<br />
ein. Erfolge winken. Liebe:<br />
Überlegen Sie, wie Sie Ihrer Zweisam-<br />
keit Frische schenken können. Seien<br />
Sie achtsam. Allgemeines: Pflegen<br />
Sie Ihre Freundschaften.<br />
Fische 20.2. – 20.3.<br />
Job: Sie haben sich mit vie-<br />
lem beschäftigt. Zeigen Sie<br />
das, aber entscheiden Sie<br />
nichts vorschnell. Liebe: Sie<br />
zeigen unter Venus, wie sehr Sie Nähe<br />
genießen. Schmieden Sie gemeinsam<br />
Zukunftspläne. Allgemeines: Spiele-<br />
abende beglücken.<br />
GARFIELD<br />
CRASHKURS<br />
Wie sagt<br />
man das auf<br />
Englisch?<br />
Bitte halten Sie Abstand.<br />
Please keep the distance.<br />
LEICHT<br />
undef.<br />
9 8 1 3 7<br />
2 8 1<br />
4 9 3 7 5 8<br />
6 5 8 4 1 7 9<br />
8 2 6 5<br />
3 6 5 8 9<br />
1 3 8<br />
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SCHWER<br />
schwierig<br />
6<br />
9 7 1<br />
4 1 2 9<br />
6 4<br />
5 1<br />
7 8 3 5 9<br />
9 5<br />
FARBSUDOKU:<br />
Füllen Sie die leeren<br />
Felder Füllen so aus, Sie dass die leeren<br />
in jeder Felder Reihe, so inaus, dass in<br />
jeder jederReihe, Spalte, in in jeder Spalte<br />
jedem<br />
und 3x3-Quadrat<br />
in jedem 3x3-Quadrat<br />
und zusätzlich auf<br />
Feldern<br />
und gleicher<br />
zusätzlich auf<br />
Farbe Feldern die Ziffern gleicher Farbe<br />
1 bisdie 9 genau Ziffern einmal 1 bis 9 genau<br />
vorkommen. einmal vorkommen.<br />
VielDie Vergnügen! Auflösungen finden<br />
Sie im Hauptblatt auf<br />
Seite 46<br />
Täglich neue Rätsel<br />
und Logik-Spiele<br />
auf puzzlephil.com
<strong>Kleine</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
<strong>Sonntag</strong>, 5. Mai 2024<br />
VATER & SOHN|31<br />
Wir Jungen sind pan, fluid und divers.<br />
Und trotzdem engstirnig.<br />
Ein bisschen Spießigkeit kann<br />
im Leben aber nicht schaden.<br />
Meine Generation ist paradox. Wir wollen<br />
uns auf keinen Fall in Schubladen drängen<br />
lassen. Trotzdem reduzieren wir Menschen<br />
auf einzelne Eigenschaften. Nonkonformismus<br />
schützt nicht vor Engstirnigkeit. Ein<br />
Mann mit lackierten Fingernägeln? Der muss<br />
ein Feminist sein. Also links. Weil rechts<br />
kann es sowas ja nicht geben? Eine<br />
Frau, die eine Frau und keine „gebärende<br />
Person“ sein will? Rechts.<br />
Darüber hinaus feiern wir die<br />
polyamore Liebe. Wir begreifen<br />
uns als fluid, pan. Weltumfassend.<br />
Solange es die<br />
Welt ist, für die wir stehen.<br />
Eigentlich ziemlich spießig.<br />
Oder ist es spießig, wenn<br />
mir das gegen den Strich<br />
geht? Dann bin ich gerne spießig.<br />
Aber eine kurze Umfrage im<br />
Freundeskreis, der sich als weltoffen<br />
und tolerant identifiziert,<br />
ergibt: Wir alle sind stockspießsteif.<br />
Katharina hält es ganz<br />
und gar nicht aus, wenn Kindern<br />
allzu viele Freiheiten gelassen<br />
werden. Das kann ich verstehen.<br />
Wenn sich das Kind mit Wasser<br />
anschüttet und man es fragt, ob es<br />
das nasse Leiberl ausziehen möchte<br />
oder sich doch lieber selbstbestimmt<br />
eine Lungenentzündung<br />
holen möchte, dann ist das Glas<br />
voll. Akis wiederum steht auf eine strenge<br />
Schlafroutine. Als ihn neulich eine Freundin zum<br />
Beischlaf begleiten wollte und diese über keine<br />
Zahnbürste verfügte, ließ er ihr nur zwei Möglichkeiten:<br />
Tankstelle oder Abschied.<br />
Ein bisserl Elmayer darf im Leben schon sein.<br />
Strukturen geben dem Leben einen feierlichen<br />
Touch. Ungebügelte Hemdenträger, Menschen,<br />
die im Restaurant die Stoffserviette nicht<br />
auf ihre Schenkel legen – erste Vorboten des<br />
zivilisatorischen Niedergangs. Aber alles hat<br />
seine Grenzen: Die tagelangen Marmelade-Einkoch-Orgien<br />
der Liebsten und der Vorschlag<br />
eines Aktivurlaubs in den Alpen machen mir<br />
mittlerweile Sorgen. Wie gesagt, diese Generation<br />
ist paradox.<br />
MELICHAR & MELICHAR<br />
Wie<br />
spießig<br />
sind<br />
wir?<br />
Julian & Bernd<br />
Melichar<br />
Alternierend nehmen<br />
hier Valerie Fritsch und<br />
ihre Mutter Gudrun<br />
(Schriftstellerinnen) sowie<br />
Bernd Melichar und sein<br />
Sohn Julian (Kultur-Redakteur<br />
bzw. Außenpolitik-Redakteur<br />
der <strong>Kleine</strong>n <strong>Zeitung</strong>)<br />
Stellung zu Fragen der<br />
Gesellschaft und des Lebens.<br />
Nachzulesen unter:<br />
kleinezeitung.at/sonntag<br />
Was genau ist das, ein Spießbürger?<br />
Gehöre ich dazu? Und was steckt dahinter,<br />
dass mich der junge Mann nebenan zum<br />
Freigeist kürt? So viele Fragen!<br />
Ich habe ein Eigenheim gebaut (na ja, bauen<br />
lassen eigentlich), einen Sohn gezeugt und<br />
einen Lindenbaum gepflanzt; unterm Carport<br />
steht ein mittelgroßer SUV-Brocken; sonntags<br />
gehe ich gerne spazieren, ab und zu in die Kirche,<br />
Autoritäten kann ich akzeptieren, wenn<br />
sie das Format dazu haben. Ich bin seit<br />
einer Ewigkeit mit derselben Frau verheiratet,<br />
arbeite seit Jahrzehnten für<br />
dieselbe Firma. Ich mag Haustiere, habe<br />
aber selbst keine. Sie wissen schon, die<br />
vielen Haare. Ich mähe regelmäßig<br />
meinen Rasen, bin lieb zu allen Lebewesen,<br />
sogar zu den Nachbarn. Früher hatte<br />
ich sogar Thujen, aber die wurden leider<br />
kaputt. Macht mich all das zu einem<br />
Spießer, zu einem kleinkarierten Konformisten,<br />
einem Füdlibürger, wie die<br />
Schweizer sagen – schauen Sie ruhig<br />
nach, was „Füdli“ bedeutet!<br />
Aber nein, winkt der Junior nebenan<br />
energisch ab. Das sind nur Äußerlichkeiten.<br />
Beurteile nie ein Buch nach<br />
seinem Umschlag usw. usf. Du und<br />
ein Spießer? Never! Das hört man<br />
natürlich gerne, wer will schon ein<br />
Füdli sein? Aber möglicherweise<br />
steckt hinter der Krönung zum<br />
Libertin ein gerütteltes Maß an<br />
Eigeninteresse. Als der junge<br />
Mann noch erzieherisch formbar<br />
war, waren die Rollen der formenden<br />
Personen klar verteilt. Die<br />
Mutter war die böse Polizistin, die die Verbotstafeln<br />
aufstellte und die Einhaltung der Geschwindigkeitsbeschränkungen<br />
überprüfte. Der<br />
Vater, also ich, war der gute Polizist, der jede<br />
Grenzüberschreitung weglächelte und jede pubertäre<br />
Sauerei durchwinkte. Dreimal dürfen Sie<br />
raten, mit wem der Heranwachsende mehr im<br />
Clinch lag. Und ich stand als lässig-liberale Laissez-faire-Lichtgestalt<br />
da. Mieser Deal, ich weiß!<br />
Aber irgendetwas scheint schiefgelaufen zu<br />
sein bei diesem Hochrisikospiel namens<br />
Erziehung. Denn offensichtlich nicht nach dem<br />
coolen Freigeist-Cop ist das ehemalige Pubertier<br />
geraten, sondern nach jener strengen Polizistin,<br />
die ihm ein Regelwerk ins Stammbuch schrieb.<br />
Da hat das Leben wohl den Spieß umgedreht.
HADERER<br />
Wenn Sie glauben, dass<br />
Manager stets in Eile<br />
sind, dann irren Sie. Ich kenne<br />
viele, die mir schon bei kleinen<br />
Anlässen lange Briefe schreiben:<br />
Sie gratulieren zum Geburtstag,<br />
beglückwünschen<br />
mich zu meinen Einkäufen,<br />
unterbreiten lukrative Angebote,<br />
helfen mit Einrichtungs-<br />
und Modetipps, weisen<br />
mich auf allerlei Neues hin und<br />
zerbrechen sich den Kopf über<br />
meine Finanzen. Also kein<br />
Vergleich zum nur mühsam<br />
übertünchten Desinteresse der<br />
erbberechtigten Verwandtschaft.<br />
Unlängst informierte<br />
mich einer über die „Trendfarbe<br />
2024 für Ihr Zuhause“, obwohl<br />
er noch nie bei mir eingeladen<br />
war (wir sind noch per Sie). Die<br />
Farbe heißt „Peach Fuzz“, was<br />
meine Hoffnung nährt, dass<br />
ein paar Pfirsichblüten den<br />
Aprilfrost überlebt haben.<br />
ERNST JETZT!<br />
Über Geburtstagswünsche, Pfirsichblüten<br />
und die Bahama-Beige-Blamage.<br />
Wie es der Zufall will, hatte<br />
er farblich passende Ware lagernd,<br />
etwa eine pfirsichflaumfarbene<br />
Pfeffermühle um 99<br />
Euro. Das brachte mich in die<br />
Pfeffer-Zwickmühle. Einerseits<br />
wäre mir die Befreiung von der<br />
Schmach, mein Pfefferkorn in<br />
einer veraltet bemalten Mühle<br />
mahlen zu müssen, viel Geld<br />
wert. Andererseits war mir neu,<br />
dass es auch im Küchen- und<br />
Sanitärbereich Saisonmode<br />
gibt. Die Badezimmer der<br />
1970er-Jahre in Kotzgrün, Hellblau<br />
und dem legendären Bahama-Beige<br />
waren wenigstens<br />
noch hässlich für die Ewigkeit.<br />
(Sie sind wohl der Grund für die<br />
Bedeutung von „bad“ im Englischen.)<br />
Heute ist das anders:<br />
Wer grausliche Sanitärfarben<br />
liebt, muss Wanne, WC und<br />
Waschtisch jährlich wechseln.<br />
Sage noch einer, es gebe keinen<br />
Fortschritt! Ernst Sittinger